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Roman

Pierre Jarawan – Am Ende bleiben die Zedern

CN dieses Buch: Gewalt, Verlust eines Elternteils, Flucht, Krieg,
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Dieses Buch habe ich auf einer Reise im Travel Book Shop in Zürich gekauft. Es stand vermutlich seit ca. sieben Jahren auf meiner Leseliste, ich konnte es aber nie finden, weil … in meiner Liste der erste Buchstabe des Nachnamens des Autors falsch war. Ob das bereits in dem Artikel so war, aus dem ich die Empfehlung hatte, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen (der Link funktioniert nicht mehr). Jedenfalls hatte ich mich vor dem Nieselregen in das Buchgeschäft zurückgezogen, wollte eigentlich nichts kaufen. Nachdem ich mir mehrere Fotobände angesehen hatte, die ich keinesfalls auf dem Rest dieser Reise mitschleppen würde, konnte ich doch nicht umhin, dieses Buch zu kaufen, weil es irgendwie einfach Schicksal war, es dort zu finden …

Fassade des Travel Book Shop in Zürich, über dem Eingang hängt ein Zunftzeichen mit einer Palme, die Fensterrahmen sind grün gestrichen, im Hintergrund ist eine Reliefkarte in einem Schaukasten zu sehen

Samir, der Protagonist der Geschichte, wurde in Deutschland geboren, seine Eltern waren kurz vor seiner Geburt aus dem Libanon geflüchtet. Im Verlauf des Buches beschreibt Samir, wie er sich zwischen den beiden Kulturen verloren fühlt: Er wurde in Deutschland geboren, hat sein ganzes Leben hier verbracht. Die Erzählungen seines Vaters über dessen Heimatland Libanon bedeuten Samir aber umso mehr, nachdem sein Vater die Familie verlassen hat, als Samir acht Jahre alt war. Es war ein Verschwinden von einem Tag auf den anderen, verbunden mit Geheimnissen, auf die sich der achtjährige Samir keinen Reim machen kann. Das unerklärte Verschwinden des Vaters lässt ihm keine Ruhe, kostet ihn schließlich seinen Job in einer Bibliothek, beeinflusst als fixe Idee seine Beziehungen und Freundschaften. Erst der erneute Kontakt mit der Kindheitsfreundin Yasmin rüttelt ihn auf und führt ihn schließlich auf eine Reise in den Libanon mit dem Zweck, die Spuren seines Vaters zu verfolgen.

In den neunziger Jahren veränderten sich das politische Klima und die Welt um mich herum dramatisch. Doch so richtig merkte ich es nicht. Ich war gefangen in diesem verrückten, bunten Jahrzehnt, in dem alles zum letzten Mal analog war. Mitgerissen von einer Generation, die sich vehement weigerte, sich den Spaß nehmen zu lassen, obwohl es genügend Zeigefinger gab, die mahnend in die Zukunft wiesen. Wir hatten keine Kämpfe zu kämpfen. Der Kalte Krieg war vorbei, die Mauer war eingestürzt, die Zwillingstürme noch nicht. Die einzigen Grenzen, die wir kannten, waren die, die wir uns selbst auferlegten.

Der Protagonist Samir wurde Anfang der 80er geboren und in den Beschreibungen der Zeiten seines Aufwachsens, seiner Jugend habe ich vieles wieder erkannt, wie ich es selbst erlebt habe. Im Gespräch mit einer Person, die zur selben Zeit in Israel aufwuchs, habe ich überrascht festgestellt, wie unterschiedlich unsere Erinnerungen an diese Zeit sind. Während der Jugoslawien-Krieg für mich als Kind absolut keine Rolle spielte, waren die Verflechtungen zwischen dem Libanon und seinen Nachbarländern Syrien und Israel viel bestimmender für politische und gesellschaftliche Entwicklungen und laut dieser Person auch wesentlich präsenter im alltäglichen Leben.

Das Buch ist eine wunderbare Mischung aus der persönlichen Geschichte Samirs und den politischen Entwicklungen, die die Erfahrungen so vieler geflüchteter Menschen entscheidend geprägt haben. Samirs Reise in den Libanon erzählt von den Landschaften, die ihm sein Vater als Kind näher gebracht hat, vom Geruch der Zedern, den schroffen Bergen, dem fremden Flair eines Landes, in dem sich Samir aber eigentlich nicht fremd fühlen will. In den Hinweisen, die er aus seiner Kindheit bewahrt hat und den Recherchen, die ihm den Bibliotheksjob gekostet haben, sucht er nach Anhaltspunkten, die ihm dabei helfen könnten, das Schicksal seines verschwundenen Vaters zu ergründen. Oft entwickeln sich scheinbare Sackgassen zu neuen Verbindungen.

Meine uneingeschränkte Empfehlung für dieses Buch. Die Geschichte ist mitreißend mit einer überraschenden Wendung am Ende, die ich absolut nicht kommen habe sehen, und die trotzdem ganz wunderbar passt. Den Schreibstil fand ich sehr angenehm, die Mischung der Zeitebenen (der junge Samir mit seinen Eltern, der „heutige“ Samir auf seiner Reise in den Libanon) wird mit dem Fortschreiten der Geschichte immer enger und führt schließlich komplett in die Gegenwart (1. Auflage 2018). Der umfangreich beschriebene kulturelle und gesellschaftliche Kontext aus einer Zeit, die ich einerseits selbst in Erinnerung habe, in der sich aber in einem gar nicht so weit entfernten Land Dinge zugetragen haben, mit denen ich mich nie befasst habe, hat mich sehr berührt. Wenn wir uns nur mehr mit anderen Kulturen, Lebensbedingungen, Religionen befassen würden, würde es insgesamt vielleicht weniger Konflikte geben. Vielleicht trägt dieses Buch etwas zum Verständnis bei, mir hat es jedenfalls eine unbekannte Welt innerhalb unserer alltäglichen Welt eröffnet.

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English Essays

Ann Patchett – These Precious Days

CN dieses Buch: Krankheit, Tod, Sterben, Trauer, Krebs, Drogen (Pilze)
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Vorab-Notiz: Da mir die Ausstellungsberichte von Jana in ihrem Zuckerbäckerei-Blog immer so gut gefallen, schließe ich am Ende dieses Posts einen Bericht über meinen Besuch im Technischen Museum Wien an.


Without ever meaning to, my father taught me at a very early age to give up on the idea of approval. I wish I could bottle that freedom now and give it to every young writer I meet, with an extra bottle for the women. I would give them the ability both to love and not to care.

In dieser Essay-Sammlung setzt sich die Autorin Ann Patchett mit unterschiedlichen menschlichen Themen auseinander. Im ersten Essay beschreibt sie das Verhältnis zu ihren drei „Vätern“, gemeint sind damit die drei Partner ihrer Mutter in serieller Monogamie. Im obigen Zitat ist ihr biologischer Vater gemeint, der ihr in jungen Jahren eine wichtige Freiheit vermittelt hat, um die ich sie nur beneiden kann. Andere Texte befassen sich mit der Vergänglichkeit alles Lebenden, dem Hineinwachsen in das eigene Leben und dem Geben und Nehmen zwischen Personen (und wie Nehmen und Geben nicht immer proportional zueinander sind, sondern oft geben sich Personen gegenseitig etwas, obwohl beide glauben, nur zu nehmen).

People want you to want what they want. If you want the same things they want, then their want is validated. If you don’t want the same things, your lack of wanting can, to certain people, come across as judgement. […] Does my choice not to have children mean I judge your choices, your children? That I think my life is in some way superior? It does not.

Besonders berührt hat mich der mehrteilige Essay, in dem sie ihre Erfahrungen als kinderlose Frau beschreibt. Die neugierigen Fragen, wann es denn für sie so weit sein soll. Die wohl gemeinten Ratschläge, dass sie es wohl später bereuen würde, keine Kinder bekommen zu haben. Die Annahmen, ein Buchprojekt, ein Hund, ein Unternehmen wären ein Ersatz für ein Kind; ein bemitleidenswerter Versuch, eine Leerstelle zu füllen, die jede Person, die mit einem Uterus geboren wurde, irgendwo in sich haben muss. Und sie hat auch noch eine Erklärung für dieses „Unverständnis“ gefunden, das im obigen Zitat angerissen wird. Menschen fühlen sich wohler, wenn wir ihre Wünsche, Hoffnungen und Ziele mit ihnen teilen. Wenn wir diese nicht teilen, kann das als Urteil missverstanden werden, als Abwertung ihrer eigenen Wünsche. So oft ist mir das begegnet, wenn es darum geht, was Menschen essen wollen. So oft habe ich erlebt, dass sich omnivor ernährende Menschen sich allein durch die Anwesenheit einer vegan lebenden Person kritisiert fühlen. Es könnte alles so einfach sein, wenn wir einfach hinnehmen könnten, dass es sich eben nicht um eine Abwertung der eigenen Lebensentscheidungen handelt, sondern einfach nur darum, etwas anderes zu wollen.


Hauptgebäude des Technischen Museums Wien mit großem Schriftzug und Säulen vor leicht bewölktem Himmel

Leider ist die Ausstellung Foodprints im Technischen Museum Wien nun schon vorbei. Ich habe es gerade in der letzten Woche noch hin geschafft. Die Ausstellung macht es sich zum Ziel, unserem Essen auf die Spur zu kommen: Wo kommt es her, wo geht es hin, wer ist in der Herstellung beteiligt, wie wird es verpackt? Sechs verschiedene Stationen, die in unterschiedlichen Farben in Gitterboxelementen zusammengefasst sind, beleuchten dabei unterschiedliche Aspekte der Nahrungsmittelproduktion.

Eingangsbereich zur Ausstellung Foodprints, Schritzug Foodprints in Leuchtbuchstaben über einem aus Gitterboxen zusammengestellten Tor, das mit Detailaufnahmen von Nahrungsmitteln dekoriert ist

Essen ist Kultur und Technik, menschliches Grundbedürfnis und Lebensstil, Ausdruck von Überfluss und Lebensfreude, Ressource und Ressourcenverbrauch. Wie heute gegessen wird, beeinflusst die Welt von morgen.

Blick in den Ausstellungsraum, im Vordergrund blau gefärbte Station aus Gitterboxen, die sich mit der Haltbarkeit von Lebensmitteln beschäftigt

mehrere Kühlschränke aus verschiedenen Epochen, innerhalb der Kühlschränke sind andere Methoden der Kühlung von Lebensmitteln ausgestellt

Bei jeder Station können die Besucher:innen eine beim Eingang erhältliche Karte in einen von drei Einkaufskörben legen, um am Ende der Ausstellung eine Auswertung über die von ihnen getroffenen Einkaufsentscheidungen zu bekommen. Diese wird auf einem Kassenzettel ausgedruckt und soll bewusst machen, wie unsere Einkaufsentscheidungen sich auf die Produktion von Nahrungsmitteln und alles, was damit zusammenhängt, auswirken.

ein Bildschirm, auf dem drei Sorten von Paradeisern/Tomaten abgebildet sind, darunter drei Einkaufskörbe, in denen Besucher:innen ihre Karten ablegen können, um eine Einkaufsentscheidung zu treffen

Interessant fand ich auch eine Schautafel, die erklärt, warum Kinder oft für sie neues Essen ablehnen.

Die Zunge von Kleinkindern ist doppelt so empfindlich wie die von Erwachsenen, vor allem gegenüber Bitterem und Saurem. Bitter und sauer können nämlich auf Giftiges, Verdorbenes oder Unreifes hindeuten.

Unbekannter Geschmack wird daher aus Sicherheitsgründen erstmal abgelehnt. Erst nach etwa acht bis zehn Wiederholungen wird ein neues Nahrungsmittel als bekömmlich anerkannt.

Im Geschmackslabor konnten unter anderem verschiedene Sorten von Raucharoma olfaktorisch miteinander verglichen werden.

Nach der Foodprints-Ausstellung schaute ich mir auch noch den Maker Space im Museum an, in dem Kinder und Jugendliche sich an 3D-Druckern, Laser Cuttern, Stickmaschinen und anderen Bastelobjekten ausprobieren können.

Visualisierung neuronaler Netze, links werden aus einem Panel mit 20 Leuchtelementen Kabel zusammengefasst, die rechts zu einer Codierung kombiniert werden, die außerhalb des Bildes zu einem Ergebnis führt

Die Ausstellung über Künstliche Intelligenz ist noch bis Oktober 2022 zu sehen. Architektonisch ist die Ausstellung in einem Turm über mehrere Etagen innerhalb eines hohen Saals des Museums eingebettet. Die Ausstellung hinterfragt generell, was künstliche Intelligenz eigentlich ist und was sie kann. Neben einer Visualisierung von neuronalen Netzen und einem Einblick in die Entwicklung der technologischen Grundlagen für künstliche Intelligenz werden auch Roboter in unterschiedlichen Entwicklungsstadien gezeigt. Besucher:innen können auch selbst ausprobieren und beobachten, wie eine künstliche Intelligenz die Erkennung von unterschiedlichen Tierbildern lernt. Hinterfragt wird außerdem, ob von künstlicher Intelligenz erschaffene Kunstwerke – wie zum Beispiel von einem Computer komponierte Musikstücke – überhaupt einen künstlerischen Wert haben. Umgekehrt kann hinterfragt werden, ob es überhaupt noch Menschen braucht, um Kunst zu erschaffen.

Als Einstieg in dieses Thema erfüllt die Ausstellung ihren Zweck, geht jedoch nicht weiter in die Tiefe.

Die Dauerausstellung Medien.Welten im Obergeschoss sowie die Sammlung über Musikinstrumente habe ich dann nur noch kurz besucht. Buchdruck, Telefon, Rohrpost, verschiedene andere Kommunikationsmethoden werden hier in ihrer Entwicklung nachgezeichnet. Die Klaviere und Orgelinstrumente befinden sich in einem sehr stillen, klimatisierten Saal, dessen Akustik sich wie ein Sarg anfühlt. Außerdem konnte ich in der Musiksammlung auch auf einem Theremin spielen.

Wer das komplette Programm des Technischen Museums sehen will, muss sich dafür mehrere Tage Zeit nehmen, eine Jahreskarte kann sich dafür durchaus auszahlen. Ich war nach zwei Stunden nur mehr bedingt und nach drei Stunden gar nicht mehr aufnahmefähig und es hätte noch viel mehr zu sehen gegeben.

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Krimi Roman

Thomas Raab – Der Metzger geht fremd

CN dieses Buch: Mord, Gewalt, Abtrennen von Körperteilen, Andeutung von Vergewaltigung und Missbrauch von Minderjährigen, Feuer
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Die größten Enttäuschungen und Dramen finden innerhalb der Familie statt. Dort, wo Menschen unter der Gnade eines erfolgreichen Zeugungsakts das Recht verstehen, hinter verschlossenen Türen mit dem entstandenen Leben tun und lassen zu können, was sie wollen. Genau dort erweist sich für das entstandene Leben der erfolgreich vorangegangene Zeugungsakt nicht immer als Gnade.

Für den Urlaub wollte ich mir mal eine eindeutig leichte Lektüre vornehmen, die auch in kleinen Häppchen und mit Unterbrechungen konsumiert werden kann. Da hatte ich mich bei diesem Krimi allerdings etwas verschätzt. Es dreht sich nämlich um ein sehr komplexes Familiengebilde, das der Restaurator Willibald Adrian Metzger und seine auf Kur weilende Danjela Djurkovic Schritt für Schritt aufklären. Davon sind die beteiligten Familienmitglieder alles andere als begeistert. Verschollen geglaubte Brüder und Schwestern tauchen schließlich wieder auf; der vom diktatorischen Großvater verbreitete Hass vergiftet nahezu alle Beziehungen innerhalb der Familie.

Erzählt wird all das in dem gewohnten Metzger-Tempo. Höhepunkte sind die Schwärmerei über eine Biedermeier-Esszimmer-Garnitur, Metzgers Begegnung mit der Bauerstochter Franzi und die tierische Beteiligung an den Geschehnissen (Danjelas Hund Edgar sowie zwei Schwarzspitzenriffhaie geben den Ereignissen unerwartete Wendungen.) Die Haie haben auch das letzte Wort: In den letzten Zeilen des Romans wird im Gespräch über ein paar Zehen die letzte unklare Vaterschaft innerhalb des komplexen Familiengebildes aufklärt.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Dani Shapiro – Inheritance

Meta: During the weeks of isolation I’ve been thinking a lot about a concept that I now call idyllic illusions. (I don’t know if anyone else uses this term in any other meaning.) As an example I want to describe the thoughts that I had about the perfect place to live. I was dreaming about a small house with a little garden (in Austria this is called Schrebergarten), so I could sit outside, enjoy the weather, grow vegetables and herbs in the garden and so on. Around easter I took a few hours to clean the balcony of my flat (I’m currently living in a flat on the first floor of a building with 6 other flats in the house). During these cleaning sessions I realized, how much work it would be to have a garden and how much I hate all the work that is involved with maintenance of a living space. I like the idea of growing vegetables (I’ve done so for the last few years in a raised bed at my parent’s place) but I don’t really like the work. The thought of lawn-mowing makes me cringe immediately.

The idyllic illusion of moments of this imagined life has been haunting me again and again in the past years. And it’s not the only one. The white dress and the perfect wedding day is another of these idyllic illusions. I have been to many weddings and I don’t wish to have that for myself anymore. But I still feel a longing for this idyllic illusion when I watch a wedding on TV.

One reason for this is maybe the concept of the moment. Isolated moments can seem perfect and it’s easy to imagine them. What we usually don’t imagine is the whole thing. The whole day, week, month, year, life around these solitary perfect moments. Until now this insight hasn’t helped me to let go of these idyllic illusions but it may be one step on the way.


You’ll never know was unacceptable. You’ll never know simply could not be what I was left with in the end. Who was I without my history?

Sucessful author Dani Shapiro takes a genome test and discovers that her father is not really her biological father. What follows are months of searching for her identity and trying to find out about the circumstances of her own conception. Both her parents have died some years ago, asking them directly is out of the question.

Instead of a false narrative, there would be an infinity of narratives.

She describes a feeling of losing herself, as if the family she knew to be hers had vanished in the one moment she found out about her genetic heritage. Her jewish roots now seem at least half wrong although the rabbi confirms that she „is still jewish“.

It would be easy to fantasize that this would have been better. But we can never know what lies at the end of the path not taken.

The author wonders a lot about why her parents never told her the truth or if they even knew it themselves. How could they have kept such a secret through all those years? Dani Shapiro finally has to settle on presumptive evidence. Lots of research on the practice of artificial insemination leads her to a place where she is able to accept that whatever her parents knew, they made their decisions out of love and longing for a child.

That book idea that I mentioned in the last post, I don’t think I will be able to write it. While I admire how many memoir writers dissect their lifes and feelings I can’t imagine making myself vulnerable in such a way.

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Kurzgeschichten

Etgar Keret – Die sieben guten Jahre

Wenn ich versuche, die Gutenachtgeschichten zu rekonstruieren, die mir mein Vater vor Jahren erzählt hat, wird mir klar, dass sie mir über ihre faszinierenden Handlungsverläufe hinaus etwas haben beibringen sollen. Etwas über das fast schon verzweifelte menschliche Bedürfnis, das Gute auch noch an den unwahrscheinlichsten Orten zu finden. Etwas über die Sehnsucht, nicht etwa die Wirklichkeit schöner zu machen, sondern nicht darin nachzulassen, nach einer Perspektive zu suchen, die die Hässlichkeit in besserem Licht erscheinen lässt und Zuneigung und Mitleid weckt für jede Warze und Falte auf ihrem vernarbten Gesicht.

Etgar Keret wurde mir damals empfohlen und seine absurden Geschichten haben mir großen Spaß gemacht. In seinem aktuellen Buch sind die Geschichten (teilweise) weniger absurd, aber dafür umso persönlicher. Er schreibt über seine Beziehungen zu seiner Frau, zu seinem Vater, zu seinem Sohn, zu anderen Familienmitgliedern. Auch Taxifahrer spielen immer wieder eine Rolle. Er lässt seine durchwegs positive Lebenseinstellung durchblicken und gibt zwischen den Zeilen Tipps, wie man im Leben besser (oder schlechter) zurecht kommt, wie man Menschen begegnen kann, die anders sind als man selbst, wie man tolerant durchs Leben gehen kann, ohne sich selbst zu verleugnen. Lebenshilfe in einer Form, wie wir sie alle brauchen können.

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Roman

Paulus Hochgatterer – Wildwasser

Weißt du, sagte ich zu ihr, was mein Vater einmal zu mir gesagt hat, als wir vom Fußweg aus die Lammeröfen besichtigten? Manche springen da hinunter, hat er gesagt, und sind tot, und manche springen nicht hinunter und sind auch tot.

Dieses (für mich) dritte Werk von Paulus Hochgatterer beschäftigt sich wiederum mit einem Jungen, der mit seiner Gesamtsituation unzufrieden ist. Der Verlust des Vaters lässt ihm keine Ruhe, Mutter und Schwester sind ihm fremd. Zurückgeblieben ist nur ein Paddel, das Jakob nun an sein Fahrrad schnallt, um sich auf die Suche nach dem vermissten Vater zu begeben. Auf seiner Tour landet er schließlich im Pfarrhaus eines Kaplans, bei dessen griesgrämiger Mutter und einem Mädchen, das selbst einiges durchgemacht zu haben scheint. Auf diesem verwinkelten Pfad kommt Jakob der Lösung des Rätsels schließlich näher.

Irgendwie hatte ich bei diesem Buch echt das Gefühl, ich würde mal gerne wieder etwas nur zum Spaß lesen. Die psychischen Abgründe sind spannend und es schadet sicher nicht, sich mit Ängsten und Gefühlen auseinanderzusetzen, aber irgendwann ist es dann auch wieder mal genug.

Wenn man sich für Hochgatterers abgründige Ausflüge ins dunkle Land der Seele (aus dem Klappentext) interessiert, würde ich am ehesten Caretta Caretta empfehlen. Trotz der scheinbaren Abgebrühtheit des Protagonisten spürt man eine emotionale Fallhöhe, die sich am Ende in einem stimmigen Finale auflöst. Eigentlich ist ihm das auch bei Wildwasser gelungen. Aber für meinen Geschmack bleiben zu viele Fragen offen.

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Sachbuch

Adele Faber, Elaine Mazlish – How to talk so teens will listen & listen so teens will talk

Mein Patenkind ist inzwischen zu einem jugendlichen Mädchen herangewachsen, ein junger Teenager, aber doch nicht mehr ganz Kind. Das spüren die Eltern, aber auch ich im Gespräch mit ihr immer wieder daran, dass sie sich einerseits viele Gedanken macht und sich die Themen in den letzten Monaten deutlich verschoben haben. Daraus folgt aber auch, dass sie alles in Frage stellt, speziell die Regeln, die ihre Eltern für sie aufstellen. Wie geht man mit einem Kind in diesem Alter um?

Im ersten Kapitel habe ich einiges wiedergefunden, was ich bereits aus dem Vorgängerbuch How to talk, so kids will listen … kannte. Speziell das Zuhören anstatt Kommentieren habe ich bereits mit Erfolg angewandte (und zwar bei Weitem nicht nur bei Kindern, es funktioniert bei Erwachsenen auch ganz hervorragend). Es ist nicht so leicht, wir haben uns angewöhnt, die Gefühle von anderen in Beziehung zu unseren eigenen zu setzen und uns vorzustellen, wie wir uns in dieser Situation fühlen würden. Das funktioniert bei Erwachsenen, die Probleme austauschen, meist ganz gut, weil beide Seiten wissen, dass genau das passiert. Bei Jugendlichen fühlt man sich als Erwachsener schnell überlegen, man glaubt, man „weiß es besser“, man nimmt die Gefühle der jugendlichen Person nicht ernst (weil man natürlich selber weiß, dass das erste „miteinander-gehen“ mit einer interessanten Person zumeist von langfristiger Bedeutung ist). Doch gerade dieses nicht-ernst-nehmen führt bei Jugendlichen dazu, dass sie den Eltern (oder anderen Bezugspersonen) gar nichts mehr erzählen wollen. So banal das klingt: Die Gefühle der anderen Person sollte man in jedem Fall akzeptieren, auch wenn sie einem selbst lächerlich erscheinen mögen.

So weit so gut. Weitere Tips und Beispiele lassen mich dann eher kopfschüttelnd zurück. Obwohl ich selbst nicht Mutter bin, kenne ich viele Geschichten aus der Realität und weiß daher, dass es ganz ohne Bestrafungen nicht geht. Die vorgeschlagenen Alternativmethoden:

  • State your feelings.
  • State your expectations.
  • Show how to make amends.
  • Offer a choice.
  • Take action.

In den erklärten Beispielen läuft es dann am Ende dann doch wieder auf Strafe hinaus. Am Ende Fußballverbot.

Das nächste Kapitel gibt Ratschläge, wie man gemeinsam an Problemlösungen arbeiten kann. Klingt in der Theorie alles ganz praktisch, aber ich kann mir gut vorstellen, dass in der Praxis bei allen Beteiligten die Emotionen hochgehen. Allein schon der Punkt „invite your teenager to brainstorm with you“. Ich höre es direkt in meinem Kopf: „Ist ja dein Problem, für mich ist eh alles super.“ Nehmen wir einen kurzen Moment an, es kommt zu einem gemeinsamen Brainstorming und man einigt sich mit dem Teenager auf einen Plan. Was, wenn dieser nicht eingehalten wird? Auch das kenne ich aus dem eigenen Leben: man vereinbart ein Verhalten, dieses wird nicht eingehalten, man muss Konsequenzen ziehen. Teenager leben im Moment und vergessen oft, was ihr Verhalten gerade jetzt später für Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Besonders spannend fand ich dann das Kapitel, in dem die Jugendlichen zu Wort kamen. Das Buch beschreibt ein experimentelles Workshop-Programm, das die Autorinnen in einer Schule mit betroffenen Eltern durchführten. An einem späteren Abend setzten die Autorinnen sich nur mit den Jugendlichen zusammen, um ihre Perspektive zu sehen und zu hören, was ihnen wichtig ist. Dabei musste es natürlich auch um Gruppenzwang gehen und darum, was man tut oder nicht tun sollte, nur weil die anderen es auch machen. Ein Thema, das jeder Erwachsene aus der Praxis kennt und sich vorstellen kann.

I was touched by what the kids were saying. Their friends were so important to them that some of them were willing to give up part of themselves in order to be part of the group. And yet they all knew, on some level, what gave meaning to a mutually satisfying friendship.

Auch ich hatte letztens den Eindruck, dass mein Patenkind prinzipiell weiß, was richtig ist. Aber ich muss zugeben, dass ich manchmal Zweifel habe, ob sie ihre Prinzipien auch gegen den Gruppenzwang durchsetzen würde, wenn sie befürchten müsste, damit allein dazustehen.

Die meisten Kinder wissen in den Situationen, die ihnen im Alltag begegnen, was richtig und falsch ist. Es ist falsch, einen Rollstuhlfahrer auszulachen. Es ist falsch, ein anderes Kind zu hänseln, weil es rote Haare hat oder dicker oder dünner als der Durchschnitt ist. Es ist falsch, ein anderes Kind wegen irgendwelchen Äußerlichkeiten abzukanzeln. Aber es ist sehr schwierig, eine Meinung auch nur kundzutun, wenn man bereits weiß, dass man sich damit in einer Gruppe exponiert. Sich gegen die Gruppe zu stellen ist das Schwierige. Diesbezüglich bin ich mir noch unschlüssig, wie wir das unseren Kindern vorleben können (weil ich überzeugt bin, dass Vorleben als Erziehungsmethode am besten funktioniert). Kinder brauchen Orientierung und die bekommen sie von ihren Bezugspersonen. Aber nicht jede Situation ergibt sich im Alltag. Ich bin heute noch vorsichtig, eine konträre Meinung in einer größeren Gruppe laut zu äußern, weil ich selbst die Erfahrung gemacht habe, dass man damit nicht nur die Stimmung empfindlich zerstören sondern sich auch zur Zielscheibe machen kann. Und gerade eine Zielscheibe möchte kein Jugendlicher sein. Das wiederum sollten sich auch die Eltern merken: das Kind nicht zur Zielscheibe der eigenen (unerfüllbaren) Wertvorstellungen zu machen.

But fortunately, silence is not our only option. If ever we find ourselves becoming annoyed or angry with anyone in the family, we need to stop, take a breath, and ask ourselves one crucial question: How can I express my honest feelings in a way that will make it possible for the other person to hear me and even consider what I have to say?

Kommunikation kann nur beidseitig funktionieren und deshalb sollten natürlich auch die Kinder lernen, dass gegenseitiges Beschuldigen, Schimpfen, sich Vorwürfe machen keine gute Strategie ist. Aber wie sollen sie das lernen, wenn sie genau das von ihren Eltern immer wieder erleben? (siehe oben: Vorleben) Die Autorinnen raten dazu, die eigenen Gefühle zu beschreiben, anstatt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Nicht einfach, vor allem, wenn man nicht gewohnt ist, Gefühle zu beschreiben. Umso wichtiger wäre es, dass wir das unseren Kindern beibringen, damit sie später in der Lage sind, sich in Worten auszudrücken und nicht herumzubrüllen oder möglicherweise aggressiv mit Tellern zu werfen.

Auch wenn ich so meine Zweifel habe, wie sich die einzelnen Methoden tatsächlich in der Praxis bewähren können, habe ich doch für mich einige interessante Anregungen aus diesem Buch beziehen können. Und sei es nur, dass ich selbst nach einem harten Arbeitstag gleich mal klarstelle, dass ich grumpy bin und heute keine Diskussionen mehr führen will. Das kann auch im Umgang mit dem Partner durchaus mal von Vorteil sein. ;-)

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Roman

Marco Balzano – Damals, am Meer

„Man braucht Mut, um anzufangen, zu glauben. Und ich fürchte, die Kraft, sich ganz dem Unbekannten zu überlassen, die habe ich nicht.“

Keine Ahnung, wie mir das passieren konnte. Auf einmal hatte ich zwei Bücher gleichzeitig in Arbeit (eins auf Papier, eins am Kindle), die sich mit einem oberflächlich ähnlichen Thema beschäftigten. Beide spielen in Italien, Protagonist ist jeweils ein junger Mann, der seinen Platz im Leben sucht, scheinbar ziellos herumwandert und nicht weiß, wo er hingehört. Das erste dieser Bücher war der letzte Post (Fabio Volo: Zeit für dich und Zeit für mich) und ich habe das Gefühl, dass ich schon so kurz danach anfange, es anders zu sehen. Vor allem das überraschende, offene Ende stört mich zunehmend. Wieder eine Parallele. Denn auch Damals, am Meer hört auf einmal auf. Es gibt keine Richtung, es scheint, als wäre der junge Mann um nichts schlauer, als er zu Anfang des Buches war. Möglicherweise habe ich nicht ausreichend zwischen den Zeilen gelesen, aber ich konnte keine Entwicklung feststellen.

Man sah, dass er rundum Stücke von sich suchte, aus den Schuljahren, aus seiner Jugend. Großvater nicht. Großvater Leonardo suchte einen untergegangenen Hafen, seine Stadt unter dem Meer, die beim plötzlichen Einbrechen einer Welle wieder an die Oberfläche käme.

Großvater, Vater und Sohn machen sich auf den Weg, um eine Altlast der Familie loszuwerden, eine Wohnung in einer Stadt am Meer, die schon lange von niemandem mehr benutzt wird und alle Familienmitglieder drücken sich vor der Verantwortung, nach dem Rechten zu sehen. Schließlich ist des der Großvater, der die Entscheidung trifft, dass die Wohnung verkauft werden muss. Großvater und Vater wollen sich der Sache annehmen, der Sohn schließlich fährt mit, da er als Lehrer im Sommer sowieso nichts zu tun hat und auch noch auf Arbeitssuche ist. Es hätte ein Roadmovie werden können (das hatte ich wohl beim Kauf gehofft) und fühlt sich in manchen Passagen auch ein bißchen danach an. Etwa der Umweg zu einem Kloster, um einen alten Freund des Großvaters zu besuchen, verspricht deutliches Potenzial, dass der geplante Weg verlassen werden könnte. Vielleicht wird doch alles anders?

Zwischen den Zeilen werden Bruchstücke der Familiengeschichte erzählt. Während der Großvater noch immer den lokalen Dialekt der Ortschaft am Meer spricht und sich mit „hochitalienisch“ eher schwer tut, muss sich der Vater anstrengen, um sich an die Worte des lokalen Dialekts zu erinnern, der Sohn spricht den Dialekt gar nicht, er ist in Mailand aufgewachsen und war in der Ortschaft am Meer immer nur über den Sommer zu Besuch. Kleine und größere Konflikte werden ausgetragen. Für den Großvater ist es eine Abschiedsreise. Er muss annehmen, dass er nach dem Verkauf der Wohnung nie mehr hierher kommen wird. Vermutlich werden Vater und Sohn das auch nicht, aber ihnen bleibt immerhin noch mehr Zeit. Das Begräbnis eines Freundes des Großvaters, der erst wenige Tage zuvor verstorben ist, trübt die Stimmung zusätzlich.

Am Ende wird die Wohnung verkauft. Es ist keine interessante Information, kein Spoiler, denn die Wohnung ist nur ein Symbol für den Abschied von der Vergangenheit. Vielleicht ist es doch ein Roadmovie. Denn der Weg zählt, das Ziel ist letztlich nicht so wichtig und auch unspektakulär. So gesehen dann doch wieder eine Lebensweisheit. Weise verpackt in eine Reise. Also doch ein Roadmovie.

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Roman

Fabio Volo – Zeit für dich und Zeit für mich

Ich erwartete eine Antwort von meinem Vater. Er aber blieb stumm, stützte dann die Hände auf den Tisch, stand auf und ging wortlos nach nebenan, wo er sich in seinen Sessel setzte und den Fernseher einschaltete.

Einen anderen Roman von Fabio Volo (Einfach losfahren) hatte mir ein wichtiger Mensch empfohlen. Jetzt stelle ich gerade wieder fest, wie wichtig das Aufschreiben meiner Gedanken zu den Büchern ist. In meiner Erinnerung hatte ich hauptsächlich das seltsame Ende, dieses plötzlich scheinbar Allwissende, wie Beziehungen funktionieren und auf einmal sind alle glücklich und haben nie wieder Probleme. Das ärgert mich jetzt noch immer. Eigentlich sogar noch mehr.

Der Klappentext von Zeit für dich und Zeit für mich verspricht Ähnliches:
Lieben und sich lieben lassen – Lorenzo fällt beides schwer. Doch kann man es lernen?

Ja, es geht wieder um die Entwicklung eines jungen Mannes, der versucht, seinen Platz im Leben zu finden. SPOILER ALERT! Diesmal geht es nicht ausschließlich gut aus … Lorenzo wurde von seiner Freundin verlassen. Das beschäftigt ihn, er kann sich nicht erklären, warum diese Beziehung schief gegangen ist. Parallel wird Lorenzos Beziehung zu seinen Eltern, speziell zu seinem Vater erzählt. Der Schwerpunkt verschiebt sich zusehends auf die Erklärung, warum aus Lorenzo der Mann geworden ist, der er heute ist. Von seinem Vater (scheinbar) nicht geliebt, jedenfalls nicht wertgeschätzt, versucht Lorenzo aus der Armut seiner Eltern auszubrechen, etwas Besseres aus seinem Leben zu machen. Damit verärgert er den Vater noch mehr und bricht schließlich nahezu alle Brücken ab.

Diese zerrüttete Vater-Sohn-Beziehung wird als Grund für das Scheitern von Lorenzos Beziehung interpretiert. Es scheint mir etwas zu leicht, die Schuld am eigenen Scheitern den Eltern zuzuschieben. Trotzdem stimmt es mich so nachdenklich, dass ich angefangen habe, nachzudenken, ob ich nicht selbst ein Muster in meinem Leben mitschleppe, das auf der Beziehung zu meinen Eltern beruht. Um das wirklich herauszufinden, wär’s wohl an der Zeit für eine Therapie … bei vielen Bekannten, deren Eltern geschieden sind und dabei vielleicht noch einen Rosenkrieg auf den Schultern ihrer Kinder ausgetragen haben, tut man sich leicht, von außen zu analysieren. Bei sich selbst ist das fast gar nicht möglich. Schon allein wegen der Angst, was man möglicherweise herausfinden könnte. Im „schlimmsten“ Fall würde man auch noch herausfinden, dass man dagegen etwas tun könnte, das eigene Muster durchbrechen, aus der Wohlfühlzone ausbrechen, ins Flugzeug steigen und nach Amerika fliegen, als Kellnerin in einem Diner arbeiten, um damit dann genauso unglücklich zu sein.

Es ist zu einfach, die eigene Schwäche durch die Fehler der Eltern zu rechtfertigen. Jeder ist für sein eigenes Handeln verantwortlich. Und sollte versuchen, es besser zu machen.

An dem Tag, als er mich besuchte, um die Balkonpflanzen auf Vordermann zu bringen, hat mein Vater die längste Reise seines Lebens unternommen. An dem Tag hat er sich für mich entschieden.

Am Rande: Beim Verlinken auf Amazon habe ich entdeckt, dass in der Kindle Edition auf dem Titelblatt „Zeit für die Liebe“ steht. Vermutlich hätte ich das Buch bei diesem Titel überhaupt nie gekauft …

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Sachbuch

Adele Faber, Elaine Mazlish – How to talk so kids will listen & listen so kids will talk

Versailles in Minimundus, Klagenfurt, Kärnten

Doesn’t sound too hard, does it? But it is. And the hardest part is not the learning of the separate steps. With a little study that can be accomplished. The hardest part is the shift we have to make in attitude. We have to stop thinking of the child as a “problem” that needs correction. We have to give up the idea that because we’re adults we always have the right answer. We have to stop worrying that if we’re not “tough enough”, the child will take advantage of us.

Erziehungsratgeber klingen meistens besonders gscheit und bringen wenig Erfolg. Im Alltag erweisen sich gut gemeinte Ratschläge oft als wenig mehr als gut gemeint. Manche Hinweise funktionieren vielleicht einmal, doch sobald die Kids das Spiel durchschaut haben (und das werden sie langfristig wohl immer), muss man neue Strategien anwenden.

Tatsächlich fehlen mir die eigenen Kinder zum Ausprobieren der in diesem Ratgeber vorgestellten Strategien. Das Meiste klingt sehr vernünftig und die vielen Geschichten von Eltern, die selbst überrascht waren, wie gut die Strategien in der Praxis funktionieren, tun ihr Übriges. Die Schwierigkeit dürfte hauptsächlich darin liegen, sich die Tipps einzuprägen und dann die vorgeschlagenenen Kommunikationsmittel tatsächlich anzuwenden und nicht in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Augen öffnend ist dabei ein beispielhafter Gesprächsverlauf in einem der späteren Kapitel, indem verdeutlicht wird, was eine Mutter alles falsch machen kann und wie daraufhin der Gesprächsverlauf eskaliert. Der erste Impuls ist nicht immer der Richtige, oft gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Gefühle nicht überhand nehmen zu lassen. Die Autorinnen plädieren aber auch dafür, den Kindern auch die eigenen Gefühle nicht vorzuenthalten, also auch zum Ausdruck zu bringen, wenn man sich ärgert und worüber.

Ich hinterfrage gerade meine Einstellung gegenüber Ratgeber-Büchern. Macht man sich nicht in Wirklichkeit zuviel Sorgen? Sind nicht die meisten von uns zu guten Menschen herangewachsen, auch wenn unsere Eltern nicht alles richtig gemacht haben und keine derartigen Ratgeberbücher zu Rate gezogen haben? Ist nicht oft die impulsive Reaktion einer Mutter oder eines Vaters vollkommen in Ordnung? Fühlt man sich vielleicht trotzdem weniger unsicher, wenn man die Erfahrungen anderer Eltern teilen kann? Und von deren Tipps und Erfahrungen profitieren kann? Vermutlich. Vermutlich hilfreich.