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Roman Thriller

Daniel Suarez – Kill Decision

Not even twenty-four hours had elapsed since she’d been lying in blissful ignorance on a lumpy cot in Africa. Hard to believe that that humid, cramped little cabin, along with everything in it – along with her foreseeable future – had been incinerated in a flash. None of this seemed real. Not even the room she stood in.

Manchen Autoren kann ich gar nicht genug nachschmeißen. So uneingeschränkt begeistert wie von Daniel Suarez bin ich allerdings selten. Bisher habe ich jedes seiner Bücher gekauft, verschlungen und dann an meinen Bruder weitergereicht (wenn ich mich recht erinnere, brachte mich der sogar auf Daemon). So auch wieder mit diesem hier. Da ich jedoch nicht mehr rechtzeitig vor seinem Geburtstag fertig wurde, hab ich mir gleich noch die Kindle Edition geleistet. Und die beiden Vorgänger auch gleich dazu …

He adjusted the rearview mirror to meet her gaze. “Happy now, Professor? The monsters of the deep know you by name.”
She knelt and looked up at him. “I didn’t have a choice. You gave me no good reason to trust you.“
“Smart people are always difficult. Always looking for answers. And the answers always lead to more questions.“

Unschuldig ins Chaos gestürzt wird diesmal die Ameisenforscherin Linda McKinney. Ihre Forschung über die aggressiven Weberameisen wird zur Steuerung von Kampfdrohnen missbraucht und bringt sie in Lebensgefahr und in die Hände von Odins geheimer Kampftruppe …

They nodded to McKinney and immediately resumed their duties.

Odins Team hält eisern zusammen. Aufgrund ihrer Kenntnisse und der ihr drohenden Gefahren bleibt Linda keine andere Wahl, als sich dem Team anzuschließen. Aber sie gehört nicht dazu. Vor dem Kampfeinsatz übt das Team ein Ritual, an dem sie nicht teilnimmt, das sie nur beobachten kann. Stellvertretend für Linda fühlte ich mich ausgeschlossen, beobachtete an mir ein unmittelbares Unbehagen, nicht zum Team zu gehören.

„… If there’s a valuable brand to protect – whether it’s a person or a dish soap – these fuckers are out there protecting it, shaping the narrative. I mean … who the fell follows dish soap on twitter? How does anyone believe that shit’s real?“

Wie aus den Vorgängerwerken von Daniel Suarez bekannt, beschäftigt er sich intensiv mit politischen und sozialkritischen Motiven der menschlichen Persönlichkeit. Ein Nebenschauplatz ist eine PR-Firma, die sich dem Verbreiten bzw. Promoten von Produkten oder Persönlichkeiten verschrieben hat. Und ja, ich frage mich auch immer wieder, warum Menschen auf Facebook Produkte oder Firmen liken. Spätestens seit der Schwedenbombenrettung und der Wiedererscheinung des Tschisi-Eis (man sollte meinen, dass die Intensiv-Facebooker zu jung sind, um sich daran zu erinnern) glaubt die breite Masse an die Rettungskraft des Social-Media-Riesen. Kluge PR-Firmen sind in der Lage, diese Daten in Formen und Weisen zu nutzen, die selbst dem erfahrenen Mediennutzer Schauer über den Rücken treiben.

„Do you normally leave your doors unlocked and your alarms deactivated?“ – „I didn’t want you to break anything. I’m having a party tomorrow night.“

Auch das Thema Überwachung ist natürlich mit den Drohnen eng verknüpft. Gerade in Österreich gibt es hier ein ständiges Hin und Her. Wenn Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Drogen-Haartests zulassen will, aber empört aufschreit, wenn ihre SPÖ-Kollegin Bures die Autobahnkameras zur Überwachung der (nicht funktionierenden) Rettungsgasse nutzen will. Denn genau das ist das Problem: sind die Kameras mal da, warum sie nicht für alles Mögliche nutzen?

Although, this is the problem with a surveillance state; once you build it, it always grows. Do you realize how many industries use this data? How many people are busy building the systems to gather and analyze it? How much economic activity that’s generating?

Nicht zuletzt will der neue Heeresminister Gerald Klug nun auch Drohnen für das österreichische Bundesheer anschaffen. Unbewaffnet selbstverständlich. Aber wenn man liest, was sich die Verantwortlichen für die Beobachtung von Demonstrationen vorstellen, kann einem schon schlecht werden. Etwa Reinhard Zmug von der Luftzeugabteilung des Bundesheers wird zitiert:
Bei Menschenansammlungen würden die Drohnen aus deeskalierend wirken: „Sie beobachten die Leute von oben, und am Boden sieht man nicht allzu viele Soldaten.” So würden auch weniger schnell Konflikte entstehen. „Denn wenn eine Drohne 300 Meter entfernt von Ihnen fliegt, sehen Sie sie nicht mehr. Sie ist so klein und hell, man hört sie auch kaum mehr”, erklärt Zmug. Die Menschen würden demnach auch gar nicht merken, dass sie beobachtet werden. (diepresse.com)

Nicht merken, dass man beobachtet wird … eine Horrorvorstellung in meinen Augen. Suarez Killerdrohnen treiben die Bedrohung in beängstigender Art und Weise auf die Spitze. Und doch fällt es nicht schwer zu glauben, dass sie in geheimen Fabriken vielleicht bereits gebaut werden …

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Krimi Roman

Bernhard Aichner – Leichenspiele

Vadim, daneben Max und Baroni. Sie tranken.
Über die letzten drei Tage redeten sie nicht, über die Toten, sie wollten sich in diesem Moment keine Gedanken darüber machen, was passieren würde, würden sie Vadim die Wahrheit sagen. Sie wollten sich einfach einen Moment lang um nichts kümmern, sich gehen lassen, sie wollten einfach nur kurz stillstehen, abtauchen, sich leicht fühlen, unbeschwert. Kurz wollten sie auch ohne Sorgen sein, keine Probleme haben, keine Entscheidungen treffen, einen Moment lang wollten sie einfach nur unwissend sein, dumm sein, sich unbeschwert trinken, ohne nachzudenken, keine Minute nach vorn, nicht an morgen, nicht an die Leichen in der Gerichtsmedizin, nicht an Anton. An nichts wollten sie denken. Sie tranken einfach. Bis es dunkel wurde.
Nur drei Männer an der Bar und volle Gläser neben der Autobahn.

Na, da hätten wir mal wieder einen abgründigen Krimihelden wider Willen. Der Totengräber Max hat im vorhergehenden Buch offenbar seine Frau verloren und verkriecht sich an einem weit entfernten Strand. Sein bester Freund Baroni steckt in Schwierigkeiten und holt Totengräber Max zurück auf seinen Friedhof und damit direkt in ein äußerst tödliches Ränkespiel. Denn Organhändler wollen Baronis Notlage ausnutzen und Max soll die Leichen auf dem Friedhof vergraben. Dass das nicht lange gutgehen kann, erklärt sich von selbst.

Besonders geschickt stellen sich die Freunde nicht an, weder im Umgang mit den Leichen, noch im Ermitteln. Wie auf dem Präsentierteller laufen sie letztendlich in die Arme des Mörders und kommen doch mit dem Schrecken davon (das dürfte nicht zuviel verraten sein, den Helden einer Krimireihe bringt man nicht leichtfertig um). Ein alkoholgeschwängerter Krimi um Ausschweifungen aller Art, auf seine (unkorrekt österreichische) Art originell, auch wenn man beim Lesen schon mal den Kopf schüttelt über Max und Baroni, die von einer unangenehmen Situation in die nächste stolpern. Immer den nächsten Schnaps in Sicht …

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Roman

David Safier – Mieses Karma

Erinnere mich, dass David Safier eine Hype-Phase erlebte, damals hatte ich das ignoriert, wie ich das seit Längerem mit Hype-Büchern bzw. Autoren machen. Nun flog mir dieser Roman quasi gratis zu und nach 1Q84 dachte ich mir, dass etwas Leichtes zur Auflockerung nicht schaden könnte. Und Überraschung: obwohl der Leser um einiges schneller als die Hauptfigur erkennt, worum es hier geht und dass die Selbstsucht der als Ameise wiedergeborenen Kim Lange ihr weder Glück noch gutes Karma bringen wird, gelingen dem Autor immer wieder erstaunliche und überraschende Wendungen. Etwa der Auftritt des bekannten Verführers Casanova, ebenfalls als Ameise wiedergeboren und von nun an hilfreicher Weggefährte von Kim, sorgt für kontinuierliches Vergnügen und Amüsement. Happyend natürlich inkludiert ;) Intelligente Unterhaltung ist möglich.

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Roman

Haruki Murakami – 1Q84

Wir begreifen die Zeit als eine sich endlos fortsetzende Linie und agieren auf der Grundlage dieser fundamentalen Erkenntnis. Und da bisher keine besonderen Mängel oder Widersprüche daran zu entdecken waren, gilt sie wohl als empirisch erwiesen.

Hach, was für ein schöner Roman, ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll, ohne etwas zu verraten … aus den Weihnachtsgeschenken 2011 von Amazon war das hier auf jeden Fall das Highlight, Buch 3 hab ich mir dann sofort gekauft, als ich mit Buch 1+2 durch war und ich bin froh, dass ich so lange gewartet hab und dann alles in einem lesen konnte …

Der Grund dafür ist klar: um Tango weiterzusehen. Aus diesem Grund bin ich auf dieser Welt. Oder von der anderen Seite betrachtet: Aus diesem Grund ist diese Welt in mir. Wahrscheinlich handelt es sich um ein sich endlos spiegelndes Paradox. Ich bin ein Teil dieser Welt, und diese Welt ist ein Teil von mir.

Murakami war mir ja in manchen Fällen zu abgehoben, in meiner Erinnerung konnte ich mit Kafka am Strand nicht recht was anfangen, der Blick zurück auf meinen damaligen Blog-Beitrag belehrt mich nun eines Besseren. Auch in 1Q84 geht es um eine Parallelwelt, hier ist sie sogar titelgebend. Erst spät erschließt sich Stück für Stück, dass die zwei Monde nur in der neuen Welt existieren, dass nicht jeder sie sehen kann und manche Dinge werden gar nicht aufgelöst. Doch in diesem Fall hat mich das nicht gestört, da die Gesamtkomposition einfach so gut ist. Ein Volltreffer. In jeder Hinsicht.

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Krimi Roman

Donna Leon – Das Gesetz der Lagune

Wie jedes Mal weiß ich nicht so recht, was ich über den Brunetti-Krimi schreiben soll. Gerade bei einem Krimi soll man ja die Handlung nicht verraten und den Brunetti mag man eben oder man mag ihn nicht (kenne Personen beider Lager). Ich lese ihn immer wieder mal zwischendurch und als Nebenbei-Buch für die Pausen zwischen 1Q84 (es ging so schnell vorbei), eignete es sich perfekt.

Wiederum spitzte sich hier die Handlung gegen Ende auf einen Knalleffekt zu, lange bleibt der Täter im Dunklen und letztendlich ist der Verlust eines langjährigen Brunetti-Begleiters zu beklagen, der sich vermutlich auch noch in den nächsten Romanen schmerzhaft bemerkbar machen wird.

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Roman

Schulamit Meixner – ohnegrund

Ich müsste mir echt mal Notizen machen, warum ich ein bestimmtes Buch auf die Leseliste setze. Bei diesem weiß ich noch, dass ich kürzlich eine Rezension darüber gelesen habe, aber mehr schon nicht mehr. Weder in welchem Medium, noch was den Ausschlag gab. In der Onlinebücherei stolperte ich dann (zufällig?) darüber?

Der Roman beschreibt eine Familiengeschichte. Amy geht auf Betreiben ihrer lieblosen Eltern nach Tel Aviv, wo ihr Vater ihr einen Platz an der Kunstuni verschafft hat. Da ihr Cousin sie nicht vom Flughafen abholen kann, landet sie zufällig in den Armen von Nimrod, der sie bei sich aufnimmt und schließlich ihr Ehemann wird. Die Ehe bleibt nicht unbelastet, Nimrod verfolgt weiterhin seine eigenen Ziele, während Amy sich nur schwer im Leben zurechtfindet.

Um nicht die ganze Geschichte preiszugeben, sei nun abgekürzt gesagt, dass der Roman mit einem herrlich altklugen Kommentar von Amys und Nimrods Tochter Sharona endet. Jedem Kapitel ist ein Wetterbericht vorangestellt, der tiefere Sinn dahinter hat sich mir nicht erschlossen. Mitfühlend geschrieben, das Glanzlicht bleibt der Schluss. Ein wirklich guter Schluss und wie oft kann man das schon sagen?

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Roman

Ilija Trojanow – Eistau

Unvermutet flammt die Sonne hinter einem diesigen Vorhang auf, ein Parameter der Endlichkeit. Das Leuchten hält einige Wellenschläge an, bevor es wieder verschwindet und der Sturm im Zwielicht weitertobt.

Der gealterte Gletscherforscher Zeno muss mit ansehen, wie das Eis von der Erde verschwindet. Er brütet über den Verfehlungen der Menschen und erkennt in den schwindenden Gletschern seine eigene Sterblichkeit.

Das bist du, Zeno, mit Fallgeschwindigkeit stürzt du ins Nichts, auf der Kreidezeichnung des nächsten Augenblicks bist du schon nicht mehr zu sehen.

Ein Notruf als Kunstprojekt, eine Frau, die von einem Pinguin gebissen wird und dadurch eine schlimme Infektion erleidet … alles erscheint Zeno als Beweis für die Dummheit und Ignoranz seiner Mitmenschen. Ich bin es müde, Mensch zu sein. Nach einem peinlichen Zusammenstoß mit einem Soldaten kann er die Gesellschaft seiner Mitreisenden nicht mehr ertragen.

Mich hatte das Eis-Thema an ein Buch erinnert, das ich vor Jahren gelesen habe (dank dem Blog kann ich nun nachvollziehen, dass es bereits 2007 war): Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Doch fühlte ich mich damals trotz der anderen Zeitebene deutlich mehr verbunden mit den Protagonisten. Trojanows unaufgeregte Sprache nimmt den emotionalen Dramen des Wissenschaftlers Zeno die Intensität, ich fühlte mich stets unbetroffen von seinen Aufregungen, obwohl ich selbst nicht verstehen kann, wie achtlos viele Menschen mit der Umwelt umgehen. Tatsächlich erscheint Zeno, der im Sinne der Umwelt kompromisslos handelt, als verrückter Professor, der gegen Windmühlen kämpft und dabei schließlich den Verstand verliert.

Endlich allein. Auf ruhiger See und nicht auf einer Woge der Geschichte, allein auf einem Kreuzfahrtschiff, das sich mit einem Joystick lenken lässt, als sei die Fahrt durch die Eisinseln längst nur noch ein Computerspiel.

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Roman

Thomas Glavinic – Die Arbeit der Nacht

Er wanderte umher. Sein Blick fiel auf die Garderobe. Wieder hatte er das Gefühl, etwas stimme nicht. Diesmal erkannte er, woran es lag. An einem Haken hing eine Jacke, die ihm nicht gehörte. Die er vor einigen Wochen bei Gil in der Auslage gesehen hatte. Sie war ihm zu teuer gewesen.

Wiederum erforscht Thomas Glavinic die menschlichen Emotionen. Als Jonas am Anfang des Romans aufwacht, scheint noch alles in Ordnung zu sein, doch als er seine Wohnung verlässt, bemerkt er, dass keine Menschen auf der Straße sind. Kein Morgenverkehr, auch kein Vogelgezwitscher, denn auch alle Tiere sind verschwunden. Zuerst ungläubig sucht Jonas die Wohnung seines Vaters, sein Büro und die Wohnung eines Kollegen auf. Vergeblich. Nachdem er ihn Wien alle möglichen Orte besucht hat, verlässt er die Stadt, um auch über den Grenzen nach menschlichem Leben zu suchen. Und findet weiterhin nur Einsamkeit.

Er hatte das Gefühl, jede Sekunde könnte ihn von hinten eine Hand fassen. Es wich, als der Nebel auflockerte. Bald waren die Bäume am Straßenrand zu sehen, schließlich auch die blumengeschmückten Pensionen, an denen er vorbeikam.

Die Einsamkeit scheint Jonas nicht direkt zu beunruhigen, doch zusehends fühlt er sich verfolgt. Es scheint widersinnig, dass er sich gerade verfolgt fühlt, wo er doch seit Tagen und später Wochen niemandem begegnet ist. Als er sich bei einem Ausflug auf den Kanzelstein, ein ehemaliges Urlaubsziel seiner Familie, im Wald verirrt, ist Jonas schließlich dem Wahnsinn nahe. Obwohl niemand da ist, der ihn gefährden kann, weder Mensch noch Tier, läuft Jonas mit einem Gewehr herum und fürchtet sich vor dem Wolfsvieh, das ihn in seinen Träumen verfolgt.

Es ist erschreckend, wie sich die Persönlichkeit des Protagonisten zu spalten scheint. Er beginnt, sich im Schlaf zu filmen, nennt die gefilmte Person jedoch „den Schläfer“. Das scheint sich selbst ad absurdum zu führen, als er bei laufender Kamera wach und bewusst in die Kamera winkt und sagt „Ich bin es, nicht der Schläfer“. Beim späteren Ansehen scheint es dann doch der Schläfer gewesen zu sein.

Den Blick unverwandt auf den Glockenturm des Doms errichtet, fühlte er plötzlich den Wunsch, ein Kind zu sein. Eines, das Marmeladenrote bekam und Saft. Das auf der Straße spielte und schmutzig heimkam und für eine zerrissene Hose gerügt wurde. Und das dann von den Eltern in die Badewanne gesteckt und zu Bett gebracht wurde.

Beim Lesen dachte ich am Anfang oft darüber nach, auf welche Produkte Jonas bald verzichten wird müssen. Es erschien mir befremdlich, dass er nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass er bald nichts Frisches mehr zu essen haben wird. Er ernährt sich auch zusehends aus Konserven, die finden sich überall. Ohne Tiere lassen sich auch keine Milchprodukte herstellen, selbst wenn Jonas die Geduld fände, herauszufinden, wie man es macht. Doch tatsächlich vergehen bis zum Ende des Romans nur wenige Wochen, solange dürfte die Haltbarmilch ausreichen.

Stück für Stück scheint der Wahnsinn Jonas einsame Seele zu überwältigen. Er versucht schließlich, nach England zu reisen. Dabei muss er sich wachhalten, denn der Schläfer bringt ihn nachts stets wieder zurück und will ihn nicht zu seinem Zielort gelangen lassen. Der mangelnde Schlaf treibt Jonas endgültig zur Verzweiflung. Und letztendlich wird klar, dass ihm von Anfang an nur er selbst gefährlich werden konnte. Wenn man so allein ist, kann man sich nur vor sich selbst fürchten.

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Klassiker Roman

Charles Dickens – David Copperfield

And now I fell into a state of neglect, which I cannot look back upon without compassion. I fell at once into a solitary condition,– apart from all friendly notice, apart from the society of all other boys of my own age, apart from all companionship but my own spiritless thoughts,– which seems to cast its gloom upon this paper as I write.

Charles Dickens also. Nachdem ich hiermit endlich durch bin, kann ich wohl sagen, er ist einfach nichts für mich. Weltliteratur – ja, vielleicht. So viele Vorleser können schließlich nicht irren. Und retrospektiv betrachtet, verstehe ich jetzt auch, warum John Irving in Gottes Werk und Teufels Beitrag seinen Dr. Larch den Waisenbuben daraus vorlesen lässt (der aktuelle Anlass für mich, diesen Wälzer endlich aus dem Regal zu nehmen). Aber für mich scheint der einfach nicht zu passen. Charles Dickens als Autor, meine ich. Das zeigte sich schon mit Große Erwartungen. Vor langer Zeit gelesen, Film gesehen, Theaterstück gesehen (im Renessaincetheater, erinnere mich nicht mehr genau, wann) und doch mit der Geschichte niemals warm geworden. Ähnlich ging es mir mit Oliver Twist.

But the agony of the mind, the remorse, and shame I felt, when I became conscious next day! My horror of having committed a thousand offenses I had forgotten, and which nothing could ever expiate – my recollection of that indelible look which Agnes had given me – the torturing impossibility of communicating with her, not knowing, beast that I was, how she came to be in London, or where she stayed – my disgust of the very sight of the room where the revel had been held – my racking head – the smell of smoke, the sight of glasses, the impossibility of going out, or even getting up! Oh, what a day it was!

Aber nun zu David Copperfield. Schon als Junge lernt er die Härten des Lebens kennen, sein Vater verstorben, seine Mutter erliegt einem Tyrannen, der sie psychisch schließlich bis in den Tod foltert und den jungen David dann schnellstmöglich los wird. So landet er auf sich selbst gestellt in London und arbeitet sich Stück für Stück hoch zum bekannten Autor. Dabei kann er immer wieder auf die Hilfe des bis zuletzt glücklosen Mr. Micawber zählen. Sein ehemaliger Schulkollege Steerforth führt David auf Abwege und entführt schließlich das Mädchen Emily, die David wie eine Schwester nahesteht. Der Schrecken seiner Jugend, Uriah Heep, verfolgt Copperfield lange Zeit, doch letztendlich findet er seine gerechte Strafe. Seine Jugendfreundin Agnes steht ihm stets zur Seite, auch, als er sich in Dora verliebt, ein pink aufgerüscheltes, dummes Blondchen, das sich nach der Heirat als äußerst unfähige Hausfrau erweist.

I had always felt my weakness, in comparison with her constancy and fortitude; and now I felt it more and more. Whatever I might have been to her, or she to me, if I had been more worthy of her long ago, I was not now, and she was not. The time was past. I had let it go by, and had deservedly lost her.

Was ich gerade so kurz zusammenfasse, zieht sich über viele 100 Seiten, oft steht die altmodische englische Sprache einem einfachen Verständnis des Geschehens im Weg (jaja, mein eigenes Problem, ich weiß), oft bringen auch die altmodischen Gesellschaftsdiktate der damaligen Zeit durcheinander. Ich will mich nicht aufschwingen, zu behaupten, Dickens wäre nicht mehr zeitgeistig, aber für mich war es das mit ihm. Die Plage, diese 716 Seiten im englischen Original zu lesen, war lang und oft wollte ich es bleiben lassen. So sollte Lesen eigentlich nicht sein, daher wende ich mich in nächster Zeit erfreulicherer Literatur zu. Mein Kindle-Archiv ist bis Auf 1Q84 leer und daher müssen dringend Bücher gekauft werden. Und der Büchereiausweis verlängert … für mehr Lesespaß 2013!

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Roman

Janne Teller – Nichts. Was im Leben wichtig ist

„Wenn es etwas gibt, über das es sich lohnt sauer zu werden, gibt es auch etwas, worüber es sich lohnt sich zu freuen. Wenn es etwas gibt, über das es sich lohnt sich zu freuen, gibt es auch etwas, was etwas bedeutet. Aber das gibt es nicht!“

Diesen Roman hatte ich seit Längerem auf der Liste und über Weihnachten dann mal in der Onlinebücherei angefordert. Regelrecht schade, dass ich nicht mehr weiß, aus welcher Richtung mir der zugeflogen ist, denn es ist ein bedrückendes, schockierendes, düsteres Meisterwerk.

Eine dänische Schulklasse ringt mit einem Aussteiger. Pierre Anthon hat sich in den Zwetschgenbaum verkrochen und terrorisiert seine Mitschüler mit philosophischen Weisheiten über die Nicht-Bedeutung des Lebens. Die wollen sich das nicht gefallen lassen und dem Besserwisser beweisen, dass es doch eine Bedeutung gibt.

Ihre Ruhe hatte etwas Unheimliches. Trotzdem schien sie sich auf uns andere zu übertragen. Das, was geschehen sollte, war ein notwendiges Opfer in unserem Kampf für die Bedeutung. Alle mussten ihren Teil beitragen. Wir hatten unseren beigetragen. Jetzt war Jan-Johan an der Reihe.

Die Schüler beginnen, Dinge, die ihnen wertvoll sind, zu einem Berg aus Bedeutung zusammenzutragen. Doch nicht sie selbst, sondern jeweils die Mitschüler bestimmen, was sie abgeben müssen. Die Erzählerin Agnes kommt mit ihren neuen grünen Lieblingssandalen noch glimpflich davon. Jeder Schüler denkt sich für den Nächsten aus Rachegelüsten stets Schlimmeres aus. So muss ein Hamster dran glauben, ein Kindersarg ausgegraben werden und letztendlich machen die Schüler auch vor den eigenen Körpern nicht mehr halt. Mit Jan-Johans letztem Opfer fliegt das Geheimnis schließlich auf und die Geschichte nimmt einen noch beängstigenderen Verlauf. Denn Pierre Anton zeigt sich völlig unbeeindruckt und will den Berg aus Bedeutung nicht mal besichtigen.

Mich erinnert die Geschichte geringfügig an „Die Welle“, das ich vor vielen Jahren im Schulunterricht lesen musste und wo ich schon damals nicht verstehen konnte, warum alle mitmachen, warum keiner aufschreit und aussteigt und darauf hinweist, wie unsinnig all das ist. So ging es mir auch stellenweise bei diesem Roman, wo bei jedem zweifelhaften Stück Bedeutung die Gruppe gewinnt. Sofies Unschuld ist hier ein wichtiger Wendepunkt: die Unversehrtheit der Beteiligten muss der Bedeutung unterliegen. Die Bedeutung steht über allem. Was bewegt die Jugendlichen zu ihrer verzweifelten Suche? Sogar die Gläubigen unter ihnen beteiligen sich und liefern ihren jeweiligen Glauben der Bedeutung aus. Die Gruppe und die Bedeutung stehen sogar über dem Glauben. Ein Roman, der zum Nachdenken anregt. Über Bedeutung. Was im Leben wichtig ist.

„Ist die Bedeutung denn nicht wichtiger als alles andere?“