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Roman

Sally Rooney – Beautiful World, Where Are You?

CN: Nervenzusammenbruch, Krankheit, Krankenhaus, sexuelle Handlungen, Masturbation, Pornografie, Suizidgedanken, Drogenmissbrauch, Depression


Perhaps they didn’t know themselves, and these were questions without fixed answers, and the work of making meaning was still going on.

Irgendwie weiß ich noch immer nicht, was ich über dieses Buch schreiben soll. Es hat mich nicht wirklich gefangen. Keine:r der Protagonist:innen hat mich wirklich interessiert, es war mir einfach ziemlich egal, was mit Ihnen passiert. Wenn ich mich an die beiden vorhergehenden Bücher der Autorin zurück erinnere (Normal People, Conversations With Friends), dann könnte ich schreiben, dass die dort schon vorhandenen Aspekte, die mir nicht so gut gefallen haben (übertriebenes Selbstmitleid von privilegierten Personen, intensives Philosophieren über Ideen wie zB political conservatism ohne daraus irgendwelche Handlungen abzuleiten, eine gewisse Abgehobenheit von der Welt), in diesem Buch vermehrt auftreten, während die anderen Aspekte in den Hintergrund treten.

In Conversations With Friends wird eine konfliktreiche Polybeziehung beschrieben, hier wird Bisexualität angedeutet, aber nicht wirklich ausgelebt, eine nicht-exklusive Beziehung wird erwähnt, aber sofort beendet. Als Beweis der Zuneigung. (Was?)

Normal People hat mich zu einer (weiteren) Auseinandersetzung mit dem Normalitätsbegriff angeregt. Und jetzt weiß ich weder, was ich über dieses Buch schreiben soll, noch, was es mir eigentlich sagen wollte.

Natürlich kann ich nicht vollständig ausschließen, dass ich die Metaebene einfach nicht verstanden habe. Dementsprechend kann ich nur sagen, dass dieses Buch meine Erwartungen leider nicht im Geringsten erfüllt hat.

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Roman

Elena Ferrante – Frau im Dunkeln

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Gewalt
CN dieser Post: –


Ich schlug ein Buch auf, aber inzwischen empfand ich ein Wirrwarr feindseliger Gefühle, die sich mit jedem Ansturm neuer Geräusche, Farben, Gerüche weiter verstärkten.

Elena Ferrante habe ich auf Lithub entdeckt, wo viel geschrieben wurde über ihr Pseudonym, ihre(n Wunsch nach) Anonymität und die übergriffigen Versuche von Stalkern (anders kann ich das wirklich nicht nennen), die versuchten, ihr Geheimnis zu lüften. Ihre Neapolitanische Saga war zu diesem Zeitpunkt in den Online-Bibliotheken nicht verfügbar (und es ist es auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig). Daher setzte ich mir ihren Debütroman auf die Leseliste.

Das überschaubare Werk spielt in einer italienischen Küstenstadt, in der die Protagonistin Leda urlaubt. Die Leser*in erfährt, dass Leda allein auf Urlaub ist, ihre erwachsenen Töchter sind vor Kurzem zum getrennt lebenden Vater nach Kanada gezogen. Aus Ledas Betrachtung einer neapolitanischen Großfamilie, die am selben Strand ihre Zelte aufschlägt, schält sich Stück für Stück die gespaltene Beziehung heraus, die Leda zu ihren Töchtern und vor allem zu ihrer eigenen Mutterschaft hat. Ihre jungen Töchter hat sie als Belastung empfunden, so sehr, dass sie sie für drei Jahre verlassen hat, um ihrem eigenen Leben nachzugehen.

Die Geschichte illustriert deutlich den Konflikt, dem Mütter immer ausgesetzt sind, egal, wie fortschrittlich und frei sie sich selbst vor der Geburt der Kinder fühlen: Darf eine Mutter eigene Bedürfnisse haben oder macht sie das automatisch zur Versagerin? Ist völlige Selbstaufgabe die einzige Möglichkeit, als gute Mutter zu gelten und vor allem sich selbst als solche zu fühlen? Aus Leda spricht unendliches schlechtes Gewissen, weil sie sich nicht in der Lage sah, diesen Erwartungen gerecht zu werden. In der Bekanntschaft zur jungen Mutter Nina erlebt sie erneut ihre eigenen Zweifel und Kämpfe gegen gesellschaftliche Vorgaben.

Auch wenn dieses Thema bei Weitem nicht neu ist, scheint mir dieser Blickwinkel (eine Mutter, die tatsächlich ihre Kinder verlassen hat) eher selten im literarischen Diskurs zu sein. Die Tatsache, dass hauptsächlich Frauen hier im Mittelpunkt stehen und die männlichen Figuren kaum mehr als Statisten abgeben, hat mir auch gefallen.

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English Roman

Andrew Sean Greer – Less

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Krankheit, Alter
CN dieser Post: –


Ein wunderbares Buch. Der titelgebende homosexuelle Schriftsteller Arthur Less steht kurz vor seinem 50. Geburtstag. Sein neuestes Buchprojekt wird von seinem Agenten abgelehnt. Sein ehemaliger Partner Freddy lädt zur Hochzeit ein. Anstatt in ein tiefes Loch zu fallen, entscheidet sich Arthur zu einem radikalen Schritt: er plant eine ausgedehnte Reise, die ihn zu verschiedenen literarischen Events auf der ganzen Welt führen wird. Beginnend mit einem Interview mit einem berühmten Science-Fiction-Autor in New York, über ein ausschließlich in Spanisch (Arthur spricht nur Englisch und ein eher wackliges Deutsch) abgehaltenes Literaturfestival in Mexico über einen Kurs an einer Berliner Universität zu einer Preisverleihung in Italien. Ein Zwischenstop in Paris führt zu einer ungewöhnlichen Bekanntschaft auf einer Dinner Party, ein plötzlich frei gewordener Platz auf einer Reise mit alten Freunden lockt Arthur nach Marokko. Das Schreib-Retreat in Indien erweist sich als Überraschung in jeder Hinsicht. Die letzte Station der Reise ist Japan, wo Arthur Less die Kunst des Kaiseki-Menüs kennenlernen soll, um darüber einen Artikel zu schreiben.

Während dieser Reise wird in Rückblenden aus Arthurs Leben erzählt. Das Altern und Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlichen Alters sind ein immer wieder kehrendes Thema. Wie sehen uns die Menschen, die mit uns altern? Immer wieder passiert es Arthur, dass er einen Menschen aus seiner Vergangenheit nicht erkennt, weil dieser Mensch in den letzten Jahren gealtert ist. Wie bringen wir den Menschen, der wir geworden sind, in Einklang mit der Erinnerung an den jungen Menschen, der wir mal waren?

Was nach einem traurigen Midlife-Crisis-Roman klingt, wird jedoch durch Witz und jede Menge Schwierigkeiten zu einem großen Spaß. Arthur Less stolpert durch seine Reise, manchmal in einem durch Schlafmittel ausgelösten Wachtraum durch den Flughafen Frankfurt, manchmal betrunken durch Berliner Bars (dieser Abend endet damit, dass Arthur die Tür seiner gerade erst bezogenen Wohnung nicht aufbekommt und durchs Küchenfenster reinklettern muss). Sein geliebter blauer Anzug fällt in Indien einem streunenden Hund zum Opfer, natürlich verschwindet sein Gepäck und ohne Verletzungen lässt sich so eine Reise natürlich auch nicht bewältigen. Doch trotz aller Schwierigkeiten und Zweifel reist Arthur weiter und weiter, bis er schließlich an seinem Ausgangspunkt angelangt ist. Allerdings auf eine rein geografische Weise, weil in jeder anderen Sicht hat ihn seine Reise entscheidend verändert. Große Empfehlung. 

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Graphic Novel Memoir

Kristen Radtke – Imagine Wanting Only This

CN dieses Buch: Krankheit, Tod, Trauer, Verlust
CN dieser Post: –


Ruins are often born in the wake of stasis. That’s easy enough to sense.

In diesem Graphic Memoir verbindet die Autorin unterschiedliche Geschichten, die sich mit Verlust und Trauer auseinander setzen. In einer verlassenen Kirche findet sie Fotos in Plastikbeuteln. Diese wurden dort hinterlassen von den Hinterbliebenen einer Person, die in einem Zugunglück umgekommen ist (was sie erst bei einer späteren Recherche heraus findet).

It felt like I had to see everything, as if it was the only way my life would count or matter. I didn’t care where we were going as long as it was someplace new. 

Die eigene Familie ist betroffen von einer vererbbaren Herzerkrankung (eine Form der Kardiomyopathie). Der Tod ihres Lieblingsonkels wird zu einer lebensprägenden Erfahrung, die zu weiteren Recherchen führt. Feuer, Bomben, Waffen, Krieg. Was Menschen einander antun.

Verlassene Orte wie die Kirche in Indiana oder der Teil einer isländischen Stadt, der im Zuge eines Vulkanausbruchs von Lava bedeckt wurde, werden zu den Markern ihrer Suche nach der Erinnerung. Oder dem Versuch, dem Vergessen Einhalt zu gebieten. 

Graphisch besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Seite, auf der sie in 20 einzelnen Panels den Akt des Nachdenkens in unterschiedlichen Varianten eines Screen Savers nachstellt. Dies soll nur als Beispiel dienen für die vielen interessanten Bilder, die die Autorin ihrer Geschichte zugrunde legt.

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English Roman

Marie Benedict – The Other Einstein

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


I had tried my hardest to become his ideal, no matter the toll it took on my studies.

Dieser Roman ist eine fiktionalisierte Erzählung über das Leben von Mileva Marić. Sie war die erste Serbin und eine der ersten Frauen, die ein Mathematik- und Physikstudium absolvierte. Am Polytechnikum in Zürich lernte sie Albert Einstein kennen und wurde später seine erste Ehefrau. Das Buch hält sich in vielen Details an die Fakten, die auch im Wikipedia-Artikel zu Mileva Marić nachzulesen sind. Es erzählt aus der Perspektive von Mileva selbst, die als eine der ersten Frauen in einer Männer-Domäne um Respekt kämpft, jedoch von den Realitäten der damaligen Gesellschaft immer wieder eingeholt wird.

Die Autorin betont in der Author’s Note: „the book is, first and foremost, fiction“. Und gerade deshalb hätte ich mir vielleicht eher eine alternative Version dieser Geschichte gewünscht, in der Mileva sich aus den Fesseln der Gesellschaft befreit und einen anderen Weg einschlägt.

Die von ihrem Vater zu einer selbständigen und willensstarken Frau erzogene Mileva lässt sich von Albert Einstein und seinen progressiven Fantasien vom gemeinsamen Bohème-Leben (hier mit einem Fokus auf die Fortschrittlichkeit der Partnerschaft) schließlich zur Überschreitung der gesellschaftlichen Grenzen verführen und wird prompt mit einer ungewollten Schwangerschaft gestraft. Der Kindsvater lässt sie im Stich. („But Albert never came.“) Nicht nur in Bezug auf die Schwangerschaft, sondern in weiterer Folge auch indem er selbst die Lorbeeren für ihre Leistungen einstreift und ihre Beiträge zu seinen Theorien marginalisiert („What does it matter, Dollie? Aren’t we Ein Stein? One stone?“). Die stolze Mileva will einen anderen Weg für sich und ihr Kind suchen, doch die Mutter besteht darauf, dass Mileva alles tun muss, um die Heirat mit dem abwesenden Albert zu ermöglichen. Selbst wenn sie dafür ihr eigenes Kind zurücklassen muss („Listen to me, Mitza. Do you remember our conversation about making a proper family for Lieserl?“).

Besonders bitter erscheint ein fiktives Gespräch, dass Mileva mit der erfolgreichen Physikerin Marie Curie führt. Diese führt aus, wie ihr Ehemann Pierre Curie ihre Forschung förderte und sie auch in den damals üblichen Männerclubs stets verteidigte und unterstützte. Genau das, was sich Mileva von ihrem eigenen Partner gewünscht hätte und das Gegenteil von dem, was sie bekommen hat.

Mir war der Name Mileva Marić nicht völlig unbekannt, weil im Rahmen einer Veranstaltung, an deren Organisation ich beteiligt war, alle Räume nach bekannten Frauen in der Wissenschaft benannt wurden (das vollständige PDF der Raumbeschilderung ist im Wiki unter Design zu finden). Daher hatte ich mich gefreut, ein Buch über ihr Leben zu finden, fiktionalisiert oder nicht. Vermutlich war es mir in Wirklichkeit zu nahe an der Realität, mit der Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts konfrontiert waren.

Raumschild SE 125 Mileva Marić

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Roman Thriller

Patricia Highsmith – Der talentierte Mr. Ripley

CN dieses Buch: Mord
CN dieser Post: –


Sie waren keine Freunde. Sie kannten sich nicht. Darin sah Tom die entsetzliche Wahrheit, sie galt für alle Zeiten, für alle Menschen, die er künftig noch träfe: jeder hat vor ihm gestanden, wird vor ihm stehen, und er wird immer und immer wieder wissen, dass er sie niemals kennt, und das schlimmste ist, dass er immer eine Zeitlang die Illusion haben wird, er kennte sie, er und sie seien völlig im Einklang miteinander und eins.

Ein Klassiker des Thriller-Genres, den ich mir aus dem offenen Bücherschrank mitgenommen habe. Ich fand es sehr beeindruckend, wie detailliert die psychische Verwirrung des Protagonisten Tom Ripley dargestellt wird. Das beginnt mit dem Gefühl, keinen Menschen jemals kennen zu können (siehe Zitat oben) und steigert sich dann in Hass auf Dickie und Marge, die scheinbar seinem Glück im Wege stehen.

Tom schwitzte, ihm war heiß unter seinen Kleidern, aber auf der Stirn war es kalter Schweiß. Er hatte Angst, aber nicht vor dem Wasser, es war Dickie, vor dem er Angst hatte. Er wusste, er würde es tun, er würde sich jetzt nicht mehr zurückhalten, vielleicht konnte er sich nicht mehr zurückhalten, und er wusste, es könnte vielleicht schiefgehen.

Eindringlich beschrieben sind auch die Gefühlszustände, die zum ersten Mord führen. Der Zweite ist dann lediglich eine Konsequenz unglücklicher Umstände. Die Tom jedoch kaum Sorgen bereitet. Die ihm bekannten Personen, die ebenfalls von diesen Morden betroffen sind, hält er klinisch auf Abstand. Schuldgefühle sind keine vorhanden.

Hätte er doch nur seine Besichtigungen alle allein gemacht, dachte Tom, hätte er es doch nur nicht so eilig gehabt und wäre nicht so gierig gewesen, hätte er doch nur nicht das Verhältnis zwischen Dickie und Marge so dämlich falsch beurteilt, oder hätte er doch einfach gewartet, bis sie sich aus freien Stücken getrennt hätten – dann wäre nichts von all dem passiert, und er hätte sein Leben lang mit Dickie zusammenbleiben können, hätte reisen und leben und sein Leben genießen können bis ans Ende seiner Tage. 

Nicht eingestandene Homosexualität ist ebenfalls ein zentrales Motiv. Tom möchte gleichzeitig (wie) Dickie sein bzw. Dickies Leben führen, als auch Dickies Partner sein und sein Leben mit ihm zu verbringen. Beides wird im Verlauf der Geschichte mehr oder weniger unmöglich. Wobei das offene Ende auch andere Interpretationen zulässt.

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English Roman

Katy Simpson Smith – The Everlasting

CN dieses Buch: Mord, Folter, selbstverletzendes Verhalten, Gewalt gegen Tiere, lebensbedrohliche Erkrankung (MS), Abtreibung

CN dieser Post: zum Abschluss ein Zitat über selbstverletzendes Verhalten, wird nochmal vorher gewarnt


The necessary experiment: determining if ostracods were not merely hardy survivalists but had evolved to prefer the bitter taste of civilization. If nature, like faith, was a human construction.

Eine Geschichte auf vier verschiedenen Zeitebenen, verbindende Elemente sind einerseits die Örtlichkeit Rom bzw. Umgebung sowie der Fischhaken, der in allen Zeitebenen eine Rolle spielt. Weiters haben alle Protagonist*innen massiv mit ihren Selbstzweifeln oder gesellschaftlichen Anforderungen zu kämpfen.

  • Der von seiner Frau entfremdete Forscher, dem die Abwesenheit von seiner Tochter die Gefühle zu rauben scheint und der schließlich mit einer erschreckenden Diagnose konfrontiert wird (Jetztzeit).
  • Die gelangweilte Ehefrau auf der Suche nach wahrer Liebe in einer Zeit und Gesellschaft, in der Ehen rein aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen geschlossen werden (16. Jh.).
  • Ein alternder Mönch, der aufgrund einer Andeutung homosexueller Zuneigung als Jugendlicher von seiner Familie ins Kloster verstoßen wurde und nun die Aufgabe hat, in der Krypta des Klosters über die verwesenden Toten zu wachen (9. Jh.).
  • Eine junge Frau, die in den Versprechen einer neuen Religion Antworten auf alle Fragen ihres Lebens findet und deshalb zur Märtyrerin wird (1. Jh.).

Because if you are not always, always yourself, you will lose the ability to breathe.

Das Buch wurde in einem Sammelpost auf Lithub (den ich mir leider nicht gespeichert habe) mit solchen Worten empfohlen, die mich dazu brachten, das Buch sofort herunterzuladen, nachdem ich gesehen hatte, dass es in Libby verfügbar war. Jetzt wüsste ich gerne, welche Worte das waren und in welcher Stimmung ich in diesem Moment war. Vielleicht hatte ich mir auch einfach etwas anderes vorgestellt. Ich weiß noch immer nicht genau, was ich von diesem Buch halten soll.

There was always time to make different decisions, or else there was never time; once she spoke, it was impossible in the tightly woven fabric of the world that she had ever not spoken.

Nach dem kommenden Trennstrich folgt ein kurzer Abschnitt mit Zitaten aus dem Buch zum Thema selbstverletzendes Verhalten.


His tears were made of sulfur. He yanked his hand back and slapped himself so hard his sight went briefly starry. The pain was on the ouside now, and felt so much better there. So much clearer. He hit himself again.

Sehr berührt haben mich diese beiden Zitate mit der Beschreibung des Gefühls bei selbstverletzendem Verhalten. Den Schmerz nach außen bringen; über einen winzigen Teil der Welt Kontrolle haben; etwas fühlen, irgendetwas fühlen, auch wenn es Schmerz ist. Mir fehlt die Vorstellungskraft, um solche Handlungen nachzuempfinden. Diese beiden Zitate haben es mir aber etwas besser erklärt.

Man versus body, the hook a tool, his one hand opening the other, wanting that red as evidence he could make a choice, that in his whirlpool life he had some measure of control, the pain a reminder he was alive and feeling was good, feeling was to be savored, not suppressed, that even hurt was better than numb.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Juli Berwald – Spineless. The Science of Jellyfish and the Art of Growing a Backbone

CN dieses Buch: Gewalt gegen Tiere
CN dieser Post: –


I’ve left those dreams to others. I turned and walked down the stairs, slipping into the space I’d begun to create for myself.

An diesem einen Abend hat es mich gepackt und ich wollte jetzt und gleich dieses Buch lesen, das irgendwo in der Mitte meiner To-Read-Tabelle seit einiger Zeit herumsteht. Die moderne Technik macht es möglich, tatsächlich ein eBook zu kaufen und sofort loszulesen. Nicht auszudenken, was ich während der aktuellen Situation getan hätte, wenn ich nicht so einfachen digitalen Zugriff auf Unmengen an Büchern hätte. Meistens muss ich sie nicht mal kaufen, weil ich sie digital ausleihen kann. Dankbarkeit für die kleinen Dinge, die uns das Leben erleichtern.

Beim Lesen dieses Buchs musste ich immer wieder im Internet nach Bildern suchen, weil ich mir die beschriebenen Arten von Jellyfish (das Wort ist einfach viel netter als das deutschsprachige Qualle) auf Bildern ansehen wollte. Da gibt es wirklich lustige Exemplare wie zB fried-egg jellyfish, aber auch riesige wie zB barrel jellyfish. Außerdem erinnerte mich die Beschreibung der sehr giftigen box jellys an Shannon Leone Fowler – Travelling with Ghosts, ein Buch, in dem die Autorin ihren Trauer- und Genesungsprozess nach dem Tod ihres Partners aufgrund eines Zusammenstoßes mit dieser Quallenart beschreibt.

Juli Berwalds Buch enthält viele verschiedene Aspekte zum Thema Jellyfish. Sie betrachtet das Thema aus wissenschaftlichen, ökologischen, ökonomischen Perspektiven. Indem sie sich mit Wissenschaftler*innen weltweit zu diesem Thema austauscht, lernt sie über die Bedeutung der Quallen im Ökosystem des Meeres, was ihre Verbreitung begünstigt aber auch was sie gefährdet (in erster Linie die Erwärmung und steigende Säuerung der Meere). Sie beschreibt ihre Reisen zu verschiedenen Orten, an denen sich Quallen beobachten lassen (Japan, Spanien, Israel, Italien – ich hätte gar nicht gedacht, dass es im Mittelmeer Quallen gibt …) und die Menschen, die sie auf diesen Reisen begleitet, was sie antreibt, warum sie sich mit dieser speziellen Tierart befassen und was sie daraus fürs Leben mitnehmen.

Es ist zugleich ein Sachbuch und ein Erfahrungsbericht. Mir hat dieses Format extrem gut gefallen. Ihr persönlicher Zugang hat dieses Thema für mich spannend gemacht, ich wäre sonst sicher nie auf die Idee gekommen, mir Bilder von unterschiedlichen Quallenarten anzusehen. Es gibt da eine unvorstellbare Vielfalt an Meeresbewohnern (sucht doch mal im Internet nach bloody-belly comb jelly …). Ihre Beschreibungen von rauhen Bootsfahrten mit Quallenfischern am untersten Zipfel von Japan oder Schnorcheltrips in Eilat am Golf von Akaba (die Stadt war mir bisher schon bei einem GeoGuessr-Spiel [ein Fernbeziehungsvergnügen] begegnet) haben in mir großes Fernweh entzündet. Ich hoffe wirklich, dass wir bald wieder reisen können, sonst komm ich nie dazu, all diese Orte zu besuchen, die ich bisher nur aus Büchern und Beschreibungen kenne.

As we age, our fire continues to burn, though sometimes the live coals become buried unter the ashes. The jellyfish helped me dig down to a fire inside.

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Krimi Roman

Donna Leon – Verschwiegene Kanäle

Spät in der Nacht habe ich mangels anderer Optionen ein neues Buch angefangen und irgendwie konnte ich mich zu nichts anderem durchringen als dem letzten Band aus dem Sammelsurium der Brunetti-Reihe, die ich vor einigen Jahren aus einem Erbe erhalten habe.

Wie gewohnt (eine gewisser Gewöhnungseffekt hat sich schon lange vor dem 12. Fall eingestellt) wird ein gesellschaftskritisches Thema behandelt, in diesem Fall einerseits politische Korruption und andererseits die Seilschaften, die in politischen und militärischen Kreisen bestimmen, wer gewinnt und wer verliert. Wie so oft wird der Fall zwar aufgeklärt, die Verantwortlichen jedoch nicht zur Verantwortung gezogen. Ein Muster, das vermutlich so realistisch wie frustrierend ist.

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Erfahrungsbericht Reise

Sergio Bambaren – Die blaue Grotte

Diese Seiten werden dir die Kraft geben, das Leben zu leben, das Du gewählt hast, und sie werden Dir das Gefühl geben, dass ich immer bei Dir bin, egal, wo Du bist, und egal, wo ich nun bald sein werde.

Sergio Bambaren (2010 hatte ich Ein Strand für meine Träume gelesen) beschreibt in diesem Band seine Erlebnisse auf einer Lesereise durch Europa. Parallel erzählt er die Lebensgeschichte des Heiligen Franz von Assisi. Die Kurzfassung: Franz von Assisi entstammte einer reichen Familie, entschied sich jedoch, sein Leben wie Jesus Christus in Armut zu verbringen, er wanderte als Prediger durch Italien und fühlte sich der Natur verbunden. Ich erinnere mich an eine Dokumentation über sein Leben, die ich vor vielen Jahren im Religionsunterricht gesehen habe: Brother Sun and Sister Moon. Der Titelsong dröhnt mir heute noch in den Ohren.

Denn ich weiß nun, dass wir immer dorthin gelangen, wo wir hinmüssen, wenn wir uns von den Fesseln des „normalen“ Lebens befreien und unseren eigenen Weg gehen. In meinem Fall habe ich eben auf die Stimme meines Herzens gehört und bin weitergefahren.

Der Autor beschreibt seine Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen auf seiner Reise. Da er im überlaufenen Assisi nicht die erhoffte Ruhe findet, landet er nahe Capri in einem Hotel, das zufällig in einem Gebäude eingerichtet ist, in dem im 13. Jahrhundert von Franz von Assisi ein Kloster gegründet wurde. Auf seiner Reise lernt er viele Menschen kennen, manche geplant, manche zufällig, wie etwa einen Obdachlosen, der ihm (ungewollt, man könnte beinahe sagen: zufällig) eine neue Perspektive vermittelt.

Zu viel denken ist wie billiger Fusel – es tötet die Gehirnzellen. Daher: leben und leben lassen. Und seinen eigenen Weg gehen.

Während des Lesens schwankte ich ständig zwischen dem Gefühl, sofort selbst auf Reisen gehen zu wollen (in letzter Zeit wieder ein häufiger Begleiter) und dem Gedanken, dass diese übertriebene, zur Schau gestellte glückselige Spiritualität einfach nicht wahr sein kann. Mit etwas Abstand betrachtet ist es wahrscheinlich so ähnlich wie mit der Facebook Timeline. In der Facebook (oder Twitter oder Whatsapp oder Instagram …) Timeline zeigen die Benutzer nur die Teile ihres Lebens, die schön sind: das gute Essen, der neue Kugelgrill, das neue Motorrad, den schönen Radausflug. Was man als Leser / Freund / Beobachter nicht sieht, sind die vielen normalen Momente dazwischen, die das Leben wirklich ausmachen. Auch Sergio Bambaren wird auf seiner Reise nicht nur spirituelle Erfahrungen und schöne Begegnungen erlebt haben, sondern auch die Langeweile beim Warten auf den Flug, den Ärger über rücksichtslose Menschen, vielleicht sogar Heimweh oder den kurzfristigen Wunsch, diese Reise niemals angetreten zu haben.

Trotzdem schadet es nicht, sich selbst immer wieder daran zu erinnern, dass es wichtig ist, die schönen Momente im Leben nicht nur zu genießen, sondern sie auch zu erkennen. Damit meine ich nicht die oben erwähnten Highlights, die wir ins Internet hinausschreien, sondern die kleinen Momente des Alltags: den Hund streicheln, Kaffee trinken, die Kinder lachen sehen, Müsli mit frischen Erdbeeren essen. Manche schaffen es vielleicht sogar, das Gras wachsen zu hören. ;-)

Reading Challenge: A book with a colour in the title