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English Erfahrungsbericht Memoir

Joan Didion – The Year of Magical Thinking

Yet I had always at some level apprehended, because I was born fearful, that some events in life would remain beyond my ability to control or manage them. Some events would just happen. This was one of those events. You sit down to dinner and life as you know it ends.

Die Autorin beschreibt in diesem Buch ihren Trauerprozess, das Jahr ihres Lebens nach dem überraschenden Tod ihres Ehemanns John. Während sie zu Beginn geradezu analytisch den Abend beschreibt, an dem er zuhause beim Abendessen einen Herzinfarkt erleidet, von den rasch eintreffenden Rettungskräften nicht reanimiert werden kann und im Krankenhaus schließlich für tot erklärt wird, geht sie in den weiteren Kapiteln deutlich intensiver auf ihren eigenen Gefühlsprozess ein. Auch darin zeigt sich schon, dass Trauer in verschiedenen Phasen abläuft. (Auf die 5 Phasen des Trauerns nach Elisabeth Kübler-Ross will ich hier nicht eingehen, wer sie noch nicht kennt, kann das an anderer Stelle nachlesen.) Der Titel des Buches spielt auch darauf an, dass die Autorin, wie sie selbst sagt, noch Monate danach trotz des Wissens, dass ihr Mann tot ist, irgendwie auf seine Rückkehr wartet.

That I was only now beginning the process of mourning did not occur to me.
Until now I had been able only to grieve, not mourn. Grief was passive. Grief happened. Mourning, the act of dealing with grief, required attention.

Die beiden Begriffe grief und mourn habe ich gerade im Wörterbuch nachgeschlagen. Zu übersetzen ist beides mit dem Wort Trauer bzw. trauern, aber es zeigt sich auch im Deutschen, dass das Nomen grief/Trauer eher einen Zustand, eine Emotion darstellt, die uns ergreift und die wir passiv erleben. Das Verb to mourn/trauern drückt hingegen eine Tätigkeit aus, die aktive Beschäftigung mit dem Verlust der geliebten Person.

Nor can we know ahead of the fact (and here lies the heart of the difference between grief as we imagine it and grief as it is) the unending absence that follows, the void, the very opposite of meaning, the relentless succession of moments during which we will confront the experience of meaninglessness itself.

Trauer, wie wir sie uns vorstellen, so lange sie uns nicht betrifft, ist nicht dasselbe wie Trauer, wenn sie uns dann tatsächlich ergreift. Die Autorin beschreibt wortreich, wie die Abwesenheit ihres Mannes sie in ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit abgleiten lässt, wie die Kleinigkeiten des Alltags plötzlich bedeutungslos werden durch die Nicht-mehr-Vorhandenheit der geliebten Person.

We built fires even on summer evenings, because the fog came in. Fires said we were home, we had drawn the circle, we were safe through the night.

Das obige Zitat habe ich notiert, weil es für mich so ein bekanntes Gefühl beschreibt. Eine Freundin empfindet Ähnliches, wenn am Abend alle ihre Kinder in ihren Betten liegen und sie sich eine Kerze anzündet und die Stille genießt. Mir geht es so, wenn der Hund neben mir auf der Couch leise schnarcht. Es ist ein Sicherheitsgefühl in unserer eigenen kleinen Welt, das uns in diesem Moment von allen Gefahren der Welt abzuschirmen scheint. Und das trotzdem von einem auf den anderen Moment gestört werden kann. Das ist es, was die Autorin im ersten Zitat ganz oben meint (das sich im Verlauf des Buches immer wieder wiederholt, weil es den zentralen Moment illustriert): You sit down to dinner and life as you know it ends.

I realized today for the first time that my memory of this day a year ago is a memory that does not involve John.

Nach einem Jahr hat sich schließlich die Perspektive verändert. Die Autorin ist nahezu unzufrieden mit der Distanz, die sie zum gemeinsamen Leben mit ihrem verstorbenen Mann entwickelt hat. Und doch lässt sich ein Weiterleben vermutlich anders nicht bewerkstelligen.