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Ottessa Moshfegh – My Year of Rest and Relaxation

Eine hohe Erwartungshaltung – und sei sie auch noch so diffus – kann so ziemlich jede Erfahrung zu einer Enttäuschung machen. Möglicherweise ist mir das mit diesem Buch passiert, das im vergangenen Jahr auf jeder Empfehlungsliste auf Lithub dabei war. In meiner Erinnerung waren diese Empfehlungen alle mit Begeisterung behaftet, ohne auch nur einen Blick auf möglicherweise missverständliche oder problematische Aspekte zu werfen. Meine Meinung zu diesem Buch ist eher durchwachsen.

Being pretty only kept me trapped in a world that valued looks above all else.

Die Protagonistin ist eine – laut eigener Beschreibung – überdurchschnittlich attraktive junge Frau, akademisch gebildet, finanziell abgesichert aufgrund des Erbes ihrer verstorbenen Eltern und trotz all dieser Privilegien zutiefst unglücklich. Sie fühlt sich in ihrer Arbeit in einer Kunstgalerie nicht wertgeschätzt und nutzlos und zweifelt an der Sinnhaftigkeit ihres Tuns und Daseins. Ihrem Hadern mit sich selbst und der Welt versucht sie mit Medikamenten zu entgehen. Sie findet eine dubiose Psychiaterin, die sie mit einem Medikamentencocktail versorgt, der es ihr ermöglichen soll, den Großteil ihrer Zeit zu schlafen.

I wanted to hold on to the house the way you’d hold on to a love letter. It was proof that I had not always been completely alone in this world. But I think I was also holding on to the loss, to the emptiness of the house itself, as though to affirm that it was better to be alone than to be stuck with people who were supposed to love you, yet couldn’t.

Im Verlauf des Buches werden immer mehr Teile ihrer Vergangenheit enthüllt, die Hinweise geben, wie es zu dieser Welt- und Selbstmüdigkeit gekommen ist. Das Verhältnis zu den Eltern war oberflächlich intakt, jedoch von einer Lieblosigkeit geprägt, die es einem Kind nicht erlaubt, ein gesundes Verhältnis zu sich selbst zu entwickeln. Nach dem Tod beider Eltern steht das geerbte Elternhaus als Sinnbild für alles Verlorene, auch das, was niemals vorhanden war.

She sipped and poured and went on about how “it’s all about your attitude,” and that “positive thinking is more powerful than negative thinking, even in equal amounts.”

Neben der Protagonistin und der Psychaterin gibt es noch eine weitere Figur, eine Freundin der Protagonistin, die aus dem Leser unverständlichen Gründen an ihr festhält. Diese Frauenfreundschaft ist geprägt von gegenseitigem Neid und dem Wunsch nach Verständnis, nach Gesehen-Werden und Angenommen-Werden mit all seinen Fehlern, wie es der Protagonistin von ihren Eltern verwehrt blieb. Es bleibt am Ende unklar, ob dieser Wunsch in Erfüllung geht oder an der Realität der unterschiedlichen Lebensumstände scheitert. 

Sometimes friends are better than family, because you can say anything. Nobody gets mad. It’s a different kind of love.

Das Buch endet mit einer Kunstaktion, in der die Protagonistin ihr eigenes Dasein nahezu auslöscht mit dem Ziel, am Ende wiedergeboren zu werden in ein neues Leben. Die Satire über die Sinnlosigkeit der Kunstszene führt sich an dieser Stelle selbst ad absurdum. Rückblickend könnte das der Grund für die große Begeisterung über dieses Buch sein. Es fühlt sich intellektuell an und birgt Spielraum für Interpretation. 

EDIT 18. August 2020: Ein Artikel über Ottessa Moshfegh und die Bezüge ihrer Bücher im Rahmen der aktuellen Pandemie beschreibt dieses Buch so:

self-isolation as a coping strategy for when the world is somehow both too much and yet not enough

Und vielleicht verstehe ich es jetzt ein bißchen besser.