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Louise Erdrich – Future Home of the Living God

CN dieses Buch: Mord, Abtreibung, Totgeburt, Sucht
CN dieser Post: –


The first thing that happens at the end of the world is that we don’t know what is happening.

Irgendwie sind die Bücher gerade zu kurz. Gerade, als ich mich endlich halbwegs mit dieser seltsamen Welt vertraut gemacht hatte, war die Geschichte schon wieder zu Ende. Und was für ein Ende auch noch …

Louise Erdrich beschreibt eine nordamerikanische Gesellschaft, die von einer Art umgekehrter Evolution bedroht ist. Was genau passiert, wird immer nur angedeutet. Diese Andeutungen gehen in die Richtung, dass neu geborene Kinder einen evolutionären Rückschritt aufweisen. Die Protagonist:innen bekommen Maßnahmen mit, die von der Regierung verordnet werden, wozu unter anderem gehört, dass jede schwangere Frau in Gewahrsam genommen wird, um den Schwangerschafts- und Geburtsvorgang zu kontrollieren. Diese Zwangsmaßnahmen werden zunehmend verstärkt.

In dieser Welt ist die Protagonistin Cedar unerwartet schwanger und will ihr Baby unter allen Umständen beschützen. Als Nebenstrang der Geschichte werden Stück für Stück die komplizierten Familienverhältnisse der adoptierten Cedar enthüllt. Ihre Abstammung von den nativen Ojibwe ist dabei ein entscheidender Faktor. Der Kontakt mit ihrer leiblichen Mutter wird zum Stressfaktor für die Beziehung zu ihrer Adoptivmutter.

Es wird somit das Thema Mutterschaft aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Was bedeutet Mutterschaft für die Entwicklung unserer Gesellschaft, was passiert mit der Welt, wenn das empfindliche Gleichgewicht der menschlichen Fortpflanzung aus der Balance gerät? Wozu sind Menschen fähig, wenn sie denken, nur ihr Weg könnte die Menschen und die Welt retten? Wozu sind (werdende) Mütter bereit, um ihr (ungeborenes) Kind zu schützen?

Es ist eine Dystopie, die in ihrem Fokus auf Schwangerschaft und Mutterschaft und dem autoritären Umgang mit einer aus den Fugen geratenen Welt an The Handmaid’s Tale erinnert. Dazu trägt auch die Erzählung in Form eines Tagebuchs bei, das Cedar an ihr ungeborenes Kind schreibt. Ein Buch, das viele Fragen offen lässt. Kein Buch für dunkle Tage. Und ganz sicher kein Buch für Menschen, die selbst ein Kind erwarten.

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Emily St. John Mandel – Station Eleven

CN dieses Buch: Mord, Tod, Krankheit, Pandemie, Epidemie
CN dieser Post: Pandemie, Sterben, Krankheit


Was für eine Geschichte … ich musste am Anfang des Buchs nachschauen, wann das veröffentlicht wurde, und es ist beängstigend wenig lange her (2014). Ich möchte mir nicht vorstellen, was die Autorin empfunden hat, als es 2020 mit der aktuellen Situation losging …

Es handelt sich aber hier nicht nur um eine Geschichte, die die Katastrophe und ihre Nachwirkungen beschreibt. Viele Rückblicke zeigen die Charaktere in ihrem Leben VOR der Katastrophe, was auch notwendig ist, um diese dann in berührend unterschiedlichen Szenarien sterben zu lassen. Ohne diese Geschichten VOR der Pandemie gäbe es die Frage nicht, wer denn wohl überleben wird und wie.

Of all of them there at the bar that night, the bartender was the one who survived the longest. He died three weeks later on the road out of the city.

Eine großartige Verknüpfung ist jedoch die Geschichte des titelgebenden Comics Station Eleven, der einen großen Teil der Protagonisten miteinander verbindet. Wer diese Geschichte erfindet und wie sie in die Hände derer gelangt, die sie nach der Katastrophe weiterhin mit sich tragen, ist sehr clever angelegt und war für mich nicht vorhersehbar.

If you are the light, if your enemies are darkness, then there’s nothing that you cannot justify. There’s nothing you can’t survive, because there’s nothing that you will not do.

Wie bei anderen Weltuntergangsgeschichten stellen sich auch hier irgendwann die Protagonisten die Frage, warum manche Menschen überlebt haben und andere sterben mussten. Ein Prophet, der daraus eine Licht-und-Schatten-Situation generiert, fehlt natürlich auch nicht. Die vielen Rückblenden ermöglichen eine überdeutliche Beschreibung des VORHER und NACHHER („the divide between a before and an after, a line drawn through his life“).

Unerwartet kommt auch der Funken Hoffnung, der sich am Ende des Buchs spontan einschleicht.

If there are again towns with streetlights, if there are symphonies and newspapers, then what else might this awakening world contain?