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English Roman

Torrey Peters – Detransition, Baby

CN: sexuelle Handlungen (inkl. Kink und Sexarbeit), Beziehungsgewalt, Drogenmissbrauch, Suizid, Transfeindlichkeit, Fehlgeburt, Mord, Heteronormativität, Dysphoria

(Einen Teil dieser Themen werde ich auch weiter unten in diesem Post ansprechen, weil es die Geschichte maßgeblich beeinflusst. Wenn dir das gerade schwer fällt, solltest du diesen Post vielleicht auslassen oder später lesen.)


Was für ein Buch. Zuerst möchte ich sagen, dass ich als weiße cis-Frau mir nicht anmaße, diese Geschichte in irgendeiner Form zu bewerten. Dieses Buch ist auf eine Art queer, dass ich einerseits das Gefühl habe, neue Aspekte kennen gelernt zu haben, und mich andererseits frage, in welchem Ausmaß diese Aspekte in der Realität überhaupt auf die queere Trans-Community zutreffen. Eine (Teil-)Antwort auf diese Frage folgt weiter unten.

Die Hauptprotagonist:innen dieser Geschichte:

  • Reese. Trans-Frau mit komplexen sexuellen Beziehungen, die immer auch von dem Wunsch geprägt sind, als Frau Bestätigung zu finden. Reese neigt zu Impulsivität und Drama, sie springt spontan aus einer Beziehung in die Nächste. Ob sie Mutter sein will, weil sie tatsächlich ein tiefes Verlangen nach Mutterschaft hat oder weil es für sie die ultimative Bestätigung ihrer Weiblichkeit bedeutet, bleibt bis zum Schluss unklar.
  • Ames/Amy. Trans-Frau, die nach einigen Jahren Leben als Trans-Frau Amy sich entschlossen hat, zu detransitionieren (mir fällt kein passendes deutsches Wort dafür ein?) und nun wieder als Mann lebt. In Ames brodelt die Frage nach seiner:ihrer eigentlichen Identität. Er weiß, dass er trans ist, hat sich aber gegen das Leben als Trans-Frau entschieden, weil es ihm zu schwer erschien. Gleichzeitig hat er massive Schwierigkeiten, eine männliche Identität für sich zu finden bzw. zu definieren. Dieser Zustand macht es ihm auch unmöglich, sich als Vater eines Kindes zu sehen.
  • Katrina. Cis-Frau, die vom detransitionierten Ames schwanger wird. Obwohl Katrina sich zuerst komplett betrogen fühlt, als sie erst von Ames’ Transsexualität erfährt, als sie schwanger wird, zeigt sich in Katrina deutlich eine Offenheit gegenüber queerem Leben. Sie hat tief sitzende Vorbehalte wie zum Beispiel traditionelle Familienbilder, will aber offen sein für alternative Modelle. Ihre eigene Mixed-Race-Herkunft spielt dabei eine große Rolle. Mit Diskriminierung und Marginalisierung hat sie Erfahrung. Mit der Trans-Community aber nicht.

Auf der Basis dieser drei Charaktere und ihrer Freund:innenkreise gibt das Buch tiefe Einblicke in das queere Leben, speziell das Leben von Trans-Frauen in New York. Einerseits vermisst Reese ältere Trans-Frauen als Vorbilder, andererseits durchzieht ihre Gespräche mit anderen Trans-Frauen ein beißender Spott über die so genannten baby transes (Menschen, die in ihrem Trans-Leben noch am Anfang stehen). Reese sehnt sich nach Bestätigung ihrer Weiblichkeit. Das geht soweit, dass Beziehungsgewalt für sie zur Bestätigung ihrer Weiblichkeit wird.

So yeah, Stanley, bring it on. Hit Reese. Show her what it means to be a lady.

Ames/Amy kämpft mit dem Widerspruch, zu wissen, dass er trans ist, aber trotzdem detransitioniert zu haben. Dieser Widerspruch drängt sich durch Katrinas Schwangerschaft in den Vordergrund. Plötzlich ist Ames gezwungen, seine Männlichkeit zu hinterfragen und sich selbst darüber klar zu werden, ob er für dieses Kind ein Vater sein kann.

And finally, there, an answer: He does not want his child to know him as he is. […] He cannot promise that he is sure of who he is, and so he cannot promise that Katrina or their baby will have an unchanging constant as either a partner or a father.

Das obige Zitat finde ich deshalb so wichtig, weil es eine Annahme hervorhebt, die an Menschen in traditionellen heteronormativen Beziehungen üblicherweise gestellt wird: Dass die beteiligten Menschen sich nicht verändern. Eine Annahme, die niemals zutreffen kann, weil sich jeder Mensch durch die Erfahrungen seines Lebens verändert. Bei manchen sind das tiefe Einschnitte ins Leben, bei anderen ist es einfach nur der Alltag. Eine Unveränderlichkeit von Menschen (oder Eltern) ist von vornherein eine Illusion. Genau diese Illusion machen sich aber sowohl Katrina als auch Ames.

Katrina setzt sich zuerst hauptsächlich mit der unerwarteten Schwangerschaft auseinander. Die Tatsache, dass sie gerade eine Scheidung hinter sich hat, der eine Fehlgeburt voraus ging, bringt sie in eine Lage, in der sie einerseits unsicher ist, ob sie das Risiko einer Schwangerschaft überhaupt eingehen will. Dazu kommt die Unsicherheit, nicht wissen zu können, ob Ames ihr ein zuverlässiger Partner in der Betreuung und Erziehung des Kindes sein kann. Dass Ames seine Ex-Partnerin Reese als zweite Mutter ins Spiel bringt und ein queeres Familienmodell vorschlägt, scheint zuerst absurd, dann eine Option, die Verantwortung der Elternschaft auf mehrere Menschen aufzuteilen. Und dann wiederum muss Katrina entscheiden, ob sie sich zutraut, ihrem Kind die Unsicherheiten, die mit einem solchen Familienmodell verbunden sind, zumuten will. (Ja, ich sage bewusst „zumuten“, weil Katrina es so sieht.)

Beschrieben wird unter anderem ein Familienmodell, indem ein schwules Paar und ein lesbisches Paar gemeinsam in einem großen Haus leben. Durch künstliche Befruchtung entstehen zwei Kinder, die jeweils eine der Frauen und einen der Männer als biologische Eltern haben. Im Alltag wachsen die Kinder jedoch als Kinder von vier Elternteilen auf, haben immer eine erwachsene Person als Ansprechpartner:in und damit mehr Elternteile als in traditionellen Familien. Mir hat dieses Beispiel gut gefallen, weil es illustriert, dass queere Familien in Wirklichkeit reicher sein können als die nukleare heteronormative Familie, die von konservativen Politiker:innen immer wieder gefordert und gefördert wird.

Eine (Teil-)Antwort auf meine oben gestellte Frage habe ich im Interview mit der Autorin gefunden, das am Ende des Buchs zu finden ist. Sie wird angesprochen auf die problematischen Gedanken und Gefühle ihrer Protagonist:innen, auf die Tatsache, dass ihre Charaktere als fehlerhaft dargestellt werden. Ob sie nicht Angst hatte, dass sich ihre Leser:innen dadurch beleidigt fühlen könnten. Ihre Antwort drückt aus, was ich in meiner Frage nach der Authentizität der Repräsentation nicht formulieren konnte: Diese Charaktere sind keine Klischees. Sie sind ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Schichten und Lebenserfahrungen. Viele Lesende werden sich in Teilen in den Charakteren wiederfinden. Eine vollständige Identifikation ist gar nicht vorgesehen.

[…] People haven’t gotten mad at me because they don’t feel my characters represent them – they may identify with parts of the character, but they don’t identify fully with them.


Letztes Wochenende war ich mit einer Hacktours-Gruppe zu Besuch im Retro Gaming Museum. Ich hab den Gruppenausflug organisiert, es sind mehr Menschen gekommen als erwartet. Zum Glück haben wir es vor Ort geschafft, die Gruppe auf zwei Touren aufzuteilen, dank der Flexibilität unserer Guide-Person.

Eingang zum Retro Gaming Museum, das Schild über der Tür ist in drei verschiedenen Retro Fonts gestaltet und von einem Scheinwerfer beleuchtet, unter dem Schild steht über der Tür der Schriftzug „Enter here“

Die Führung durch das Museum war für mich sehr interessant, ich habe einige Anekdoten erfahren, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich bin auch bei Weitem nicht mit allen Spielekulturen vertraut, beispielsweise habe ich mich mit Ego Shootern nie anfreunden können. Es wurden auch Aspekte angesprochen wie die Designkultur, die sich aus der Gaming-Szene entwickelt hat.

Nach der Führung habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Guitar Hero gespielt (und mich dabei erdenklich ungeschickt angestellt). Auch VR lässt sich ausprobieren, diese Ecke war jedoch durchgehend von Kindern belegt, da muss die Besucher:in etwas Geduld aufbringen. (Für mich ohnehin nicht das Richtige, ich habe schon früher festgestellt, dass mich VR seekrank macht.)

An vielen der Exponate kann tatsächlich gespielt werden, wer sich also richtig reinfallen lassen will, kann problemlos Stunden im Retro Gaming Museum zubringen. Dann rentiert sich vermutlich auch der in meinen Augen etwas hohe Eintrittspreis (9,50€ für Erwachsene, wir hatten einen Gruppentarif von 7,50€ pro Person, die Führung haben wir extra bezahlt).

ein Display, das verschiedene Game Boy Spielekassetten zeigt, daneben die Adapterkassette, die es erlaubt Game Boy Spiele auf dem Super NES zu spielen sowie ein Lösungsheft für diverse Game Boy Spiele aus der Pre-Internet-Ära

 

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English Jugend Roman

Rachel Cohn & David Levithan – Sam and Ilsa’s Last Hurrah

CN dieses Buch: Alkohol, Panikattacke, Selbstverletzung
CN dieser Post: –


Mit einem Besuch im Mumok, den ihr weiter unten lesen könnt.

How do you leave? You tell yourself you can go home whenever you need to. You tell yourself you’re trying something out. And you find something you love to take with you. You give yourself a chance to be someone else, but you don’t turn against the person you were. You give yourself room to breathe, and then you breathe.

Die Jugendbücher vom Autor:innenteam Rachel Cohn & David Levithan glänzen zumeist mit kreativen Persönlichkeiten, absurden Situationen und spannenden Schauplätzen. Das ist auch in dieser Geschichte so, in der die Zwillinge Sam und Ilsa eine letzte gemeinsame Dinnerparty in der Wohnung ihrer Großmutter feiern, bevor diese Wohnung verkauft werden soll. Zwischen den geladenen Gästen (von denen einer sich als Bauchredner mit Sockenpuppe entpuppt) entwickeln sich Ressentiments und Anzüglichkeiten, Themen aus der Vergangenheit werden aufgerollt und schließlich tiefgreifende Fragen gestellt. Eine Teil-Antwort auf eine wesentliche Frage (How do you leave?) gibt das obige Zitat.

Interessant fand ich auch eine Passage, in der die Klimakrise mit dem Untergang der Titanic verglichen wird. Es geht spezifisch darum, dass New York bei steigendem Meeresspiegel überflutet werden könnte. Mit dem Schluss, dass es eigentlich nicht mehr darum geht, die Katastrophe zu verhindern. Es geht darum, Maßnahmen zu ergreifen, um so viele Menschen wie möglich zu retten.

What I’m saying is – there comes a time, long before the accident, when you decide how many lifeboats the Titanic should have. That’s what we need to do – in many ways it’s the only thing we can do. Make sure we have plenty of lifeboats.


Ausgenutzt habe ich meine Bundesmuseen-Card nicht. Ziemlich überrascht stellte ich in der vorletzten August-Woche fest, dass ich nur noch fünf Tage Zeit hatte. Immerhin ein Museumsbesuch ging sich in der Zeit noch aus. So verbrachte ich drei Stunden eines brütend-heißen Sommertags in den klimatisierten Hallen des Mumok. Während des Museumsbesuchs machte ich nicht nur Fotos sondern auch Notizen auf meinem Telefon, was dazu führt, dass ich ich mich jetzt deutlich besser an die Ausstellungen erinnern kann. Das sollte ich beibehalten.

Ausstellungsräumlichkeiten im Mumok, in Pastellfarben gestrichene Wände mit runden Abschlüssen bilden Räume, an den Wänden sind jeweils einige Collagen aufgehängt, rechts vorne ist eine Collage mit pinken und violetten Elementen zu sehen, die ein geometrisches System zeigt mit einem Element, das möglicherweise eine Rakete darstellt
Ausstellungsansicht, Mumok, Elisabeth Wild, Fantasiefabrik

Ich begann meine Tour im obersten Stockwerk, um mich dann nach unten vor zu arbeiten. Dort sind aktuell unter dem Titel „Fantasiefabrik“ Collagen der Künstlerin Elisabeth Wild ausgestellt. Ihre Collagen bestehen aus Elementen aus Magazinen,
sie enthalten kaum menschliche Elemente sondern hauptsächlich Formen in verschiedenen Farben, die zu neuen Formen kombiniert werden. Teilweise sind architektonische Elemente erkennbar, oft ist aber auch nicht ersichtlich, was die einzelnen Teile ursprünglich waren. Ungenauigkeiten wie schräge Schnittkanten, Blitzer, Haare die mit eingeklebt sind, versehentliche Klebespuren oder  durchscheinender Text von der anderen Seite des Papiers sind deutlich sichtbar.

nebeneinander drei hochformatige rechteckige Collagen. Links: geometrische Kombination aus versch. rechteckigen Elementen, Farbwelt hier gelb, braun, Grautöne. Mitte: prominent ist ein goldener Ring, der sich von den Hintergrundelementen abhebt, Farbwelt gold, braun, rötlich. Rechts: zwei Geländer, die von den Ecken links und rechts oben in die Mitte ragen, geben der Collage Tiefe und lenken den Blick auf die Mitte, wo quadratische Elemente eine Art Fliesenmuster bilden, Farbwelt hier türkis, grau, braun.
3 Collagen aus der Ausstellung Elisabeth Wild. Fantasiefabrik

Wiederkehrende Elemente sind Fenster, Türen oder Treppen, die in eine andere Welt zu führen scheinen, auch Uhren in verschiedenen Formen kommen häufiger vor. Die Collagen scheinen eine Tiefe zu haben, sie existieren auf verschiedenen Ebenen, ohne das konkret durch die Reihenfolge des Aufklebens zu demonstrieren. Die Tiefe wird mehr durch die Richtung schräger Elemente erzeugt. Manche Collagen sind geometrisch, andere bilden eine Art Fantasiewelt, in die die Betrachterin hinein gezogen wird. In dieser Fantasiewelt lässt sich manchmal ein Spiel mit Elementen, wo die Größenverhältnisse vertauscht sind, erkennen zum Beispiel das Bild eines Hauses als Lampenschirm.

Besonders gefallen hat mir, dass jede Collage eine eigene Farbwelt hat, sie sind nicht nur bunt, die Farben passen auch zueinander. Jede Collage könnte Grundlage für eine Farbpalette sein, wie ich sie mir sehr gerne auf Colorpalettes.net ansehe.

Auf dem Papier organisierte Wild die Ausschnitte in Darstellungen, die in ihrer traumhaften, abstrakt-futuristischen Erscheinungsart überraschen. Die geschlossenen Kompositionen rufen mit ihren maskenhaften, architektonischen, naturhaften und abstrakten Mustern bei den Betrachter*innen eine Fülle von Assoziationen wach. (aus der Ausstellungsbroschüre)

Auf der anderen Ebene dieser Ausstellung befand sich ein Kartonraum mit Stoffmustern, Gemälden, Fotos, Inseraten vom Antiquitätengeschäft, das die Künstlerin geführt hat. Diesen Teil der Ausstellung musste ich mir erklären lassen, die Ebene soll ihr Haus bzw. ihren Arbeits- und Lebensraum nachempfinden, daher sind die Wände außerhalb des Kartonhauses auch mit Dschungeltapete beklebt. Die Künstlerin verbrachte ihre „letzten zwei Lebensdekaden“ (Zitat aus der Broschüre, so geschwollen würde ich nie schreiben) in Guatemala.

Ausstellungsansicht im Mumok, links eine schwarze Wand an der drei hochformatige Gemälde hängen, rechts eine schwarze Wand mit einem großformatigen Gemälde, auf dem in unterschiedlichen Schattierungen von schwarz und weiß immer wieder die Worte WE ARE NOT zu lesen sind. Dazwischen ist auf einer weißen Wand dahinter eine Gruppe von hochformatigen Bildern zu sehen, die hauptsächlich Formen wie Kreise, Ovale oder Dreiecke auf unterschiedliche Weise miteinander kombinieren
Ausstellungsansicht, Mumok, Adam Pendleton. Blackness, White, and Light

Ein ziemliches Kontrastprogramm zur oben beschriebenen Ausstellung bildet Adam Pendleton. Blackness, White, and Light. Hier werden Reihen von Bildern mit denselben Formen gezeigt, fast ausschließlich schwarz und weiß, teilweise sind Farbtropfen sichtbar, die nach unten rinnen und mich auf den Gedanken bringen, dass es interessant wäre, diese Bilder umgedreht zu hängen, sodass die Tropfen der Schwerkraft entgegen rinnen. Durch die übereinander liegenden Schichten und die Tropfen, die nach unten rinnen, wirken manche Bilder wie Regenwetter, als würde die Betrachter:in die Welt durch einen Regenschleier sehen. Buchstaben sind auch oft Teil der Gestaltungen, teilweise als Worte oder sogar Sätze (we are not), manchmal aber auch nur als Gestaltungselemente.

Pendleton erforscht Blackness als eine Farbe, eine Identität, eine Methode und ein politisches Subjekt – kurz: als Vielfalt. Er stellt dringliche, doch offene Fragen nach dem Vermächtnis der Moderne in der Gegenwart und reaktiviert dazu quer durch die Medien und Zeiträume Ideen historischer Avantgarden. (aus der Ausstellungsbroschüre)

Wieder einmal stelle ich fest, dass ich mit Videokunst einfach nichts anfangen kann. Die Videoräume sind so abgeschlossen, dass du in einer anderen Welt bist, audiotechnisch ist das eigentlich sehr gut gemacht, du spürst den Bass, das Knarzen der Schuhe auf dem Boden scheint von unten zu kommen, die Musik und der Raumklang von überall. Trotzdem kann ich mich darauf nicht so wirklich einlassen. Vielleicht braucht es einen sanften Einstieg in die Videokunst?

Weiters ist im Mumok noch bis 8. Oktober die Ausstellung Agnes Fuchs. Her Eyes Were Green zu sehen. Hier musste ich wirklich zur Ausstellungsbroschüre greifen, weil mir die ausgestellten Exponate so gar nichts sagten. Die technisch-grafischen Elemente, die auf Wänden und Boden eine Struktur anzeigen, konnte ich zuordnen, aber im Ganzen ergaben die Bilder und Installationen für mich einfach keinen Sinn.

Ausstellungen sind für Künstler*innen und ihre Werke ganz allgemein Bühnen der öffentlichen Präsenz und Existenz. Die Ausstellung ON STAGE zeigt Arbeiten seit etwa 1960, die vorwiegend aus der mumok Sammlung stammen und in denen explizit Darstellungen des Bühnenhaften und des Rollenspiels zu sehen sind. (Text aus der Ausstellung)

Ein buntes Potpourri bildet die Ausstellung ON STAGE – Kunst als Bühne, kuratiert von Rainer Fuchs. Für diese Ausstellung alleine hätte ich mir mehrere Stunden Zeit nehmen können, sie beinhaltet so viele Facetten des Künstlerischen und ich war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr richtig konzentrationsfähig. Neben  Werken der Aktionskunst zum Beispiel von Herrmann Nitsch, Marina Abramovic oder Valie Export, wo das Manipulieren des Körpers (des eigenen oder eines anderen) zum Ausdruck der künstlerischen Vision wird, sind Skulpturen, Fotodokumentationen von Aktionen oder Auftritten, Videokunst zu sehen – insgesamt eine bunte Mischung von Werken, die sich irgendwie mit dem Thema Bühne in Verbindung bringen lassen.

Dabei wird auch tiefgründige Kritik nicht ausgespart, etwa thematisiert die Gruppe MATHILDA unter dem Titel „Kunst als Vorwand“ Gewalthandlungen, die in der Mühl-Kommune als Bühnenspektakel inszeniert wurden.

Meinen Besuch im Mumok habe ich nicht nur deshalb sehr genossen, weil ich bei draußen 35 Grad, knapp drei Stunden in den klimatisierten Hallen verbringen durfte. Es war interessant, selbst zu versuchen, die Kunst einzuordnen und dies dann mit den Ausstellungsbroschüren zu vergleichen. Natürlich maße ich mir nicht an, wirklich zu verstehen, was die Künstler:innen aussagen wollen, dazu fehlt mir einfach das Einordnungswissen. Jedoch allein der Kontrast zwischen den beiden Ausstellungen von Elisabeth Wild und Adam Pendleton zeigt deutlich, dass die Möglichkeiten menschlichen künstlerischen Ausdrucks nahezu endlos sind.

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Roman

Kathleen Tessaro – The Debutante

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Tod eines Elternteils, Tod einer Ehefrau
CN dieser Post: –


  • Bei der Auflösung eines Herrenhauses an der englischen Küste wird ein Schuhkarton entdeckt, der scheinbar unzusammenhängende Erinnerungsstücke enthält: ein paar silberne Schuhe, das Foto eines Matrosen, ein teures Armband. Die Zusammenhänge werden erst zum Schluss vollständig klar.
  • Jede Beziehung in diesem Buch ist irgendwie um das Element Betrug gebaut. Jede Person betrügt entweder oder wurde betrogen. So viele verschiedene Formen von Betrug zu sammeln, ist auch schon mal eine Leistung.
  • Die Erzählweise mit den zwischen gestellten Briefen aus der früheren Zeitetappe ist clever gelöst, manchmal weiß die Leserin so mehr als die suchenden Protagonist*innen, manches ergibt aber auch erst später Sinn.
  • Das Buch hab ich vor Jahren aus einem Bücher-Geocache genommen, inzwischen stand es ganz am Ende des Regals der ungelesenen Bücher. Eigentlich schade, dass ich es solang dort behalten habe, es hat mich gut unterhalten.
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Graphic Novel

Koren Shadmi – Love Addict

CN dieses Buch: häusliche Gewalt (Werfen und Zerstören von Gegenständen), sexuelle Handlungen (grafisch dargestellt), Alkohol- und Drogenmissbrauch, Sexismus, Fat Shaming
CN dieser Post: –


Leider lässt mich meine Dokumentation erneut im Stich, ich kann nicht nachvollziehen, auf welchem Weg diese Graphic Novel auf meiner Liste gelandet ist. Jedenfalls landete ich heute nach meinem Besuch im Theatermuseum (siehe Bericht weiter unten) in der Bücherei-Zweigstelle Schwendermarkt. Nach der schnellen vor-Ort-Lösung eines (satirischen) Literatur-Geocaches konnte ich das Buch aus der Bookmarkliste in der Büchereien-App, das ich mir vorgemerkt hatte, nicht finden und nahm mir noch Zeit, in meine Tabelle zu schauen, in der ich interessante Bücher verzeichne. Da fand ich dann dieses Werk, das in dieser Zweigstelle auch verfügbar war. Das andere Buch konnte ich dann mit Unterstützung des Personals auch ausfindig machen (Pro-Tip: die Krimis haben oft ein Extra-Regal und sind nicht bei den Romanen einsortiert).

Die Graphic Novel befasst sich mit den Risiken und Nebenwirkungen des Online Datings. Protagonist K. lässt sich nach einer gescheiterten Beziehung von seinem Mitbewohner zu einem Account auf einer Online-Dating-Plattform überreden. Nach ein paar enttäuschenden Dates (Klischees wie zB die Frau ist hasserfüllt und betrunken, die Frau sieht ganz anders aus als auf dem Foto, die Frau ist sehr kapitalistisch orientiert und sehr unsympathisch) scheint sich das Schicksal zu wenden. K. gewinnt Selbstvertrauen durch einige positive Dating-Erfahrungen und rutscht in eine Abhängigkeit ab, die dazu führt, dass er ständig neue Frauen kennenlernen will, sie zunehmend miteinander verwechselt und er schließlich mit einem Filmriss im Zimmer einer rothaarigen Unbekannten mit Postern der Musicals Cats, Wicked und Rent an den Wänden aufwacht (diese Seite hat mir persönlich gut gefallen).

Die Geschichte nimmt einen erwartbaren Lauf, K. erkennt schließlich, dass ein weiterer schöner Körper im Bett ihn nicht glücklich macht. Sexismus lässt sich in den vielen Zeichnungen nackter Frauen sicher sehen, die meisten Frauen werden eindimensional und stereotypisch dargestellt. Irgendwie blieb bei mir ein etwas schaler Geschmack zurück, auch wenn die Moral von dieser Geschichte natürlich von Anfang an offensichtlich ist.


Theatermuseum mit dem bunten Plakat zur Ausstellung Austropop, dahinter der Kirchturm der Augustinerkirche

Im Theatermuseum ist aktell und noch bis 4. September 2023 die Sonderausstellung Austropop zu sehen. Den Untertitel Von Mozart bis Falco finde ich gelinde gesagt irreführend, denn diese Formulierung suggeriert, dass mit dem Tod von Falco vor nunmehr fast 25 Jahren der Austropop (s)ein Ende gefunden hätte. Natürlich sind gerade diese beiden Protagonisten der österreichischen Musikszene international bekannt und eignen sich daher als Zugpferde für die Ausstellung. Aber zum Glück beschränkt sich die Ausstellung nicht nur auf diese beiden Persönlichkeiten, sondern versucht, die Entwicklung des Austropop nachzuzeichnen und jeder Epoche ihre eigene Bedeutung zukommen zu lassen.

mehrere Schallplatten-Cover auf einem Pop-Art-Wand-Hintergrund mit sich überlappenden Kreisen in rot-orange-Farbtönen

Einen eigenen Raum nehmen auch die in Wien uraufgeführten Musicalproduktionen ein, die teilweise auch direkte Austropop-Verbindungen aufweisen. Dazu zählen etwa die Musicals Mozart! und Schikaneder, deren Hauptfiguren direkt der Austropopgeschichte entstammen. Die Musicals Ich war noch niemals in New York und I am from Austria hingegen erzählen eine erfundene Geschichte untermalt mit der Musik bekannter Austropopgrößen wie Udo Jürgens und Rainhard Fendrich. Neben Szenenfotos aus den Musicals sind auch Programmhefte, Kostümzeichnungen sowie Kostüme ausgestellt.

5 Kostümzeichnungen aus dem Musical Elisabeth, darüber zwei Plakate der japanischen Produktionen von Elisabeth und Mozart

Neben dieser Sonderausstellung gibt es auch eine kleinere Dokumentation zu Richard Teschner (1879–1948) zu sehen. Im Figurentheater sah er „die Möglichkeit der Überwindung herkömmlicher (theatralischer) Ausdrucksformen“ (Zitat aus der Ausstellung). Mit der Entdeckung javanischer Stabpuppen fand er schließlich einen Weg, seine Vorstellungen von Theater und Poesie umzusetzen. Dies führte er zuerst in einer Guckkastenbühne namens „Der Goldene Schrein“ aus. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse entwickelte Teschner in weiterer Form seinen „Figurenspiegel“, „auf dem ab 1932 hinter einer kreisförmigen, konkaven Glasscheibe gespielt wird. Hier sollte er alle ihm zur Verfügung stehenden Techniken (Projektionen von chemischen Prozessen, Lichteffekte, Rückprojektionen, Verfeinerung der Technik der Figuren etc.) noch einmal exzessiv erweitern“ (Zitat aus der Ausstellung). Die hinter Glas ausgestellten Stabpuppen sind leider sehr schwer zu fotografieren, auf der Webseite des Theatermuseums zu dieser Austellung gibt es jedoch einige schöne Aufnahmen zu sehen.

Goldener Schrein, Guckkastenbühne für Stabpuppen mit halb geschlossenen Türen und reichlich goldener Verzierung

Im zweiten Stock fand ich dann noch eine kleine Ausstellung mit dem Namen Spielräume, die sich mit verschiedenen Bühnenformen befasst. Modelle illustrieren einen Vergleich der verschiedenen Bühnenformen und ihrer Eigenschaften. Die Simultanbühne wird etwa heute bei den Musicalaufführungen auf der Felsenbühne Staatz eingesetzt. Die breite Bühne weist verschiedene Schauplätze auf, die ohne Umbauten direkt nacheinander in den Szenen bespielt werden können. Ein Modell der Bühne des Alten Hofburgtheaters (das Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen) zeigt eindrucksvoll das Konzept der Guckkastenbühne und der vielen Maschinerien, die innerhalb dieses Bühnenraums zum Einsatz kamen.

Obwohl ich mir wirklich viel Zeit gelassen habe, habe ich nur knapp 90 Minuten gebraucht, um alle Räume zu durchwandern, Fotos zu machen, Texte zu lesen und die gesammelten Informationen auf mich wirken zu lassen. Das Theatermuseum ist also eines jener Museen, die sich auch als kurze Museumsaktivität zwischendurch einschieben lassen.

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Roman

Donna Tartt – Der Distelfink

CN dieses Buch: Terrorismus, Explosion, Tod der Eltern, Drogenmissbrauch, Alkoholmissbrauch, Suizidgedanken, Glücksspiel, Betrug, Depression, Gewalt, Mord, Schusswaffen
CN dieser Post: –


In all dem nach irgendeinem Sinn zu suchen, erscheint unglaublich bizarr. Vielleicht sehe ich ein Muster nur, weil ich zu lange hingestarrt habe. Andererseits, um Boris zu paraphrasieren, vielleicht sehe ich ein Muster, weil es da ist.

Dieses Buch habe ich auf meinem eBook-Reader schon im Weihnachtsurlaub ausgelesen und obwohl ich es irre gut finde, verschwindet es schon langsam aus meiner Erinnerung. Was mich wieder daran erinnert, warum ich diese Posts eigentlich schreibe …

Ein schicksalhafter Nachmittag in einem Museum in New York. Weder der Junge noch die Mutter sollten dort sein, als eine Explosion passiert, die die Leben mehrerer Personen beenden und die der Überlebenden miteinander verweben wird. Im Zentrum steht das Gemälde „Der Distelfink“, das vom jugendlichen Ich-Erzähler im Chaos nach der Explosion aus dem Museum entwendet wird. Fortan bestimmt das versteckte Gemälde (zuerst für zerstört gehalten, später von Expert:innen und Kunstpolizei weltweit gesucht) immer wieder subtil seinen Lebensweg. Seine (mehr oder weniger) zufällig geschaffenen Verbindungen mit der Familie Barbour, die ihn nach der Explosion bei sich aufnimmt; Pippa, die ebenfalls die Explosion überlebt hat; und Hobie, der bei der Explosion seinen langjährigen Geschäftspartner verloren hat, bringen ihn immer wieder nach New York zurück und steuern sein Leben in unterschiedliche Richtungen. Immer begleitet von dem Gedanken an den Distelfink, der seiner Freiheit beraubt ein Gemälde ziert, das nun niemand betrachten kann, weil das Gemälde selbst seiner Freiheit beraubt und versteckt wurde.

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English Roman

Patricia Highsmith – Carol

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


She had seen just now what she had only sensed before, that the whole world was ready to be their enemy, and suddenly what she and Carol had together seemed no longer love or anything happy but a monster between them, with each of them caught in a fist.

Dieses Buch wurde auf Lithub immer wieder erwähnt als eines der ersten, die eine lesbische Liebesgeschichte erzählen, die nicht in einem Drama und Einsamkeit endet. Die Erstveröffentlichung 1952 erfolgte unter dem Titel The Price of Salt und unter dem Pseudonym Claire Morgan. Die damals bereits bekannte Krimiautorin Patricia Highsmith musste erst den Verlag wechseln, um dieses Buch überhaupt veröffentlichen zu können. Im Nachwort erzählt sie von den vielen Briefen, die sie von Leser:innen der Paperback-Ausgabe erhalten hat. Unzählige Menschen, die sich in der Geschichte wiederfanden, die sich gesehen fühlten, vielleicht überhaupt das erste Mal in ihrem Leben.

Representation matters. What our young people see around them positively or negatively shapes their expectations for themselves and for each other. When it comes to our classrooms and schools, let’s do our part to make sure that they can see themselves and all of their peers as strong, creative, capable, happy, and connected. (Edutopia – Why Representation Matters)

Das Buch erzählt die Beziehung von Therese und Carol, die an einem vorweihnachtlichen Shopping-Tag an Thereses Arbeitsplatz ihren Ausgang nimmt. Die Anziehung zwischen den beiden wird schnell greifbar, jedoch die gesellschaftlichen Konventionen verlangsamen das Entwickeln einer Beziehung, die nach den Standards der damaligen Zeit als krank betrachtet wurde. Carols Ehemann lässt die beiden beschatten, um das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Rindy zu erhalten. Die Rolle des Kindes ist interessant: Zumeist scheint Carol es eher für ihre Pflicht zu halten, ihre Tochter zu lieben und ihr den wichtigsten Platz in ihrem Leben einzuräumen. Das wird von ihr als Mutter erwartet. Therese muss sich in diesem Zusammenhang mit der Erkenntnis auseinander setzen, dass sie für Carol niemals an erster Stelle stehen wird. Ob der Kindsvater die Tochter tatsächlich liebt oder sie in erster Linie benutzt, um seine Frau für ihr Fehlverhalten zu bestrafen, bleibt unbeantwortet.

Randnotiz: Ja, ich hatte immer wieder mal den Song An Old-Fashioned Love Story aus The Wild Party im Ohr.


Vor Weihnachten bin ich zufällig in der Hauptbücherei in eine interessante Ausstellung hinein gelaufen: Im Eingangsbereich hinter der zentralen Verbuchung können »Die Schönsten Bücher Österreichs, Deutschlands, der Schweiz, der Niederlande und der Ukraine« begutachtet werden (eine Initiative der typographischen gesellschaft austria (tga) – die Webseite ist auch sehenswert für Typographie-Interessierte). Dort findet sich auch die Information, die ich bei den Büchereien nicht finden konnte: Die Ausstellung ist noch bis 18. Februar 2023 zu sehen.

zwei Holztische mit darauf ausgestellten Büchern, im Hintergrund eine Wand mit BildernDetailansicht eines Tisches, auf dem Bücher ausgestellt sind, im Vordergrund zwei Titel mit rosafarbenem Coverzwei Holztische mit darauf ausgestellten Büchern, Perspektive des Fotos zwischen den Tischen stehend, die Tische entfernen sich nach hinten

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English Roman

Andrew Sean Greer – Less

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Krankheit, Alter
CN dieser Post: –


Ein wunderbares Buch. Der titelgebende homosexuelle Schriftsteller Arthur Less steht kurz vor seinem 50. Geburtstag. Sein neuestes Buchprojekt wird von seinem Agenten abgelehnt. Sein ehemaliger Partner Freddy lädt zur Hochzeit ein. Anstatt in ein tiefes Loch zu fallen, entscheidet sich Arthur zu einem radikalen Schritt: er plant eine ausgedehnte Reise, die ihn zu verschiedenen literarischen Events auf der ganzen Welt führen wird. Beginnend mit einem Interview mit einem berühmten Science-Fiction-Autor in New York, über ein ausschließlich in Spanisch (Arthur spricht nur Englisch und ein eher wackliges Deutsch) abgehaltenes Literaturfestival in Mexico über einen Kurs an einer Berliner Universität zu einer Preisverleihung in Italien. Ein Zwischenstop in Paris führt zu einer ungewöhnlichen Bekanntschaft auf einer Dinner Party, ein plötzlich frei gewordener Platz auf einer Reise mit alten Freunden lockt Arthur nach Marokko. Das Schreib-Retreat in Indien erweist sich als Überraschung in jeder Hinsicht. Die letzte Station der Reise ist Japan, wo Arthur Less die Kunst des Kaiseki-Menüs kennenlernen soll, um darüber einen Artikel zu schreiben.

Während dieser Reise wird in Rückblenden aus Arthurs Leben erzählt. Das Altern und Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlichen Alters sind ein immer wieder kehrendes Thema. Wie sehen uns die Menschen, die mit uns altern? Immer wieder passiert es Arthur, dass er einen Menschen aus seiner Vergangenheit nicht erkennt, weil dieser Mensch in den letzten Jahren gealtert ist. Wie bringen wir den Menschen, der wir geworden sind, in Einklang mit der Erinnerung an den jungen Menschen, der wir mal waren?

Was nach einem traurigen Midlife-Crisis-Roman klingt, wird jedoch durch Witz und jede Menge Schwierigkeiten zu einem großen Spaß. Arthur Less stolpert durch seine Reise, manchmal in einem durch Schlafmittel ausgelösten Wachtraum durch den Flughafen Frankfurt, manchmal betrunken durch Berliner Bars (dieser Abend endet damit, dass Arthur die Tür seiner gerade erst bezogenen Wohnung nicht aufbekommt und durchs Küchenfenster reinklettern muss). Sein geliebter blauer Anzug fällt in Indien einem streunenden Hund zum Opfer, natürlich verschwindet sein Gepäck und ohne Verletzungen lässt sich so eine Reise natürlich auch nicht bewältigen. Doch trotz aller Schwierigkeiten und Zweifel reist Arthur weiter und weiter, bis er schließlich an seinem Ausgangspunkt angelangt ist. Allerdings auf eine rein geografische Weise, weil in jeder anderen Sicht hat ihn seine Reise entscheidend verändert. Große Empfehlung. 

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English Fantasy Roman

Ransom Riggs – The Desolations of Devil’s Acre

CN dieses Buch: Gewalt, Tod, Mord, Sterben
CN dieser Post: –


Zuerst wird es im sechsten Teil der Reihe um die peculiar children noch dunkler als bisher. Der Cliffhanger aus dem fünften Teil führt in eine Situation, die kaum noch düsterer werden kann. Im Verlauf der Geschichte scheint auch noch ein Bürgerkrieg in Devil’s Acre auszubrechen. Der Feind hetzt die peculiars gegeneinander auf.

Im Moment freut mich das Lesen mehr als das Schreiben. Mir hat die gesamte Serie sehr gefallen. Meine Empfehlung wäre, zumindest die Bücher 1–3 und 4–6 jeweils direkt zusammen zu lesen. Die Cliffhanger sind sehr mitreißend und es hilft beim Zusammensetzen der Informationen, die in den einzelnen Teilen zusammen kommen.

 

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English Roman

Graeme Simsion – The Rosie Effect

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


My love for Rosie was so powerful that it had caused my brain to make a grammatical error.

Im ersten Buch über Rosie und Don wird die Geschichte ihres Kennenlernens erzählt. In dieser Fortsetzung – soviel darf ich hoffentlich verraten – kommt eine Schwangerschaft ins Spiel. An dieses Projekt geht Don gewohnt methodisch heran und überschreitet dabei immer wieder im Sinne der Wissenschaft die Grenzen der so genannten guten Sitten.

Rosie had been clear that she did not want a technical commentary, but it was so interesting, especially with a case study progressing in my apartment.

Gleichzeitig verstärken sich die Kommunikationsprobleme zwischen Rosie und Don. Dons Versuche, Rosie auf seine eigene Art zu unterstützen, erzielen immer wieder unerwünschte Ergebnisse, während Rosie sich zunehmend allein gelassen fühlt. Dons analytischer Verstand kollidiert mit den Hormonen, die Rosie gleichzeitig dazu bringen, alles selbst erledigen und schaffen zu wollen und sich aber dringend nach Unterstützung zu sehnen.

‘She’s not lying, not deliberately. She’s got this idea of herself as Wonder Woman. Or maybe she thinks you don’t want to help. Or can’t help.’

Diese Fortsetzung wird den eigenwilligen Protagonist*innen Rosie, Don und den sie umgebenden Charakteren vollends gerecht. Selbst die in ihrer ersten Szene sehr unsympathisch dargestellte Lydia erkennt schließlich den guten Willen in Dons manchmal unverständlichem Verhalten.

‘We’re scientists,’ I reminded him. ‘We shouldn’t be defeated by problems. If we think hard enough, a solution will present itself.’

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English Erfahrungsbericht Memoir

Ruth Reichl – Save Me the Plums

CN dieses Buch: –
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Die Autorin Ruth Reichl war von 1999 bis 2009 Chefredakteurin des Magazins Gourmet, das vom bekannten Verlag Condé Nast herausgegeben wurde. In diesem Buch schreibt sie über ihren Aufstieg von ihrer Rolle als Restaurantkritikerin zur Gestalterin eines renommierten Food-Magazins. Sie gibt Einblicke in die Prozesse, die hinter der Produktion eines solchen Magazins ablaufen, sie lässt die Leserin in die Testküche schauen und erklärt die komplexen Bezüge zwischen den verschiedenen Abteilungen. Die Dominanz der Anzeigenkundschaften, die wiederum von Herausgeberseite an die Chefredaktion und von dort an die anderen Abteilungen weitergegeben wird, war mir nicht vollständig neu. In einem amerikanischen Verlag wie Condé Nast steht für die Beteiligten jedoch immer noch mehr auf dem Spiel.

Ruth Reichl erzählt von ihrer eigenen Faszination mit dem Magazin in ihrer Kindheit und Jugend, es wird deutlich, wieviel es ihr bedeutet, jetzt die Geschicke dieses Traums in der Hand zu haben. Sie beschreibt den Kampf zwischen Tradition und Fortschritt, wie schwierig es ist, neue Ideen durchzusetzen, ohne die langjährigen Leser*innen und Anzeigenkundschaften zu vergrämen. Jeder kontroverse Artikel kann ein Dealbreaker sein, und selbst eine Ausgabe mit einem Cupcake auf der Titelseite kann eine Revolution inklusive Gegenrevolution auslösen:

The battle raged for more than a year, and while I’ll admit I stirred the pot and printed the letters, I never really understood what the fuss was all about. Now, looking back, it is very clear. Gourmet cried, “Let them eat cupcakes!” and our readers got the message. The exclusive little world of food was growing both larger and more inclusive, and those who’d thought they’d owned it didn’t like it one bit.

Es ist ein Einblick in eine interessante Welt, deren Ende wie vieles in der Magazinbranche von der zunehmenden Verbreitung des Internets eingeläutet wurde. Auch diesen Übergang hat Ruth Reichl noch in ihrer Rolle als Chefredakteurin miterlebt. Sie beschreibt hier ihre fassungslose Reaktion auf das Unverständnis der Entscheidungsebenen des Verlags. Überlebt hat daher nur die ausgelagerte Rezeptsammlung Epicurious. Das Printmagazin Gourmet wurde 2009 eingestellt.

Ruth Reichl erzählt auch von vielen Begegnungen mit Menschen, die wir üblicherweise nur aus den Medien kennen. Das folgende Zitat beschreibt eine Begegnung mit der Schauspielerin Frances McDormand, die auf die Bitte einer unbekannten Person um ein Autogramm folgendermaßen reagiert haben soll:

Fran frowned down at the paper for so long I thought she was going to refuse. At last she accepted the pen. “I’m just an actor, and no more interesting than you are.” She scribbled her name. “Probably not as interesting, actually. You should pay more attention to yourself and less to people like me. You’ll be better off that way.”