Categories
Erfahrungsbericht Ratgeber

Chris Guillebeau – Die Kunst, anders zu leben

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


In diesem Buch erklärt der Autor seinen persönlichen Ansatz, um ein Leben abseits der Konformität zu führen. Er erzählt Geschichten von anderen Menschen, die ihr Leben auf den Kopf gestellt haben, um ihren Träumen zu folgen, versucht, seine Leser:innen zu motivieren, ihren eigenen Weg zu gehen und gibt Tipps, wie sich Interessierte aus den Fesseln ihres „gewöhnlichen“ Lebens befreien können.

An dieser Lebensphilosophie finde ich das eine oder andere problematisch:

  • Allem voran finde ich diese Prahlerei, wie sich mit einem geschickten System von Round-the-World-Tickets und Vielfliegermeilen die Kosten des Reisens reduzieren lassen, unangenehm und nicht mehr zeitgemäß. Das Buch stammt aus dem Jahr 2010, wo vermutlich den meisten von uns die klimaschädlichen Auswirkungen von Flugreisen noch nicht so sehr bewusst waren wie heute. Dennoch dürfte schon damals klar gewesen sein, dass ein solches Jet-Set-Leben in irgendeiner Form auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt geht.
  • Wie viele andere dieser Menschen, die damit angeben, ein nicht-konformes Leben zu führen, geht auch Chris Guillebeau davon aus, dass jeder Mensch davon leben kann, sein Leben im Internet zu veröffentlichen und sich dadurch selbst zur Marke zu machen. Das kann jedoch nur für wenige funktionieren und geht wiederum auf Kosten derer, die keine Möglichkeit haben, aus ihrem Leben einfach auszusteigen.
  • Damit einher geht die Annahme, dass Menschen, die von einem Ausstieg träumen, ihn aber nicht verwirklichen, einfach nicht genug Mumm haben, zu ängstlich sind, um waghalsige Entscheidungen zu treffen, kurz gesagt: selbst Schuld haben an ihrem Unglück. Das fühlt sich für mich sehr nach victim blaming an.

Sicher ist es ein schöner Traum, von jedem Ort der Welt aus arbeiten zu können, die eigene Arbeitstätigkeit nicht als Arbeit zu empfinden (ins gleiche Horn stößt auch Tim Ferris mit seiner 4-hour Workweek), alle Länder der Welt zu bereisen, sinnlose Arbeit aus dem eigenen Leben zu verbannen und so weiter. Und doch hat mich dieses Buch nicht inspiriert zurück gelassen, sondern eher genervt. Worauf der Autor natürlich antworten würde, dass ich einfach nur frustriert bin, weil ich es selbst nicht schaffe, aus meinem gewöhnlichen Leben auszubrechen. So what?

Categories
English Roman

Andrew Sean Greer – Less

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Krankheit, Alter
CN dieser Post: –


Ein wunderbares Buch. Der titelgebende homosexuelle Schriftsteller Arthur Less steht kurz vor seinem 50. Geburtstag. Sein neuestes Buchprojekt wird von seinem Agenten abgelehnt. Sein ehemaliger Partner Freddy lädt zur Hochzeit ein. Anstatt in ein tiefes Loch zu fallen, entscheidet sich Arthur zu einem radikalen Schritt: er plant eine ausgedehnte Reise, die ihn zu verschiedenen literarischen Events auf der ganzen Welt führen wird. Beginnend mit einem Interview mit einem berühmten Science-Fiction-Autor in New York, über ein ausschließlich in Spanisch (Arthur spricht nur Englisch und ein eher wackliges Deutsch) abgehaltenes Literaturfestival in Mexico über einen Kurs an einer Berliner Universität zu einer Preisverleihung in Italien. Ein Zwischenstop in Paris führt zu einer ungewöhnlichen Bekanntschaft auf einer Dinner Party, ein plötzlich frei gewordener Platz auf einer Reise mit alten Freunden lockt Arthur nach Marokko. Das Schreib-Retreat in Indien erweist sich als Überraschung in jeder Hinsicht. Die letzte Station der Reise ist Japan, wo Arthur Less die Kunst des Kaiseki-Menüs kennenlernen soll, um darüber einen Artikel zu schreiben.

Während dieser Reise wird in Rückblenden aus Arthurs Leben erzählt. Das Altern und Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlichen Alters sind ein immer wieder kehrendes Thema. Wie sehen uns die Menschen, die mit uns altern? Immer wieder passiert es Arthur, dass er einen Menschen aus seiner Vergangenheit nicht erkennt, weil dieser Mensch in den letzten Jahren gealtert ist. Wie bringen wir den Menschen, der wir geworden sind, in Einklang mit der Erinnerung an den jungen Menschen, der wir mal waren?

Was nach einem traurigen Midlife-Crisis-Roman klingt, wird jedoch durch Witz und jede Menge Schwierigkeiten zu einem großen Spaß. Arthur Less stolpert durch seine Reise, manchmal in einem durch Schlafmittel ausgelösten Wachtraum durch den Flughafen Frankfurt, manchmal betrunken durch Berliner Bars (dieser Abend endet damit, dass Arthur die Tür seiner gerade erst bezogenen Wohnung nicht aufbekommt und durchs Küchenfenster reinklettern muss). Sein geliebter blauer Anzug fällt in Indien einem streunenden Hund zum Opfer, natürlich verschwindet sein Gepäck und ohne Verletzungen lässt sich so eine Reise natürlich auch nicht bewältigen. Doch trotz aller Schwierigkeiten und Zweifel reist Arthur weiter und weiter, bis er schließlich an seinem Ausgangspunkt angelangt ist. Allerdings auf eine rein geografische Weise, weil in jeder anderen Sicht hat ihn seine Reise entscheidend verändert. Große Empfehlung. 

Categories
English Erfahrungsbericht Memoir

Maggie Downs – Braver Than You Think

CN dieses Buch: Krankheit, Demenz, Sterben, Tod, Alkoholmissbrauch
CN dieser Post: Demenz


This is my mom’s narrative. She still exists, but her stories are lost forever. Her death is the kind that she is forced to live every day, paused somewhere between earth and what exists beyond. She is my inaccessible town.

Das „Genre“ Travel Memoir hat mich irgendwie gepackt, das hat seit Travelling With Ghosts nicht mehr so richtig aufgehört. Diesem Werk liegt eine besondere Ausgangslage zugrunde: Die Autorin macht sich auf den Weg, um ein Jahr lang um die Welt zu reisen und die Orte, Länder und Kontinente zu besuchen, von denen ihre Mutter immer geträumt hat. Ihre Mutter selbst versinkt leider zusehends in Alzheimer-Demenz und wird diese Reisen nicht mehr machen können.

Wie schon im letzten Post angemerkt, ist mir auch hier schnell klar geworden, dass diese Art zu reisen, nicht die Art ist, wie ich reisen wollen würde.

  • Die Familie in einer so schwierigen Situation zurückzulassen – da hätte ich keine ruhige Minute.
  • In abgelegenen Gegenden herumzuziehen, in der arme Menschen nicht mal davon träumen können, die Welt zu bereisen, weil sie oft nicht mal genug zu essen haben, das erscheint mir schlicht falsch. Sicher kann Tourismus auch Gutes bringen, indem er Einkommensquellen für die lokale Bevölkerung schafft. Sicher tut sie auf ihrem Weg Gutes, in dem sie als Freiwillige unterrichtet, Straßen baut oder einen lokalen Radiosender unterstützt. Aber wiegt das die Unmengen an Schäden auf, die es anrichtet, wenn reiche, weiße Menschen, die es sich leisten können, an entlegene Orte reisen, um sich selbst zu finden? (Oder weil sie um die sterbende Mutter trauern?)
  • Über die Unmengen an CO2, die bei so vielen Flugreisen anfallen, muss ich hoffentlich nicht mehr ausführlich schreiben.

Das alles möchte ich nicht explizit als Kritik verstanden wissen. Jedoch finde ich persönlich es aus unterschiedlichen Perspektiven problematisch, so zu handeln und so zu reisen.

Das Buch beschäftigt sich neben den Reisen und Orten natürlich in erster Linie mit der Verarbeitung des Sterbens der Mutter, was für viele Frauen mit der Erkenntnis ihrer eigenen Vergänglichkeit verbunden ist. Dies mag auch ein Auslöser für diese Reise gewesen sein: die Angst, im eigenen Leben später nicht mehr die Zeit zu haben für die Dinge, die wir eigentlich gern tun und sehen würden. Das kann uns allen als Inspiration dienen, auch mal aus dem Alltag auszubrechen. Auch wenn wir nicht sofort los reisen und alle Punkte auf unserer Bucket List in einem Jahr abhaken können (oder wollen).

Categories
English Erfahrungsbericht Memoir

Kristin Newman – What I Was Doing While You Were Breeding

CN dieses Buch: Die Autorin schreibt Comedy und macht in ihrem Buch viele Scherze über Themen, die manchen Leser:innen vielleicht nicht gefallen: Rassismus, Geschlechtsteile, Kolonialismus, Krankheit, Drogenmissbrauch, Vergewaltigung.

CN dieser Post: –


Randnotiz vorab: Ich habe nicht ausreichend recherchiert und dieses Buch mit einer völlig falschen Erwartungshaltung gelesen. Genau genommen habe ich die Autorin mit einer anderen Reiselustigen verwechselt, was zu einer zunehmenden Irritation führte. Das könnte dazu beigetragen haben, dass ich mit dem Buch nicht besonders glücklich war.

I realized they didn’t look at travel the way I looked at it, like medicine, like my chance to right all of the wrongs that might exist in my life.

Was mir gerade klar geworden ist, als ich das obige Zitat, das ich beim Lesen markiert habe, abgeschrieben habe, ist: Diese Sicht auf das Reisen ist wiederum nicht meine Sicht. Irgendwie hatte ich seit Längerem das Gefühl, dass meine Reisen eigentlich gar nicht zählen, weil ich nie ziellos durch irgendein Land oder einen Kontinent unterwegs war oder in Hostel-Schlafsälen geschlafen habe. Der Grund ist dafür ist aber ganz einfach, dass ich das halt nie wollte. Was mich nicht zu einer schlechteren Reisenden macht. Es ist einfach nur ein anderer Weg. Fortsetzung meiner Gedanken zum Reise-Thema im nächsten Post, der sich ebenfalls mit einem Travel Memoir beschäftigen wird.

Categories
English Essays Sachbuch

Olivia Laing – The Trip to Echo Spring

CN dieses Buch: Alkoholismus, Sucht, Suizid
CN dieser Post: Alkoholismus


Olivia Laing habe ich in einem meiner liebsten Buchgeschäfte (Shakespeare and Sons in Berlin) entdeckt, es war ein reiner Spontankauf: The Lonely City. Mit ihrem Roman Crudo konnte ich nicht so viel anfangen, aber ihre Non-Fiction-Texte sind in meinen Augen unschlagbar. Es scheint, egal, mit welchem Thema sie sich befasst, sie findet die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Aspekten und betrachtet die beteiligten Personen mit Empathie, Verständnis und Mitgefühl, jedoch ohne die sprichwörtliche rosarote Brille.

Controlling the imagination is one thing, but what if as well as telling yourself soothing stories you found a substance, a magical substance, that could do it for you, providing what you might call mechanical relief from the mechanical oppressions of modern life? This is the practice Petros Levounis termed self-medication: the use of alcohol to blot out feelings that are otherwise unbearable.

In diesem Buch untersucht sie die Verbindungen zwischen Alkoholkonsum und dem Schreiben anhand der Lebensgeschichten von sechs Schriftstellern, die zu unterschiedlichen Zeiten zwischen 1896 und 1988 gelebt haben. Teilweise ergeben sich dabei natürlich Überschneidungen und Bekanntschaften. Besonders interessant finde ich, dass sich die Autorin den beschriebenen Personen im Rahmen eines Road Trips nähert, der sie auf Umwegen durch die USA führt. Sie besucht dabei Orte, die für die verschiedenen Autoren (ja, leider ausschließlich Männer) von besonderer Bedeutung waren. Zwischen dem tiefen Eintauchen in die Leben und Lebenswerke der Schriftsteller erzählt sie daher auch von ihren Erlebnissen und Begegnungen, von Menschen und Gesprächen, von Beobachtungen und Gefühlen, die ihre Reise prägen. Ein literarischer Road Trip sozusagen. Was Besseres kann es für mich eigentlich kaum geben.

The overwhelming infantile wail of that need need need, too urgent even for punctuation. If you carry that sense of starvation – for love, for nourishment, for security – with you into adulthood, what do you do? You feed it, I suppose, with whatever you can find to stave off the awful, annihilating sense of dismemberment, disintegration, of being torn apart, of losing the integrity of the self.

Auch ein psychologischer Anteil kommt nicht zu kurz. Aus den Biographien und Korrespondenzen der Schriftsteller versucht sie, die Motivationen und Voraussetzungen zu ergründen, die zum Alkoholmissbrauch und schließlich lebensbedrohlichem Alkoholismus führen. Dabei spielen nicht nur genetische Faktoren eine Rolle, sondern auch die soziale Entwicklung im Verlauf der Kindheit. Sie zitiert etwa eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Ergebnissen eines Trauma-Scores und der späteren Wahrscheinlichkeit eines Suchtverhaltens nachweist (Vincent J. Felitti: The Origins of Addiction: Evidence from the  Adverse Childhood Experiences Study).

Later, she [Deborah Kerr in der Rolle der Hannah in The Night of the Iguana] delivers one of the most beautiful lines in all Williams’s work: ‘Nothing human disgusts me unless it’s unkind.’ So much of him is in that statement: tolerant, non-judgmental, determined to drag out into the light all the shameful clutter of psychopathology our species has evolved.

Die besprochenen Autoren waren mir teilweise bekannt (F. Scott Fitzgerald – The Great Gatsby habe ich selbst schon gelesen, A Streetcar Named Desire habe ich in der deutschen Übersetzung Endstation Sehnsucht irgendwann vor langer Zeit im Rahmen des Theaters der Jugend auf der Bühne gesehen, zu Ernest Hemingway gab es in meiner Schulzeit ein Referat über Der alte Mann und das Meer), teilweise kenne ich sie zwar namentlich, aber nicht anhand ihrer Werke (John Cheever, John Berryman, Raymond Carver).

Erläutert wird außerdem das 12-Schritte-Programm von Alcoholics Anonymous. Ich war einigermaßen überrascht, dass diese Organisation bereits 1935 gegründet wurde, sie besteht also schon so lang, dass die jüngeren der hier besprochenen Autoren bereits an Meetings teilgenommen haben. Die Erfahrungen dieser Autoren bilden somit auch einen Einblick in die frühen Jahre dieser Organisation.

Das titelgebende Echo Spring ist übrigens kein Ort im klassischen Sinn, sondern tatsächlich eine Metapher für den Schnapsschrank (im engl. Liquor Cabinet). Olivia Laing wirft in diesem Buch deutlich mehr als einen Blick auf ein schwieriges Thema, das Generationen von Frauen, Männern, Kindern und Familien betrifft. Sie analysiert Mechanismen und stellt schonungslos dar, welche Zerstörungskraft Alkoholmissbrauch und Alkoholismus entfalten können (sowohl auf den Körper der Betroffenen, als auch auf ihren Geist und ihre sozialen Beziehungen). Gleichzeitig lässt sie die Möglichkeit der Gesundung (im engl. recovery) nicht außer acht.

We’re all of us like that boy sometimes. I mean we all carry something inside us that can be rejected; that can look silver in the light. You can deny it, or try and throw it in the garbage, by all means. You can despise it so much you drink yourself halfway to death. At the end of the day, though, the only thing to do is to take a hold of yourself, to gather up the broken parts. That’s when recovery begins. That’s when the second life – the good one – starts. 

Categories
Erfahrungsbericht Memoir

Torre DeRoche – Love with a Chance of Drowning

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


You’ll never feel a hundred percent ready. You just have to go.

Wenn mich jetzt mal wieder die Reiselust packt, dann greife ich meistens zu einem der vielen Reisebücher, die ich auf meiner Liste gesammelt habe. In diesem Buch beschreibt die Autorin, wie sie ihren Partner Ivan kennenlernt, der gerade eine ausgedehnte Segeltour im Südpazifik vorbereitet. Obwohl sie mit dem Segeln bisher keine Berührung hatte und auch die Seekrankheit sie sehr plagt, entschließt sie sich schließlich zum Sprung ins kalte Wasser: Sie wird Ivan auf seinem Trip begleiten.

I did it! It seems so hard to believe. All of the pain, discomfort, and torture it took to get here is beginning to face. I faced my greatest fears and I’m still alive. The buzz of this accomplishment brings on a deeply satisfied joy that I’ve never felt before. Even if I never go to sea again, I can keep this sense of empowerment for life.

In vieler Hinsicht geht es immer wieder um die Frage, welche Risiken wollen wir im Leben eingehen. Wie gut können oder müssen wir uns vorbereiten? Und wann ist es Zeit, endlich los zu segeln und darauf zu vertrauen, dass sich für alle auftretenden Probleme immer eine Lösung finden wird?

“You’re here for a good time, not for a long time.” I’ve tried to remind myself of this more than once out on the ocean.

Das obige Zitat kann in meinen Augen sowohl ein Argument für eine solche Reise sein als auch dagegen. Wenn ich auf See die ganze Zeit seekrank bin, ist das wohl kaum eine gute Zeit … Da stellt sich dann wieder die Frage, ob die guten Momente – diese Highlights des Ankommens an einem traumhaften Strand – die Strapazen aufwiegen, die notwendig waren, um dorthin zu kommen. Monatelange Abwesenheit von Freund*innen und Familie geht einher mit der ersehnten Abgeschiedenheit von den Katastrophen der Gesellschaft. Abwesenheit von der Zivilisation bedeutet auch Einschränkungen in der Ernährung (mangels Kühlmöglichkeit auf dem Boot können die beiden frisches Obst und Gemüse immer nur vor Anker konsumieren, wenn es überhaupt zu bekommen ist).

Ich frage mich immer wieder, welche Arten von Reisen ich wohl noch machen werde, wenn das die Situation wieder erlaubt. Ein Segeltrip durch den Südpazifik wird eher nicht dabei sein.

Categories
Roman

Anja Kampmann – Wie hoch die Wasser steigen

CN dieses Buch: Tod, sexuelle Handlungen
CN dieser Post: –


Mit jedem Kapitel ist es mir schwerer gefallen, dieses Buch weiter zu lesen. Die Traurigkeit und die Einsamkeit und manchmal auch die Ausweglosigkeit triefen so dermaßen aus dem Text, dass es für mich beinahe nicht zu ertragen war. Ein richtiges Buch zur falschen Zeit.

Randnotiz: Alena Dillon schreibt in diesem Essay auf Lithub über ihre Schwierigkeiten, in ihrem Buch The Happiest Girl in the World über das Leben in der Welt der Sportgymnastik die schwierigen Themen wie körperliche Übergriffe anzusprechen (bzw. anzuschreiben). Der Text ist im Ganzen sehr interessant, besonders hervorzuheben finde ich allerdings die Argumentation, die sie schließlich dazu bewogen hat, diese Geschehnisse näher zu beschreiben:

Intentionally omitting the topic was, if not downright cowardly, blanching and inaccurate, not to mention a disservice, since readers in our culture could benefit from confronting this material while maintaining the distance of fiction.

Wenn wir uns auf Romanebene mit einem Thema beschäftigen, dann kann es gleichzeitig wahr und nicht wahr sein. Ein Roman kann uns heranführen an Themen, die uns „in der realen Welt“ so unvorstellbar und unerträglich erscheinen, dass wir uns nicht damit auseinandersetzen wollen. Als Beispiele dafür möchte ich unter anderem Octavia E. Butler und Nnedi Okorafor nennen.

Categories
English

Rachel Friedman – The Good Girl’s Guide to Getting Lost

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


You can’t get lost when you have nowhere to be.

Für Reisegeschichten habe ich im vergangenen Jahrzehnt ein besonderes Faible entwickelt. Nachzulesen, wie andere Menschen unterwegs sind und wie sie sich dadurch verändern, gefällt mir sowohl in Fiktion (zB Amy & Roger’s Epic Detour) als auch in Non-Fiktion (zB Travelling with Ghosts).

Auch mit diesem Reisebericht hatte ich viel Spaß. Die Autorin erzählt, wie sie, anstatt ihre Ausbildung fortzusetzen und/oder Karriere zu machen, sich dafür entscheidet, zuerst möglichst viel von der Welt zu bereisen. Ich hab sehr viel von mir in ihr wiederentdeckt, wie zum Beispiel die Einfachheit, mit der damals die Schule zum Erfolg führte. Der Pfad war vorgezeichnet und es war immer klar, was zu tun ist.

He shrugs. “I have to do something.” We all do. It’s what is expected. Besides, we have healthcare to worry about. And student debt. And making a contribution to society, making our parents proud, making something of ourselves that we can hopefully believe in.

Viele junge Menschen wissen nicht, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen wollen. Darüber habe ich gerade erste letzte Woche selbst nachgedacht (also darüber, wie das bei mir damals war …). Ich wollte nie bewusst das werden, was ich heute bin, aber durch meine Entscheidungen in kleineren Lebensbereichen habe ich trotzdem entschieden, was ich werden will (und vor allem was nicht).

Die Zeiten, in denen ich mich low-budget in einem klapprigen Bus vom einen billigen Hostel zum Nächsten hätte transportieren lassen, hat es nie gegeben. In der Beschreibung von Rachel Friedmans ersten Hostel-Erfahrungen habe ich meine gesamten diesbezüglichen Befürchtungen wieder von Neuem erlebt. In der Beschreibung ihrer Reise durch Südamerika war mir auch oft nicht klar, worum es eigentlich noch geht. Auch wenn sie ihre Reiseroute offensichtlich nicht nach Instagram-ability ausgetüftelt hat, ist ein Hang zum Außergewöhnlichen (Paragliding, etc.) zu sehen. Vielleicht gehört das zu diesem Travel Life dazu? Immer auf der Jagd nach dem nächsten Kick zu sein?

Most days travel is thrilling: it’s new and exciting and challenging, and you want to take it all on. But some days, as in any place you happen to be, you’re tired and blue.

Die Autorin spart die schwierigen Momente des Reisens nicht aus. Sie erzählt davon, wie sie ausgeraubt wird und mit einer Magenverstimmung darnieder liegt. Wie Moskitos jeden Zentimeter ihres Körpers verwüsten und unvorhergesehene Ereignisse ihre Reise immer wieder verzögern.

It is a moment of pure travel pleasure. Carly already knew she was nowhere near finished having adventures, and right then I knew I wasn’t, either. This is what I wanted for myself, for there to be more days with the possibility of getting to hand-feed wild monkeys in the future, not fewer of them. This was my real world.

Und dann gibt es die guten Momente in dieser Geschichte, wo mir wieder mal schmerzlich bewusst wurde, welche Möglichkeiten auf Erfahrungen ich im vergangenen Jahr verloren habe. Meine erste Reise außerhalb von Europa musste verschoben und schlussendlich storniert werden, alle kleineren geplanten Reisen in den Nachbarländern sind auf unbestimmte Zeit nicht möglich. Manchmal wünsche ich mich einfach nur woanders hin. Und hoffe darauf, dass dieser lange Verzicht dazu führen wird, dass wir unsere Möglichkeiten und Privilegien mehr zu schätzen wissen.

Categories
English Fantasy Roman

George R. R. Martin – A Dance With Dragons

CN dieses Buch: Vergewaltigung, Folter, Gewalt gegen Frauen, Kinder, Menschen, Tiere
CN dieser Post: –


“A reader lives a thousand lives before he dies,” said Jojen. “The man who never reads lives only one.”

Im fünften Teil habe ich nun endlich das Zitat gefunden, das Neil Pasricha in seinem 3 Books Podcast immer wieder erwähnt. Und in dieser epischen Saga kann eine einzelne Leserin vermutlich 1000e Leben leben, weil die Menge an beteiligten Personen so enorm ist.

The direwolves will outlast us all, but their time will come as well. In the world that men have made, there is no room for them, or us.

Das Ende ist natürlich auch dieses Mal kein Ende, es lässt uns sogar in vieler Hinsicht absolut im Ungewissen über das Schicksal von bestimmten Personen. In diesem Buch kehren gleich mehrere totgeglaubte Personen in die Welt der Lebenden zurück. Und werden dann auch gleich einem unbekannten Schicksal überlassen, das sich erst im nächsten (noch unveröffentlichten) Roman auflösen wird. Bzw. im übernächsten. In der Wikipedia ist zu lesen, dass noch ein sechster und siebter Band geplant sind. Wollen wir hoffen, dass die aktuelle Situation bei George R. R. Martin keine Schreibblockade auslöst …

The words matter, and so do these traditions. They bind us all together, highborn and low, young and old, base and noble. They make us brothers.

Was das obige Zitat wieder sehr bildlich verdeutlicht: Es gibt Traditionen, Regeln und Gesetze. Diese werden jedoch von den unterschiedlichen Personen der unterschiedlichen Familien verschieden ausgelegt, woraus der Großteil an Konflikten in diesem ganzen Epos entsteht. Inzwischen kann vermutlich kaum jemand noch mit Sicherheit sagen, wer denn nun wirklich rechtmäßig den Thron von Westeros besetzen sollte. Was auch unter den Leser*innen unterschiedliche Meinungen zulässt ;-)

Categories
English Krimi Roman

Stephen King – The Gunslinger

CN dieses Buch: Mord, Totschlag, Gewalt, sexuelle Handlungen
CN dieser Post: –


What hurt you once, will hurt you twice. This is not the beginning but the beginning’s end. You’d do well to remember that … but you never do.

Nachdem die aktuelle Situation leider noch immer zu viel Zeit zum Lesen lässt (ja, doch, das gibt es wirklich, zumindest für mich) und ich mit A Song of Ice and Fire fast schon durch bin (für den fünften Band bin ich auf der Warteliste), habe ich eine weitere Reihe ausgegraben, die ich vor vielen Jahren (vor der Entstehung dieses Blogs) schon mal gelesen habe: Stephen Kings Saga The Dark Tower. Es muss irgendwann zwischen 2005 und 2010 gewesen sein. Sieben Bände waren bereits erschienen und gerade sehe ich, dass es nun einen achten Band gibt, der zwischen Band 4 und 5 einzusortieren ist, den ich definitiv noch nicht gelesen habe.

Im Vorwort beschreibt Stephen King selbst, dass er einen Western schreiben wollte, eine Geschichte über eine epische Reise, aber in einem bestimmten Setting. Ich hatte richtig in Erinnerung, dass viele Hintergründe nur angedeutet werden, die mir nahestehende Person, die mir die Bücher damals empfohlen und geborgt hat, erzählte auch von den vielen Referenzen auf andere Bücher des selben Autors (Orte, Personen, etc.), für die es eine eigene Community gibt, die sich damit beschäftigt (unter anderem auf der Webseite des Autors selbst).

Der erste Band macht die Leserin mit dem Protagonisten Roland und dem Antagonisten, dem Mann in Schwarz bekannt. Roland verfolgt den Mann in Schwarz durch die Wüste, durch eine Höhlenlandschaft bis zu einem Kraftort, wo die beiden sich schließlich zum Palaver treffen. Der Turm ist im ersten Band nur eine Art Legende, mehr eine Fantasie als ein tatsächliches Ziel, das erreichbar scheint. Wir wissen, dass Roland noch eine lange Reise vor sich hat. Wie ich nun lernte, sind es sogar sieben weitere Bücher …