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Roman

Rosa Liksom – Abteil Nr. 6

CN: Alkoholmissbrauch, sexuelle Belästigung, Rassismus, Prostitution


Letzte Woche ergab sich eine Gelegenheit zu einem kurzen Abstecher in die Hauptbücherei. Mangels Vorbereitung suchte ich in meiner Liste an Literaturgeocaches so lange, bis ich zwei Bücher gefunden hatte, die aktuell in der Hauptbücherei verfügbar waren.

Dieses Buch las ich gleich am nächsten Abend in einem Rutsch zu Ende. In einem Zug der transsibirischen Eisenbahn teilen sich eine namenlose junge Frau und ein namenloser Mann ein Zugabteil. Während der Mann immer wieder mehr oder weniger unangenehme Geschichten aus seinem Leben erzählt, erfährt die Leser:in über die junge Frau beinahe nichts. Nur schemenhafte Rückblenden geben Einblicke in ihr Leben in der Zeit vor der Abfahrt des Zuges.

Obwohl sich der Mann teilweise extremst ekelhaft verhält und die junge Frau auch belästigt, nutzen die beiden die Pausen des Zuges in den größeren Bahnhöfen für gemeinsame Ausflüge. Die junge Frau scheint nicht zu wissen, was sie mit sich allein anfangen soll. Sie lässt sich ziellos treiben, scheinbar ohne eigenen Willen. Bis zum Schluss erfährt die Leser:in nicht, warum sie sich eigentlich auf dieser Reise befindet, die im Buch im mongolischen Ulan-Bator endet (das eigentlich nicht auf der Strecke der transsibirischen Eisenbahn Eisenbahn liegt).

Der Schluss bietet eine Art Ausblick, aber keine Auflösung. Da es sich hier aber irgendwie um ein Road Movie im Zug handelt und die Beschreibungen der abgelegenen Gegenden sehr spannend sind, fühlte ich mich ausgezeichnet unterhalten.

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English Krimi Roman

Louise Penny – Kingdom of the Blind

CN dieses Buch: Mord, Prostitution, Drogenmissbrauch, Holocaust, Fentanyl, Opioide, Antisemitismus, Pogrom
CN dieser Post: –


The wealthy have a way of justifying things. They live in distorted reality. If everyone at the club’s doing it, it must be okay.

Jedes Mal, wenn mich die Lust auf Three Pines packt, passiert dasselbe: Ich denke mir, ich könnte das ja zwischen den anderen Büchern lesen. Und dann lese ich nur noch das, bis ich das Buch zu Ende gelesen habe. Mehr muss ich eigentlich nicht sagen, weil wer Three Pines kennt, die*der weiß eh, wovon ich rede.

Für mich als gebürtige Österreicherin natürlich lustig: es wird unter anderem erwähnt, dass die Österreicher:innen nahezu so effizient wären, wie die Deutschen. Jedoch sind Österreicher:innen wohl international nicht für ihren Humor bekannt. Schade, dass die wienerische Morbidität nicht zur Sprache kam.

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Roman

Mikko Rimminen – Der Tag der roten Nase

CN dieses Buch: Alkoholmissbrauch, Verletzung der Nase, Unfalltod eines Jugendlichen, Trauer
CN dieser Post: –


Protagonistin Irma verschreibst sich selbst eine Zwangskur gegen ihre Einsamkeit und soziale Unsicherheit. Als vermeintliche Marktforscherin klingelt sie an fremden Türen, um in Kommunikation mit anderen Menschen zu kommen. Der Text lässt die Leser:innen direkt in ihren Kopf schauen und die Panik fühlen, die in ihr aufsteigt, ihr die Zunge lähmt und gerade in schwierigen Situationen alles (scheinbar) noch schlimmer macht. Der Großteil davon spielt sich allerdings tatsächlich nur in ihrem Kopf ab. Als Leser:in wusste ich aber bis zum Schluss nicht, dass sie sich all die negativen Reaktionen ihrer Mitmenschen eigentlich nur einbildet bzw. selbst vormacht. Tatsächlich wiederholt sich hauptsächlich die Frage „Ist mit Ihnen alles okay?“. Mehr Gedanken über ihr oft schräges Verhalten machen sich die meisten Menschen gar nicht. Eine schöne Erinnerung daran, dass wir uns über unsere persönlichen Eigenheiten nicht so viele Gedanken machen sollten. Alle anderen machen sich nämlich auch nur Gedanken über ihre eigenen Eigenheiten und nicht über unsere.


Letzten Samstag verschleppte ich den Fotografen zur Ausstellung Unseen Places im KunstHausWien (nur noch bis 19. Februar 2023). In dieser Retrospektive werden verschiedene Projekte des Fotografen Gregor Sailer gezeigt. Er beschäftigt sich schon seit Längerem mit „Architekturen, die auf politische, militärische oder wirtschaftliche Aspekte der Gegenwart verweisen“ (alles unter Anführungszeichen sind Zitate aus dem Ausstellungstext). Dafür begibt er sich an Orte, die normalerweise nicht zugänglich sind und nimmt dafür große Strapazen und immensen Aufwand in Kauf. In einem Ausstellungstisch sind auch Dokumente und Tagebuchaufzeichnungen zu sehen, die einen Einblick erlauben in die Schwierigkeiten, die mit diesen Projekten verbunden sind/waren.

Gleich neben dem Eingang und der einleitenden Erklärung der Retrospektive beginnt die Ausstellung mit dem Projekt The Potemkin Village (2015–2017). „In sieben Ländern fotografierte [Gregor Sailer] Scheinarchitekturen, Kulissenbauten und illusionistische Modelldörfer“, darunter zB rudimentäre Stadtstrukturen für militärische Übungszwecke. Diese Bilder fand ich gleichzeitig verstörend und interessant, weil sie eine halbfertige Welt zeigen. Die Architekturen sind jedoch nicht halb zerstört, wie es vielleicht in einem Kriegsgebiet wäre, sondern einfach nur halb gebaut oder überhaupt nur als Kulissen aufgestellt. Auf den detailreichen Fotos eines amerikanischen Militärübungsplatzes ist etwa ein arabisch beschriftetes Lebensmittelgeschäft, eine Moschee oder ein Brunnen zu sehen. Die vollkommene Menschenleere verleiht den Bildern eine Unwirklichkeit, ich konnte mir vorstellen, dass die Menschen hier aufgrund einer Katastrophe alle verschwunden sind. Es wirkt teilweise wie der Schauplatz eines Science-Fiction-Romans.

Blick in den Ausstellungsraum, links eine Collage aus 4x5 Bildern aus der Serie The Potemkin Village, hinten ein wandfüllender Blick in einen U-Bahn-Schacht aus der Reihe Subspace

Das Projekt Closed Cities (2009–2012) ermöglicht Einblicke in spektakuläre Orte:

  • Mirny, Jakutien, Russland. „Stadt am Rande eines gigantischen Tagebaulochs, sämtliche Gebäude auf Pfählen im Permafrost errichtet“. Das beeindruckende Foto zeigt einen verschneiten Krater, in dem nach Diamanten geschürft wird. Am Horizont dahinter ist schemenhaft durch den Nebel die Stadt zu erkennen.
  • Die Flüchtlingsstädte Dakhla, Escuela 27 Febrero, Rabouni und Smara, West-Sahara. Etwa 200.000 Menschen leben in dieser „lebensfeindlichsten Region der Sahara“. Ohne Hilfe von außen wären diese Städte nicht überlebensfähig. Die Bilder zeigen die Leere der Wüste, ein einsames Fußballtor unter der sengenden Sonne.
  • Chuquicamata, Atacama, Chile. Größte Tagebaumine der Welt. 2008 wurden 35.000 Einwohner:innen wegen „untragbarer Lebensbedingungen“ zwangsumgesiedelt. „Die Stadt verschwindet unter Abräumhalden. Umliegende Landschaft auf Jahrzehnte verseucht aufgrund jahrelanger Entsorgung hochgiftiger Abwässer direkt in die Wüste.“ Für die Arbeiter:innen wurde zB. ein Stadion errichtet, das leer im heißen Wüstenstand glüht.
  • Ras Laffan, Katar, Mittlerer Osten. Etwa 100.000 Einwohner (ausschließlich Männer) arbeiten in dieser Siedlung am größten Gasfeld der Erde (persischer Golf). Die Bilder zeigen gespenstische rot beleuchtete Konstruktionen aus Rohren und Tanks. Ein optisch harter Kontrast zu den oben beschriebenen Orten und Bildern, die sich durch Helligkeit und Weite auszeichnen.
  • Nordelta, Argentinien. Einen wahren Kontrastpunkt zu den obigen Örtlichkeiten bildet die Gated Town Nordelta in Argentinien im Norden von Buenos Aires. Hier leben reiche Menschen in einer künstlich geschaffenen Umgebung.

Verlassene Orte sind jedoch nicht nur in entlegenen Gegenden zu finden. Auch Österreich hat so manchen Lost Place zu entdecken. Im Projekt The Box (2014–2015) fotografierte Gregor Sailer in einem Stollen eines ehemaligen Bergwerks in Schwaz (Tirol). Im Zweiten Weltkrieg wurde hier von Zwangsarbeiter:innen das weltweit erste Kampfflugzeug mit Stahltriebwerkstechnologie produziert. „Die so genannte Messerschmitthalle liegt heute ohne jegliche Infrastruktur in absoluter Dunkelheit.“ Um hier überhaupt fotografieren zu können, musste ein spezielles Beleuchtungskonzept entwickelt werden. Das Ergebnis sind großformatige, dunkle Schwarz-Weiß-Fotos, die in ihrer kalten, harten Klarheit erahnen lassen, welchen unmenschlichen Bedingungen die Zwangsarbeiter:innen damals ausgesetzt gewesen sein müssen.

Blick in den Ausstellungsraum, die Wände sind blau verkleidet, darauf sind helle Bilder zu sehen, zentral im Raum steht eine einzelne Bank auf dem Holzboden

Das aktuellste Projekt ist The Polar Silkroad (2017–2022). Aus dieser Serie stammt auch das Titelfoto der Ausstellung, das mich auf dem Plakat in seinen Bann gezogen hat. Es zeigt eine militärische Station der Norwegian Armed Forces, Andøya, Norway. Das Gebäude verschwindet beinahe im Nebel, links davon ist ein Berggipfel zu erahnen. Zentraler Blickfang ist eine Art runder Spiegel in der Mitte des Bildes, die gelbliche Färbung sticht aus dem ansonsten weiß-grau-blau (je nach Entwicklung und Lichteinfall, das Bild in der Ausstellung ist deutlich weißer als das auf dem Plakat) gehaltenen Bild deutlich heraus.

Auch ein zweites Bild aus dieser Serie hat mich sehr beeindruckt. Es zeigt die Royal-Air-Force-Basis in Fylingdales in Großbritannien. Im Vordergrund ist von Rauhreif bedecktes Gras zu sehen, dahinter erscheint ein beleuchteter Zaun aus dem Nebel, der das Bild prägt. Erst bei längerer Betrachtung werden die Kanten des Gebäudes im Nebel erkennbar. Ein scheinbar langweiliges Bild, das aber viel in sich birgt. Dieses Bild ist auf der Webseite leider nicht enthalten, daher kann ich es nicht extra verlinken.

Bilder aus den einzelnen Projekten sind auf der Webseite von Gregor Sailer zu sehen, ich habe sie jeweils beim Projekttitel extra verlinkt.

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English Science Fiction

Ursula K. Le Guin – The Left Hand of Darkness

CN dieses Buch: Folter, Verhör, Drogen, Tod, Hunger, Geschlechtsteile
CN dieser Post: –


Out entire pattern of sociosexual interaction is nonexistent here. […] This is almost impossible for our imagination to accept.

Was mich am meisten fasziniert an diesem Buch, ist, dass es bereits 1969 veröffentlicht wurde. Die Autorin hat dabei eine Weitsicht bewiesen, wie sie mir bisher selten begegnet ist. Sie beschreibt einen Planeten, auf dem alle Menschen den Großteil der Zeit mehr oder weniger asexuell sind. Nur für wenige Tage jedes Monat nehmen sie ein Geschlecht an und dies kann jedes Monat ein anderes sein. Die gesellschaftliche Konsequenz daraus: traditionell etablierte Geschlechterbilder und -rollen existieren nicht. Die Zeugung, Geburt und Aufzucht von Kindern wird von allen Personen gleichermaßen übernommen. Jede*r Erwachsene kann zugleich Vater und Mutter sein.

Burden and privilege are shared out pretty equally; everybody has the same risk to run or choice to make. 

Partnerschaften sind daher tendenziell sehr fluktuierend. Die traditionelle monogame Ehe ist vorhanden in der Form, dass Menschen sich dazu verpflichten können, nur mit einem Partner sexuell aktiv zu sein. Dies wird aber als altertümliche Instanz beschrieben und hat keine rechtlichen oder gesellschaftlichen Konsequenzen.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und beinhaltet auch alte Sagen oder Kalender, die die erzählte Welt plastischer machen. Der Protagonist Genly Ai ist als Botschafter einer Assoziation von Welten auf dem Planeten Winter angekommen. Der Name ist Programm: es ist eine kalte Welt, die viele verschiedene Worte für Schnee kennt, in der die lokale Bevölkerung an das unwirtliche Wetter angepasst ist. Genly Ai soll die lokalen Machthaber davon überzeugen, sich der Vereinigung von Welten anzuschließen. Diese Position bringt schließlich nicht nur ihn sondern auch seinen Unterstützer Estraven in große Gefahr.

Das Buch berührt viele gesellschaftspolitische Themen, auch der Faschismus wird an verschiedenen Stellen angesprochen. Die Beschreibung des Cousins des Königs, der Estraven als ausführende Hand des Königs nachfolgt, trifft meines Erachtens sehr gut meine Vorstellung eines machthungrigen Menschen, der keine Grenzen kennt:

His cousin Tibe was another kind of fish, for his insanity had logic. Tibe knew when to act, and how to act. Only he did not know when to stop.

Auch das Konzept des Nationalismus wird kurz aber prägnant kritisiert:

What is love of one’s country; is it hate of one’s uncountry? Then it’s not a good thing.

Für eine Zusammenfassung möchte ich auf das Nachwort von Charlie Jane Anders verweisen, in dem sie sinngemäß beschreibt, dass das Buch erzählt, wie zwei Menschen versuchen, Kommunikation und Verständnis untereinander herzustellen trotz kultureller Barrieren und sexueller Stereotype.

There’s really only one question that can be answered, Genry, and we already know the answer … The only thing that makes life possible is permanent, intolerable uncertainty: not knowing what comes next.

Und zuletzt möchte ich auf dieses Zitat einfach nicht verzichten:

It is a terrible thing, this kindness that human beings do not lose. Terrible, because when we are finally naked in the dark and cold, it is all we have. We who are so rich, so full of strength, we end up with that small change. We have nothing else to give.

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Roman

Ilija Trojanow – Eistau

Sie wünscht sich, dass wir einfach nur sind, ich suche nach einer Befreiung in einem wahrhaftigeren Schweigen.

Der Protagonist Zeno verzweifelt am Sterben eines Gletschers. In Rückblenden wird parallel zum Geschehen der Jetzt-Zeit auf einem Antarktis-Kreuzfahrtschiff der Verfall seiner Beziehungen geschildert. Zwischen den aus Zenos Sicht erzählten Kapiteln finden sich kurze Sammlungen von Funksprüchen (?), vage aneinandergereihte Satzfragmente, die ein Geschehen andeuten, das sich zeitlich erst nach der aktuellen Kreuzfahrt abspielt.

Zenos verzweifelte Konfrontation mit einem chilenischen Soldaten, der sich inmitten einer Pinguingruppe eine Zigarette anzündet, seine Abneigung gegenüber den Touristen, seine Sehnsucht nach einem tieferen Alleinsein; all diese einzelnen Situationen sind Haarrisse, die schließlich zu einem Zusammenbruch führen müssen. Unvermeidlich wie das Sterben des Gletschers.

Der Augenblick, in dem Kunst zu Wahrheit wird. Die Vorstellung läßt mich nicht los. Auch das leichtfertig Dahingesagte kann ernst genommen werden. Es beginnt als Haarriss, setzt sich als Sprung fest, endet als zersplittertes Glas.

Das (vorläufige) Ende der Isolation

Die Ausgangsbeschränkungen sind (vorerst) aufgehoben, Treffen in kleinerem Kreis wieder erlaubt.

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem bewussteren Wahrnehmen von Gefühlen und Stimmungen. Wenn ich mich gestresst oder genervt fühle, versuche ich, zu ergründen, was genau dieses Gefühl gerade bedeutet, es zu benennen und es anzunehmen. Dabei wurde mir heute klar, dass wir Gefühle und die Situationen, in denen sie entstehen, in der Reflexion mit etwas Abstand meistens anders interpretieren, als sie sich zu dem Zeitpunkt angefühlt haben (das klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber in meinen Augen ein Phänomen, das im Alltag nicht so bewusst ist).

Jetzt, wo die Isolation etwas gelockert ist, wird mir klar, dass ich es eigentlich ganz angenehm gefunden habe, mal eine Zeitlang nirgendwo sein zu müssen und Zeit zur Verfügung zu haben, die ich nach meinen eigenen Regeln gestalten kann. Es ist bei Weitem nicht so, dass ich diese Zeit oder die damit verbundene Gestaltungsfreiheit besonders sinnvoll genutzt hätte. Wie ich am 12. April schrieb, ist es mir kaum gelungen, mit der Zeit etwas Sinnvolles anzufangen.

Möglichst schnelle Rückkehr zur Normalität ist nicht zwingend der richtige Weg. Es wäre wünschenswert, wenn wir aus dieser Erfahrung etwas lernen und für die Zukunft mitnehmen könnten. Was das konkret sein könnte, hat sich mir bisher leider nicht enthüllt.

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Roman

Audrey Schulman – Die Farben des Eises

Die Fotografin Beryl reist mit einer kleinen Gruppe nach Churchill in Kanada, um Eisbären zu fotografieren. Ziel des Auftraggebers sind möglichst ungestellte Fotos der sich dort versammelnden Eisbären aus nächster Nähe.

Zwei Faktoren haben mich an diesem Buch fasziniert. Zum einen der Detailreichtum, mit dem die Autorin die Natur dieses unwirtlichen Landes beschreibt. Die titelgebenden Farben des Eises werden gar nicht im Detail behandelt, doch das Gefühl der Weite in dieser schneebedeckten Landschaft beschreibt sie ausführlich. Auch Beryls Begegnungen mit den Eisbären sind in einem teilweise erschreckenden Detailreichtum beschrieben, die Autorin beschreibt den Geruch der Bären, wie sich deren Fell anfühlt sowie ihre unbeholfenen Reaktionen auf die Menschen. Eisbären haben keine natürlichen Feinde und erkennen daher den Menschen auch nicht als solchen. Der Leser darf mit Beryl mitstaunen, die trotz der intensiven Vorbereitung auf ihre Reise von der riesigen Körperlichkeit der Bären überrascht ist. Wenn man Eisbären in Naturdokumentationen sieht, fehlt zumeist ein Maßstab. Ohne ein Auto oder einen Baum zum Größenvergleich sehen die tapsigen Bären deutlich kleiner und ungefährlicher aus, als sie sind.

Der zweite Faktor sind die menschlichen Beziehungen innerhalb des Teams, dass sich auf die Reise macht, um die Bären zu erforschen. Als einzige Frau unter Männern hat es Beryl natürlich nicht leicht. Stück für Stück enthüllt sich auch ein Konflikt zwischen dem mutmaßlich schwulen David und dem seine Männlichkeit betonenden Butler. Als vierter im Bunde ist Jean-Claude als lokaler Führer mit dabei. Er soll für die Sicherheit der Expedition sorgen. In einem für arktische Verhältnisse gerüsteten Bus sollen die vier auf engstem Raum drei Wochen lang die Bären beobachten und dokumentieren. Die Autorin beschreibt sensibel die schwelenden Konflikte zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten und wie sich diese schließlich bis zur Katastrophe steigern. Spannend bis zum bitteren Ende.