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Roman

Katharina Bivald – Ein Buchladen zum Verlieben

Er versuchte, sich in der allerhintersten Ladenecke zu verstecken und literarisch interessiert zu wirken. Er wusste nicht so ganz, wie man das machte, aber er versuchte es mit gerunzelter Stirn und intensivem Starren auf die Buchrücken.

Ein absolutes Wohlfühlbuch für den finsteren und kalten November. Natürlich ist das eine absurde Geschichte, natürlich ist das Ende ab einem gewissen Zeitpunkt vorhersehbar. Aber die Autorin hat sich bemüht, der Geschichte Raum zum Entfalten zu geben und die Liebe nicht völlig aus dem Nichts vom Himmel fallen zu lassen. Einige Nebenstränge sind ebenfalls vorhanden, die deutlich weniger vorhersehbar sind und für allerhand komische Momente sorgen. Viele Literaturreferenzen lassen den Buchliebhaber schmunzeln. Die Gedanken der verstorbenen Amy (kein Spoiler, das passiert quasi auf den ersten Seiten …) über das Werk des schwedischen Krimiautors Stieg Larsson etwa sind äußerst unterhaltsam.

Amüsieren kann man sich dann auch noch über die Angewohnheit deutschsprachiger Verlage, möglichst blumige Titel zu verwenden. Die schwedische Originalausgabe heißt übersetzt: „Die Leser von Broken Wheel empfehlen“. Wäre jetzt auch nicht direkt meine Wahl, klingt aber deutlich weniger nach lauem Liebesroman als der deutschsprachige Titel.

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Roman

Glennon Doyle Melton – Love Warrior

As I took on these roles, I kept waiting for that day when I could stop acting like a grown-up because I’d finally be one. But that day never came. My roles hung on the outside of me like costumes.

Diese Parnassus-Empfehlung ist nicht mehr ganz taufrisch und daher inzwischen auch in der Bücherei Wien angekommen. Die Lektüre hat mich zuerst etwas ratlos zurück gelassen. Viele Teile waren mir schlicht zu esoterisch (durch Yoga endlich ein Körpergefühl gefunden), manche zu hysterisch (Pornografie ist der Teufel), gleichzeitig steht es mir nicht zu, die Erfahrungen und Emotionen anderer Personen zu bewerten. Dass die Autorin ihren persönlichen Entwicklungsprozess in die Öffentlichkeit trägt, zeugt von großem Mut.

In vieler Hinsicht kann dieses Buch als Zeugnis dafür herhalten, dass ein Mensch es schaffen kann, aus einer scheinbar unlösbaren Katastrophe gestärkt hervorzugehen und daraus zu lernen. Viele Menschen dürften sich in einzelnen Situationen wiederfinden und können daraus möglicherweise etwas für den eigenen Lebensweg und den Umgang mit schwierigen Lebenssituationen mitnehmen. Am Ende war auch für mich eine Erkenntnis dabei, die ich auf meine persönliche Situation anwenden konnte, wenn auch nicht ganz so plakativ wie die Tatsache, dass Yoga beim Atmen hilft.

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Roman

Hansjörg Schertenleib – Nachtschwimmer

Zwei jugendliche Liebende. Die eine mit einem offensichtlichen Problem (ihre prekären Lebens- und Familienverhältnisse), das sich als wesentlich ernster herausstellt, als zuerst klar ist, der andere mit einer tiefer liegenden Krise (Schuldgefühle wegen des Unfalltods des kleinen Bruders).

Gibt es einen Moment, in dem eine Entscheidung einfach unausweichlich wird? Oder ist es eigentlich jeden Tag eine neue Entscheidung, zu gehen oder zu bleiben? Oder ist es erst eine Entscheidung, wenn die Entscheidung für das Gehen ausfällt?

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Roman

Monique Schwitter – Eins im Andern

Bei einer Erzählung aus der Ich-Perspektive besteht immer die Gefahr, die Erzählperson mit der Autorin gleichzusetzen und anzunehmen, die Geschichte wäre zumindest teilweise autobiografisch. In einem Interview hatte ich kürzlich auch die Auffassung gelesen, jeder Roman wäre immer ein Stück autobiografisch, auch wenn der Autor nicht selbst erlebt hätte, was er beschreibt, sondern eben nur erfunden. In die erfundenen Erlebnisse fließen trotzdem die realen Lebensumstände und Prägungen des Autors ein.

In diesem Buch untersucht eine Ich-Erzählerin ihre vergangenen Beziehungen zu Männern. Dabei beschreibt sie verschiedenste Formen von Beziehungen (das, was auf dem Klappentext als die Gesichter der Liebe bezeichnet wird). Eine Jugendliebe, die an den unterschiedlichen beruflichen Ambitionen und deren Erfolgsaussichten scheitert. Eine Zufallsbekanntschaft, die direkt aus der Schublade geheime Fantasien entsprungen sein könnte. Eine (tatsächlich stattgefundene oder von seiner Frau nur erfundene) Affäre mit einem Professor. Ein Flirt mit einem Schüler. Eine Erwachsenenliebe, die (beinahe?) an einer Suchterkrankung scheitert.

Die Gedanken der Erzählerin scheinen sich zunehmend zu verwirren, sie hinterfragt ihren Lebensstatus und kommt schließlich zu einer für den Leser überraschenden Erkenntnis. Mir persönlich ging die (Nicht-)Auflösung der Zusammenhänge etwas zu schnell. Dass frühere Beziehungen unser weiteres Leben prägen, ist auch keine spektakuläre Erkenntnis. Ein interessanter Roman, aber für mich keine Offenbarung (wie sie der Klappentext verspricht und die Empfehlung andeutete).

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Roman

Muriel Barbery – The Elegance of the Hedgehog

People aim for the stars, and they end up like goldfish in a bowl. I wonder if it wouldn’t be simpler just to teach children right from the start that life is absurd.

Zwei besondere Protagonistinnen bevölkern diese Geschichte: Madame Michel arbeitet als Concierge in einem von reichen Menschen bewohnten Haus. Sie beschäftigt sich mit Literatur, Philosophie und Kunst, versteckt jedoch ihre Intelligenz hinter dem einfachen Benehmen, das ihrer Meinung nach einer Concierge zusteht. Die zweite Protagonistin ist die zehnjährige Paloma. Wie Madame Michel ist sie deutlich intelligenter als ihre Familie annimmt und will sich daher nicht mit den Banalitäten des „normalen“ Lebens ihrer Eltern und ihrer Schwester befassen. Sie versteckt sich und plant ihren baldigen Selbstmord.

In diese Anfangssituation platzt der Tod eines Bewohners und kurz danach die Ankunft des Nachmieters. Für beide Protagonistinnen steht damit eine große Veränderung ins Haus. Madame Michel wird herausgefordert, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen (und diese hinter sich zu lassen) während Paloma nach dem Sinn des Lebens und ihrer eigenen Zukunft sucht. Eine bittersüße Geschichte mit einem überraschenden Ende.

What does Art do for us? It gives shape to our emotions, makes them visible and, in so doing, places a seal of eternity upon them, a seal representing all those works that, by means of a particular form, have incarnated the universal nature of human emotions.

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Roman

Katja Lange-Müller – Drehtür

Zu helfen weckt ein seltsames Verlangen in dir, aber eines, das gestillt werden kann, so betörend, dass du es wieder tun willst und wieder und immer wieder. … Wenn du zum Helfen berufen oder eben ermächtigt bist, ist es tröstlich und herausfordernd, jemandem zu begegnen, dem es schlechter geht als dir selbst, am besten viel schlechter.

Die Autorin Katja Lange-Müller untersucht in diesem Buch das sogenannte Helfersyndrom. Ihre Protagonistin Asta wurde aus ihrem Helferjob zwangsbeurlaubt, steht nun am Flughafen außerhalb der Drehtür und weiß nicht weiter. Sie beobachtet die Menschen am Flughafen, bis sie einen findet, der sie an jemanden aus ihrer Vergangenheit erinnert. Asta selbst scheint keine Bedürfnisse zu haben. Sie hätte in diesem Moment alle Möglichkeiten, ihr Leben neu zu beginnen, aber sie schafft es nicht, ihren Fokus von anderen Menschen zu lösen und auf sich selbst zu richten.

Immerhin, die Kranken, zur Not auch die Überlebenskranken, bieten dir, Schwester, Pfleger, Arzt, das Größte und Großartigste, meinetwegen Geilste von allem: die Macht, zu helfen, die Hilfsmacht also, und eine noch mächtigere, mitunter sogar übermächtige Macht, die, Respekt zu erfahren – und Bewunderung, rückhaltlose Bewunderung, von allen Seiten.

Anderen Menschen zu helfen, ist niemals völlig altruistisch. Es beinhaltet immer auch das gute Gefühl, etwas Wertvolles für die Gesellschaft oder zumindest für einen einzelnen Menschen geleistet zu haben und damit eine Legitmation der eigenen Person. Auf der einen Seite wäre es fatal, wenn dieses Bedürfnis, Selbstlegitimation aus der Hilfe für andere zu gewinnen, von einem Tag auf den anderen versiegen würde. Wo wäre unsere Gesellschaft ohne Menschen, die helfen, die auf den eigenen Vorteil vergessen, die ihre eigenen Bedürfnisse für einen Zeitraum zurückstellen, um anderen einen Fortschritt oder in manchen Fällen auch das simple Überleben zu ermöglichen? Gleichzeitig darf das Helfen nicht zum Selbstzweck werden. Wer sich selbst in der Unterstützung anderer Menschen verliert, wird eines Tages zusammenbrechen. Eine schwierige Balance, die die Autorin in diesem Roman auf geschickte und literarisch ansprechende Weise analysiert.

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Roman

Alexandra Tobor – Sitzen vier Polen im Auto

Wie ich auf Alexandra Tobor gekommen bin, habe ich schon voriges Jahr zu Minigolf Paradiso geschrieben. Seitdem hatte ich auch ihr erstes Buch auf der Bücherei-Liste, jetzt bin ich endlich dazu gekommen.

Die Autorin beschreibt Aspekte ihrer Kindheit in Polen, in der ein Quelle-Katalog wie ein Heiligtum aus einer anderen Welt wirkt. Die Produktvielfalt im Westen ist auch in der späteren Erzählung wieder ein Thema, als die Familie nach Westdeutschland ausgewandert ist – in das (scheinbar) „gelobte Land“ BRD. Der Weg zur eigenen Wohnung im Land der Wunder stellt sich jedoch als deutlich steiniger heraus als erwartet. Das Mädchen Alexandra bleibt wegen ihrer unmodischen Kleidung und der (zuerst) fehlenden Sprachkenntnisse lange eine Außenseiterin in der Schule.

„Sie müssen sich schon anpassen, wenn Sie hier ein schönes Leben haben wollen, meine Liebe. Ich kaufe meiner Ewa zum Beispiel nur Markenkleidung. Das ist hier ziemlich wichtig.“

Besonders befremdend fand ich eine Geschichte, in der erzählt wird, wie Alexandras Mutter sich mit einer anderen aus Polen ausgewanderten Mutter unterhält, die jedoch schon einige Jahre in Deutschland lebt. Diese Mutter verbietet ihrem Kind den Kontakt mit anderen Polen und kauft für sie nur Markenkleidung, sie versucht, sich von ihrer Vergangenheit abzugrenzen. Sie hat es geschafft, dazuzugehören, nun will sie nicht riskieren, ihren gehobenen Status zu verlieren, indem sie sich mit Neuankömmlingen aus Polen abgibt. Diese Reaktion ist einerseits nachvollziehbar, andererseits aber auch schockierend, wenn man bedenkt, dass sie noch vor wenigen Jahren in derselben Situation war, in der sie dringend jemanden gebraucht hätte, der ihr im unbekannten Land zur Seite steht.

Immer wieder wird auch erwähnt, dass sich Alexandra für ihre bescheidenen Lebensverhältnisse schämt. Von einer anderen Familie wird sie eingeladen, weil diese wünscht, dass ihre Tochter mit Kindern anderer Herkunft spielt (worüber diese natürlich nicht begeistert ist). Natürlich beneidet Alexandra das unhöfliche Mädchen um ihr vieles Spielzeug, ist aber gleichzeitig überrascht über deren rauhen Umgangston. Als umgekehrt Alexandras Mutter aus Höflichkeit dieses Mädchen zu Alexandras Geburtstag einlädt, kommt es zum Konflikt, weil das verwöhnte Kind nach einer Kuchengabel verlangt.

Viele dieser Episoden wirken klischeehaft überzogen und als Leser krümmt man sich bei der Beschreibung von Dominiks deutscher Unterschichtmutter. Das sollte jedoch nicht dazu verleiten, die Geschichte dieser Auswandererfamilien gering zu schätzen. In einem Medium-Artikel beschrieb Alexandra Tobor kürzlich, warum sie es wichtig findet, diese Geschichten zu erzählen. Nicht nur Kinder, sondern alle Menschen brauchen Vorbilder. Sie suchen nach Geschichten, an denen sie sich orientieren, mit denen sie sich identifizieren können.

Weil wir mit unseren Geschichten gestalten, wie gut die kommenden Generationen mit sich und der Gesellschaft klarkommen werden.

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Roman

Jojo Moyes – Ein ganz neues Leben

Lange bin ich um die Fortsetzung von Ein ganzes halbes Jahr herumgeschlichen. Einerseits wollte ich natürlich wissen, wie es mit Louisa weitergeht, wie sie nach dieser Erfahrung und den Möglichkeiten, die sich ihr nach Wills Tod eröffnen, ihr Leben neu erfindet. Auf der anderen Seite stand die Befürchtung, dass eine Fortsetzung keinesfalls die hoch gesteckten Erwartungen erfüllen könnte.

Schon im ersten Teil kann sich der Leser fragen, warum die Autorin für ihre Heldin so viel Pech, so viele Schwierigkeiten erfindet, dass man sich des Mitleids kaum noch erwehren kann. Im zweiten Teil wird klar: Schwierigkeiten sind das, was uns wachsen lässt. So lange wir uns in unserem sicheren Job, unserem sicheren Familienleben, unserer eigenen Seifenblase aufhalten, bleiben wir stehen und entwickeln uns nur sehr wenig weiter. Erst der Sprung aus der Sicherheit hinaus (oder der Fall von einem Dach) zwingen uns, unsere bisherigen Vorstellungen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.

Einen neuen Weg finden muss nicht nur Louisa, sondern sowohl die bereits aus dem ersten Buch bekannten Personen (Louisas sowie Wills Familie) als auch die neu in Louisas Leben tretenden Akteure. Die Fortsetzung stellt somit ein umfassendes Panorama menschlicher Entwicklung dar und inspiriert hoffentlich alle Altersklassen dazu, die eingefahrenen Pfade zu überdenken und aus der eigenen Seifenblase zu entfliehen.

It’s the challenges we face, that make us who we are, that make us what we are (A Loss for Words – Distance)

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Roman

Monika Held – Der Schrecken verliert sich vor Ort

Es war schwer, dieses Buch zu lesen und es ist schwer, darüber zu schreiben. Gleichzeitig ist es wichtig, sich daran zu erinnern. Gerade in diesen Zeiten, in denen Trump-Anhänger den Judenhass neu aufflammen lassen, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, welche Greueltaten in der NS-Zeit in Konzentrationslagern verübt wurden. Von Menschen. Von Menschen, die ein Leben hatten, die Kinder hatten, die genausogut auf der anderen Seite hätten landen können.

An dieser Stelle sei verwiesen auf die Frage, ob man intolerante Menschen und deren Einstellungen tolerant behandeln sollte.

Die Autorin erzählt in diesem Buch von den Überlebenden. Wie sie es schaffen, mit den Schuldgefühlen zu leben, weil sie überlebt haben. Wie es ihnen gelingt, weiter zu kämpfen, obwohl sie ihre Kräfte in der Zeit im Konzentrationslager aufgebraucht haben könnten. Von Menschen, die verbittert sind, aber auch von Menschen, die immer noch an das Gute glauben.

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Roman

Bernard Cornwell – Der Flammenträger

Wenn wir jung sind, sehnen wir uns nach dem Kampf. Wir sitzen im Palas um das Feuer und lauschen den Heldenliedern; wie sie ihre Widersacher zu Fall brachten, den Schildwall aufbrachen und ihre Schwerter im Feindesblut badeten. Als Jünglinge lauschen wir dem Geprahle der Krieger, hören ihr Lachen, wenn sie sich die Schlacht ins Gedächtnis rufen, und ihr stolzes Gebrüll, wenn ihr Herr sie an einen schwer errungenen Sieg erinnert.

Sommerzeit, Urlaubszeit und keine Zeit zum Lesen. Zwischen sich in den Juli hinein verlängerndem Arbeitswahnsinn, umfangreichen Urlaubsvorbereitungen und den klausurrelevanten Leseinhalten konnte ich gerade so stückchenweise den neuesten Band der Uthred-Reihe dazwischen quetschen. Auch wenn sich darin wenig Neues findet, enthält dieser Band ein Highlight, auf das die Leser seit Jahren warten. Mehr wird nicht gespoilert.

Das Denken löst sich auf, die Angst regiert, und dann wird der Befehl gerufen, den Schritt zu beschleunigen, und du rennst, stolpernd vielleicht, aber du bleibst in deiner Reihe, denn dies ist der Augenblick, auf den du dich dein Leben lang vorbereitet hast, und dann, zum ersten Mal, hörst du das Donnern, mit dem zwei Schildwälle aufeinandertreffen, das Klirren von Kampfschwertern, und das Schreien beginnt. Um niemals zu enden.