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English Essays Memoir

Lena Dunham – Not That Kind of Girl

CN: Gaslighting, Misogynie, sexuelle Handlungen, Diät, OCD, Depression, Anxiety, Erwähnung von Suizid, Vergewaltigung


But I am a girl with a keen interest in having it all, and what follows are hopeful dispatches from the frontlines of that struggle.

Eines der Bücher, die sich am Längsten auf meiner Merkliste in der Libby-App befinden, habe ich nun mal gelesen. Da weiß ich dann schon nicht mehr, warum es überhaupt auf dieser Liste steht (in der Libby-App kann ich mir dazu leider keine Anmerkungen machen; in der anderen Liste, die ich nur unregelmäßig pflege, weil sie eh viel zu lang ist, habe ich dazu auch nichts gefunden). Ich vermute den Lila Podcast als Anknüpfungspunkt, da wurde die Autorin in mehreren Episoden erwähnt.

Der Untertitel „a young woman tells you what she’s ‘learned’“ deutet auf einen Lernprozess hin. Es handelt sich jedoch um einen impliziten Lernprozess, beinahe mehr einen Sozialisationsprozess, in dem die Autorin gelernt hat, wie die Gesellschaft mit jungen Frauen wie ihr umgeht.

„You can’t please everyone,“ my grandmother always said.
Yes, you can, I thought. If you just work hard enough.

Sie erzählt in thematisch gruppierten Essays von ihren Erfahrungen hinsichtlich Liebe, Freundschaft, Sex und Arbeit, von ihrem Umgang mit dem eigenen Körper und wie dieser Umgang massiv von den von außen auf junge Frauen einprasselnden Erwartungen beeinflusst wurde. Sie spart nicht mit peinlichen Situationen, von denen wir vermutlich als junge Menschen mit wenig Erfahrung alle einige erlebt haben dürften. Sie beschreibt die Situationen, die sie erlebt hat, wie zum Beispiel den Polizisten, der ihr nahelegt, dass sie doch nicht so nett zu dem Mann sein hätte sollen, der ihr nun nachstellt und sie bedroht. Kaum ein (anti-)feministisches Klischee wird ausgelassen, die Kritik bleibt jedoch zumeist zwischen den Zeilen stehen. Sie nimmt ihre eigenen (früheren) Annahmen über die Gesellschaft aufs Korn, ohne sie konkret zu widerlegen. Dadurch bleibt das Buch unterhaltsam, ohne zu sehr auf die Zehen zu treten. (Obwohl es laut Wikipedia doch einigen Menschen auf die Zehen getreten ist.)

I was a working woman. I deserved kisses. I deserved to be treated like a piece of meat but also respected for my intellect.

Vielleicht hätte ich mir etwas anderes erwartet? Erwartungshaltungen sind ja immer problematisch. Mehr Kritik, mehr Hilfestellungen für junge Frauen, mehr Anregungen für gesellschaftlichen Fortschritt, der die geschlechtlichen Ungleichheiten verringert?

Dazu ist das Buch aber nicht angetreten. Der Untertitel sagt es deutlich: eine junge Frau erzählt uns, was sie gelernt hat. Es kann nicht auch noch ihre Aufgabe sein, uns zu erklären, wie wir die Gesellschaft zu verbessern haben.

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English Roman

Elizabeth Strout – Oh William!

CN: Trauer, 2. Weltkrieg, Konzentrationslager, PTSD, Depression, Fehlgeburt, Gewalt, Essstörung, Suizidgedanken

Unter der Buchbeschreibung: ein Exkurs zu Archiven mit historischen Speisekarten.


I feel invisible – as I have said – and yet in that situation I had the strangest sensation of both being invisible and yet having a spotlight on my head that said: This young woman knows nothing.

Aus Alltagsgründen ist dieser Post leider der Verschleppung zum Opfer gefallen. Die Autorin lässt hier eine ihrer bekannten Figuren auftreten: Lucy Barton (bisher hier gelesen und beschrieben: My Name is Lucy Barton). In diesem Buch dreht es sich hauptsächlich um Lucys ersten Ehemann William. Die Zeitebenen sind teilweise etwas verwirrend, denn Lucys zweiter Ehemann ist kürzlich verstorben. Beschrieben wird ihre jetzige Beziehung zu ihrem früheren Ehemann William und den zwei gemeinsamen Töchtern.

What a strange thing life is.

Wer diesen Erzählstil mag, wird sich darin unfassbar wohl fühlen. Es wird nicht gespart an lebenswichtigen Themen, doch zumeist aus der Zukunft in Rückblenden erzählt. Dadurch gewinnen selbst die dramatischen Ereignisse eine gewisse Ruhe im Sinne von „wir können alles überleben“. Lucy Barton beschreibt ihr Leben, ihre Begegnungen mit bekannten aber auch unbekannten Menschen und kommt letztlich zum Schluss, dass wir niemals einen Menschen wirklich kennen können. Nicht mal uns selbst. Diese Erkenntnis, die sich hoffnungslos anfühlen könnte, ist in Wirklichkeit das Versprechen, dass wir uns immer neu entdecken können. Uns selbst, aber auch die Menschen um uns, von denen wir glauben, sie zu kennen.

We do not know anybody, not even ourselves!


Kürzlich bin ich auf einen Artikel gestoßen, der sich mit den kulturellen Eigenschaften von Speisekarten beschäftigt (how to read menus as cultural texts?). Dabei wurden viele interessante Aspekte angesprochen:

  • Speisekarten können durch die Wahl der Sprache (mit)bestimmen, wer dort essen darf. Eine Speisekarte ausschließlich in französischer Sprache in einem nicht-französisch-sprachigen Land verlangt dementsprechend ein gewisses kulturelles Kapital von seinen Besucher:innen.
  • Früher stand eine ausführliche Speisekarte mit vielen Auswahlmöglichkeiten für die Qualität des Restaurants. Heute wird zumeist eine kürzere Speisekarte als hochwertig angesehen. Die Lieferrestauraunts, die Pizza, Schnitzel, Nudeln, Burger und was auch immer anbieten, machen oft genug nichts davon gut. Das weltberühmte Restaurant noma in Kopenhagen bietet überhaupt nur ein Menü für alle Gäste an.
  • In Japan ist es nicht nur üblich, Abbildungen der Gerichte in Speisekarten oder auf Plakaten abzudrucken. Es gibt auch viele Restaurants, wo Plastikmodelle der Speisen den Besucher:innen vorab zeigen, worauf sie sich einlassen. Die gleiche Praxis wird in den USA tendenziell als billig empfunden.

Schaufenster eines Restaurants in Japan, die angebotenen Speisen sind als Plastikmodelle in schräg zur Betrachter:in geneigten Tellern abgebildet

Reingekippt bin ich auf das Thema auch, weil mich in dem Stockerau-Buch die Speisekarte aus den 1970er-Jahren so amüsiert hatte. Am Ende des Artikels sind mehrere Büchereien genannt, die eine Sammlung von historischen Speisekarten haben und diese auch (zumindest teilweise) online zur Verfügung stellen.

  • Mit dem Angebot der New York Public Library konnte ich leider nichts anfangen. Die Suchfunktion gibt mir eine Fehlermeldung und wenn ich einzelne Speisekarten anklicke, werden die Bilder nicht angezeigt. Ist aber vielleicht nur bei mir so …
  • Mehr Erfolg hatte ich in der Conrad N. Hilton Library. Mit dem Suchbegriff „Austria“ hatte ich schnell eine Speisekarte des „Liesinger Stadtkellers“ aus dem Jahr 1950 gefunden. Wie auch die Speisekarte in dem oben genannten Buch, ist diese Speisekarte mit Schreibmaschine geschrieben, Basis ist eine Art Briefpapier, das in rot und schwarz gedruckt den Namen und die wichtigsten Informationen zum Lokal enthält. Zusätzlich in rot gedruckt sind einige dekorative Objekte an den Rändern links und rechts sowie eine Werbung für Swiss Air am unteren Rand der Seite.
    Die angebotenen Speisen sind zahlreich und sehr variabel. Allein schon die Liste der Vorspeisen ist international. Sie enthält unter anderem
    Hors d’ oevre varie de LUXE (sic!), eine Schwedenplatte, Russische s Ei (sic!), Ung. Eiersalat, Ital. Fleischsalat, Bayr. Ochsenmaulsalat und Strassburger Gansleber in Terrine m.Toast.
    Bemerkenswert ist auch, das die Preise sehr variieren: Mit 6.50 Schilling ist das Russische Ei die billigste kalte Vorspeise, demgegenüber stehen die Hors d’ oevre varie de LUXE mit 48.– Schilling. Dabei handelt es sich auch insgesamt um das teuerste Gericht der Karte, keine der Hauptspeisen schlägt mit mehr als 28.– Schilling zu Buche.
  • In der digital menu collection der University of Washington konnte ich nichts finden mit den Suchbegriffen nach europäischen Ländern. Also habe ich etwas herumgestöbert und fand hier Beispiele für die oben genannten Themen: das mexikanische Restaurant Casa Lupita in Seattle hatte im Jahr 1975 eine umfangreiche Speisekarte, das teuerste Gericht ist das Deluxe Mexican Dinner um 6.45 $. Bei Tacos, Burritos, Chalupas und Enchiladas kann aus mehreren Füllvarianten ausgewählt werden. Enchiladas ohne Fleisch sind günstiger als jene mit Huhn oder Rind.
    In einer deutlich anderen Liga spielt da der Seattle Yacht Club mit seinem luncheon menu, approximately 1975. Schon die Titelseite sticht heraus mit dem vielen Weißraum und der großzügigen Serifenschrift. Trotz Recherche mittels identifont und whatthefont konnte ich die Schriftart nicht einwandfrei identifizieren. Im Speisenangebot ist eine umfangreiche Auswahl an Sandwiches, „all the above served with fruit cup, cottage cheese or potato salad“. Auf der dritten Seite der Speisekarte werden dann verschiedene Speisen unter der Überschrift „This and That“ angeboten. Diese Speisekarte ist auf beigefarbenem Papier gedruckt mit mindestens drei Farben (rot, schwarz und grau). Die gesamte Aufmachung der Speisekarte wirkt deutlich wertiger als diejenige des oben genannten mexikanischen Restaurants Casa Lupita, obwohl bei den Preisen gar nicht so viel Unterschied besteht.

Die Recherche zu diesen historischen Speisekarten ist einer der Gründe, warum ich diesen Post verschleppt habe. Ich hätte mich noch ewig durch die Archive klicken können. Wenn ihr also eine ähnliche Begeisterung verspürt, rate ich euch, nehmt euch Zeit, ihr werdet sie brauchen.

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English Krimi Roman Thriller

Ruth Ware – Zero Days

CN: Mord, Gewalt, Beziehungsgewalt, Trauer


If they were [monitoring my emails already], there was nothing I could do about that now. I just had to keep going, putting one foot in front of the other.

Ruth Ware tauchte kürzlich in einem Lithub-Post auf. Ihr neuestes Buch One Perfect Couple ist in der Overdrive-eLibrary (noch?) nicht zu finden, daher griff ich stattdessen zu ihrem letzten Roman davor (2023). Obwohl mir die Bedeutung eines Zero-Days durchaus bekannt war, habe ich aus dem Titel keine Schlüsse gezogen. Umso besser, so konnte ich dieses Buch einfach genießen.

Protagonistin Jacintha „Jack“ Cross bricht beruflich in Gebäude ein, um die dortigen Schwachstellen im Sicherheitssystem aufzudecken. Als sie nach einer besonders langen Nacht nach Hause kommt, findet sie ihren Ehemann Gabe ermordet vor. Es dauert nicht lange, bis auch noch der Verdacht auf sie fällt. Von einem Moment auf den anderen ist Jack auf der Flucht. Die Polizei ist hinter ihr her, sie steht tagelang unter Strom und hat doch nur ein einziges Ziel: den wahren Mörder ihres Mannes zu finden.

Dieses Buch hat alles, was ich mir von einem Thriller wünschen könnte: eine starke und glaubwürdige Protagonistin, ein interessantes Umfeld (ihre Erfahrungen als Pen-Testerin helfen Jack immer wieder, ihre Verfolger:innen auszutricksen), überraschende Wendungen und ein Ende, das uns auch noch erzählt, wie es Jack ein Jahr nach den Ereignissen geht. Gute Unterhaltung für Freund:innen dieses Genres.

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English Roman

Jenni Fagan – Luckenbooth

CN: Gewalt, Mord, Drogenmissbrauch, Xenophobie, Mysogynie, Homophobie, Beziehungsgewalt, Pandemie (Spanische Grippe), Weltkrieg, Erwähnung von Konzentrationslagern und Holocaust


This building is a psychic vampire – it drinks human essence.

Mit diesem Buch verbinde ich sehr gemischte Gefühle. Drei Anläufe habe ich gebraucht, bis ich überhaupt rein gekommen bin. Der Anfang ist dermaßen sperrig, dass ich Gefühle hatte, die ich sonst von Science-Fiction-Romanen kenne. Da habe ich manchmal Schwierigkeiten, die Welt zu verstehen, die verwendeten Begrifflichkeiten, die Lebensrealität der Protagonist:innen. Hier ist der Ort bald klar: Edinburgh, Schottland. Das jeweilige Jahr wird bei den einzelnen Kapiteln angegeben, also auch an der zeitlichen Einordnung gibt es nichts zu zweifeln. Und doch konnte ich mit der Tochter des Teufels, die das erste (und später noch zwei weitere) Kapitel als Protagonistin bestreitet, nicht einordnen, was ich vor mir habe.

Auf der positiven Seite möchte einige Punkte hervorheben:

  • Alle Protagonist:innen sind in irgendeiner Weise marginalisiert: obdachlos, drogensüchtig, queer, jenseits des Gesetz arbeitend, psychisch krank, oft mehreres davon und weitere Merkmale, die die Protagonist:innen von der Mehrheitsgesellschaft abheben oder sogar von dieser isolieren.

Revellers interrupting the murdered, the lost and the damned, the homeless or the cold and hungry, the addicted – those wary of living this life. These are Dot’s people – if there have ever been any to call her own. It’s where she comes from.

It is all wrong, what is going on in this world, what people do to other people.

  • Das Ende ist einfach herrlich. Mehr kann ich kaum sagen, ohne zu spoilern, aber selten habe ich ein so gelungenes Ende für ein Buch gelesen.

Mir ist klar, warum das Buch als brilliantly strange bezeichnet und von vielen Medien gefeiert wurde. Für mich war’s aber nicht so wirklich richtig.

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English Roman

Sang Young Park – Love in the Big City

CN: Alkoholmissbrauch, Schwangerschaftsabbruch, Homophobie, Krankheit (Krebs, HIV), Tod eines Elternteils, Gewalt Suizidversuch, sexuelle Handlungen


Each of us is a universe and, as part of the large universe, we live and move and have relations with each other isn’t that fascinating?

Der Autor erzählt aus dem Leben homosexueller Männer in Seoul. Auch wenn Homosexualität in Südkorea mit Einschränkungen legal ist, spielen Diskriminierung und Ausgrenzung eine große Rolle. Eine Szene existiert, in der sich Männer vernetzen und doch haben manche homosexuelle Männer auf der Straße Angst, als solche erkannt zu werden.

These words came up to my mouth, but I couldn’t let them out. I had a feeling that they would kill what we had in an instant, that such words would only drive us further apart.

Im Verlauf des zweiten Teils (von vier) kämpfte ich kontinuierlich mit der Frage, ob das jetzt dieselbe Erzählperson ist wie im ersten Teil. Am Ende des zweiten Teils hatte ich diese Frage immer noch nicht gelöst und verlor die Geduld. Der Verlagstext bestätigt, dass es sich um dieselbe Person handeln soll. In den Acknowledgements am Ende schreibt der Autor jedoch „Young, who narrates the four stories in this book, is simultaneously the same person and different people“. So betrachtet hatte ich mich dann doch wiederum nicht getäuscht und meine Verwirrung war angebracht. Insofern lassen sich die vier Teile als episodische Beschreibungen von queerem Leben in Südkorea begreifen.

Richtig erraten hatte ich dann endlich auch, dass der Begriff hyung etwas wie Bruder meint, wobei dabei im Slang dann eher Bro gemeint sein dürfte.

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English Roman

Khaled Hosseini – The Kite Runner

CN: Gewalt gegen Tiere, Erwähnung von Hitler und Holocaust, sexuelle Gewalt, Genozid, Massaker, Taliban, Mord, Steinigung, Krieg, Suizid, Terrorismus, Erwähnung von 9/11


Weil die Motivation zum Schreiben leider immer noch großteils fehlt, geht es weiter im Telegrammstil:

Afghans are an independent people. Afghans cherish custom but abhor rules. And so it was with kite fighting. The rules were simple: No rules. Fly your kite. Cut the opponents. Good luck.

  • Eine wechselhafte Beziehung zwischen Vater und Sohn. Später in der Geschichte stellt sich heraus, dass Erzähler Amir als Kind bereits die Schwingungen gespürt hat, die auf den komplizierten und geheimen Familienverhältnissen beruhen.
  • Ein Einblick in eine Kultur, die mir bisher völlig unbekannt war. Afghanistan war für mich bis zur ersten Machtübernahme der Taliban bestenfalls ein Name auf einer Landkarte. Das Buch erzählt vom Leben einfacher Leute in einem Land, das immer wieder von Kriegen und politischen Umbrüchen erschüttert wird.
  • Als wohlhabende Familie haben Amir und sein Vater die Möglichkeit, das Land zu verlassen und in die USA auszuwandern. Als Amir Jahre später (unfreiwillig) zurückkehrt, wird ihm vorgeworfen, er wäre schon immer ein Tourist gewesen, er hätte immer nur eine polierte Fassade seines eigenen Landes wahrgenommen. (That’s the Afghanistan I know. You? You’ve always been a tourist here, you just didn’t know it.)

A sadness came over me. Returning to Kabul was like running into an old, forgotten friend and seeing that life hadn’t been good to him, that he’d become homeless and destitute.

  • Amir hat als erwachsener Mensch mit den Fehlern seiner Jugend zu kämpfen. Viele Jahre später versucht er, die Ungerechtigkeiten wieder gut zu machen. Der Autor macht seinem Protagonisten die Sache nicht leicht, Amir erleidet sogar die körperlichen Verletzungen und Schmerzen, denen er in jugendlicher Feigheit ausgewichen ist.

A man who has no conscience, no goodness, does not suffer.

Eine umfangreiche, tiefgründige Geschichte, die Familie, die eigene Kultur, Treue, Verrat und Vergebung zu einem großen Gesamtbild verwebt. 

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English Roman

Torrey Peters – Detransition, Baby

CN: sexuelle Handlungen (inkl. Kink und Sexarbeit), Beziehungsgewalt, Drogenmissbrauch, Suizid, Transfeindlichkeit, Fehlgeburt, Mord, Heteronormativität, Dysphoria

(Einen Teil dieser Themen werde ich auch weiter unten in diesem Post ansprechen, weil es die Geschichte maßgeblich beeinflusst. Wenn dir das gerade schwer fällt, solltest du diesen Post vielleicht auslassen oder später lesen.)


Was für ein Buch. Zuerst möchte ich sagen, dass ich als weiße cis-Frau mir nicht anmaße, diese Geschichte in irgendeiner Form zu bewerten. Dieses Buch ist auf eine Art queer, dass ich einerseits das Gefühl habe, neue Aspekte kennen gelernt zu haben, und mich andererseits frage, in welchem Ausmaß diese Aspekte in der Realität überhaupt auf die queere Trans-Community zutreffen. Eine (Teil-)Antwort auf diese Frage folgt weiter unten.

Die Hauptprotagonist:innen dieser Geschichte:

  • Reese. Trans-Frau mit komplexen sexuellen Beziehungen, die immer auch von dem Wunsch geprägt sind, als Frau Bestätigung zu finden. Reese neigt zu Impulsivität und Drama, sie springt spontan aus einer Beziehung in die Nächste. Ob sie Mutter sein will, weil sie tatsächlich ein tiefes Verlangen nach Mutterschaft hat oder weil es für sie die ultimative Bestätigung ihrer Weiblichkeit bedeutet, bleibt bis zum Schluss unklar.
  • Ames/Amy. Trans-Frau, die nach einigen Jahren Leben als Trans-Frau Amy sich entschlossen hat, zu detransitionieren (mir fällt kein passendes deutsches Wort dafür ein?) und nun wieder als Mann lebt. In Ames brodelt die Frage nach seiner:ihrer eigentlichen Identität. Er weiß, dass er trans ist, hat sich aber gegen das Leben als Trans-Frau entschieden, weil es ihm zu schwer erschien. Gleichzeitig hat er massive Schwierigkeiten, eine männliche Identität für sich zu finden bzw. zu definieren. Dieser Zustand macht es ihm auch unmöglich, sich als Vater eines Kindes zu sehen.
  • Katrina. Cis-Frau, die vom detransitionierten Ames schwanger wird. Obwohl Katrina sich zuerst komplett betrogen fühlt, als sie erst von Ames’ Transsexualität erfährt, als sie schwanger wird, zeigt sich in Katrina deutlich eine Offenheit gegenüber queerem Leben. Sie hat tief sitzende Vorbehalte wie zum Beispiel traditionelle Familienbilder, will aber offen sein für alternative Modelle. Ihre eigene Mixed-Race-Herkunft spielt dabei eine große Rolle. Mit Diskriminierung und Marginalisierung hat sie Erfahrung. Mit der Trans-Community aber nicht.

Auf der Basis dieser drei Charaktere und ihrer Freund:innenkreise gibt das Buch tiefe Einblicke in das queere Leben, speziell das Leben von Trans-Frauen in New York. Einerseits vermisst Reese ältere Trans-Frauen als Vorbilder, andererseits durchzieht ihre Gespräche mit anderen Trans-Frauen ein beißender Spott über die so genannten baby transes (Menschen, die in ihrem Trans-Leben noch am Anfang stehen). Reese sehnt sich nach Bestätigung ihrer Weiblichkeit. Das geht soweit, dass Beziehungsgewalt für sie zur Bestätigung ihrer Weiblichkeit wird.

So yeah, Stanley, bring it on. Hit Reese. Show her what it means to be a lady.

Ames/Amy kämpft mit dem Widerspruch, zu wissen, dass er trans ist, aber trotzdem detransitioniert zu haben. Dieser Widerspruch drängt sich durch Katrinas Schwangerschaft in den Vordergrund. Plötzlich ist Ames gezwungen, seine Männlichkeit zu hinterfragen und sich selbst darüber klar zu werden, ob er für dieses Kind ein Vater sein kann.

And finally, there, an answer: He does not want his child to know him as he is. […] He cannot promise that he is sure of who he is, and so he cannot promise that Katrina or their baby will have an unchanging constant as either a partner or a father.

Das obige Zitat finde ich deshalb so wichtig, weil es eine Annahme hervorhebt, die an Menschen in traditionellen heteronormativen Beziehungen üblicherweise gestellt wird: Dass die beteiligten Menschen sich nicht verändern. Eine Annahme, die niemals zutreffen kann, weil sich jeder Mensch durch die Erfahrungen seines Lebens verändert. Bei manchen sind das tiefe Einschnitte ins Leben, bei anderen ist es einfach nur der Alltag. Eine Unveränderlichkeit von Menschen (oder Eltern) ist von vornherein eine Illusion. Genau diese Illusion machen sich aber sowohl Katrina als auch Ames.

Katrina setzt sich zuerst hauptsächlich mit der unerwarteten Schwangerschaft auseinander. Die Tatsache, dass sie gerade eine Scheidung hinter sich hat, der eine Fehlgeburt voraus ging, bringt sie in eine Lage, in der sie einerseits unsicher ist, ob sie das Risiko einer Schwangerschaft überhaupt eingehen will. Dazu kommt die Unsicherheit, nicht wissen zu können, ob Ames ihr ein zuverlässiger Partner in der Betreuung und Erziehung des Kindes sein kann. Dass Ames seine Ex-Partnerin Reese als zweite Mutter ins Spiel bringt und ein queeres Familienmodell vorschlägt, scheint zuerst absurd, dann eine Option, die Verantwortung der Elternschaft auf mehrere Menschen aufzuteilen. Und dann wiederum muss Katrina entscheiden, ob sie sich zutraut, ihrem Kind die Unsicherheiten, die mit einem solchen Familienmodell verbunden sind, zumuten will. (Ja, ich sage bewusst „zumuten“, weil Katrina es so sieht.)

Beschrieben wird unter anderem ein Familienmodell, indem ein schwules Paar und ein lesbisches Paar gemeinsam in einem großen Haus leben. Durch künstliche Befruchtung entstehen zwei Kinder, die jeweils eine der Frauen und einen der Männer als biologische Eltern haben. Im Alltag wachsen die Kinder jedoch als Kinder von vier Elternteilen auf, haben immer eine erwachsene Person als Ansprechpartner:in und damit mehr Elternteile als in traditionellen Familien. Mir hat dieses Beispiel gut gefallen, weil es illustriert, dass queere Familien in Wirklichkeit reicher sein können als die nukleare heteronormative Familie, die von konservativen Politiker:innen immer wieder gefordert und gefördert wird.

Eine (Teil-)Antwort auf meine oben gestellte Frage habe ich im Interview mit der Autorin gefunden, das am Ende des Buchs zu finden ist. Sie wird angesprochen auf die problematischen Gedanken und Gefühle ihrer Protagonist:innen, auf die Tatsache, dass ihre Charaktere als fehlerhaft dargestellt werden. Ob sie nicht Angst hatte, dass sich ihre Leser:innen dadurch beleidigt fühlen könnten. Ihre Antwort drückt aus, was ich in meiner Frage nach der Authentizität der Repräsentation nicht formulieren konnte: Diese Charaktere sind keine Klischees. Sie sind ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Schichten und Lebenserfahrungen. Viele Lesende werden sich in Teilen in den Charakteren wiederfinden. Eine vollständige Identifikation ist gar nicht vorgesehen.

[…] People haven’t gotten mad at me because they don’t feel my characters represent them – they may identify with parts of the character, but they don’t identify fully with them.


Letztes Wochenende war ich mit einer Hacktours-Gruppe zu Besuch im Retro Gaming Museum. Ich hab den Gruppenausflug organisiert, es sind mehr Menschen gekommen als erwartet. Zum Glück haben wir es vor Ort geschafft, die Gruppe auf zwei Touren aufzuteilen, dank der Flexibilität unserer Guide-Person.

Eingang zum Retro Gaming Museum, das Schild über der Tür ist in drei verschiedenen Retro Fonts gestaltet und von einem Scheinwerfer beleuchtet, unter dem Schild steht über der Tür der Schriftzug „Enter here“

Die Führung durch das Museum war für mich sehr interessant, ich habe einige Anekdoten erfahren, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich bin auch bei Weitem nicht mit allen Spielekulturen vertraut, beispielsweise habe ich mich mit Ego Shootern nie anfreunden können. Es wurden auch Aspekte angesprochen wie die Designkultur, die sich aus der Gaming-Szene entwickelt hat.

Nach der Führung habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Guitar Hero gespielt (und mich dabei erdenklich ungeschickt angestellt). Auch VR lässt sich ausprobieren, diese Ecke war jedoch durchgehend von Kindern belegt, da muss die Besucher:in etwas Geduld aufbringen. (Für mich ohnehin nicht das Richtige, ich habe schon früher festgestellt, dass mich VR seekrank macht.)

An vielen der Exponate kann tatsächlich gespielt werden, wer sich also richtig reinfallen lassen will, kann problemlos Stunden im Retro Gaming Museum zubringen. Dann rentiert sich vermutlich auch der in meinen Augen etwas hohe Eintrittspreis (9,50€ für Erwachsene, wir hatten einen Gruppentarif von 7,50€ pro Person, die Führung haben wir extra bezahlt).

ein Display, das verschiedene Game Boy Spielekassetten zeigt, daneben die Adapterkassette, die es erlaubt Game Boy Spiele auf dem Super NES zu spielen sowie ein Lösungsheft für diverse Game Boy Spiele aus der Pre-Internet-Ära

 

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English Roman Science Fiction

Ernest Cline – Ready Player One

CN: Tod, Mord


Ewig lange hatte ich dieses Buch schon auf meiner Liste, dann verschwand es irgendwann aus dem Angebot meiner lokalen Bücherei in der Overdrive eLibrary. Im Rahmen der Listenpflege stellte ich dann fest, dass es auf englisch in der Hauptbücherei als Paperback verfügbar war und nahm es für meine Weihnachtsurlaubslektüre mit.

Der Anfang zieht sich etwas, ich hatte es dem Fotografen ungefähr so beschrieben: was im Film ungefähr drei Minuten dauern würde – nämlich die Erklärung der Welt, in der diese Geschichte spielt – dauert hier über 100 Seiten. Und auch im Verlauf der Geschichte gibt es immer wieder erläuternde Passagen, die erklären, warum etwas so geworden ist, wie es ist oder die sich rein auf die (erfundene) Technik beziehen.

Als die Suche nach dem Gral Osterei schließlich in die entscheidende Phase geht, wird es jedoch zunehmend spannend. Kapitalismuskritik ist ein großes Thema und gerade in der entscheidenden (virtuellen) Schlacht um (das virtuelle) Castle Anorak wird klar, dass hier die Crowd gegen die Corporation kämpft.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die vielen kulturellen Referenzen auf Computerspiele, Musik und Filme des vergangenen Jahrhunderts. Da dürfte für jede:n Retro Nerd etwas dabei sein. Für mich zum Beispiel:

Art3mis played a note-perfect Columbia, and I had the honor of playing her undead love interest, Eddie. I altered my avatar’s appearance so that I looked exactly like Meat Loaf did in the role, but my performance and lip-syncing still kinda sucked. Luckily, the audience cut me a lot of slack, because I was the famous gunter Parzival, and I was clearly having a blast.


Jahresrückblick 2023.

  • 29 Geocaching Blog Posts. 528 Geocaches gefunden. Besonders in Erinnerung geblieben (in umgekehrt chronologischer Reihenfolge):
  • 54 Bücher gelesen. Habe kurz versucht, Favoriten auszuwählen, aber es waren dieses Jahr einfach sehr viele ausgezeichnete Bücher dabei. Für mich überraschend: ich habe dieses Jahr deutlich mehr Bücher von Frauen gelesen als von Männern. (Als dritte Kategorie habe ich „divers / unbekannt / mehrere Autor:innen“ zusammengefasst, das waren vier Bücher.)
  • Größter Erfolg: Zusammenschluss mit Kolleg:innen zum Zwecke der Verbesserung der Honorarverhandlungsbasis.
  • Zweitgrößter Erfolg: ein neues Projekt gestartet. Hacktours by C3W und Metalab. Der erste Termin wird im Jänner stattfinden. Mit ÖGS-Dolmetschung. Danach schauen wir weiter. Das Interesse war überraschend groß.
  • Reisen: Spanien, Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Griechenland.
  • Bestes Konzert: The 1975 in der Wiener Stadthalle. Leider konnte ich aus Gründen nicht zu Fall Out Boy in Berlin.
  • Größte Veränderung: Neuestes Mitglied in unserem großen Familien- und Freundeskreis: Lupo.

Blick durch den offenen Kofferraum in das Auto, auf der Lehne des Rücksitzes schaut ein schwarz-brauner-Hund interessiert zur Seite

  • Fazit: Für mich persönlich ist das vergangene Jahr eigentlich ziemlich gut verlaufen, für die Welt mache ich mir jedoch große Sorgen. Wir haben nicht weniger Krieg sondern mehr, nicht weniger leidende Menschen, sondern mehr. Hinsichtlich der Klimakrise wurde nichts Wesentliches unternommen, die Entscheidungsträger:innen tun noch immer so, als wäre alles nicht so schlimm.
  • Ausblick: Was wünsche ich mir für 2024? Dass die Welt zur Ruhe kommt. Dass Entscheidungsträger:innen einsehen, dass wir JETZT etwas tun müssen, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Dass meine geliebten Menschen mit den Herausforderungen, die ihnen das Leben 2024 hinwirft, gut klarkommen und daran wachsen können. Für mich selbst: weiter auf dem Pfad der Entschleunigung. Mit dem Klimaticket durch Österreich. Kleine Erfolge am Wegesrand des Lebenspfads.
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English Krimi Roman

Louise Penny – A World of Curiosities

CN: Mord, Gewalt, Drogenmissbrauch, sexueller Missbrauch von Kindern, Prostitution, Vergewaltigung


Vielleicht der Beste aller Romane um Armand Gamache und die anderen Bewohner:innen von Three Pines. Der Titel ist eine Art Spitzname für ein Gemälde, das eigentlich The Paston Treasure heißt und tatsächlich im Norwich Castle Museum ausgestellt ist. In der Geschichte spielt eine Reproduktion des Gemäldes, das jedoch mit Hinweisen versehen ist, die Armand und seine Gefährt:innen erst Stück für Stück entschlüsseln können, eine wesentliche Rolle.

The engineer’s ring, a symbol of what could happen when mistakes were made, was now used to taunt Gamache with his own mistakes. And the deaths that resulted.

Der Bogen, der sich über dieses Buch spannt, könnte auch aus einer Staffel Criminal Minds stammen. Die Spannung, weil ständig unklar ist, wer eigentlich gefährlich ist oder es sein könnte, lässt die Leserin keine einzige Sekunde los. Und trotzdem hab ich den Mörder:die Mörderin erraten, bevor alles enthüllt wurde. Und auch in diesem Buch geht es noch näher an Armand Gamache heran: diesmal schleicht sich der Mörder:die Mörderin gleich direkt in seinen Kopf. Eine umwerfende Fortsetzung der großartigen Serie.

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English Erfahrungsbericht Ratgeber Sachbuch

Dr Devon Price – Unmasking Autism

CN: Es handelt sich hier um ein Sachbuch, in dem unter anderem unterschiedlichste Formen von Diskriminierung erwähnt und teilweise auch beschrieben werden.


Dieses Buch wurde mir geliehen von einer nahestehenden Person. Obwohl ich vor der Lektüre schon Kenntnisse über Autismus hatte (unter anderem aus Kontakten und Gesprächen mit neurodivergenten Personen), habe ich hier so dermaßen viel gelernt, dass ich das Buch wirklich jede:r Leser:in empfehlen will. Es zeigt eine Perspektive auf eine Form der Behinderung, die oft nicht als solche (an-)erkannt wird, die den Betroffenen aber das Leben in vielfacher Hinsicht erschwert.

Because so many of us mask through inhibition and withdrawal, we might not stand out as socially awkward, at least not in a way anyone can pinpoint. Though many of us experience sensory issues, anxiety, meltdowns, and debilitating mental health symptoms, we push as much of that misery into the private realm as possible. Our elaborate veils of coping mechanisms and camouflaging can create the illusion we don’t need help.

Dr Devon Price erzählt aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen, die er mit vielen autistischen Personen geführt hat. Oft geht es darum, dass Autismus erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird (wenn überhaupt), weil viele Menschen unter Autismus nur das klassische „Vollbild“ (so nennt es meine Therapeutin) kennen, wie es in den Medien manchmal als Klischee vorkommt. Autistische Menschen sind aber nicht nur Mathegenies, die soziale Normen nicht verstehen oder mit anderen Menschen erst gar nicht klarkommen. Der Begriff Autismus-Spektrum sollte eigentlich verdeutlichen, dass es unendlich viele verschiedene Ausprägungen von Autismus gibt und daher auch autistische Menschen unterschiedliche Arten von Unterstützung benötigen. Hierfür gibt es nach meiner Meinung in der Gesellschaft nicht ausreichend Bewusstsein.

Hervorheben möchte ich auch, wie in diesem Buch der Unterschied zwischen „identity-first“ (autistic person) und „person-first“ (person with Autism) in der Sprache erklärt wird. Wenn die Formulierung „Person mit Autismus“ verwendet wird, dann erklären Menschen das oft so, dass sie die bezeichnete Person nicht durch ihre Behinderung definieren wollen. Die Formulierung distanziert aber gleichzeitig die Person von ihrem Autismus, der ein Teil ihrer Persönlichkeit ist.

When people use person-first language, they often say it’s because they don’t want disabled people to be defined by their disability. However, phrases like “person with Autism” distance a person’s disabled status from their humanity in a way that can be quite harmful. Autism is not a thing that is added on to a person – it’s integral to their life and cannot be removed from who they are.

Einen großen Platz nimmt auch die Kritik des (US-amerikanischen) Gesundheitssystems ein, das Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe systematisch diskriminiert. Studien, die belegen wollen, dass Autismus am häufigsten bei weißen Jungen in einem gewissen Alter vorkommt, sind daher rundheraus abzulehnen, weil sie einfach die hohe Dunkelziffer an nicht-diagnostizierten Personen ignorieren. Auch thematisiert wird das generelle kapitalistische Leistungsprinzip, das den Wert eines Menschen nach seiner Leistungsfähigkeit oder Produktivität bemisst. Sagen wir es gemeinsam: Alle Menschen sind gleich wert. Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht durch seine Leistung. Menschen sind keine Ressourcen.

Under a capitalist, Industrial Time framework, any project that is abandoned or left unfinished is seen as a “failure” – time wasted because it didn’t result in a clear end product. But when we look at time as a series of cycles and spirals with goals that are ever-shifting, we can recognize that the learning and reflection we put into an aborted project (or even into masking) often pays off, just not in the way we expected. Every disappointment or failure teaches us something about what we want, and what is best for us.

Neben diesen Erklärungen und Einordnungen bietet das Buch auch konkrete Hilfestellungen für Betroffene und Angehörige. Letztlich hat mich eine Geschichte aus dem letzten Kapitel besonders berührt. Es erzählt von einer Familie, in der eines der Kinder eine Autismus-Diagnose erhält. Um diesem Kind das Leben zu erleichtern, stellt die Familie ihr Leben um, zieht aus der Stadt aufs Land, verbringt mehr Zeit in der Natur und entschleunigt im Ganzen ihr Leben. Die nicht-autistische Mutter dieses Kindes reflektiert im Gespräch mit Dr Devon Price darüber, wie dieser Prozess das Leben der gesamten Familie verändert hat. Es stellte sich also heraus, dass, was gut für das autistische Kind ist, für die ganze Familie gut ist.

In diesem Sinne möchte ich mit einem weiteren Zitat schließen, das konkrete Hilfestellung für autistische Menschen gibt. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir davon alle profitieren könnten:

On a practical level, how can an Autistic person learn to embrace spiral time? Marta Rose says it comes down to two points:

1. Expand the time frame you use to gauge productivity and success. Take the “long view” of your life. Don’t be afraid to cycle back to old projects, or let a passion go when it’s not serving you.

2. Slow down. Stillness helps neurodivergent minds process the huge quantities of data we take in.