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English Roman

Sara Gruen – At the Water’s Edge

If finding the monster was what it was going to take to make Ellis feel whole again, then so be it. I just hoped there was a monster to be found.

Kürzlich scrollte ich in der Overdrive eLibrary durch die Neuerscheinungen und stieß dabei auf dieses Buch, was mich sofort daran erinnerte, dass mir Wasser für die Elefanten von derselben Autorin so gut gefallen hatte, dass ich neben dem Kindle-Buch nun auch eine Paperback-Ausgabe im Regal stehen habe.

Die dadurch hohe Erwartungshaltung wurde nur teilweise eingelöst. Die Leserin verfolgt Maddie auf ihrer Reise nach Schottland. Ihr Ehemann Ellis und dessen Kompagnon (Spießgeselle würde auch passen) Hank wollen in Schottland nach dem Monster von Loch Ness suchen, um die angekratzte Familienehre wiederherzustellen. In der ungewohnten Umgebung beginnt Maddie schnell, ihren Ehemann mit anderen Augen zu sehen. Sie knüpft Freundschaftsbeziehungen zu den Menschen vor Ort und entfernt sich immer weiter von ihrem früheren Leben. Es kommt schließlich zum Showdown, in dem Maddies Ehemann Ellis sein wahres Gesicht zeigt.

Zu Beginn war mir die Protagonistin so unsympathisch, dass es einige Zeit gedauert hat, bis ich mich in die Geschichte reinfinden konnte. Zu einem späteren Zeitpunkt störte mich dann das Umkippen in das klassische „starker Mann, schwache Frau“-Schema; ich hätte es lieber gesehen, wenn Maddie sich etwas mehr selbst gerettet hätte, als gerettet zu werden. Alles in allem war es eine entspannte Lektüre, die mich einige Abende lang unterhalten hat.

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Krimi Roman

Klaudia Zotzmann-Koch – Mord und Schokolade

Krimis lese ich in letzter Zeit eher selten (der Blick ins Archiv hat diese gefühlte Wahrheit bestätigt), die letzten Krimis dienten rein dem Zweck der Ermittlung von Variablen für Geocaches. Aber da ich nun mal eine Abwechslung von all den bildungswissenschaftlichen Texten brauchte, die ich in letzter Zeit gelesen habe, kam mir dieser „Genuss-Krimi“ (gilt das schon als eigenes Genre?) gerade recht.

Die Protagonistin Paula Anders ist eine bestechend bodenständige Antiheldin, die aufgrund familiärer Beziehungen und einer gewissen Neugierde in einen Mordfall verwickelt wird. Auf die eine oder andere Art sind tatsächlich alle teilnehmenden Personen in diesen Fall irgendwie verwickelt, sei es als (mehr oder weniger unschuldiges) Opfer, als Täter*innen oder als Zeug*innen.

Zum Genuss tragen Kaffee, heiße Schokolade und Hildesheimer Lokalkolorit bei. Obwohl ich die Stadt selbst noch nie besucht habe, fühlte ich mich in die beschriebenen Gassen der Innenstadt hinein versetzt. Das Fachwerkhaus, in dem Paula Anders ihre Köstlichkeiten herstellt, wird regelrecht zu einem Sehnsuchtsort. Obwohl sich Paula in diesem Roman vehement gegen einen Onlineshop für ihre edlen Kreationen wehrt, lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass sie diesen vielleicht in einer der Fortsetzungen doch noch bekommen wird.

Randnotiz: Klaudia betreibt gemeinsam mit ihrem Partner die Mastodon-Instanz literatur.social, ein soziales Netzwerk für Büchermenschen. Für die Instanz habe ich das „Lese-Mastodon“ als Key Visual gestaltet. Ihr findet auch mich auf Mastodon auf dieser Instanz unter @Columbia@literatur.social.links: Bücherstapel mit Katze, rechts: Mastodon mit Brille und Buch vor dem Rüssel

Disclaimer: Ich bin mit der Autorin befreundet und habe das Buch als Dankeschön für grafische Unterstützung geschenkt bekommen. Dass meine Meinung davon komplett unbeeinflusst bleibt, kann ich nicht garantieren. Wie meine anderen Posts ist dies jedoch keine Werbung, sondern meine subjektive in Worte gefasste Meinung.

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Roman

Lilian Faschinger – Wiener Passion

Dieses war das dritte Werk, das ich für einen Literatur-Geocache benötigte. Schon beim Herausnehmen des dicken Hardcover-Bandes aus dem Regal der Bücherei-Zweigstelle habe ich innerlich gestöhnt, einerseits, weil die Bücher gerade noch in den Rucksack passten und andererseits, weil ich mir unsicher war, wie ich mit einem so langen Werk in der mir inzwischen bekannten geschwurbelten Ausdrucksweise der Autorin zurecht kommen würde.

Die Geschichte wird aus drei Ich-Perspektiven heraus entwickelt. Die zwei zeitgenössischen Ich-Stimmen Magnolia Brown und Josef Horvath lernen sich im Wien der Jetzt-Zeit (das Buch ist 1999 erschienen, also eher die damalige Jetzt-Zeit) kennen. Magnolia ist nach Wien gekommen, um ihre Gesangskünste zu verbessern und etwas über Anna Freud zu lernen, die sie in einem geplanten Broadway-Musical darstellen soll. Sie lebt bei ihrer Tante und findet in einer Truhe ein Heft, in dem Rosa Havelka (geborene Tichy) ihre Lebensgeschichte erzählt. Rosa kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Wien, die Zeitspanne ihrer Lebensgeschichte umfasst unter anderem den Tod des Kronprinzen Rudolf sowie der Kaiserin Elisabeth.

Obwohl die oben bereits erwähnte, sehr umfangreiche Ausdrucksweise der Autorin die Geschichte etwas sperrig macht, versteckt sich in diesem Roman ein Familienepos, das mehrere Generationen umfasst. Gerade die Unterscheidung der Ich-Stimmen hat mir am Anfang Schwierigkeiten bereitet und nebenbei hatte ich ja immer noch die Fragen im Kopf, die für das Geocache-Rätsel zu beantworten waren. Das erfreuliche Ergebnis war jedoch überraschend: Trotz einiger Unsicherheiten bei den Antworten (sowohl in diesem als auch in einem anderen der drei Werke, die das Rätsel umfasste), konnte ich die korrekten Antworten bereits im ersten Versuch ermitteln. Jetzt geht es an die Feldarbeit. Einerseits muss natürlich die Cache Location aufgesucht werden und andererseits steht damit auch der nächste Ausflug in eine Bücherei-Zweigstelle bevor, um Material für das nächste Literatur-Rätsel zu sammeln.

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Roman

Sally Rooney – Normal People

Irgendwie hatte ich die beiden Bücher der Autorin verwechselt und dachte eigentlich, ich würde das andere lesen, was mich interessanterweise lange davon abgehalten hat, zu sehen, worum es in diesem Buch eigentlich geht. Mit dem Thema Normalität und was das eigentlich bedeutet, habe ich mich in diesem Jahr intensiv beschäftigt und aus dieser Richtung betrachtet, gibt das Buch unendlich viele Antworten auf diese Frage.

Die Geschichte beschreibt die Beziehung von Marianne und Connell, die sich ausgehend vom High-School-Alter über die Jahre hinweg stetig verändert. Zu Beginn wird Marianne als Außenseiterin beschrieben, eine Person, die sich nicht darum kümmert, was andere von ihr denken, die ihr eigenes Ding macht und ihre eigene Persönlichkeit lebt, während Connell beliebt ist, einen großen Freundeskreis hat und in allen Dingen dazugehört. Beim Wechsel aufs College verändert sich dieses Verhältnis, plötzlich ist Marianne beliebt und begehrt und Connell zweifelt an sich selbst und an seinen Lebensentscheidungen.

Im Verlauf des Buches blickt die Leser*in immer tiefer in die Persönlichkeit und die Hintergründe der beiden Protagonist*innen und irgendwann kam auch für mich der Moment, wo mir trotz der falschen Erwartungshaltung klar wurde, dass es darum geht, dass sich das, was wir unter Normalität verstehen, auf der Basis unserer eigenen Perspektive verändert. In der chaos-nahen Szene (dazu gehören der deutsche Chaos Computer Club CCC und der österreichische Chaos Computer Club Wien sowie alle chaosnahen Hackspaces und Vereine) wird oft davon gesprochen, dass wir uns auf Chaos-Veranstaltungen endlich unter normalen Leuten befinden. Mich hat das immer schon etwas befremdet, weil es dieses Gefühl des Nicht-Dazugehörens, was viele Menschen im Chaos offenbar in ihrem regulären Leben empfinden, einfach nur umkehrt und ausdrückt, dass nun alle anderen nicht dazugehören.

Beim Versuch, das Wort normal zu definieren, ohne dabei Wertungen vorzunehmen, bin ich bisher immer bei der Definition gelandet, dass das normal ist, was die Mehrheit tut oder als normal empfindet. Auf einer Chaos-Veranstaltung ist das dementsprechend nicht dasselbe wie auf einem Ärztekongress oder in einer vollbesetzten Straßenbahngarnitur.

Wenn wir aber unseren Standpunkt verändern, dann können wir auch definieren, was für uns selbst normal ist. Für mich ist es normal, täglich mit meinem Hund spazieren zu gehen, das tue ich an der Mehrheit aller Tage im Jahr (ausgenommen Urlaube, wo der Hund anderweitig betreut wird). Für mich ist es normal, mein Auto nur dann zu verwenden, wenn es notwendig ist, um Personen oder Dinge zu transportieren oder wenn es aus Zeit- oder Ortsgründen absolut nicht anders möglich ist. Für mich ist es normal, beim Einkaufen darauf zu achten, dass ich möglichst wenig Plastik einkaufe. Was wir also als normal empfinden, das können wir selbst bestimmen, das müssen wir uns nicht von der Mehrheitsbevölkerung vorschreiben lassen. Manchmal werden wir dafür Kommentare und vielleicht sogar Kritik einstecken müssen (darum wird es auch im übernächsten Post noch gehen). Aber immerhin können wir wissen, dass wir selbst über unser Verständnis von Normalität entscheiden.

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Roman

John Williams – Stoner

He had never got in the habit of introspection, and he found the task of searching his motives a difficult and slightly distasteful one; he felt that he had little to offer to himself and that there was little within him which he could find.

Dieses Buch stand schon so lange auf meiner Leseliste, dass ich nicht mehr nachvollziehen kann, wo es hergekommen ist. In der Merkliste in der Overdrive eLibrary App hatte ich es auch drin und dann kam der Impuls durch Lithub, wo der Roman auf einer Liste der besten College-Romane auftauchte. Den Link finde ich gerade nicht mehr, da die Liste allerdings meinen eigenen liebsten College-Roman nicht enthielt, kann ich sie ohnehin nicht ganz ernst nehmen.

Dem Buch vorangestellt ist eine Einleitung von John McGahern, die das Buch in einen literarischen Kontext einordnet. Leider wird dabei so viel vom Inhalt verraten, dass ich nach der Einleitung beinahe das Gefühl hatte, ich müsste das Buch nicht mehr lesen. Nahezu alle wichtigen Lebensstationen des Protagonisten William Stoner werden in der Einleitung nicht nur erwähnt, sondern auch in den Gesamtkontext seiner Lebensgeschichte gestellt. Dadurch enthält das Buch keine Überraschungen mehr, die Entwicklung seines Lebens, die Navigation durch schwierige Entwicklungen sowohl im Arbeitsbereich als auch im Liebesleben wird vorweg genommen.

Das Buch ist in meinen Augen ein klassischer Entwicklungsroman, der die wichtigsten Lebensthemen im Kontext seiner Zeit behandelt. Ich würde vorschlagen, die Einleitung erst nach dem Buch zu lesen. An dieser Stelle wäre die Einordnung in meinen Augen sehr sinnvoll.

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English Roman

Ling Ma – Severance

We’re selected. The fact that we’re immune to something that took out most of the population, that’s pretty special. And the fact that you’re still here, it means something.

Das Szenario einer epidemischen Krankheit, die einen Großteil der Weltbevölkerung auslöscht, hat mich seit The Stand fasziniert. Das Zusammenbrechen einer Gesellschaft und wie die Überlebenden damit umgehen stellt der Leser*in die Frage, wie sie selbst in so einer Situation reagieren würde. Eine Katastrophensituation solchen Ausmaßes (wie sie in anderer Ausprägung auch in Black Out oder Under The Dome beschrieben wird) bringt die wahre Natur des Menschen zum Ausdruck.

I have always lived in the myth of New York more than in its reality. It is what enabled me to live for so long, loving the idea of something more than the thing itself.

Die Autorin Ling Ma erzählt die Geschichte der Überlebenden Candace auf zwei Zeitebenen. Eine Zeitebene beschreibt, was vor der Epidemie passiert und wie sich Candace in der zerfallenden Stadt New York zurecht findet, bevor sie sich schließlich versehentlich aus ihrem Büro aussperrt und daraufhin beschließt, dass es Zeit ist, die Stadt zu verlassen. Die andere Zeitebene beschreibt, was passiert, nachdem Candace von einer Gruppe Überlebender, die sich unter der Leitung eines selbst ernannten Gurus nach Chicago durchschlägt, gefunden wurde.

Candace wurde in China geboren und war mit ihren Eltern im Kindesalter nach Amerika ausgewandert. Während die Mutter auf eine Rückkehr drängt, ist der Vater überzeugt davon, dass nur Amerika die für das eigene Kind erwünschten Zukunftschancen bietet. Die erwachsene und inzwischen verwaiste Candace sieht sich ständig damit konfrontiert, ihre Chancen ungenutzt zu lassen und den Wünschen ihrer Eltern für ein besseres Leben nicht zu genügen.

I just want for you what your father wanted: to make use of yourself, she finally said. No matter what, we just want you to be of use.

Nicht die Epidemie, nicht das langsame Zusammenbrechen der Infrastruktur und der Gesellschaft im Allgemeinen, nicht die Einsamkeit sind es, die schließlich einen unaufhaltbaren Veränderungsprozess in der Protagonistin auslösen. Erst die Konfrontation mit einer weiteren Instanz, die ihr Regeln auferlegt und ihr Leben kontrollieren will, ist der Wendepunkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Und selbst an dieser Stelle hätte Candace vermutlich noch mitgespielt. Aber es geht jetzt eben nicht mehr allein um sie selbst.

When other people are happy, I don’t have to worry about them. There is room for my happiness.

Für mich überraschend war die Tatsache, dass die Beschreibung des Überlebens den geringsten Teil des Buches annimmt, nahezu alle wesentlichen Ereignisse geschehen, bevor die epidemische Krankheit überhaupt zum ersten Mal erwähnt wird. Die Rückblicke sind nicht notwendig, um das Geschehen nach der Epidemie zu erklären, sie sind das eigentliche Geschehen. Durch eine Krise wird die eigene Geschichte nicht ausgelöscht. Sie nimmt eine neue Wendung, aber sie trennt uns nicht von unserer Vergangenheit. Und sie lässt uns wachsen.

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Fantasy Roman

Leo Perutz – Das Mangobaumwunder

Nun hab ich auch das dritte Buch für den Literatur-Geocache zum Autor Leo Perutz geschafft. Wenn man die Bücher knapp nacheinander liest, stellt sich schon ein gewisser Ermüdungseffekt in Bezug auf die angewandten literarischen Mittel und die Charakterisierung der Figuren ein. Das Alter der Geschichte ist deutlich spürbar, gerade im Gehabe des verliebten Dr. Kircheisens zeichnen sich deutlich die Gepflogenheiten einer längst vergangenen Zeit ab. Aber immerhin blieb der Knalleffekt (der deutliche Anleihen an einem wesentlich älteren Werk nimmt) bis knapp vor dem Ende verborgen. Das Rätsel ließ sich übrigens nach einer kleineren Korrektur bei den Variablen im dritten Versuch lösen.

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English Roman

David Levithan – Someday

What I’m learning is that the heart has the capacity to love so many people. I used to think I had to give that capacity to just one person, and never hold back any love for myself. But how wrong I was.

Nach Every day und Another day, in dem der Autor die Geschichte des Kennenlernens von Rhiannon und A aus beider Perspektive beschreibt, folgt mit Someday eine Fortsetzung, die überraschenderweise noch mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet.

Am Ende der beiden vorhergehenden Bücher hat A sich entschlossen, den Kontakt zu Rhiannon abzubrechen. Natürlich können sie einander nicht vergessen und nehmen schließlich den Kontakt wieder auf. Beide erkennen, dass ihre Beziehung zu Beginn darunter gelitten hat, dass sie sich nicht in gewöhnliche Beziehungskonzepte pressen lässt. Wenn die bekannten Beziehungsmuster nicht zu passen scheinen, kann eine Beziehung nicht erfolgreich sein, das denken sowohl A als auch Rhiannon. In diesem Buch definieren Rhiannon und A ihre Beziehung neu: Sie muss nicht exklusiv sein. Sie muss nicht den gängigen Vorstellungen einer lebenslangen Beziehung entsprechen. Sie muss nicht einer klassischen Beziehungsentwicklungslinie (mir fällt leider wirklich keine bessere deutsche Version für relationship escalator ein) folgen. All diese Ansprüche haben eine Beziehung zuvor verhindert. In dieser Fortsetzung konzentrieren sich beide darauf, was sie einander geben können, was sie zusammen haben können und daraus entsteht etwas völlig Neues. Das Sprengen von gesellschaftlichen Vorstellungen und Rahmenbedingungen und Schaffen von Räumen für eigene Ideen abseits der gängigen Normalitätsfolien schafft Möglichkeiten, die zuvor undenkbar waren. Diese ermutigenden Botschaften zwischen den Zeilen sind eine der besonderen Leistungen des Autors.

But if it becomes normal for us – that’s good. That’s all we can ask for.

Zumindest so spannend wie der Beziehungsaspekt war für mich die Tatsache, dass nun auch andere Personen wie A zu Wort kommen. Dadurch wird die Perspektive auf die Frage, was eine Person ausmacht, erneut erweitert. Die körperwandernden Personen beschreiben ähnliche aber zugleich vollkommen unterschiedliche Erfahrungen. Worauf es ankommt, ist wie die Person mit einer Situation umgeht. Täglich treffen wir Entscheidungen, die sich nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf andere Personen auswirken. Ob wir dabei hauptsächlich auf unseren eigenen Vorteil schauen oder auf das Wohl anderer Menschen oder sogar auf das große Ganze – das macht in meinen Augen einen wesentlichen Aspekt der Persönlichkeit aus.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch kurz das Konzept Body neutrality erwähnen, das sich im weitesten Sinn auch im Text verorten lässt. Bei diesem Gegenkonzept zu Body positivity geht es nicht darum, den eigenen Körper um jeden Preis schön zu finden, sondern darum, dass es auf den Körper nicht so ankommt: der Mensch im Körper ist wichtiger als wie der Körper aussieht. Das Hadern mit dem eigenen Körper lässt sich im Allgemeinen nicht von einem Tag auf den anderen (und vielleicht überhaupt nie) vollständig ablegen. Aber der Gedanke, sich von der Doppelbelastung, den eigenen Körper perfektionieren und gleichzeitig den unperfekten Körper lieben zu müssen, verabschieden zu können, kann nicht oft genug geteilt werden.

But the whole point of love is to write your own version of normal.

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Roman

Leo Perutz – Zwischen neun und neun

Wie es der Titel nahelegt, spielen sich die Ereignisse dieses Romans innerhalb von 12 Stunden ab, zwischen 9 Uhr morgens und 9 Uhr abends. Während der ersten paar Stunden beobachtet die Leser*in das eigentümliche Verhalten des Protagonisten Stanislaus Demba, bis schließlich das Geheimnis um seine Hände enthüllt wird. Die weiteren Stunden verbringt Demba mit dem Versuch, trotz seiner misslichen Lage Geld einzutreiben, um seine angebetete Sonja zurückzugewinnen. Dabei stolpert er aufgrund der speziellen Verhältnisse (dieses eine Faktum zu spoilern würde den kompletten Spaß am Buch verderben) von einer Peinlichkeit in die nächste. Etwas unbefriedigend ist jedoch das Ende, der scheinbar in eine aussichtslose Lage geratene Protagonist wird durch eine Deus-ex-machina-Wendung in eine auch nicht viel bessere Lage katapultiert. Dadurch werden jedoch die Geschehnisse der vergangenen Stunden nicht aufgeklärt, sondern gewissermaßen ad absurdum geführt.

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English Roman

Leni Zumas – The Listeners

Das Weglegen eines Buches ist mir ja ein vollkommen fremdes Konzept. Aber bei diesem hat es echt lange gebraucht, bis ich halbwegs ein Gefühl dafür bekommen hab. Bei 20% (auf dem Kindle gelesen) hatte ich immer noch das Gefühl, dass ich keine Ahnung habe, wer die Protagonistin ist und warum es ihr in ihrem Leben so geht, wie es ihr geht.

Wie sich später herausstellte, war das bis zu einem gewissen Grad Teil des Konzepts. Das Buch erzählt in großteils sehr kurzen Episoden (teilweise weniger als eine Kindle-Seite) in unterschiedlichen Zeitebenen die Beziehung zwischen Quinn, ihren Geschwistern, ihren Freunden, ihren Partnern, ihren Eltern. Prägendes Element ist der Tod ihrer Schwester, an dem sie sich schuldig fühlt und über den in der Familie nicht gesprochen wird. Während die anderen Erzählstränge großteils offen bleiben (wie es im Leben eben auch so oft ist), findet die Trauer um die verlorene Schwester in gewisser Weise ein Ventil. Das führt das Buch zu einem gewissermaßen versöhnlichen Ende, wobei jedoch der Leserin eigentlich klar ist, dass es für Quinn erst der Anfang ist. Der Anfang zu einem selbstbestimmten Leben.