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English Erfahrungsbericht Memoir

Glennon Doyle – Untamed

How much of this was my idea? Do I truly want any of this, or is this what I was conditioned to want? Which of my beliefs are of my own creation and which were programmed into me?

Im November 2017 habe ich Glennon Doyles Memoir Love Warrior gelesen und mich damals eher nur peripher mit ihren Erfahrungen identifiziert. Das ist bei ihrem neuen Buch Untamed deutlich anders gewesen. Das mag jetzt daran liegen, dass sie selbst (und ihre Lebensgestaltung) sich in der Zeit zwischen den Büchern sehr verändert haben, könnte aber auch damit zu tun haben, dass ich mich in dieser Zeit verändert habe. Vermutlich eine Kombination aus beidem.

What matters is not what is real, but what I can convince others is real. What matters is not how I feel inside, but how I appear to feel on the outside.

Auch in diesem Buch setzt sie sich damit auseinander, wie Frauen mit den Erwartungen umgehen, die von außen an sie herangetragen werden oder wie sie schreibt, die „in uns hineinprogrammiert werden“. Als Kinder wachsen wir auf und erleben die Welt und nehmen das, was wir dort erleben, als die Norm an, als das, wie die Welt ist. Wir kennen nur diese Wahrnehmung und nehmen daher an, dass die Welt für alle so ist, wie sie uns gerade erscheint. Wir sehen Frauen und Männer bestimmte Rollen ausüben, wir sehen ein bestimmtes dominantes Familienbild und nehmen an, dass das Leben so zu sein hat.

All of those differing opinions meant that I quite literally could not please everyone. That was a relief. When a woman finally learns that pleasing the world is impossible, she becomes free to learn how to please herself.

Wie ich schon im letzten Blog Post zu Brave, not perfect schrieb, ist es als Frau und speziell als Mutter unmöglich, alle Erwartungen zu erfüllen. Das kann eine Belastung sein, die uns Tag für Tag runterzieht, wir könnten es aber auch als Befreiuung betrachten. Wenn es den richtigen Weg nicht gibt, können wir genauso gut auf uns selbst hören und den für uns richtigen Weg finden.

I have to search for and depend upon the voice of inner wisdom instead of voices of outer approval. This saves me from living someone else’s life.

Für mich stellt sich auch oft die Frage, was denn jetzt die richtige Entscheidung, die richtige Handlung, der richtige Weg ist. Bei großen Entscheidungen habe ich dabei meistens auf meine innere Stimme gehört, bei kleineren (alltäglichen) Entscheidungen neige ich dazu, mich an gesellschaftlichen Normen zu orientieren. Bis zu einem gewissen Grad halte ich das auch für sinnvoll und notwendig, wir können nicht bei jeder alltäglichen Entscheidung das Rad neu erfinden. Normen helfen uns, uns in der Welt zurecht zu finden und nicht aus jeder Kleinigkeit eine existenzielle Lebensentscheidung zu machen. Schwierig ist es nur, den Punkt zu finden, wo Normen uns mehr schaden, als sie uns helfen. Und dann dort eine Grenze zu setzen und sich für das zu entscheiden, was für uns selbst richtig ist.

The norms were created by somebody, and each of us is somebody. We can make our own normal. We can throw out all the rules and write our own. […] We can stop asking what the world wants from us and instead ask ourselves what we want for our world.

Die Autorin bezieht sich dabei auf das Gestalten ihrer neuen Familie. Wie die Leserin aus Love Warrior bereits weiß, ist die Ehe mit Craig mit Schwierigkeiten und Missverständnissen gepflastert. Erst die Scheidung führt dazu, dass die beiden gemeinsam Eltern sein können, ohne Lebenspartner im romantischen Sinn sein zu müssen und dies eröffnet beiden die Möglichkeit, ihr eigenes Leben so zu gestalten, wie es sich richtig anfühlt, ohne das Gegenüber damit zurückzuhalten.

Freedom is not being for or against an ideal, but creating your own existence from scratch.

Selbstverständlich ist für Kinder die Scheidung der Eltern schwer zu verarbeiten. Wenn aber beide Elternteile daran arbeiten, es für die Kinder verständlicher und erträglicher zu machen, dann ist eine Scheidung die bessere Lösung als eine unglückliche Ehe.

Brave does not mean feeling afraid and doing it anyway. Brave means living from the inside out. Brave means, in every uncertain moment, turning inward, feeling for the Knowing, and speaking it out loud.

Es war ein Zufall, dass diese beiden Bücher (Brave, not perfect und Untamed) direkt hintereinander hier im Blog erscheinen. Auf Untamed habe ich wochenlang gewartet, in der Overdrive eLibrary der Büchereien Wien waren drei Kopien vorhanden, aber es warteten immer mehr als 10 Personen darauf. Manchmal können diese Zufälle aber auch interessante Kombinationen an Blickwinkeln hervorrufen. Wie im obigen Zitat beschrieben, geht es bei brave (die deutschen Adjektive mutig, tapfer, heldenhaft, unerschrocken passen für mich irgendwie alle nicht) nicht darum, die Angst zu überwinden. Es geht vielmehr darum, auf uns selbst zu hören und das für uns Richtige zu tun, auch wenn das nicht zwingend das sein wird, was andere erwarten. Es ist nicht brave, in einer Situation auszuharren, die uns unglücklich macht, obwohl wir auch einfach aufstehen und gehen könnten.

If you let yourself shatter and then put yourself back together, piece by piece, you wake up one day and realize that you have been completely reassembled.

Mit ihrer Geschichte macht die Autorin auch Mut, in schwierigen Situationen weiterzumachen. Auch wenn es uns manchmal so erscheint, als gäbe es keine Lösungen, als wäre alles so unendlich kaputt, dass es sich nie mehr zusammensetzen lässt, gibt es immer einen nächsten Schritt. Und aus jeder Krise können wir etwas lernen, gestärkt hervorgehen. Ich muss zugeben, dass ich mit ihrem Ansatz „dort hinhören, wo der Schmerz ist und dann herausfinden, was uns der Schmerz mitteilen will und daraus etwas Gutes machen/etwas lernen“ bisher im Alltag wenig Erfolg hatte, aber ich vermute mal, das geht nicht von einer Sekunde auf die andere. Es gibt immer einen nächsten Schritt. Manchmal sehen wir den erst nach einer Pause, aber es gibt immer einen nächsten Schritt. Nehmen wir uns die Zeit, mehr auf uns selbst zu hören und sehen wir, was dabei herauskommt.

No one can be a supporting actor in someone else’s storyline. They can pretend to, but they will always have subplots brewing inside and unfolding outside.