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Roman

David Gilmour – Unser allerbestes Jahr

„Genau das will ich sagen. Wenn sie es mit keinem anderen Mann macht, macht sie es auch nicht mit mir. Und deshalb habe ich dich mit ihr bekommen und nicht mit einer anderen Frau.“ – „Du hast gewusst, dass ihr euch trennt?“ – „Ich will sagen, ich finde es okay, mit einem Miststück ins Bett zu gehen, aber man soll nie mit einem Miststück ein Kind haben.“ – Da war er still.

Schon noch 20 Seiten fällt es schwer, das Buch aus der Hand zu legen (mich hat es genau zwei Abende lang beschäftigt). David Gilmour versteht es, den Leser sofort in seine Geschichte hineinzuziehen, er fackelt nicht lange mit Beschreibungen der Lebenswelten (diese werden mit der Zeit ohnehin immer klarer), sondern kommt sofort zum Wesentlichen: Der Beziehung zu seinem Sohn.

„Über eine Frau wegzukommen, ist ein Prozess, der seinem eigenen Zeitplan folgt, Jesse. Wie Fingernägel, die wachsen. Du kannst machen, was du willst – Tabletten, andere Mädchen, ins Fitnesscenter gehen, nicht ins Fitnesscenter gehen, trinken, nicht trinken – letztlich spielt das alles keine Rolle. Du kommst nicht eine Sekunde schneller ans Ziel.“

Den besonderen Charme des Buches macht gleichzeitig seine Einfachheit als auch seine Ehrlichkeit aus. Gilmour beschreibt seinen eigenen Sohn Jesse, der sich in der Schule so langweilt, dass er stets negativ auffällt. Nach langem Überlegen entschließt er sich, seinem Sohn den Schulabbruch zu erlauben, mit der Auflage, dass sie sich von jetzt an gemeinsam wöchentlich drei Filme ansehen. Anhand der Filme versucht er seinem Sohn etwas beizubringen. Daraus lernt er einerseits viel über Filme, aber natürlich auch Einiges übers Leben. Gilmour beschreibt grandios den Trennungsschmerz nach dem Ende einer Beziehung, einerseits mit Blick auf die Teenagerliebe seines Sohnes, aber auch anhand seiner eigenen Erfahrungen. Man möchte in die Hände klatschen und ausrufen: „Ja, genau so war es auch bei mir“, wenn er den Punkt beschreibt, an dem man plötzlich feststellt, dass der Schmerz verschwunden ist.

Als wäre die Kette am Anker gerissen (man kann sich nicht mehr erinnern, wo man war oder was man gemacht hat), merkt man plötzlich, dass die eigenen Gedanken wieder einem selbst gehören, das Bett ist nicht mehr leer, sondern einfach das eigene Bett, in dem man Zeitung lesen kann oder schlafen oder … was wollte ich heute noch erledigen? Ah, ja, der neue Haustürschlüssel.

Genau diese Ehrlichkeit macht es zu so einem überzeugenden Buch. Für mich sind es zwar nicht Filme, die mein Leben als Leidenschaft ausfüllen, aber Ähnliches ließe sich über Bücher sagen, die einem in verschiedenen Lebensphasen genau den Kick geben, den man gerade braucht. Dieses Buch kann einem einerseits über das Ende einer Beziehung hinweghelfen. Auf eine schräge Art ist es aber auch ein Loblied auf die Elternschaft – gleichzeitig ehrlich und verklärend. Und nicht zuletzt zeigt es uns, dass wir manchmal entgegen besseres Wissen auf unser Herz hören müssen.

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Roman

Margit Schreiner – Haus, Frauen, Sex

Nähen (c) Rainer Sturm / PIXELIO

Da habe ich mir gedacht: Die Resi ist eine Prinzessin, und eines Tages baue ich ihr ein Haus mit einem Garten und einem Teich in der Mitte. Und im Haus lege ich ihr einen roten Steinboden im Flur. Das habe ich mir damals geschworen, als du schwanger warst mit meinem Sohn.

Margit Schreiner beschreibt in diesem Roman die Trennung eines Paars nach langjähriger Ehe aus der Sicht des verlassenen Mannes. Vieles, was er über seine Frau denkt, scheint seinem eigenen verletzten Ego zu entspringen. Dinge, die er niemals aussprechen würde, wenn seine Frau noch seine Frau wäre, und vor ihm stehen würde. Und das obwohl er selbst beschreibt, was er bereits alles ausgesprochen hat und auch, dass er seine Frau im Affekt geschlagen hat.

Seine eigenen Taten spielt er herunter, alle Fehler werden der Frau zugeschoben, das Funktionieren der Ehe hängt scheinbar allein von ihrem Versagen ab. Er hält sich selbst für fehlerlos und mokiert an seiner Frau über viele Seiten, dass sie nicht imstande ist, den Herd oder eine Holzkommode nach seinen Vorstellungen korrekt zu putzen.

Vieles, was hier zur Sprache kommt, scheint direkt dem männlichen Egodenken entnommen, man wundert sich immer wieder, wie eine Frau zu derartigen Erkenntnissen gelangen kann. Wo die männliche Seele der Frau immer als Buch mit sieben Siegeln erscheint, trotz allem ausgedehnten Analysieren, geht Margit Schreiner hier den Grenzweg zwischen grausamer Wahrheit und übertriebener Fiktion. Das Ergebnis ist ein grausames Charakterportrait, das man gar nicht ernst nehmen will, weil es ein so schmerzhafter Blick in die gekränkte Seele eines verlassenen Mannes zu sein scheint.

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Roman

Nick Hornby – Juliet, Naked

CD (c) Günter Havlena/PIXELIO

„Du ziehst aus“, sagte Annie. „Oh. Hoppla. Wow. Nein, nein, nein, davon habe ich nicht gesprochen“, protestierte Duncan. „Du vielleicht nicht. Aber ich spreche davon. Ich habe mein halbes Leben an dich vergeudet, Duncan. Oder zumindest das, was von meiner Jugend noch übrig geblieben war. Ich werde keinen weiteren Tag vergeuden.“ Sie ging zu ihrer Tasche, zog eine Zehnpfundnote hervor, warf sie auf den Tisch und ging hinaus.

Mit diesem Roman kehrt Nick Hornby wieder zu seinen musikalischen Wurzeln zurück. Im Zentrum steht ein Rocksänger, der zuerst nur aus dem Blickwinkel seines Fans Duncan und dessen Freundin Annie in Erscheinung tritt. Deren Beziehung gerät ins Wanken durch unterschiedliche Meinung über das neue Album des Rocksängers Tucker Crowe, den Duncan wie einen Gott verehrt. Annie zweifelt an den vergangenen 15 Jahren ihres Lebens und sucht nach neuen Wegen.

„Nun, viele Menschen, die ich kenne, führen eine unglückliche oder frustrierende Ehe. Oder eine langweilige.“ – „Und?“ – „Sie sind trotzdem eigentlich ganz zufrieden.“ – „Sie sind glücklich in ihrem Elend.“ – „Sie haben sich damit arrangiert, ja.“

Haiauge, Herzinfarkt und Farmer John begleiten Annie, Tucker und Duncan auf ihrer gemeinsamen Suche nach einem neuen Leben. Und natürlich die Musik. Bei Duncan kann man zwar den Lerneffekt nicht so eindeutig feststellen, aber zumindest Annie und Tucker haben am Ende des Buches dazugelernt und können von nun an hoffentlich mehr aus ihrem Leben machen.

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Roman

Ake Edwardson – Der Jukebox-Mann

Einige der schönsten Bücher habe ich aus der Mängelexemplare-Wühlkiste gekramt. „Der Jukebox-Mann“ ist auch so ein Mängelexemplar. Dass es tatsächlich auch ein schöner Roman mit einem überraschend guten Ende ist, erschließt sich aber erst, wenn man sich in die Geschichte eingelesen hat. (Wiederhole ich mich?)

Die Frau im Kiosk hatte ein Gesicht, an das er sich erinnern würde, wenn er sie einmal wiedersähe. Es war gleichzeitig blass und dunkel. Sie war eine Fremde für ihn, und er dachte, sie müsste aus einem anderen Land im Süden kommen. Jetzt verkaufte sie hier Würstchen. Auf dem Marktplatz waren keine Autos und vor dem Kiosk keine Kunden. Deswegen wirkte es sonderbar, dass sie noch geöffnet hatte. Wenn sie überhaupt geöffnet hatte. Vielleicht hatte sie geschlossen und war nur noch nicht gegangen. Aber die Glasluke war offen.

Johnny lebt in seiner eigenen Welt, sein Beruf ist das Aufstellen und Warten von Jukeboxen. Er kommt viel herum und kennt viele Leute, kann jedoch keine näheren Beziehungen zulassen. Erst nach und nach besiegt er die Dämonen seiner Vergangenheit. Als er endlich den richtigen Schritt auf der Suche nach seinem Bruder und damit in seine eigene Zukunft macht, kann er sich auch eingestehen, welche Menschen ihm wirklich wichtig sind.

Weniger halte ich das Buch für ein „Road-Movie“, wie auf dem Klappendeckel angekündigt (möglicherweise hat das meine Entscheidung für den Kauf des Buches beeinflusst, da ich Road-Movies mag) sondern mehr für einen Entwicklungsroman im modernen Umfeld.

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Roman Unterhaltung

Carly Phillips – Hochzeit auf griechisch

Ja, obwohl ich mich im Post zu Balzac über aktuelle Romane nicht grade positiv geäußert habe, musste als Ausgleich zu diesem Riesenwälzer ein locker luftiges Taschenbuch von Carly Philipps her. Und sie enttäuscht nicht.

Auf Seite 20 verliebt sich der männliche Protagonist Ryan quasi auf den ersten Blick in die weibliche Protagonistin Zoe. Auf Seite 24 verspürt er bereits ein nie gekanntes Verlangen nach ihr. Auf Seite 58 sieht sie ihn das erste Mal mit nacktem Oberkörper. Natürlich war sie vorher schon interessiert, jetzt jedoch ist sie geradezu entflammt.

Bis zur Hochzeit müssen die beiden natürlich noch eine Familiengeschichte aufdecken und beide zu sich selbst finden, waren sie doch vorher eingefleischte Singles und mit ihrem Job verheiratet.

Griechisch ist allerdings nichts an der Geschichte. Nicht mal griechisches Essen kommt vor. Da hat sich der deutsche Verlag mal wieder einen originellen Titel ausdenken müssen. Der Originaltitel lautete “Summer Lovin'”. Das ist den Deutschen wohl zu nichtssagend.

 

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Klassiker Roman

Honoré de Balzac – Verlorene Illusionen

Ein ganz schöner Schmöker, den der gute Balzac da fabriziert habe. Je mehr von diesen “alten” Romanen ich zur Hand nehme, um so mehr fällt mir auf, dass vieles, was heutzutage geschrieben wird, einfach Schrott ist.

Verlorene Illusionen erzählt die Geschichte von Lucien, einem glücklosen jungen Mann, der durch seinen Ehrgeiz und seine Genusssucht seine geliebte Familie in Verzweiflung und tiefe Geldnot stürzt. Aus der Provinz der Liebe wegen nach Paris gereist, erfährt er dort Enttäuschungen, Erfolge und Intrigen.

Als er gebrochen und ohne ein Stück Geld in der Tasche nach Hause kehrt, erfährt er erst, was er angerichtet hat und in welchen Problemen seine Schwester und ihr Mann, ehemals Luciens bester Freund, stecken.

Etwa auf Seite 720 meint man den klassischen Deus ex machina auftauchen zu sehen, doch einige Seiten später stellt sich heraus, dass diese Rettung zu spät kommt, gerettet werden die guten Menschen Eve und David jedoch trotzdem. Der geizige Vater stirbt und die beiden können ein glückliches zurückgezogenes Leben mit dem Erbe führen, während Luciens Schicksal in der Fremde ungewiss ist.

Fazit: Ein großer Roman, auf den man sich einlassen muss, denn die durchaus enthaltenen Längen muss man durchstehen, um schließlich zum befriedigenden Ende zu gelangen.

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Roman

Eric-Emmanuel Schmitt – Das Kind von Noah

Ein weiterer einfühlsamer Roman von Eric-Emmanuel Schmitt, der einen Einblick in die jüdische Religion gibt und vor allem Interesse weckt. Es erzählt die Geschichte eines jüdischen Jungen im Belgien kurz vor dem Ende des zweiten Weltkriegs, der von seinen Eltern bei einem katholischen Priester untergebracht wird, um ihn vor den Nazis zu schützen. Der Junge und der Priester geraten in einen Dialog, der die Unterschiede zwischen den Religionen aus der Sicht eines Kindes einfühlsam aufzeigt.

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Roman

Jonathan Safran Foer – Alles ist erleuchtet

Jonathan Safran Foer ist ein grandioser Erzähler. Als Beispiel sei hier nur seine Geschichte vom “Sex-Leuchten” erwähnt:

Der bläuliche Marmor verschwindet, und an seiner Stelle erscheint ein Nachrichtensprecher, der die Brille abgesetzt hat und sich die Augen reibt. “Meine Damen und Herren, Amerika hat einen Menschen auf den Mond geschickt.” Meine Großmutter kommt mühsam auf die Beine – sie ist alt, selbst damals schon – und sagt mit vielen verschiedenen Tränen in den Augen: “Nischt zu gleuben!” Sie küsst meine Mutter, verbirgt die Hände im Haar ihrer Tochter und wiederholt: “Nischt zu gleuben!” Auch meine Mutter weint, und jede ihrer Tränen ist einzigartig. Sie weinen gemeinsam, Wange an Wange. Und keine von beiden hört das Flüstern des Astronauten: “Ich sehe da etwas”, während er über den Mondhorizont hinweg auf das winzige Dorf Trachimbrod blickt. “Ganz eindeutig – da unten ist irgendwas.”

Was er sieht, ist das Leuchten der Menschen, die im Stetl Trachimbrod in dieser Nacht Sex haben. Um diese Geschichte im Ganzen zu erfassen, muss man das Buch zumindest bis zur Seite 144 lesen.

Auf drei Erzählebenen läuft die Geschichte ab und die Verknüpfung der drei miteinander löst sich erst auf den letzten Seiten auf. Mehrere Familiengenerationen werden miteinander verknüpft und dies auf sympathische und spannend erzählte Weise.

 

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Roman

Zadie Smitz – Der Autogrammhändler

Etwas schwammig der Einstieg und erst zum Schluss erfährt man, was es mit der Einstiegsgeschichte eigentlich auf sich hat.

“Tja”, sagte Alex, setzte sich auf den Rand des Denkmals und holte die notwendigen Zutaten für einen Joint heraus. “Du hast ihn an dem Tag kennen gelernt, als er starb. Er war ziemlich gut in Form an dem Tag.”
Die Welt besteht aus Buchstaben, Worten. Unter jeder Freundschaft lauert ein schwieriger Satz, der gesagt werden muss, damit die Freundschaft überleben kann.
Das war ihrer.

Bis zu dieser Erkenntnis quälen sich Protagonist Alex und seine Freunde durch unzählige Sauftouren und durchwachte Nächte. Bis zur Erkenntnis, dass Familie und Freunde einen unschätzbaren Wert haben, findet Alex sein Idol, erreicht den großen Wunsch, der bisher sein Leben bestimmt hat und der als endlich erfüllt, sich als gar nicht so erfüllend herausstellt (wie das mit großen Wünschen meistens so ist).

Adam kniete sich unvermittelt hin, und einem kurzen Moment lang fürchtete Alex schon, er würde ihn auffordern zu meditieren oder zu beten, und er wusste jetzt – mit stärkerer Gewissheit als je zuvor -, dass er zu beidem keinen Zugang hatte, nein, mehr noch: Er wollte auch gar keinen Zugang. Er wollte in der Welt sein und nehmen, was kam: Enden, hier und überall, Schlusspunkte, Abschlüsse, Blicke gekränkter Enttäuschung und den alltäglichen Kampf. Er mochte den alltäglichen Kampf. Er nahm ihn mit Pommes. Zum Mitnehmen.

Und doch erfüllt Alex letztendlich den Wunsch seiner Freunde und Familie, an dem Verabschiedungsritual für seinen lang verstorbenen Vater teilzunehmen. Wie es weitergeht, bleibt offen. Aber jedenfalls hat sowohl Alex als auch der Leser einiges über das Leben gelernt.

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Roman

Martin Walser – Jagd

Tja, was soll ich sagen, es wundert mich nicht wirklich, dass dieses Buch liegengeblieben ist, während ich mich im zweiten und dritten Teil von Osten Ard vergraben hab. Nach dem Ende hab ich den Klappentext gelesen und erst daraus hat sich mir erschlossen, dass es von dieser Familie bereits zwei Vorgängerromane gibt, die vielleicht das Ganze einfacher machen, wenn man sie vorher gelesen hat.

Trotz allem bleibt es eine mühsame Sache, mir irrsinnig langen Schachtelsätzen, Zeit- und Gedankensprüngen und Situationen, die so seltsam beschrieben sind, dass man sie, selbst wenn man sie selber kennt (wie zum Beispiel die letzte halbe Stunde im Zug auf der Heimreise), nicht wirklich nachvollziehen kann.

Das Buch muss ich wohl unter “Literatur” ins Regal stellen, denn zur Unterhaltung taugt es nicht besonders.