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Sachbuch

Douglas Thomas, John Seely Brown – A New Culture of Learning

Drei Anläufe hat es gebraucht, bis ich dieses Buch tatsächlich fertig gelesen habe. Das liegt nicht daran, dass es nicht interessant wäre oder schwer zu lesen, es ist mir einfach aus dem Blickfeld gerutscht. Entdeckt hatte ich es im Rahmen meines Bildungswissenschaftsstudiums vor zwei Semestern und das Konzept und der zukunftsweisende Titel haben mich überzeugt, dass ich es lesen sollte.

The key to questioning is not typical problem solving. It is innovation.

Die Autoren beschreiben anhand verschiedener Beispiele, warum traditionelle Lerntheorien in unser heutigen Wissensgesellschaft nicht mehr ausreichend funktionieren. Anhand des Beispiels einer World-of-WarcraftRaid-Gemeinschaft wird erklärt, wie Menschen heute komplexe Prozesse lernen und sich verändernden Umgebungsbedingungen anpassen.

In the new culture of learning, people learn through their interaction and participation with one another in fluid relationships that are the result of shared interests and opportunity.

Diese Form des Lernens erfordert keine Lehrperson, die einen Lehrstoff vermittelt. Lernende lernen voneinander, in dem sie zusehen, wie andere Menschen Probleme lösen, selbst Dinge tun und experimentieren, um herauszufinden, was am besten funktioniert. Jahrhundertelang funktionierte unser Bildungssystem derart, dass Schüler*innen Fragen gestellt bekommen, deren Antworten die Lehrenden bereits kennen. Auf die komplexen Fragen der heutigen Zeit (Klimawandel) gibt es jedoch keine einfachen Antworten.

The point is that no matter what direction he goes in or what he finds, more questions await. And the questions he asks are limited only by his imagination. We call this style of learning inquiry.

Beim Lesen habe ich mich immer wieder an den Lernstil von John Dewey erinnert. John Dewey schrieb der Erfahrung im Lernen den höchsten Wert zu. Kinder sollten gemeinsam in der Gruppe Dinge erschaffen und daran lernen. Sowohl der Gemeinschaftsaspekt als auch das Erfahrungslernen finden sich in der neuen Kultur des Lernens wieder. Es geht nicht darum, was wir bereits wissen, es geht darum, was wir noch lernen können und vor allem wie wir das lernen können (schreibt Siemens in seiner Konnektivismustheorie).

Die praktische Anwendung dieser Erkenntnisse steht jedoch weitgehend in den Sternen.

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Roman

Kate Tempest – Worauf du dich verlassen kannst

Aber Leon hatte das Leben nie so gesehen. Leon sah, dass das Leben mal abscheulich und mal schön und manchmal beides sein konnte, aber nie schal. Er wusste, dass jede kleinste Begebenheit wahrgenommen, empfunden, genossen werden musste, dass man entweder für oder gegen sie kämpfen musste.

Irgendwie kann ich mit dieser Geschichte nach wie vor nichts anfangen. Der Beginn zieht sich in die Länge, es werden in Rückblenden immer wieder die Geschichten der Eltern der eigentlichen Protagonisten erzählt. Das soll vermutlich Kontext geben, dauert aber für mein Gefühl einfach zu lang.

Alle Protagonist*innen sind mit ihrem Leben unzufrieden: die ehrgeizige Becky will endlich ein richtiges Engagement als Tänzerin, der ziellose Pete weiß mit seinem Leben überhaupt nichts anzufangen, Harry und Leon wollen mit ihren Drogengeschäften so viel verdienen, dass sie ihr eigenes Lokal eröffnen und aus dem Geschäft aussteigen können. Die Dreiecksgeschichte, die sich zwischen Becky, Pete und Harry anbahnt, hätte mehr Potenzial, verschwindet aber schließlich komplett hinter der Enthüllung, wer eigentlich alles in diese Drogengeschäfte verwickelt ist.

Am Ende hatte ich das Gefühl, dass sich nichts verändert, nichts weiterentwickelt hätte. Aber vielleicht ist das genau der Punkt: Dass wir im Leben nicht darauf warten dürfen, dass sich für uns alles zum besten wendet, weil wir es selbst in die Hand nehmen müssen. Und manchmal müssen wir Dinge auch loslassen, so wie ich dieses Buch jetzt loslassen werde …

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Roman

Sally Rooney – Conversations With Friends

You can love more than one person, she said.

That’s arguable.

Why is it any different from having more than one friend? You’re friends with me and you also have other friends, does that mean you don’t really value me?

Diese Geschichte enthält dermaßen viel Konfliktpotential, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Im Zentrum der Geschichte steht Frances, eine Studentin, die Gedichte schreibt und im Großen und Ganzen nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Gemeinsam mit ihrer Freundin (und Ex-Partnerin) Bobbi lernt sie im Rahmen einer Veranstaltung das Ehepaar Melissa und Nick kennen. Daraus entwickelt sich langfristig ein komplexes Beziehungsgeflecht mit einer Unzahl an Stolpersteinen.

All my delusional beliefs about my own value and my pretensions to being a kind of person I wasn’t.

Frances’ Verhalten in Beziehungen wird von vielen Faktoren beeinflusst. Mit ihrem Vater hat sie ein schwieriges Verhältnis, ihre Mutter wirft ihr vor, ihren Vater nie geliebt zu haben. Frances hält sich selbst für wertlos und fordert ihre Mitmenschen heraus, in dem sie sie hintergeht, ihnen die kalte Schulter zeigt oder sie schlicht beleidigt. Wenn diese dann erwartungsgemäß abweisend reagieren, fühlt sich Frances in ihrer Wertlosigkeit bestätigt. Sie redet sich selbst ein, ohnehin keine Macht zu haben, was ihr erlaubt, andere Menschen zu verletzen, da sie ohnehin nicht die Macht hat, diese Menschen zu verletzen.

You can’t control what she thinks of you anyway. […] What you’re doing now is deceiving her just for the illusion of control, which probably isn’t worth it.

Schließlich kommt auch noch eine medizinische Komponente ins Spiel. Frances wird mit Endometriose diagnostiziert (eine chronische Erkrankung, bei der Zellen ähnlich der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter produziert werden, was zu massiven Schmerzen führen kann). Die Krankheit scheint Frances endgültig von einem „normalen Leben“, das sie sich innerlich wünscht, abzuschneiden.

Die Darstellung einer sich aus einer ungünstigen Situation heraus entwickelnden Polybeziehung ist mit einigen für mich nachvollziehbaren Schilderungen von Eifersucht, Selbstzweifeln und anderen Emotionen in diesem Zusammenhang verbunden. Die Unmittelbarkeit, mit der ich diese Emotionen nachempfinden konnte, hat mich einerseits sehr berührt und andererseits aber auch befremdet. Als außenstehende Leserin konnte ich immer wieder sehen, dass die Personen einfach nicht (ehrlich) miteinander kommunizieren. (Wenn wir selbst Teil dieser Kommunikation sind, haben wir diesen Überblick üblicherweise nicht.) Wenn sie kommunizieren, dann bringen sie ihre Gefühle nicht zum Ausdruck. Natürlich machen wir uns verletzlich, wenn wir unseren Partnern unsere Sorgen und Ängste in Bezug auf die Partnerschaft anvertrauen. Aber das Vertrauen, dieser Person die eigene Verletzlichkeit auch zumuten zu können, ist in meinen Augen eine Säule einer langfristigen Partnerschaft.

Well, but what does it mean for a relationship to ‘work out’?

Die Frage, was es bedeutet, dass eine Beziehung „funktioniert“, gewinnt im Polykontext eine andere Bedeutung. Klassische, monogame Beziehungen haben selbst dann, wenn dies nicht unmittelbar ausgesprochen ist, üblicherweise ein „bis dass der Tod uns scheidet“ als Ziel. Dass dieses Ziel heutzutage immer weniger erreicht wird, macht unsere Welt zu einem Museum gescheiterter Beziehungen (das gibt es übrigens tatsächlich: Museum of Broken Relationships in Zagreb). Den Erfolg von Beziehungen an einem Maßstab zu messen, fühlt sich kalt und unnötig an, aber trotzdem tun wir es Tag für Tag. Wenn unsere Kriterien nun aber auf schönen Erinnerungen oder gemeinsam erlebten Höhepunkten oder voneinander gelernten Lebenserfahrungen beruhen würden, dann könnten wir auch beendete (und eben nicht gescheiterte) Beziehungen als Erfolg betrachten.

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Roman

Martin Suter – Der letzte Weynfeldt

Ein Literatur-Geocache hat mich zu diesem Werk greifen lassen, das ich dann überraschend schnell weggelesen habe. Eigentlich gibt es in dem Buch keine wirklich sympathischen Protagonist*innen. Der titelgebende Adrian Weynfeldt wird als langweiliger Spießer beschrieben, der von seinem Freundeskreis nur geduldet wird, weil er alle zum Essen einlädt (und auf andere Arten finanziell unterstützt). Dass die „Freunde“ Weynfeldt derart ausnutzen, lässt diese als gierige, oberflächliche Personen dastehen. Die Begegnung mit Lorena stürzt Weynfeldt in eine Situation der Unsicherheit. Lorena selbst schlägt sich mit Gaunereien wie Ladendiebstahl und Erpressung durch und scheint ihr Interesse an Weynfeldt nur vorzutäuschen. Bis zum großen Finale bleibt offen, ob Weynfeldt das gefälschte Bild in die Auktion genommen hat und ob Lorena vielleicht doch echte Gefühle für ihn entwickelt hat. Das klingt nach einem eher gemächlichen Spannungsbogen, hat mich aber tatsächlich gut unterhalten.

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Roman

Mitch Albom – The Magic Strings of Frankie Presto

Die Geschichte meiner ersten Begegnung mit Mitch Albom habe ich im Post zu The First Phone Call from Heaven vor vier Jahren erzählt. Aktuell herrscht in meinem Leben eine Stimmung vor, die nach genau dieser Medizin verlangt: Geschichten, die eine Art Sinn im Leben finden; die ein Gefühl der Möglichkeit vermitteln; die uns zeigen, dass das Leben immer weiter geht.

Erzählt wird die Lebensgeschichte von Frankie Presto, erzählt wird sie von der personifizierten Musik. Das klingt zuerst etwas seltsam, fühlt sich aber in der Geschichte derart organisch an, dass die Absurdität schnell in den Hintergrund gerät. Die Musik erzählt, wie Menschen direkt nach ihrer Geburt nach Talenten greifen, die in Form von Farben um sie herumschweben. Die Musik begleitet Frankie durch sein ganzes Leben und kann daher als Einzige von seinem kompletten Lebensweg berichten. Wie sich später herausstellt, stimmt das nicht vollständig, aber die dunkle Figur, die immer wieder beiläufig erwähnt wird, enthüllt ihre Identität erst gegen Ende des Buchs.

Frankies Lebensgeschichte nimmt immer wieder unerwartete Wendungen, der wahre Familienhintergrund wird in sehr kleinen Etappen enthüllt. Frankie lernt berühmte Musiker aus verschiedenen Dekaden kennen, reist mit Django Reinhardt nach Amerika, tritt als Vertretung von Elvis Presley auf und erlebt schließlich beim legendären Woodstock Festival 1969 eine entscheidende Wendung seines Lebens. Die titelgebenden magic strings sind sechs Stück Gitarrensaiten, die Frankie von seinen unbekannten leiblichen Eltern bekommen hat (ohne dies zu wissen) und von denen jeweils eine in entscheidenden Situationen seines Lebens blau glüht.

Die Geschichte fühlt sich teilweise selbst wie komponiert an, plätschert manchmal etwas dahin und steuert dabei aber immer schon auf den nächsten Höhepunkt zu. Die Musik als Erzählstimme erweist sich als Kunstgriff, der Mediationen über die Seltsamkeiten der Menschheit an sich erlaubt. Diese Möglichkeit hätte auch in einem mahnenden Zeigefinger enden können, wird jedoch nicht übermäßig ausgenutzt. Ein kunstvoll verwobener Roman mit musikalischem Background, Empfehlung von meiner Seite.

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Erfahrungsbericht Sachbuch

Brené Brown – Daring Greatly

Mit The Gifts of Imperfection habe ich mich Ende 2018 auseinandergesetzt und seitdem hatte ich Daring Greatly auf der Leseliste. Den Impuls, es jetzt zu lesen, gab dann Katrin Rönicke in der Jahresabschlussfolge vom Lila Podcast. Zu Beginn wollte mir dieses Buch einfach nicht so nahe gehen und doch habe ich eine große Menge an Zitaten notiert, die ich für verschiedene andere Projekte brauchen kann.

Vulnerability isn’t good or bad: It’s not what we call a dark emotion, nor is it always a light, positive experience. Vulnerability is the core of all emotions and feelings. To feel is to be vulnerable.

Der durchgängige rote Faden ist hier das Konzept der Verletzlichkeit oder Verwundbarkeit (Vulnerability). Um Watzlawick („Man kann nicht nicht kommunizieren!“) zu paraphrasieren: Wir können nicht nicht fühlen. Daher können wir uns auch der Verletzlichkeit nicht entziehen. Die wirklich relevante Frage ist, wie wir mit unserer eigenen Verletzlichkeit umgehen. Wenn wir uns verletzlich fühlen, wenn negative Gefühle uns unter Druck setzen, wie reagieren wir dann? Greifen wir die andere Person an, die möglicherweise dieses Gefühl in uns ausgelöst hat? Ziehen wir uns zurück und fühlen uns schlecht? Oder können wir zu unserer Verletzlichkeit stehen und daran wachsen?

Shame resilience is the ability to say, “This hurts. This is disappointing, maybe even devastating. But success and recognition and approval are not the values that drive me. My value is courage and I was just courageous. You can move on, shame.”

Meine abstrakte Zusammenfassung kann die Vielfältigkeit des Inhalts nicht ausreichend wiedergeben. Die Autorin, die seit Langem zu den Themen Shame, Wholeheartedness und Vulnerability forscht, sammelt eine Vielzahl an Beispielen aus den Lebensbereichen Familie, Partnerschaft und Beruf, die einerseits zeigen, wie in unserer Gesellschaft oft mit Situationen der Verletzbarkeit umgegangen wird und andererseits, wie es stattdessen sein könnte, wenn sich Menschen mehr auf ihre eigenen Gefühle besinnen würden. In The Gifts of Imperfection war auch self-compassion, also Mitgefühl mit sich selbst, ein wichtiges Thema. Wichtig ist hierbei und genauso beim Thema Verletzlichkeit, dass wir uns dieser Gefühle erstmal bewusst werden. Hier kommt üblicherweise das ganze mindfulness-Thema (Achtsamkeit) ins Spiel, das ich nur kurz erwähne, weil es sich für mich immer noch sehr esoterisch anfühlt. In den letzten Monaten habe ich aber immer wieder ausprobiert, in unangenehmen oder stressigen Situationen eine kurze Pause einzulegen und mich zu fragen, was ich jetzt eigentlich gerade empfinde. Was bedeutet dieses negative Gefühl jetzt genau, wo kommt es her? Mir hat die Metapher What are the gremlins saying? sehr gefallen. Darunter versteht die Autorin die negativen Stimmen in unserem eigenen Kopf, die uns davon abhalten wollen, ein Risiko einzugehen (zum Beispiel auf einer Bühne zu sprechen, an einem Wettbewerb teilzunehmen oder ein schwieriges Gespräch in Angriff zu nehmen). Wenn wir analysieren, was uns die Gremlins sagen, werden wir feststellen, dass es oft auf eine Form von nicht gut genug zurückführt. (Hiermit wäre übrigens wiederum die Verknüpfung zu The Gifts of Imperfection hergestellt.)

One of the biggest surprises in this research was learning that fitting in and belonging are not the same thing. In fact, fitting in is one of the greatest barriers to belonging.

Die Unterscheidung zwischen Dazugehören und Sich anpassen im obigen Zitat war für mich ein Augenöffner. Der Druck, wie die anderen sein zu müssen, um dazuzugehören, verfolgt mich seit meiner Teenagerzeit. Es gab sogar schon Situationen, wo ich es als besondere Fähigkeit verstanden habe, mich sozialen Gruppen gut anpassen zu können. In den letzten Jahren ist mir das immer schwerer gefallen und ich habe dann auch Situationen erlebt, in denen ich mich nicht mehr anpassen wollte und Freundschaften dann nicht mehr funktioniert haben. True to yourself ist übrigens gar nicht so einfach nach vielen Jahren des Anpassens.

Show up. Contribute. Care.

Ganz am Ende des Buches hat mich dann die vorgeschlagene Wertedefinition so richtig erwischt. In schwierigen Situationen geht es nicht immer ums Gewinnen oder Verlieren oder darum, das Richtige zu tun oder zu sagen. Manchmal ist das Mutigste schon, dass wir einfach nur da sind und uns der Situation stellen. Negative Gefühle lassen sich nicht vermeiden, aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen. Wir können uns entscheiden, den Gremlins nicht zuzuhören und unseren Weg zu gehen.

Sometimes the bravest and most important thing you can do is just show up. … Daring greatly is not about winning or losing. It’s about courage.

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Novelle

Arthur Schnitzler – Traumnovelle

Mit den so genannten Klassikern ist es ja immer so eine Sache. Schon im Deutschunterricht habe ich (oft vergeblich) nach der eigentlichen/tieferen/versteckteren Bedeutung gesucht, die dann im Referat enthalten sein sollte, weil die Lehrkraft das gerne hören will. Diese reflexhafte zielgerichtete Aufmerksamkeit hat sich bis heute nicht verändert.

Da ich nun aber gleichzeitig nach den Variablen für ein Geocache-Rätsel suchte, sind mir die tieferen Inhalte definitiv verborgen geblieben. Gerade habe ich den Klappentext gelesen, der die Worte „symbolischer Opfertod“ enthält und auf die Tiefenpsychologie Sigmund Freuds verweist, die in diesem Werk in Literatur umgesetzt wurde. Die unerfüllten Begierden waren schon ziemlich offensichtlich, die anderen Verbindungen erschließen sich aber möglicherweise nur, wenn entweder schon eine vertiefte Kenntnis von Sigmund Freuds Werken vorhanden ist oder gleichzeitig mit der Lektüre die Auseinandersetzung damit erfolgt. Bei mir verbleibt das Gefühl, dass mehr dahinter steckt, als allein die Lektüre der Novelle enthüllt.

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Erfahrungsbericht Memoir

Nora McInerney – No Happy Endings

Diesen Post habe ich lange nicht schreiben können, weil es mir schwer fällt, alles zu erklären, was daran besonders und wertvoll ist. Weil ich diesen Post aber schreiben möchte, gibt es nach einer kurzen Anmerkung zum Inhalt nur eine Aufzählung der wichtigsten Punkte mit den dazugehörigen Zitaten.

Die Autorin erzählt in diesem Buch von ihren Lebenserfahrungen mit dem, was landläufig als Schicksalsschläge bezeichnet wird. Die Kurzfassung: Innerhalb sehr kurzer Zeit stirbt ihr Ehemann an einem Hirntumor, sie erleidet eine Fehlgeburt und ihr Vater stirbt. Wie sie damit umgeht und was sie in dieser Zeit empfindet, lässt sich nicht in Kurzfassung beschreiben, ich kann nur jedem, der sich mit Trauerbewältigung befassen möchte (und irgendwann werden wir alle an einen Punkt kommen, an dem wir das müssen), dieses Buch ans Herz legen. Weil es nicht nur von den traurigen Zeiten und den Momenten erzählt, in denen wir nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll, sondern auch davon, dass das Leben trotzdem weitergeht. Sie gibt Impulse zu vielen weiteren Lebensbereichen, diese folgen nun in kurzen Anmerkungen.

I have always had the gift of knowing what other people should do, and the charming habit of either giving them my unsolicited point of view or being irrationally upset with them for not living up to my unspoken expectations.

Erwartungen, wie wir denken, dass wir in bestimmten Situationen reagieren oder generell handeln sollten. Diese Erwartungen können von außen an uns herangetragen werden, oft sind es aber auch wir selbst, die diese Erwartungen an uns stellen. Wir gönnen uns keine Pause, weil wir denken, dass wir noch mehr tun könnten, wir setzen uns selbst unter Druck, wenn wir den (erfundenen) Erwartungen nicht gerecht werden.

Here’s a newsflash, my male friends. “Smile” is not a way to actually cheer a person up. It’s a way to tell them “please adjust your face to my preferences.” And it isn’t expected of men the way it is of women.

Speziell aus dem Umgang mit Trauer erwachsen Erwartungen, mit denen wir vorher nicht konfrontiert waren und die uns zwangsläufig in diesen schwierigen Momenten überfordern.

You don’t need to be this person’s everything because they already have a rich, full life outside of you.

Niemand sollte ALLES für eine andere Person sein oder sein müssen. Diese Erwartungshaltung kann eine Beziehung bis zum Zerbrechen belasten.

Because you’ll realize that having a relationship doesn’t mean sacrificing everything you enjoy at the altar of love.

Eine Beziehung ist nicht unser ganzes Leben. Beziehungen enden und das Leben geht weiter.

Of course people are shocked that Matthew can handle the fact that I love another man while I also love him. We’re used to people having loved before, we aren’t used to the idea that those loves could coexist, that they could happen at the same time.

Warum fällt es unserer Gesellschaft so schwer, zu akzeptieren, dass Menschen gleichzeitig mehr als eine Person lieben können? Wenn Menschen Kinder bekommen, hören sie doch auch nicht auf, die Menschen, die bisher in ihrem Leben wichtig waren, zu lieben. Und wir hören auch nicht auf, eine verstorbene Person zu lieben.

For a long time, love felt like something that I had to earn, that could be taken from me at any time for bad behaviour.

Liebe sollte nicht verdient werden müssen. Jeder Mensch sollte für sich selbst geliebt werden, ohne erst etwas dafür tun zu müssen.

Don’t confuse love with time, or attention, or anything else that can be quantified.

Liebe ist kein Topf voller Essen, der irgendwann zu Ende geht und dann ist für die Nachkommenden nichts mehr übrig. Liebe ist nicht messbar in mit der anderen Person verbrachter Zeit oder der Aufmerksamkeit, die der anderen Person entgegengebracht wird. Zeit ist endlich, Liebe ist unendlich.

I wasn’t seeing something new, I was seeing something that was always there, but that I’d been able to ignore because it didn’t affect me directly.

Oft verhindern unsere eigenen Privilegien, dass wir strukturelle Probleme erkennen können. Diese Erkenntnis habe ich selbst in den letzten Jahren immer wieder gemacht und Nora McInerney bringt dies hier so eindeutig auf den Punkt, wie ich es bisher nirgendwo sonst gelesen habe.

[The world] will be changed by what we teach this next generation of kids.

Gesellschaftlicher Wandel braucht Zeit. Die Welt, die Gesellschaft, alles, was sich langfristig verändern soll, kann nur dadurch verändert werden, was wir unseren Kindern über die Welt erzählen und welche Perspektive wir ihnen dadurch auf die Umstände in unserer Gesellschaft mitgeben.

Things change when people care enough to change them, and people can change, when they care to.

Dinge verändern sich nicht von allein, nur Menschen verändern Dinge. Dinge verändern sich nur dann, wenn Menschen sich ausreichend Mühe geben, um tatsächlich etwas zu verändern. Veränderung ist anstrengend und manchmal schmerzhaft für die einzelne Person. Wir müssen Geduld haben, denn Veränderung braucht Zeit.

Just the idea of having someone openly dislike me or my work held me back.

Diese Beschreibung trifft auf mich nach wie vor zu. Wenn wir uns aber verstecken und unsere Ideen und Werke bei uns behalten, damit sie niemand kritisieren kann, dann verstecken wir auch uns selbst vor der Welt.

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Kurzgeschichten Roman

Tove Jansson – Fair Play

In fact, it felt good having things unfinished, a little as if she had just moved in and didn’t have to take the thing so seriously.

Beim Lesen dieses Buchs wurde mir wieder einmal klar, wie wenig ich mit dem Konzept der Kunst bzw. der Rolle der Künstler*innen anfangen kann. Mein persönliches Arbeiten ist geprägt von dem Wunsch, Dinge zu erledigen, To-Dos abzuhaken und das soll in der effizientesten Weise wie möglich geschehen. Der künstlerische Ansatz, der in diesem Buch (und im obigen Zitat) beschrieben ist, ist ein mir völlig fremdes Konzept. Ich fühle mich immer unwohl angesichts der vielen halbfertigen Dinge, die sich für mich wie unerledigt anfühlen. Es fällt mir schwer, angefangene Projekte als Möglichkeiten zu sehen, als Konzepte, die sich noch entwickeln können, die mehr Zeit erfordern. Zeit meint in diesem Fall nicht Arbeitszeit, die gefunden und in das Projekt investiert werden muss und dann ist das Projekt irgendwann erledigt, sondern Entwicklungszeit, um andere Inspirationen zu finden, die dann das Konzept verfeinern und ein klareres Bild von einer zuerst diffusen Idee ergeben.

This novel is about creativity from the very start – about how you take a day, the same as all the other old one-after-the-other days, and make it really new and fresh, no matter what age you are, what life you’re in.

Das Buch beschreibt in kurzen Geschichten die Beziehung von Mari und Jonna, Freundinnen, Partnerinnen (?), die zusammen leben und jede für sich künstlerisch arbeiten. Das beinhaltet so vieles, das in wenigen Worten beschrieben wird, die unheimlich viel Raum für Interpretation lassen.

Mari sat down and wrote. When she was done, she went into the studio and asked if she could read it aloud.

Manche dieser Geschichten lassen so viel Raum, dass ich für das, was zwischen den beiden Protagonistinnen passiert, keine Erklärung finden konnte. Das obige Zitat stammt aus einer Geschichte, in der Mari über einem schwierigen Brief brütet. Eine Frau fragt sie nach dem Sinn des Lebens und Mari weiß nicht, was sie antworten soll. Nun könnte die Geschichte die verschiedenen Sinnmöglichkeiten, die uns das Leben anbietet, untersuchen; sie zeigt uns aber stattdessen, dass es Momente gibt, in denen eine Beziehung frustrierend sein kann, in denen die Menschen, die uns am nächsten stehen, uns gewissermaßen mit unseren Problemen und Entscheidungen allein lassen. Laut der Einleitung sind Liebe und Arbeit die großen Themen der Autorin. Beides beinhaltet schwierige und frustrierende Momente und gleichzeitig so viel Potential, das wir an manchen Tagen ausschöpfen können und an anderen nicht.

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Roman

Octavia E. Butler – Parable of the Sower

It scares me how many things I’ve got to learn. How will I learn them? Is any of this real?

Tipp: Wenn du dich unvorbereitet in diese dystopische Welt hineinwerfen lässt, dann rechne mit einem harten Aufschlag. Schon auf den ersten Seiten wird klar: das wird keine einfache Lektüre. In den vergangenen Jahren habe ich einige Dystopien gelesen (zB The Maze Runner oder Der Geschmack von Wasser), aber keine hat mich bisher dermaßen erschreckt und gleichzeitig überzeugt. 

Die Protagonistin Lauren lebt in einer Art Gated Community. Wasser ist knapp, Lebensmittel und Wasser werden immer teurer, es gibt kaum noch Arbeitsplätze. Reichere Menschengruppen verschanzen sich hinter Mauern, während auf den Straßen unter den Armen nur noch das Recht der Stärkeren gilt. Obwohl die Angriffe der Armen auf die Community immer häufiger werden, leben die Menschen innerhalb der Mauern weiter, als hätte sich nichts verändert. Die Situation scheint ausweglos. Die 15-jährige Lauren ahnt jedoch, dass es so nicht weitergehen kann. Sie sieht den Tag kommen, an dem die Tore dem Ansturm nicht mehr standhalten können. Lauren bereitet einen Notfallrucksack vor, um fliehen zu können. Im Norden sollen die Wetterverhältnisse noch besser sein, aber alle Menschen, die die Möglichkeiten haben, zu fliehen, versuchen, dorthin zu gelangen. Die nördlichen Grenzen werden gegen die Flüchtlingswelle verteidigt.

Viele Elemente dieser Dystopie sind so gegenwärtig, so vergleichbar mit aktuellen Entwicklungen, dass es schwer fällt, zu glauben, dass das Buch bereits 1993 geschrieben wurde. Eindeutig sind die Verweise auf den Klimawandel als Auslöser dieser schwierigen gesellschaftlichen Situation, aber auch die wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben (Superreiche verschanzen sich, kaufen ganze Landstriche auf, um daraus noch mehr Geld zu scheffeln, moderne Sklaverei wird nicht nur am Rande erwähnt, sondern auch erklärt, aus welchen Gründen sich verzweifelte Menschen darauf einlassen). Aber auch die sozialen Veränderungen (Gruppenzusammenhalt aber Ausschluss von anderen, anderen nicht zu helfen, um das eigene Leben zu schützen, „Das Boot ist voll“-Mentalität) lassen sich in unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation bereits erkennen. 

All that you touch,

You Change.

All that you Change,

Changes You.

The only lasting truth

Is Change.

God

Is Change.

Neben ihren praktischen Notfallplänen (Lauren packt einen Notfallrucksack und bereitet sich auf das Leben außerhalb der Mauern vor) versucht Lauren auch, auf geistiger Ebene mit der Situation zurecht zu kommen. Ihr Vater ist religiöser Führer der Gemeinde, Lauren kann sich jedoch kaum noch mit seinen Lehren identifizieren und entwickelt ihre eigene Sicht auf die Welt, die im Wesentlichen Veränderung über alles stellt. In ihrem Notizbuch notiert sie Verse und Gedanken, die sich schließlich zu einer Art Religion namens Earthseed zusammenfügen. Die meisten Verse lassen sich auch unabhängig vom Glaubensaspekt auf verschiedenste Lebenssituationen übertragen.

Your teachers

Are all around you.

All that you perceive,

All that you experience,

All that is given to you

or taken from you,

All that you love or hate, 

need or fear

Will teach you –

If you will learn.

Es dürfte wohl kaum als Spoiler gelten, wenn ich verrate, dass Lauren am Ende des Buches nicht mehr mit ihrer Familie in der Gated Community lebt. Mir war vor dem Lesen nicht bewusst, dass es sich um eine Serie handelt, ein Abschluss ist daher in diesem Sinne nicht gegeben. Das Buch endet eher mit einem Neuanfang. Auf den ersten Seiten hätte ich nicht gedacht, dass aus dieser beklemmenden Situation noch Hoffnung entstehen könnte.

The universe is God’s self portrait.

Randnotiz: Die Jahresstatistik für 2019 ist äußerst zufriedenstellend. Laut aktueller Zählung habe ich insgesamt 58 Bücher hier im Blog beschrieben, nebenbei habe ich im Rahmen meines Fernstudiums große Mengen an Fachliteratur gelesen. Gezählt habe ich auch wieder die Verteilung auf männliche und weibliche Autoren, die in diesem Jahr sehr deutlich zugunsten der weiblichen Autoren ausgefallen ist. Bezüglich der Buchformate liegt auch 2019 die Overdrive eLibrary eindeutig vorn. Die deutschsprachige Virtuelle Bücherei/Onleihe hat in diesem Jahr ein neues DRM erhalten, das das Lesen auch ohne Adobe ID möglich macht. Leider ist das System noch nicht ausgereift, die App teilweise etwas sperrig in der Handhabung und der Katalog noch nicht so groß. Immerhin drei Bücher habe ich aber dieses Jahr mit der neuen Onleihe-App gelesen und noch einige weitere sind auf der Wunschliste. Auch das Papier-Angebot der Büchereien Wien habe ich 2019 intensiv genutzt, wegen einiger Bücher, die ich für Geocaching-Rätsel brauchte, habe ich auch die Zweigstellen Hormayrgasse und Engerthstrasse besucht. Auch 2020 wird es mit dieser wilden Mischung hier weitergehen.