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English Erfahrungsbericht Memoir

Susannah Cahalan – Brain on Fire: My Month of Madness

CN dieses Buch: psychische Erkrankung, lebensbedrohliche Erkrankung
CN dieser Post: –


[… ] my immune system had gone haywire and had begun attacking my brain.

Die Autorin beschreibt in diesem Buch ausführlich ihren Krankheitsverlauf. Ihre Symptome ergeben kein deutliches Krankheitsbild, es braucht mehrere Wochen und viele verschiedene Ärztinnen und Ärzte, bis ihre Krankheit endlich einen Namen (und damit auch eine Therapiemöglichkeit) hat. Als Auslöser für ihre Symptome (Halluzinationen, Anfälle, psychotische Episoden, …) stellt sich schließlich eine seltene Form der Enzephalitis (Gehirnentzündung) heraus.

Will I be as slow, dour, unfunny, and stupid as I now felt for the rest of my life? Will I ever again regain that spark that defines who I am?

Der Diagnoseprozess, den ich hier so verkürzt in einem Absatz wiedergebe, nahm im realen Leben mehrere Wochen Zeit in Anspruch. Der Rehabilitationsprozess danach erforderte einige Monate, in denen sich die Autorin ständig fragte, ob sie jemals zu „ihrem alten Selbst“ zurückfinden würde. (Ich sehe eine interessante Parallele zu der aktuell gängigen Begrifflichkeit „zurück in die Normalität“ zu wollen.) Was dabei auch sehr deutlich wird: der Diagnoseprozess ist erst der Anfang. Selbst nach gefundener und bestätigter Diagnose dauert es noch, bis eine geeignete Therapie gefunden werden kann und dann auch tatsächlich anschlägt. Ein Rehabilitationsprozess ist ein tägliches Greifen nach dem kleinsten Strohhalm, ein ständiges Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten und dem Glauben an die eigene Zukunft.

Now, I think that this shame emerged out of the precarious balancing act between fear of loss and acceptance of loss. Yes, I could once again read and write and make to-do lists, but I had lost confidence and a sense of self. Who am I?

Am Ende kommt die Autorin zum Schluss, dass sie natürlich nicht zu ihrem alten Selbst zurückfinden kann. Weil die Erfahrung dieser beängstigenden und seltenen Krankheit sie verändert hat. Ihre wesentlichen Persönlichkeitsanteile sind jedoch erhalten geblieben. Und die kann sie nun nutzen, um zusammen mit der Erfahrung ihrer Krankheit Bewusstsein zu schaffen, ihre Geschichte öffentlich zu machen und zu teilen, um somit anderen Betroffenen Orientierungsmöglichkeiten zu bieten.

The girl in the video is a reminder about how fragile our hold on sanity and health is and how much we are at the utter whim of our Brutus bodies, which will inevitably, one day, turn on us for good. I am a prisoner, as we all are. And with that realization comes an aching sense of vulnerability.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Anna Wiener – Uncanny Valley

CN dieses Buch: Sexismus
CN dieser Post: Erwähnung von Menstruation und Belästigung (keine grafischen Beschreibungen)


Die Autorin analysiert in diesem Buch ihre Erfahrungen als Frau in der Tech-Branche (in New York und später im Silicon Valley) und setzt sie in Bezug zur Entwicklung der Arbeitskultur in den letzten Jahrzehnten. Viele der angesprochenen Themenbereiche waren mir zumindest vage bekannt, ihr analytischer und auch selbstkritischer Blick wirft jedoch ein neues Licht auf eine Unternehmens- oder sogar Branchenkultur, die einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft prägt. Beispiele dafür, welche Auswirkungen es hat, wenn Technologie hauptsächlich von jungen, weißen, männlichen Personen entwickelt wird, gibt es inzwischen zuhauf (zB bei einer frühen Version der Apple Health App wurde schlicht darauf vergessen, Menstruationstracking einzubauen). Aber selbst dort, wo (zumindest an der Oberfläche) bewusst nach Diversität gestrebt wird, haben Personen unterschiedlichen Geschlechts nach wie vor mit verschiedenen Umständen zu kämpfen. Die Argumente gegen eine Veränderung dieser Arbeitskultur haben wir wohl alle schon in der einen oder anderen Form mal gehört: „Diversitätsinitiativen wirken diskriminierend gegenüber Männern, Männer sind eben einfach talentierter im Technikbereich, wir würden ja gerne mehr Frauen anstellen, aber es bewerben sich ja keine.“

Sexism, misogyny, and objectification did not define the workplace – but they were everywhere. Like wallwaper, like air.

Nahezu gespenstisch distanziert (passend zum Buchtitel) beschreibt die Autorin ihre Erfahrungen als Mitarbeiterin verschiedener Technologieunternehmen. Es wirkt stellenweise fast so, als müsste sie sich selbst von außen betrachten, um überhaupt erklären zu können, warum sie sich so lange in dieser Lebens- und Arbeitskultur aufgehalten hat. Sie nennt bekannte Unternehmen in Form von kaum verhüllenden Decknamen: „the social network everyone hated, the search engine giant, the home-sharing platform“. Als Mitarbeiterin im Costumer Support eines Unternehmens im Bereich Business Analytics fühlt sie sich selbst manchmal als ein Stück Software:

Some days, helping men solve problems they had created for themselves, I felt like a piece of software myself, a bot: instead of being an artificial intelligence, I was an intelligent artifice, an empathetic text snippet or a warm voice, giving instructions, listening comfortingly. 

Mit entsprechenden Einblicken in die tatsächlichen Verhältnisse im Business Analytics Unternehmen verändert sich schließlich auch ihre Einstellung im Umgang mit den eigenen Daten.

But I found myself newly cautious, leery of giving away too much intimate data. God Mode had made me paranoid. It wasn’t the art of data collection itself, to which I was already resigned. What gave me pause was the people who might see it on the other end – people like me. I never knew with whom I was sharing my information.

Dabei ist anzumerken, dass auch die von Edward Snowden 2013 angestoßene „Globale Überwachungs- und Spionageaffäre“ angesprochen wird. Darauf folgte weltweit eine Auseinandersetzung mit den Folgen der anlasslosen Datensammlung und der Frage, wer eigentlich Zugriff auf welche Daten haben sollen darf.

It was revealed that lower-level employees at the NSA, including contractors, had access to the same databases and queries as their high-level superiors. Agents spied on their family members and love interests, nemeses and friends.

Inmitten dieser eher negativ beschriebenen Arbeitskultur finden sich dann kleine Lichtblicke des globalen Arbeitens mittels Videokonferenzen, die wir aufgrund der aktuellen Situation nun vermutlich auch alle kennen: „the surprise of seeing an animal emerging from under a desk“. Mit Referenzen auf populäre Debatten der Internetkultur (GamerGame), Verschwörungsmythologien (PizzaGate) und Fernsehserien (Game of Thrones-Referenz: „Is winter coming for the tech industry?“) kommt dann doch etwas Auflockerung in die insgesamt eher triste Analyse der Technologiewelt. Insgesamt ein spannender Einblick in eine Arbeitswelt, die über die Gestaltung von Technologie einen großen Einfluss auf uns alle ausübt.

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English Roman

Rachel Kushner – The Mars Room

CN dieses Buch: Mord, Gewalt, Stalking, sexuelle Handlungen, Suizid, Drogenmissbrauch
CN dieser Post: Erwähnung von Stalking


Prison was a place where you had to be strong to get through each day. […] To stay sane, that was the thing. To stay sane you formed a version of yourself you could believe in. 

In letzter Zeit passiert es mir immer wieder, dass ich ein Buch von meiner Bookmark-Liste in der Libby-App auswähle, weil es gerade verfügbar ist, ohne dass ich mich noch erinnern könnte, warum ich es überhaupt auf die Liste gesetzt habe oder worum es in dem Buch überhaupt geht. Der Titel dieses Buchs The Mars Room deutet nämlich kaum darauf hin, dass sich die Geschichte zu großen Teilen im Frauengefängnis abspielt.

Schon der erste Absatz zieht die Leserin direkt in die Geschichte hinein und stellt sowohl die Protagonistin Romy Hall, als auch ihren Status als Insassin eines Frauengefängnisses sowie ihren aktuellen Aufenthaltsort in einem Überstellungstruck in wenigen Sätzen klar. In den weiteren Kapiteln wird teilweise aus Romys Perspektive erzählt, aber auch andere Personen kommen zu Wort. Besonders bedrückend ist dabei die Perspektive durch die Augen und den Geist Kurt Kennedys, die kurz vor Ende auflöst, weswegen Romy überhaupt im Gefängnis gelandet ist.

I have no plans at all. The thing is you keep existing whether you have a plan to do so or not, until you don’t exist, and then your plans are meaningless. But not having plans doesn’t mean I don’t have regrets.

Thematisiert werden auch die speziellen Schwierigkeiten von transsexuellen Personen im Gefängnissystem. Dort gibt es kein diverses Geschlecht, es gibt nur weiblich und männlich. Menschen, die sich in diesen binären Kategorien nicht wiederfinden, sind gerade im Gefängnissystem unvorstellbaren Anfeindungen und Gefahren ausgesetzt. Als Parallele in der realen Welt lassen sich die Erlebnisse von Whistleblowerin Chelsea Manning erwähnen.

Randnotiz: Beim titelgebenden Mars Room handelt es sich um einen Strip Club. Romy beschreibt ihre männlichen Kunden als wandelnde Brieftaschen, die es möglichst effizient auszunehmen gilt. Eine andere Perspektive auf die Arbeit in einem (realen) Strip Club liefert diese Folge des Podcasts Death, Sex & Money, in der eine Tänzerin erklärt, dass sie ihre Arbeit hauptsächlich als therapeutisch begreift. Ein interessanter Einblick in eine Art Parallelwelt, die viele von uns vermutlich nur aus der verzerrten Darstellung in den Medien kennen.

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English Roman

Jojo Moyes – The Giver of Stars

CN dieses Buch: Mord, Gewalt gegen Frauen und Tiere
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Nach der nicht so angenehmen Begegnung mit dem Butt suchte ich Lesestoff mit Wohlfühlgarantie. Jojo Moyes schien mir da als sicherste Option auf meiner ganzen Liste. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Margery behaved, Alice realized with a jolt, like a man.
This was such an extraordinary thought that she found herself studying the other woman at a distance, trying to work out how she had come to his astonishing state of liberation.

Diese Geschichte porträtiert einige starke Frauen, die sich im ruralen Kentucky im Jahr 1937 Stück für Stück ihre Freiheit von den herrschenden gesellschaftlichen Konventionen erkämpfen. Ihre Waffen sind Bücher, Gesang und weiblicher Zusammenhalt. Und der Glaube daran, dass es immer einen Ausweg gibt.

‘There is always a way out of a situation. Might be ugly. Might leave you feeling like the earth has gone and shifted under your feet. But you are never trapped, Alice. You hear me? There is always a way around.’

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English Roman

Elizabeth Strout – Olive, Again

CN dieses Buch: Suizid, Sterben
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People either didn’t know how they felt about something or they chose never to say how they really felt about something. And this is why he missed Olive Kitteridge.

Da mir das erste Buch mit Geschichten um Olive Kitteridge so gut gefallen hat, und gerade auch wirklich eine Zeit für diese Art von Lektüre ist, habe ich mir gleich das zweite Buch ausgeliehen. Und bin jetzt schon traurig, dass es vermutlich kein weiteres Buch mehr mit ihr geben wird.

This is a hell of a world we live in. […]
Such a simple statement, but it was completely true.

Zu beschreiben, warum diese Geschichten so beruhigend auf mich wirken, ist mir schon beim ersten Buch nicht gut gelungen. Jetzt, wo sich die Leserin mit der Sprödigkeit und dem Unverständnis von Olive für bestimmte Lebenshaltungen und Werte akklimatisiert hat, kommt allerdings noch mehr zum Tragen, was sie eigentlich auszeichnet. Sie kann die wahre Traurigkeit in den Menschen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, wahrnehmen und bestätigen. Gleichzeitig ist ihr aber vollkommen unklar, was mit der Beziehung zu ihrem eigenen Sohn und seiner Familie nicht stimmt.

For a long time, Olive sat on the bed; she was just looking through the glass at the dark field. It seemed to her she had never before completely understood how far apart human experience was.

Am meisten berührt hat mich die Geschichte mit der Poetin Andrea. Olive führt mit ihr im Diner ein spontanes Gespräch über die Einsamkeit, hauptsächlich über Andreas einsames Leben aufgrund ihrer relativen Berühmtheit. Andrea veröffentlicht später ein Gedicht, das Olive zwar nicht beim Namen nennt, aber so deutlich beschreibt, dass es eindeutig ist, wer gemeint ist. In dem Gedicht schreibt Andrea Olive die gesamte Einsamkeit zu. In der Reflexion über dieses Gespräch (aus der auch das obige Zitat stammt) scheint Olive erst wirklich klar zu werden, wie unterschiedlich menschliche Empfindungen und Wahrnehmungen sein können. Sie lernt aus diesem Gespräch. In vieler Hinsicht steht Olive fest zu ihrer Meinung und lässt diese auch durch nichts und niemanden erschüttern. Aber dort, wo es um tief gehende menschliche Emotionen geht, dort kann sie und dort können wir alle immer noch etwas lernen.

You all know who you are. If you just look at yourself and listen to yourself, you know exactly who you are. And don’t forget it.

In einer anderen Geschichte erzählt eine ehemalige Schülerin von Olive, wie ihnen die Lehrerin Mrs. Kitteridge damals den Rat gegeben hat, nur auf sich selbst zu hören. Wir wissen bereits, wer wir sind, wir müssen uns nur die Zeit nehmen, auf uns selbst zu hören und uns nicht ablenken lassen von den Erwartungen der Gesellschaft oder dem, was andere Menschen für oder von uns wollen. Ein wunderbarer Rat für junge Menschen, aber auch für ältere Semester, die sich ihres Weges nicht mehr sicher sind.

Brené Brown schließt ihren Podcast Unlocking Us meistens (immer?) mit diesem Satz:

Stay awkward, brave and kind.

Genau das sehe ich in Olive Kitteridge. Genau das würde ich mir wünschen, in mir selbst und in anderen Menschen zu sehen.

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English

Rachel Friedman – The Good Girl’s Guide to Getting Lost

CN dieses Buch: –
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You can’t get lost when you have nowhere to be.

Für Reisegeschichten habe ich im vergangenen Jahrzehnt ein besonderes Faible entwickelt. Nachzulesen, wie andere Menschen unterwegs sind und wie sie sich dadurch verändern, gefällt mir sowohl in Fiktion (zB Amy & Roger’s Epic Detour) als auch in Non-Fiktion (zB Travelling with Ghosts).

Auch mit diesem Reisebericht hatte ich viel Spaß. Die Autorin erzählt, wie sie, anstatt ihre Ausbildung fortzusetzen und/oder Karriere zu machen, sich dafür entscheidet, zuerst möglichst viel von der Welt zu bereisen. Ich hab sehr viel von mir in ihr wiederentdeckt, wie zum Beispiel die Einfachheit, mit der damals die Schule zum Erfolg führte. Der Pfad war vorgezeichnet und es war immer klar, was zu tun ist.

He shrugs. “I have to do something.” We all do. It’s what is expected. Besides, we have healthcare to worry about. And student debt. And making a contribution to society, making our parents proud, making something of ourselves that we can hopefully believe in.

Viele junge Menschen wissen nicht, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen wollen. Darüber habe ich gerade erste letzte Woche selbst nachgedacht (also darüber, wie das bei mir damals war …). Ich wollte nie bewusst das werden, was ich heute bin, aber durch meine Entscheidungen in kleineren Lebensbereichen habe ich trotzdem entschieden, was ich werden will (und vor allem was nicht).

Die Zeiten, in denen ich mich low-budget in einem klapprigen Bus vom einen billigen Hostel zum Nächsten hätte transportieren lassen, hat es nie gegeben. In der Beschreibung von Rachel Friedmans ersten Hostel-Erfahrungen habe ich meine gesamten diesbezüglichen Befürchtungen wieder von Neuem erlebt. In der Beschreibung ihrer Reise durch Südamerika war mir auch oft nicht klar, worum es eigentlich noch geht. Auch wenn sie ihre Reiseroute offensichtlich nicht nach Instagram-ability ausgetüftelt hat, ist ein Hang zum Außergewöhnlichen (Paragliding, etc.) zu sehen. Vielleicht gehört das zu diesem Travel Life dazu? Immer auf der Jagd nach dem nächsten Kick zu sein?

Most days travel is thrilling: it’s new and exciting and challenging, and you want to take it all on. But some days, as in any place you happen to be, you’re tired and blue.

Die Autorin spart die schwierigen Momente des Reisens nicht aus. Sie erzählt davon, wie sie ausgeraubt wird und mit einer Magenverstimmung darnieder liegt. Wie Moskitos jeden Zentimeter ihres Körpers verwüsten und unvorhergesehene Ereignisse ihre Reise immer wieder verzögern.

It is a moment of pure travel pleasure. Carly already knew she was nowhere near finished having adventures, and right then I knew I wasn’t, either. This is what I wanted for myself, for there to be more days with the possibility of getting to hand-feed wild monkeys in the future, not fewer of them. This was my real world.

Und dann gibt es die guten Momente in dieser Geschichte, wo mir wieder mal schmerzlich bewusst wurde, welche Möglichkeiten auf Erfahrungen ich im vergangenen Jahr verloren habe. Meine erste Reise außerhalb von Europa musste verschoben und schlussendlich storniert werden, alle kleineren geplanten Reisen in den Nachbarländern sind auf unbestimmte Zeit nicht möglich. Manchmal wünsche ich mich einfach nur woanders hin. Und hoffe darauf, dass dieser lange Verzicht dazu führen wird, dass wir unsere Möglichkeiten und Privilegien mehr zu schätzen wissen.

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English Roman

Elizabeth Strout – Olive Kitteridge

CN dieses Buch: Suizid, Sterben
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Stupid – this assumption people have, that things should somehow be right.

Zu Beginn weißt du nicht, was du mit dieser Protagonistin anfangen sollst. Sie ist augenscheinlich kein sympathischer Mensch. Olive ist ungeduldig, direkt und verständnislos gegenüber Gejammer oder alltäglichen Sorgen. Sie erscheint harsch und spröde; die Bekannten aus der Kleinstadt fragen sich, wie ihr Mann es mit ihr aushält. (Tatsächlich hält er es nicht mit ihr aus, er akzeptiert und liebt sie einfach so, wie sie ist.)

Who, who, does not have their basket of trips? […] She thinks of Eddie Junior down there skipping stones, and she can only just remember that feeling herself, being young enough to pick up a rock, throw it out to sea with force, still young enough to do that, throw that damn stone.

Und doch ist Olive genau dann verständnisvoll, wenn ihre Mitmenschen in Notlagen sind. Dann kann sie schlicht die Situation anerkennen (so, you’re in hell). Was in solchen Situationen schon oft das Einzige ist, was wir für die Menschen, die da gerade durch müssen, tun können: anerkennen, dass sie gerade das Schlimmste erleben und mit ihnen in diesem Schmerz bleiben.

One afternoon as she was typing, her hand began to shake. When she held up her other hand, it was shaking too. She felt the way she had on the Greyhound bus that weekend Jace had told her about the blonde, when she kept thinking: This can’t be my life. And then she thought that most of her life she had been thinking: This can’t be my life.

Gleichzeitig ist das Buch eine Hymne an das Leben. Eine Aufforderung, unsere Zeit nicht zu verschwenden an Menschen, die uns nicht gut tun. Ein Aufruf, nicht aufzugeben, niemals das Leben einfach nur vorbeiziehen zu lassen, so schwer es manchmal auch sein mag.

Ich könnte noch mehr schreiben, aber das würde diesem Buch nicht gerecht. Wem das nicht reicht: The 2009 Pulitzer Prize Winner in Fiction. 

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English Roman

Nnedi Okorafor – Who Fears Death?

CN dieses Buch: Vergewaltigung, Völkermord, Sklaverei, Steinigung
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Says who? Says tradition. Oh, how our traditions limit and outcast those of us who aren’t normal.

Das Buch hab ich tatsächlich schon vor einigen Tagen fertig gelesen, konnte mich aber bisher nicht aufraffen, darüber zu schreiben. Die Geschichte ist schwierig und grausam und behandelt ein Thema, über das wir im Allgemeinen lieber nicht nachdenken würden.

The tinny smell of old wiring and dead motherboards was stronger up close. There were scattered keys from keyboards and pieces of thin plastic in the sand from broken screens and casings.

Dass es sich um eine dystopische Zukunftswelt handelt, wird lange nur angedeutet, das Fantastische (Menschen, die in der Lage sind, sich in Tiere zu verwandeln oder andere magische Fähigkeiten haben) überdeckt jedoch nicht die Ungerechtigkeit, mit der Menschen für Ereignisse bestraft und ausgegrenzt werden, die vor ihrer Geburt geschehen sind. Die Verzweiflung dieser von Geburt an gebrandmarkten und ausgestoßenen Menschen; das Unverständnis, mit dem diese als minderwertig angesehenen Kinder der Welt begegnen, wird deutlich spürbar.

To be something abnormal meant that you were to serve the normal. And if you refused, they hated you … and often the normal hated you even when you did serve them. 

Zu diesem Buch kann ich nur jenen raten, die sich tatsächlich in eine intensive Auseinandersetzung mit Unterdrückung, körperlicher Gewalt und dem Kampf gegen gesellschaftliche Normen, die diese Verhältnisse stützen, begeben wollen. Wer Parable of the Sower gut findet, wird auch hier nicht enttäuscht werden.

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English Roman

Elizabeth Gilbert – City of Girls

CN dieses Buch: Krieg
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What we’re doing here tonight doesn’t matter a bit in the cruel scheme of the world, but we’re doing it anyhow. Make it worth your while.

Ein wunderschöner Roman. Am ersten Teil, der im Rahmen eines etwas heruntergekommenen New Yorker Theaters stattfindet, hat mir besonders der Bezug zur Theaterwelt so gut gefallen. Die liebevolle Arbeit der Erzählerin Vivian an den Kostümen der Darsteller*innen des Lily Playhouse fühlte sich ähnlich an wie die Faszination an außergewöhnlichen Kleidungsstücken von Louisa in Still Me, die Kreativität ließ mich an Emi aus Nina LaCours Everything Leads to You denken, die mit einem ähnlichen Perfektionsanspruch an der Gestaltung von Filmsets arbeitet.

Eventually, all of us will be called upon to do the thing that cannot be done.

Kurz nach der Premiere kommt es jedoch zu einer Katastrophe. Vivian stolpert in eine Situation, die ihrer Kontrolle entgleitet und muss sich mit allen Konsequenzen auseinandersetzen, die ihr Fehlverhalten nach sich zieht. Sie verlässt die Stadt und lässt damit nicht nur die geliebten aber verletzten Personen, sondern auch ihre sich entwickelnde Persönlichkeit zurück.

The war had invested with me an understanding that life is both dangerous and fleeting, and thus there is no point in denying yourself pleasure or adventure while you are here.

Der Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 bringt neben dem Kriegseintritt der USA schließlich auch Vivian zurück nach New York City. Von nun an entwickelt sich ihr Leben in eine andere Richtung, sie arbeitet hart, lässt den hedonistischen Teil ihrer Persönlichkeit zu großen Teilen in der Vergangenheit zurück und wächst Stück für Stück an ihren feministischen Perspektiven auf das Leben. Der Roman porträtiert mehrere Frauen, die ein damals zur Zeit des 2. Weltkriegs selbst im liberalen New York nicht akzeptiertes Lebensmodell für sich wählten.

Nor did the threat of danger ever deter me. These were risks I was willing to take. It was more important for me to feel free than safe.

Dass sich diese Umstände in unserer westlichen Gesellschaft in den vergangenen 80 Jahren geändert haben, soll uns nicht darüber hinweg täuschen, dass in vielen anderen Ländern und Kulturen Frauen immer noch als minderwertig betrachtet werden und wesentlich weniger Rechte und Freiheiten in ihrem Leben haben. In Saudi-Arabien dürfen Frauen erst seit 2019 Auto fahren. Homosexualität ist im Iran (und vielen anderen Ländern) nach wie vor strafbar. In diesen Ländern sind Frauen (unabhängig von ihrer Religion) verpflichtet, ihr Kopfhaar zu bedecken. In Österreich gilt umgekehrt ein Verbot der Gesichtsverhüllung, was irgendwie genauso widersinnig der Freiheit im öffentlichen Raum widerspricht.

Seit 1. Oktober 2017 gilt in ganz Österreich ein Verbot der Gesichtsverhüllung. Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz soll u.a. zwischenmenschliche Kommunikation ermöglichen, die für ein friedliches Zusammenleben in einem demokratischen Rechtsstaat erforderlich ist.

In der aktuellen Situation sind unsere Freiheitsrechte sowieso noch mehr in Gefahr, als das sonst schon der Fall ist. Mit der Notwendigkeit des gesundheitlichen Schutzes von Menschen(-gruppen) lassen sich viele Maßnahmen argumentieren, gegen die wir unter anderen Umständen jedenfalls lauter protestieren würden. Verlieren wir nicht aus den Augen, welche Rechte uns gerade entzogen werden, damit wir sie später zurückfordern können.

Randnotiz: Wer sich für Frauenrechte und feministische Perspektiven interessiert, der*dem sei herzlich der Lila Podcast empfohlen.

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English Sachbuch

Raph Koster – A Theory of Fun

CN dieses Buch: abstrakte Erwähnungen von gewalttätigen oder sexistischen Inhalten in Computerspielen
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Fun from games arises out of mastery. It arises out of comprehension. It is the act of solving puzzles that makes games fun. In other words, with games, learning is the drug.

Irgendwann in den vergangenen Monaten habe ich wieder mal mit der Idee gespielt, ein Spiel zu entwerfen. Das ist eine Idee, die mich alle paar Monate immer mal wieder einholt, nur irgendwie wird dann nie was daraus, weil mir die Energie/Motivation/Zeit/Raum fehlt, um mich tatsächlich intensiv damit zu beschäftigen. Dieses Buch wurde mir von einer nahestehenden Person ans Herz gelegt, weil es sich grob mit dem Thema Spieldesign und den dahinterliegenden Vorgängen im menschlichen Gehirn beschäftigt. Der Autor hinterfragt dabei, was Spiele eigentlich interessant und spannend macht und welche Voraussetzungen Spiele erfüllen müssen, damit sie uns auch längerfristig beschäftigen und Spaß machen.

In many games, you are asked to find “secrets” or to explore an area completely. This teaches many interesting things, such as considering a problem from all angles, making sure that you should make sure you have all the information before you make a decision, and thoroughness is often better than speed. Not to denigrate training by rote and reflex, but this is a much subtler and interesting set of skills to teach, and one that is more widely applicable to the modern world.

Er betont aber auch den Lernaspekt des Spielens. Selbst in scheinbar oberflächlichem Entertainment, als das Spiele von vielen Menschen betrachtet werden, lernen sowohl Kinder als auch Erwachsene abstrakte Konzepte, die sich auch auf die reale Welt anwenden lassen. Das obige Zitat bezieht sich dabei etwa auf das Prinzip, das in einer gegebenen Welt alle Gegenstände gefunden werden sollen (in Luigi’s Mansion etwa gibt es auf jeder Ebene eine bestimmte Anzahl an Gegenständen einer bestimmten Form zu finden). Das Herumlaufen in einer Welt und auf alles Draufschlagen, was nicht festgeschraubt ist, fühlt sich zwar nach verschwendeter Zeit an, kann uns aber Verhaltensweisen beibringen, die wir auch in unserem anderen Leben brauchen können: ein Problem aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten, vor einer Entscheidung alle notwendigen Informationen einholen, Gründlichkeit ist manchmal sinnvoller als Schnelligkeit.

This is what games are for. They teach us things so that we can minimize risk and know what choices to make. Phrased another way, the destiny of games is to become boring, not to be fun. Those of us who want games to be fun are fighting a losing battle against the human brain because fun is a process and routine is its destination.

Schon 1908 haben Robert M. Yerkes und John D. Dodson (The relation of strength of stimulus to rapidity of habit‐formation) das Forschungsfundament gelegt für die Tatsache, die uns heute als intuitiv und selbsterklärend erscheint. Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen kognitiver Leistungsfähigkeit und dem Aktivierungspotential. Was wir heute allgemein darunter verstehen, ist, dass es einen optimalen Schwierigkeitsgrad für Aufgaben gibt, der zu einem optimalen Lernprozess führt. Sind die Aufgaben zu schwer, verlieren die Lernenden die Motivation aufgrund von Frustration. Sind die Aufgaben zu leicht, verlieren die Lernenden die Motivation, weil die Aufgaben sie nicht herausfordern, ihnen nichts Neues mehr zeigen.

Wenn uns also ein Spiel keine neuen Herausforderungen mehr bietet, weil wir alles gelernt haben, was das Spiel uns lehren kann, dann wird es langweilig und wir suchen uns eine neue Herausforderung. Wenn wir aber stundenlang an derselben Welt in Super Mario Bros. 3 scheitern, verlieren wir ebenfalls die Motivation. Der Autor zieht daraus die Konsequenz, dass es die logische Entwicklung ist, dass Spiele uns irgendwann langweilig werden. Er bezeichnet Spaß als einen Prozess und die Routine als den Ende des Spaßprozesses.

Fun, as I define it, is the feedback the brain gives us when we are absorbing patterns for learning purposes. […] Fun is primarily about practicing and learning, not about exercising mastery. Exercising mastery will give us some other feeling, because we are doing it for a reason, such as status enhancement or survival.

Wenn uns Spiele deshalb Spaß machen, weil sie in unserem Gehirn Lernprozesse auslösen, warum machen uns dann nicht alle Lernprozesse Spaß? Einerseits funktionieren nicht alle Lernmethoden für alle Menschen. Viele Wissenschaftler haben sich mit der Frage beschäftigt, welche verschiedenen Intelligenzformen beim Menschen vorkommen, alltagssprachlich werden diese oft als Talente bezeichnet. Populär ist etwa die Theorie der multiplen Intelligenzen nach Howard Gardner. Daraus folgt, dass sich Menschen nicht nur für unterschiedliche Typen an Spielen interessieren, weil ihnen bestimmte Aufgaben näher liegen, sondern auch, dass Menschen unterschiedliche Leistungsfähigkeit auf gewissen Gebieten haben. Viele argumentieren nun, dass wir eigentlich versuchen sollten, die Bereiche zu stärken, die uns nicht so leicht fallen, andererseits machen uns die Bereiche mehr Spaß, in denen wir bereits gut sind. Die Frage danach, ob im Schulbereich eher Stärken gefördert oder Defizite ausgeglichen werden sollen, spaltet die Gesellschaft quer durch das politische Feld (Begabtenförderung vs. Nachhilfe).

Zumindest bei der Entscheidung, womit wir uns spielerisch die Zeit vertreiben wollen, müssen wir uns damit zum Glück nicht befassen. Prinzipiell bin ich zwar der Ansicht, dass wir alles lernen können, wenn wir es ausreichend wollen. Andererseits muss ich mir auch eingestehen, dass ich körperlich wohl nicht mehr in die Form kommen werde, um einen Marathon laufen zu können. (Was möglicherweise aber auch nur daran scheitert, dass ich den entsprechenden Trainingsaufwand nicht auf mich nehmen will.) Bis zu einem gewissen Grad können wir jedoch unsere eigenen Lernprozesse steuern, in dem wir die Medien verwenden, die für uns besser funktionieren. Für mich sind das zumeist Bücher. Für andere funktionieren Lernvideos besser. Wenn wir unseren Lerntyp bzw. unsere Stärken und Schwächen kennen, können wir dieses Wissen für unsere eigenen Lernprozesse nutzen. Oder wir spielen einfach mal eine Runde …