Categories
Roman

Lilian Faschinger – Stadt der Verlierer

Ich imitierte die Gesten der Gläubigen, so wie ich sie als Kind imitiert hatte, wenn ich mit den Adoptiveltern und Silvia am Sonntag den Gottesdienst besuchte. Vielleicht würde ich hier etwas fühlen.

Gekauft hatte ich mir dieses Buch ursprünglich, weil ich es als Teil des Literaturcaches AL024 – LF vermutete. Literatur und Geocaching, das hätte eigentlich die perfekte Kombination für mich sein müssen, dachte ich. Inzwischen habe ich die Literaturcaches aufgegeben, weil ich befürchte, dass die langwierige Recherche dazu führt, dass mir die Caches vor der Nase weg archiviert werden.

Diesen in Wien spielenden Roman kann ich dennoch empfehlen. Zu Beginn konnte ich nicht recht reinkommen, ich hatte das Buch sogar für Monate weg gelegt, weil mir die Hauptfigur Matthias Karner so unsympathisch war. Unsympathisch zu recht. Es stellt sich Stück für Stück heraus, dass dieser Matthias Karner nicht nur ein Taugenichts ist, er spielt mit allen Menschen in seiner Umgebung und nutzt sie aus, sobald er irgendeine Möglichkeit dafür sieht. Als Nebenfigur fungiert die Detektivin Emma. Matthias Mutter beauftragt sie, ihren Sohn, den sie als Baby zur Adoption freigeben musste, zu finden. Emma erfüllt ihren Auftrag und lebt ihre eigenen Probleme. Doch Matthias Konfrontation mit seiner leiblichen Mutter stürzt Matthias in eine Krise. Als er von seinem Zwillingsbruder erfährt, den seine Mutter behalten und aufgezogen hat, wirft ihn dies endgültig aus der Bahn. Er dringt in das Leben seines Bruders ein und wirft alle familiären Gefühle über Bord.

Immer wieder schön sind die Beschreibungen des Wiener Lebensgefühls, ein Kleinod, das man in modernen Roman selten so findet. Die Morbidität, die Verlorenheit der Figuren, die unausweichliche Katastrophe, gepaart mit vielen bekannten Wiener Locations wie etwa dem Heurigen Zawodsky – all das charakterisiert die Stadt und sorgt für ein grandioses Lesevergnügen – sobald man es über die ersten Kapitel geschafft hat.

Categories
Krimi Roman

Eva Rossmann – Evelyns Fall

Kellergasse_(c)_Adolf-Riess/PIXELIO

Sie schaut mich bedauernd an. „Die Post kommt jetzt ja immer so spät. Da war schon die Barbara Karlich Show im Fernsehen. Unglaublich, wie die Welt heute ist. Die reden da über Sachen, die hätten wir uns nicht einmal zu denken getraut.“

Die Journalistin Mira Valensky und ihre wackere Freundin Vesna begeben sich diesmal auf die Spur eines Mordes, der zuerst gar keiner zu sein scheint. Vesnas Tochter Jana ist mit der aufstrebenden Sängerin Celine befreundet. Deren Mutter scheint durch einen Unfall ums Leben gekommen zu sein, doch Celine will das nicht glauben. Auf der Suche nach dem Mobiltelefon, das der erklärte Liebling der Verstorbenen war, wird Indiz um Indiz aufgedeckt, das schließlich zur Enthüllung von allerhand Geheimnissen führt.

Ich programmiere mein Navi, und Vesna mokiert sich über die seltsame Computerstimme. Ich nenne sie Susi. Und Susi führt uns sicher zur eingegebenen Adresse. Ein schicker Bau. Weiß und Glas, quadratisch, zweistöckig, sicher noch keine zwei Jahre alt. Ein Parkplatz vor dem Haus, im ersten Stock sind tatsächlich einige Fenster erleuchtet.

Solche Einzelheiten sind es, die die Mira Valensky-Krimis spannend machen. Kaum ein Navigationssystem kommt ohne einen verniedlichenden Namen aus, von Susi bis Beate habe ich schon unzählige Namen gehört, die die geneigten Benutzer und Besitzer den nervenden Computerstimmen zuweisen.

Lange scheint es, als hätte die verstorbene Evelyn einfach nur viel Pech in ihrem Leben gehabt. Mit 42 Jahren übergewichtig und krank, daher nicht mehr arbeitsfähig, delogiert, einsam und allein. Soll dieser Frau tatsächlich das Wunder passiert sein, im Lotto einen Gewinn zu erzielen? Stück für Stück setzen Mira und Vesna das komplizierte Puzzle zusammen, dabei kriegt nicht nur Mira sondern auch ihr Lebensgefährte Oskar mal einen Schlag ab. Erst im großen Finale offenbart sich schließlich die wahre Geschichte der Evelyn Maier und ihres vorzeitigen Todes, der sie auf eine Art auch aus ihrem einsamen und armen Leben errettet haben mag.

Viel Sozialkritik lässt Eva Rossmann in diesem Krimi mitschwingen. Wie kann es sein, dass in einem Sozialstaat wie Österreich Menschen in derart ärmlichen Verhältnissen leben müssen, wie es bei der toten Evelyn Maier der Fall war. Wie konnte sie durch alle sozialen Netze fallen, sodass ein Lottogewinn schließlich ihre letzte Rettung hätte sein können? Eine kurzweilige Geschichte aus dem Mira-Valensky-Universum, tauglich als Unterhaltung zwischendurch.

Weitere Informationen: LiteraturgeflüsterLeseLustLiteraturBlog