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English Roman

V.E. Schwab – The Invisible Life of Addie LaRue

What she needs are stories. Stories are a way to preserve one’s self. To be remembered. And to forget. […] Books, she has found, are a way to live a thousand lives – or to find strength in a very long one.

Es gibt diese Bücher, die so gut sind, dass es nahezu unmöglich ist, darüber etwas zu schreiben. Das ist eines davon. Ich werde daher nur ein paar Zitate und Aspekte aneinanderreihen und lege jeder interessierten Leserin ans Herz, selbst zuzugreifen und sich an dieser großartigen Geschichte zu erfreuen.

You wanted to be free, says a voice in her head, but it is not hers; no, it is deeper, smoother, lined with satin and woodsmoke.

Eine Frau, die aus dem von der Gesellschaft für sie vorgesehenen Leben ausbrechen will. Sie will mehr als das karge, harte Leben, das Frauen im 18. Jahrhundert in einem ländlichen Dorf in Frankreich erwarten können. Sie will es so sehr, dass sie bereit ist, dafür alles zu geben.

Freiheit gibt es nicht geschenkt. Sie beinhaltet Fallstricke, die Addie an ihrer Entscheidung zweifeln lassen. Wie frei können wir überhaupt sein innerhalb der Grenzen, die uns Zeit und Raum auferlegen? Zumindest in Geschichten können diese Grenzen verschoben werden, jedoch auch hier nie ganz überwunden.

Nervous, like tomorrow, a word for things that have not happened yet. A word for futures, when for so long all she’s had are presents.

Erinnerungen, die wir mit anderen Personen teilen, haben die einzigartige Fähigkeit, Verbindungen zu schaffen, die nur zwischen Personen existieren, die gemeinsam Erlebtes teilen. Was bedeuten Erinnerungen, die in Kunst verewigt werden? Welche Möglichkeiten gibt es, in Erinnerung zu bleiben, wenn sich niemand an uns erinnert?


Take this, Instagram:

I remember seeing that picture and realizing that photographs weren’t real. There’s no context, just the illusion that you’re showing a snapshot of a life, but life isn’t snapshots, it’s fluid. So photos are like fictions. I loved that about them. Everyone thinks photography is truth, but it’s just a very convincing lie.


Eine Frau, die selbst angesichts unbezwingbar erscheinender Hindernisse niemals aufgibt. Die immer einen Weg findet, um von einem Tag zum Nächsten zu überleben. Die immer wieder etwas Schönes in der Welt entdeckt.

He is all restless energy, and urgent need, and there isn’t enough time, and he knows of course that there never will be. That time always ends a second before you’re ready. That life is the minutes you want minus one.

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English Jugend Roman

John Green and David Levithan – Will Grayson, Will Grayson

Sowohl John Green als auch David Levithan sind Garanten für anspruchsvolle und trotzdem unterhaltsame Jugendliteratur. Beispiele sind etwa The Fault in Our Stars (die Verfilmung aus dem Jahr 2014 ist ebenfalls sehenswert), Every Day (und die beiden Fortsetzungen Another Day und Someday) oder David Levithans Kollaboration mit Rachel Cohn Dash & Lily’s Book of Dares.

me: you have no idea how wrong you are about me.
tiny: you have no idea how wrong you are about yourself.

Es dürfte wohl kein Spoiler sein, wenn ich verrate, dass die Protagonisten des Buches beide Will Grayson heißen und sich zu Beginn nicht kennen, im Verlauf des Buchs aber aufeinander treffen. Im Interview am Ende des Buches erklären die beiden Autoren, wie sie tatsächlich getrennt voneinander die Figuren entwickelt haben, um diese dann Kapitel für Kapitel aneinander heran zu führen.

Wie so oft in Jugendromanen geht es auch hier um die Suche nach der eigenen Identität und das Klarkommen mit der eigenen Vorgeschichte, mit den Voraussetzungen und Umständen, in die wir hineingeboren werden. Eigentlich sollten sich Erwachsenenromane auch mehr mit diesem Thema beschäftigen (wobei sie das bei entsprechender Betrachtung vielleicht ohnehin tun?), weil wer kann schon sagen, sich seiner Identität sicher zu sein? (Falls eine Identität überhaupt etwas Feststehendes sein sollte und nicht eher ein fluides Konzept. In diesem Fall wäre vermutlich das Konzept sich selbst treu zu bleiben hinfällig.) Den Abschluss des Buchs bildet ein Gespräch zwischen den beiden Autoren, in dem John Green über den Konflikt zwischen unserer inneren Identität und der von außen wahrgenommenen Identität erzählt:

I think a lot of the novel is about the weird relationship between identity and existence: In some ways, you are who you are because other people observe you; but in some ways, you are who you are in spite of other people’s observations of you.

Die Verknüpfung dieses Themas mit den philosophischen Überlegungen zu Schrödingers Katze hat mich besonders amüsiert. Und es mir bei der ersten Erwähnung des Bandnamens Maybe Dead Cats nicht mal aufgefallen …

still, what could i say? that i didn’t just feel depressed – instead, it was like the depression was the core of me, of every part of me, from my mind to my bones?

Einer der Will Graysons lebt mit einer Depression. Es gelingt den Autoren meisterhaft, die Isolation dieser Krankheit zu illustrieren; die Art, wie sie die betroffene Person von normalen Menschen abkapselt. Das Unverständnis der Umgebung und die Vorurteile über mental health issues, mit denen depressive Menschen zusätzlich zu ihrer Krankheit zu kämpfen haben, nehmen einen wichtigen Platz ein. Es geht hier nicht nur um Jugendliche, die ihren Platz im Leben suchen, sondern um Jugendliche, die dies unter erschwerten Bedingungen tun und trotzdem einen Weg finden.

all i wanted was one fucking break, one idiotic good thing, and that was clearly too much to ask for, too much to want.

Dazwischen ist das Buch aber auch noch großartig lustig. Die Absurdität, die ich aus Dash & Lily’s Book of Dares erinnere, spiegelt sich hier in den wahnwitzigen Musicalnummern wieder, die ich wirklich gern auf einer Bühne sehen würde. Nicht zuletzt hat mich die Referenz auf einen Film aus meiner eigenen Jugend amüsiert (Charlie Alle Hunde kommen in den Himmel). Mal sehen, ob ich den irgendwo auftreiben kann …

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English Jugend Roman

Nina LaCour – Everything Leads to You

I thought that her story was comprised of scenes. I thought the tragedy could be glamorous and her grief could be undone by a sunnier future. I thought we could pinpoint dramatic events on a time line and call it a life. But I was wrong. There are no scenes in life, there are only minutes.

Letztens habe ich mir ein paar Minuten gestattet, um nachzuschauen, ob etwas von meiner Buchliste, das bisher nicht in der Overdrive eLibrary verfügbar war, nun neu dazu gekommen ist. Und tatsächlich war dieser Roman dabei. Ersatzweise hatte ich vor zwei Jahren We Are Okay von Nina LaCour gelesen.

Because in the conversation beneath this one, what we’re really saying is I am an imperfect person. Here are my failures. Do you want me anyway?

Dieses Werk ist deutlich fröhlicher angelegt. Die Protagonistin Emi stößt gemeinsam mit ihrer Freundin Charlotte auf einen Brief in der Hinterlassenschaft eines bekannten Schauspielers und die beiden machen sich auf die Suche nach der Lösung des Rätsels. Diese führt sie schließlich zu Ava, der Enkelin des Verstorbenen, die von ihrer Verwandtschaft mit dem Darsteller keine Ahnung hatte.

People talk about coming out as though it’s this big one-time event. But really, most people have to come out over and over to basically every new person they meet.

Zwischen dem Geheimnis hinter Avas Familiengeschichte, der sich entspinnenden Verbundenheit/Verliebtheit zwischen Emi und Ava und den vielen Blicken hinter die Kulissen des Setdesigns der Traumfabrik (Emi arbeitet als aufstrebende Set Designerin) gelingt es der Autorin auch noch, die gesamten Unsicherheiten junger Menschen transparent zu machen. Obwohl ich diese Zeit meines Lebens lange hinter mir gelassen habe, konnte ich mitfühlen mit all den Zweifeln, vor allem Emis Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten. Wesentlich wichtiger als die perfekte Lösung für ein Arbeitsproblem ist jedoch der Mut, etwas auszuprobieren und falls es nicht klappt, später auch den Fehler zugeben zu können und nachzubessern. Brave, not perfect.

“What I’m trying to say is that I just want to know you. You don’t have to be at your best. We can’t all be our best all the time. But,” I say again, “I just want to know you.”

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English Fantasy Roman

George R. R. Martin – Game of Thrones

I am doing the right thing, he told himself, so why do I feel so bad?

An und für sich finde ich ja die Reading Analytics, die die Libby App so ausspuckt, nach wie vor eher beunruhigend. Sie zeichnet einfach genau auf, wann ich wie lang gelesen habe, und berechnet daraus, wie lang ich für ein Buch gebraucht habe und wie lang ich vermutlich noch brauchen werde, bis ich damit fertig bin. Bei diesem Buch hat es mich dann doch interessiert, wie lange ich gebraucht habe und es waren 21 Stunden und 21 Minuten, verteilt über 8 Tage. (Ja, es ist November inmitten einer Pandemie, ich hatte neben Erwerbsarbeit nicht viel anderes zu tun.)

Neil Pasricha zitiert in seinem Podcast 3 Books immer wieder mal George R. R. Martin, der sinngemäß geschrieben haben soll, ein Mensch, der Bücher liest, lebt während seiner Lebenszeit 1000 verschiedene Leben, ein Mensch, der nicht liest, lebt nur ein einziges Leben. Obwohl es in diesem Buch hauptsächlich um Intrigen, Schlachten und Kämpfe geht (wer verbündet sich mit wem, wer intrigiert gegen wen, wer wird die Thronnachfolge antreten?), konnte ich zumindest ein Zitat finden, das mir zum Thema Bücher und Lesen ins Auge gestochen ist:

My mind is my weapon. My brother has his sword, King Robert has his warhammer, and I have my mind … and a mind needs books as a sword needs whetstone, if its to keep its edge.

Irgendwann diese Woche dachte ich beim Spazierengehen darüber nach, wie wohl eine utopische Welt aussehen könnte, in der das Streben nach Geld und Macht nicht existiert. Sehr weit bin ich in dem Gedankenexperiment nicht gekommen. Weil irgendwie jeder Mensch nach irgendwas strebt, selbst wenn es nicht Geld oder Macht ist. Und oft ist das wahre Ziel nur zu erreichen über den Umweg Geld oder Macht. Selbst wenn das hehre Ziel ist, ein Heilmittel für Krebs zu erfinden, dann lässt sich dieses vermutlich eher nur über den Umweg von Geld (Möglichkeit, eine umfassende Forschung zu finanzieren) oder Macht (Möglichkeit, die Geschicke eines Pharmaunternehmens zu steuern) erreichen. Eine Welt ohne das Streben nach Geld oder Macht müsste daher so fundamental anders aussehen, dass es mir an Fantasie mangelt, sie mir vorzustellen. Und selbst dann würden Menschen vermutlich noch aus Gründen der Liebe und der Eifersucht aufeinander losgehen …

That should be enough for any woman … but not for the dragon. With Viserys gone, Daenerys was the last, the very last. She was the seed of kings and conquerers, and so too the child inside her. She must not forget.

Streben nach Macht ist eines der zentralen Motive dieses Buchs. Die Mittel, die die einzelnen Personen einsetzen, sind unterschiedlich, ebenso die Ergebnisse. In einer mittelalterlich geprägten Welt, in der Status anhand des Schwertes gemessen wird, haben Frauen erwartungsgemäß einen niedrigeren Stellenwert. Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass die bereits eingeführten Frauenfiguren durchaus interessante Entwicklungen durchmachen dürften. Ich werde demnächst mit dem zweiten Teil der Reihe weiterlesen.

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English Roman

Claire-Luise Bennett – Pond

The hopelessness of everything I was trying to occupy myself with was at last glaringly crystal clear.

Irgendwie hatte ich die ganze Zeit während des Lesens das Gefühl, als ob ich nicht genau wüsste, worum es eigentlich geht. Ich fühlte mich erinnert an Leni Zumas – The Listeners und Ottessa Moshfegh – My Year of Rest and Relaxation, mit denen ich nicht wirklich viel anzufangen wusste. Möglicherweise war es die kürzliche Lektüre von Sylvia Plath – The Bell Jar, die mich dann vermuten hat lassen, dass die Protagonistin, die im Stream-of-consciousness-Stil erzählt, vermutlich an einer Depression leidet.

The large-scale changes in fact were of no interest to me at all; it was the small things that remained constant which sort of attracted me.

In diese gedankliche Richtung geschubst hat mich die ausführliche Referenz auf Marlen Haushofer – Die Wand. Neben der Einsamkeit, die die ebenfalls namenlose Erzählerin erlebt, stellt sie auch fest, dass die Kategorien, die sie bisher zur eigenen Identifikation verwendet hat, nun alle nicht mehr von Bedeutung sind. Als letzter lebendiger Mensch ist es schließlich egal, was für Rollen wir früher für uns gesehen haben.

Then it occurred to me that perhaps I’d been terrified for longer than all day, and I had rather mixed feelings upon realising that – I wasn’t much keen on the idea that I had been terrified for years, but it seemed possible. 

Gegen Ende des Buches werden die Sprünge größer, die Bezüge unwirklicher, die Erzählerin scheint den Faden zu verlieren. Gleichzeitig schleicht sich langsam die Erkenntnis ein, dass hier definitiv etwas nicht stimmt. Gepaart mit der Frage, wo das eigentlich alles hinführen soll.

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English Roman

Sylvia Plath – The Bell Jar

The big questions: how to sort out your life, how to work out what you want, how to deal with men and sex, how to be true to yourself and how to figure out what that means – those things are the same today.

Zu Beginn muss ich zugeben, dass ich über Sylvia Plath, ihr Leben oder ihren einzigen Roman The Bell Jar absolut nichts wusste. Ich wusste nicht mal, was die Wortkombination Bell Jar überhaupt bedeutet. Aus dem Buch habe ich dann erfahren, dass es sich um eine Glasglocke handelt (ich musste an jene denken, in der in Die Schöne und das Biest die Rose langsam ihre Blätter verliert). Etwas erstaunt war ich dann, als ich schon in der Einleitung von Frances McCullough aus dem Jahr 1996 las, dass dieses Buch im englischsprachigen oder amerikanischen Sprachraum als weibliches Pendant zu J. D. Salingers Fänger im Roggen gehandelt wird (… it quickly established itself as a female rite-of-passage novel, a twin to Catcher in the Rye). Beide Bücher beschäftigen sich mit dem Übergang von der jugendlichen Lebensphase in die Erwachsenenphase. Der Fänger im Roggen war eines der Bücher, an die ich mich erinnere, weil die gesamte Klasse sie im Deutschunterricht damals lesen musste. Viele andere Bücher wurden jeweils nur in der Form durchgenommen, dass ein*e Schüler*in sie lesen und dann ein Referat darüber halten musste. Neben Der Fänger im Roggen erinnere ich mich an Gernot Wolfgrubers Herrenjahre und Die neuen Leiden des jungen W. von Ulrich Plenzdorf. Als „weibliches Gegengewicht“ hatten wir in meiner Erinnerung Elfriede Jelineks Die Klavierspielerin.

Während der Lektüre fragte ich mich dann natürlich, warum The Bell Jar damals nicht in unserem Literaturkanon vorkam. Ich habe seit meiner Kindheit extrem gern gelesen und auch schwierigere Werke, die eigentlich nicht meiner Altersklasse entsprachen, konnten mich im Allgemeinen nicht erschrecken. Mit Elfriede Jelinek wusste ich jedoch nichts anzufangen. Und The Bell Jar erschien mir jetzt als wesentlich sinnvollere Alternative für mich und meine damaligen Altersgenossen. (Wobei ich immer noch lieber The Giver vorschlagen würde …)

I could have called down and asked for a breakfast tray in my room, I guess, but then I would have to tip the person who brought it up and I never knew how much to tip.

Was Sylvia Plath in The Bell Jar meisterhaft gelingt, ist die Darstellung der das ganze Leben umfassenden und erdrückenden Unsicherheit, die uns auf der Suche nach uns selbst zurückhält und manchmal sogar erstickt. Ihre Schilderung der Protagonistin Esther in ihrem Zustand der Orientierungslosigkeit, Verzweiflung und Depression hat mich tief beeindruckt. Dass ihre Beschreibung der Depression auf ihren eigenen Erfahrungen beruht, macht die Geschichte noch umso mehr glaubhafter. Das obige Zitat stammt aus dem Beginn des Romans, wo Esther noch scheinbar in die Gesellschaft passt und ihren Weg irgendwie vor sich sieht. Doch selbst da zeigt sich ihre Unsicherheit, ihr Versuch, in die Gesellschaft zu passen und nicht negativ aufzufallen, schon in kleinen Gesten, die sie von den anderen Mädchen in ihrer Gesellschaft abheben.

The trouble was, I hated the idea of serving men in any way. I wanted to dictate my own thrilling letters.

Gleichzeitig findet sich in diesem Roman etwas deutlich Feministisches; unter anderem die Frage, warum das sexuelle Verhalten von Frauen und Männern mit zweierlei Maß gemessen wird. Das wird auch ausführlich erläutert in diesem Lithub-Artikel über eine neu erschienene Biographie über die Autorin. Auch Kritik über ihre Verwendung von rassistischen Begriffen findet dort ihren Platz, wobei ich denke, dass ihre Verwendung von bestimmten Begrifflichkeiten auch in ihrem zeitlichen Kontext gesehen werden muss. Das soll keine Entschuldigung sein, aber ich kann einfach nicht einsehen, warum wir Astrid Lindgren verurteilen sollten, weil Pippi Langstrumpf 1945 keinen Südseekönig, sondern einen Begriff, den wir heute nicht mehr nennen wollen/sollen, zum Vater hatte. Es ist wichtig, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen und sie nicht zu ignorieren, es kann aber in meinen Augen kein Grund sein, um das gesamte Werk einer Autorin zu verdammen.

Lange Rede, kurzer Sinn: The Bell Jar beschreibt eine junge Frau, die auf der Suche ist und daran beinahe zerbricht. Auf der Suche nach dem richtigen Lebensweg, auf der Suche nach sich selbst, auf der Suche nach Verständnis, auf der Suche danach, wahrgenommen zu werden, so wie sie ist. Ich wünschte wirklich, ich hätte das in meiner Jugendzeit lesen dürfen.

To the person in the bell jar, blank and stopped as a dead baby, the world itself is the bad dream.

A bad dream.

I remembered everything.

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English Roman

Pamela Erens – Eleven Hours

Dieses kurze Werk dreht sich um zwei Frauen: Lore, die in dieser Nacht ihr Kind zur Welt bringen wird und Franckline, die als Krankenschwester auf der Entbindungsstation arbeitet und Lore während ihres Geburtsprozesses begleitet. Während Lore ihre Wehen durchmacht (die unterschiedlichen Schmerzen und Gefühle, die dabei aufkommen, werden ausführlich beschrieben), erfährt die Leserin auch Hintergrundgeschichten über beide. Franckline ist selbst schwanger und hat große Angst, ihr Baby zu verlieren, da sie bereits eine Fehlgeburt erlebt hat. Lore denkt an den Kindsvater, den sie wegen einer Dreiecksgeschichte mit ihrer Freundin Julia aus ihrem und dem Leben des Kindes verbannt hat. Wobei das Problem eigentlich nicht die Dreiecksgeschichte zu sein scheint, denn Lore liebt(e) Julia ja auch, sondern die Heimlichkeit, der Betrug, den Lore nun beiden geliebten Menschen nicht verzeihen kann. Die Schmerzen des Geburtsprozesses lassen sie an ihrer Entscheidung zweifeln, dem Kind als alleiniges Elternteil genügen zu können.

Das Aufschneiden des Rings, den Lore sich selbst gekauft hat, und der nun ihrem geschwollenen Finger die Blutzufuhr abschnürt, steht symbolisch für einen Abschied von ihrem früheren Leben. Sie wird ab jetzt nicht mehr dieselbe Lore sein, die sie war, sie wird ab jetzt Mutter sein und damit für immer an ihr Kind gebunden. Eine Bindung, die sich nicht so einfach zerstören lässt wie die Beziehung zum Kindsvater und ihrer Freundin.

Obwohl es also oberflächlich um den Geburtsprozess geht, stehen daneben auch die Beziehungsthemen, die zu komplizierten Verhältnissen führen und die Ängste und Zweifel, die Frauen am Rande der Mutterschaft plagen.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Joan Didion – The Year of Magical Thinking

Yet I had always at some level apprehended, because I was born fearful, that some events in life would remain beyond my ability to control or manage them. Some events would just happen. This was one of those events. You sit down to dinner and life as you know it ends.

Die Autorin beschreibt in diesem Buch ihren Trauerprozess, das Jahr ihres Lebens nach dem überraschenden Tod ihres Ehemanns John. Während sie zu Beginn geradezu analytisch den Abend beschreibt, an dem er zuhause beim Abendessen einen Herzinfarkt erleidet, von den rasch eintreffenden Rettungskräften nicht reanimiert werden kann und im Krankenhaus schließlich für tot erklärt wird, geht sie in den weiteren Kapiteln deutlich intensiver auf ihren eigenen Gefühlsprozess ein. Auch darin zeigt sich schon, dass Trauer in verschiedenen Phasen abläuft. (Auf die 5 Phasen des Trauerns nach Elisabeth Kübler-Ross will ich hier nicht eingehen, wer sie noch nicht kennt, kann das an anderer Stelle nachlesen.) Der Titel des Buches spielt auch darauf an, dass die Autorin, wie sie selbst sagt, noch Monate danach trotz des Wissens, dass ihr Mann tot ist, irgendwie auf seine Rückkehr wartet.

That I was only now beginning the process of mourning did not occur to me.
Until now I had been able only to grieve, not mourn. Grief was passive. Grief happened. Mourning, the act of dealing with grief, required attention.

Die beiden Begriffe grief und mourn habe ich gerade im Wörterbuch nachgeschlagen. Zu übersetzen ist beides mit dem Wort Trauer bzw. trauern, aber es zeigt sich auch im Deutschen, dass das Nomen grief/Trauer eher einen Zustand, eine Emotion darstellt, die uns ergreift und die wir passiv erleben. Das Verb to mourn/trauern drückt hingegen eine Tätigkeit aus, die aktive Beschäftigung mit dem Verlust der geliebten Person.

Nor can we know ahead of the fact (and here lies the heart of the difference between grief as we imagine it and grief as it is) the unending absence that follows, the void, the very opposite of meaning, the relentless succession of moments during which we will confront the experience of meaninglessness itself.

Trauer, wie wir sie uns vorstellen, so lange sie uns nicht betrifft, ist nicht dasselbe wie Trauer, wenn sie uns dann tatsächlich ergreift. Die Autorin beschreibt wortreich, wie die Abwesenheit ihres Mannes sie in ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit abgleiten lässt, wie die Kleinigkeiten des Alltags plötzlich bedeutungslos werden durch die Nicht-mehr-Vorhandenheit der geliebten Person.

We built fires even on summer evenings, because the fog came in. Fires said we were home, we had drawn the circle, we were safe through the night.

Das obige Zitat habe ich notiert, weil es für mich so ein bekanntes Gefühl beschreibt. Eine Freundin empfindet Ähnliches, wenn am Abend alle ihre Kinder in ihren Betten liegen und sie sich eine Kerze anzündet und die Stille genießt. Mir geht es so, wenn der Hund neben mir auf der Couch leise schnarcht. Es ist ein Sicherheitsgefühl in unserer eigenen kleinen Welt, das uns in diesem Moment von allen Gefahren der Welt abzuschirmen scheint. Und das trotzdem von einem auf den anderen Moment gestört werden kann. Das ist es, was die Autorin im ersten Zitat ganz oben meint (das sich im Verlauf des Buches immer wieder wiederholt, weil es den zentralen Moment illustriert): You sit down to dinner and life as you know it ends.

I realized today for the first time that my memory of this day a year ago is a memory that does not involve John.

Nach einem Jahr hat sich schließlich die Perspektive verändert. Die Autorin ist nahezu unzufrieden mit der Distanz, die sie zum gemeinsamen Leben mit ihrem verstorbenen Mann entwickelt hat. Und doch lässt sich ein Weiterleben vermutlich anders nicht bewerkstelligen.

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English Roman Science Fiction

John Scalzi – Redshirts

“Jenkins, listen to me,” Dahl said, leaning in, “There’s no way to hide from this. There’s no way to run from it. There’s no way to avoid fate. If the Narrative exists – and you and I know it does – then in the end we don’t have free will. Sooner or later the Narrative will come for each of us. […]”

Ohne Spoiler wird dieser Blog Post nicht funktionieren. Ich glaube zwar, dass durch ein voriges Wissen der Struktur der Geschichte der Lesespaß nicht vollkommen verdorben wird. Ich könnte mir nach dem letzten Drittel durchaus vorstellen, dass es interessant wäre, den vorderen Teil nochmal mit anderem Wissen zu lesen. Aber seid gewarnt, ich werde essenzielle Teile der Geschichte verraten müssen, um zu beschreiben, was an dieser Geschichte gut und irritierend ist. Wobei ich vorab sagen möchte, dass es sich sowohl als Unterhaltung gut lesen lässt, als auch als existenzielle Frage nach dem Wesen des Menschen und der Möglichkeit des Freien Willens.

Im ersten Teil geht alles sehr schnell, wir lernen einige Personen kennen, die gerade ihren Dienst auf dem Raumschiff Intrepid antreten. Bevor ich mir noch alle Namen gemerkt hatte, waren bereits die ersten dieser Personen auf einer Außenmission zu Tode gekommen. Wie sich später zeigt, steckt dahinter ein Muster. Während die lange gedienten Crew-Mitglieder immer wieder mit dem Leben davon kommen, kommt bei jeder Außenmission zumindest ein frisches Crew-Mitglied grausam zu Tode. Was die neuen Crew-Mitglieder misstrauisch macht. Ein mysteriöser Yeti-ähnlicher Charakter, der aus den Frachttunneln tief im Inneren des Raumschiffs auftaucht, trägt zusätzlich zur Verwirrung bei.

Es folgt die Erkenntnis, dass die handelnden Personen Nebencharaktere in einer schlechten Science-Fiction-Serie sind. Wobei unterschwellig die Frage nach dem freien Willen erörtert wird und die Frage, was eine Person überhaupt zu einer Person macht. Sind die Charaktere der Serie nun eine eigene Person, obwohl derselbe Körper in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort ein völlig anderes Leben führt?

Die Charaktere auf der Intrepid erarbeiten einen relativ absurden Plan, um mit den Produzent*innen der Serie in Kontakt zu treten, um so ihren eigenen Tod zu verhindern. Mit einem großen Knall verschwinden sie dann alle aus dem Buch, um im letzten Teil Platz zu machen für den Schreiber der Serie, der nun damit hadert, dass er nichts mehr schreiben kann, ohne sich dabei als Mörder zu fühlen. Das Ende wartet mit einer überraschenden Enthüllung auf, die für den abrupten Bruch mitten im Buch nur halbwegs entschädigt.

“Doesn’t that mess with you?” Abnett asked. “Knowing that you exist, and don’t exist, and are real and aren’t, all at the same time?”

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English Erfahrungsbericht Memoir

Glennon Doyle – Untamed

How much of this was my idea? Do I truly want any of this, or is this what I was conditioned to want? Which of my beliefs are of my own creation and which were programmed into me?

Im November 2017 habe ich Glennon Doyles Memoir Love Warrior gelesen und mich damals eher nur peripher mit ihren Erfahrungen identifiziert. Das ist bei ihrem neuen Buch Untamed deutlich anders gewesen. Das mag jetzt daran liegen, dass sie selbst (und ihre Lebensgestaltung) sich in der Zeit zwischen den Büchern sehr verändert haben, könnte aber auch damit zu tun haben, dass ich mich in dieser Zeit verändert habe. Vermutlich eine Kombination aus beidem.

What matters is not what is real, but what I can convince others is real. What matters is not how I feel inside, but how I appear to feel on the outside.

Auch in diesem Buch setzt sie sich damit auseinander, wie Frauen mit den Erwartungen umgehen, die von außen an sie herangetragen werden oder wie sie schreibt, die „in uns hineinprogrammiert werden“. Als Kinder wachsen wir auf und erleben die Welt und nehmen das, was wir dort erleben, als die Norm an, als das, wie die Welt ist. Wir kennen nur diese Wahrnehmung und nehmen daher an, dass die Welt für alle so ist, wie sie uns gerade erscheint. Wir sehen Frauen und Männer bestimmte Rollen ausüben, wir sehen ein bestimmtes dominantes Familienbild und nehmen an, dass das Leben so zu sein hat.

All of those differing opinions meant that I quite literally could not please everyone. That was a relief. When a woman finally learns that pleasing the world is impossible, she becomes free to learn how to please herself.

Wie ich schon im letzten Blog Post zu Brave, not perfect schrieb, ist es als Frau und speziell als Mutter unmöglich, alle Erwartungen zu erfüllen. Das kann eine Belastung sein, die uns Tag für Tag runterzieht, wir könnten es aber auch als Befreiuung betrachten. Wenn es den richtigen Weg nicht gibt, können wir genauso gut auf uns selbst hören und den für uns richtigen Weg finden.

I have to search for and depend upon the voice of inner wisdom instead of voices of outer approval. This saves me from living someone else’s life.

Für mich stellt sich auch oft die Frage, was denn jetzt die richtige Entscheidung, die richtige Handlung, der richtige Weg ist. Bei großen Entscheidungen habe ich dabei meistens auf meine innere Stimme gehört, bei kleineren (alltäglichen) Entscheidungen neige ich dazu, mich an gesellschaftlichen Normen zu orientieren. Bis zu einem gewissen Grad halte ich das auch für sinnvoll und notwendig, wir können nicht bei jeder alltäglichen Entscheidung das Rad neu erfinden. Normen helfen uns, uns in der Welt zurecht zu finden und nicht aus jeder Kleinigkeit eine existenzielle Lebensentscheidung zu machen. Schwierig ist es nur, den Punkt zu finden, wo Normen uns mehr schaden, als sie uns helfen. Und dann dort eine Grenze zu setzen und sich für das zu entscheiden, was für uns selbst richtig ist.

The norms were created by somebody, and each of us is somebody. We can make our own normal. We can throw out all the rules and write our own. […] We can stop asking what the world wants from us and instead ask ourselves what we want for our world.

Die Autorin bezieht sich dabei auf das Gestalten ihrer neuen Familie. Wie die Leserin aus Love Warrior bereits weiß, ist die Ehe mit Craig mit Schwierigkeiten und Missverständnissen gepflastert. Erst die Scheidung führt dazu, dass die beiden gemeinsam Eltern sein können, ohne Lebenspartner im romantischen Sinn sein zu müssen und dies eröffnet beiden die Möglichkeit, ihr eigenes Leben so zu gestalten, wie es sich richtig anfühlt, ohne das Gegenüber damit zurückzuhalten.

Freedom is not being for or against an ideal, but creating your own existence from scratch.

Selbstverständlich ist für Kinder die Scheidung der Eltern schwer zu verarbeiten. Wenn aber beide Elternteile daran arbeiten, es für die Kinder verständlicher und erträglicher zu machen, dann ist eine Scheidung die bessere Lösung als eine unglückliche Ehe.

Brave does not mean feeling afraid and doing it anyway. Brave means living from the inside out. Brave means, in every uncertain moment, turning inward, feeling for the Knowing, and speaking it out loud.

Es war ein Zufall, dass diese beiden Bücher (Brave, not perfect und Untamed) direkt hintereinander hier im Blog erscheinen. Auf Untamed habe ich wochenlang gewartet, in der Overdrive eLibrary der Büchereien Wien waren drei Kopien vorhanden, aber es warteten immer mehr als 10 Personen darauf. Manchmal können diese Zufälle aber auch interessante Kombinationen an Blickwinkeln hervorrufen. Wie im obigen Zitat beschrieben, geht es bei brave (die deutschen Adjektive mutig, tapfer, heldenhaft, unerschrocken passen für mich irgendwie alle nicht) nicht darum, die Angst zu überwinden. Es geht vielmehr darum, auf uns selbst zu hören und das für uns Richtige zu tun, auch wenn das nicht zwingend das sein wird, was andere erwarten. Es ist nicht brave, in einer Situation auszuharren, die uns unglücklich macht, obwohl wir auch einfach aufstehen und gehen könnten.

If you let yourself shatter and then put yourself back together, piece by piece, you wake up one day and realize that you have been completely reassembled.

Mit ihrer Geschichte macht die Autorin auch Mut, in schwierigen Situationen weiterzumachen. Auch wenn es uns manchmal so erscheint, als gäbe es keine Lösungen, als wäre alles so unendlich kaputt, dass es sich nie mehr zusammensetzen lässt, gibt es immer einen nächsten Schritt. Und aus jeder Krise können wir etwas lernen, gestärkt hervorgehen. Ich muss zugeben, dass ich mit ihrem Ansatz „dort hinhören, wo der Schmerz ist und dann herausfinden, was uns der Schmerz mitteilen will und daraus etwas Gutes machen/etwas lernen“ bisher im Alltag wenig Erfolg hatte, aber ich vermute mal, das geht nicht von einer Sekunde auf die andere. Es gibt immer einen nächsten Schritt. Manchmal sehen wir den erst nach einer Pause, aber es gibt immer einen nächsten Schritt. Nehmen wir uns die Zeit, mehr auf uns selbst zu hören und sehen wir, was dabei herauskommt.

No one can be a supporting actor in someone else’s storyline. They can pretend to, but they will always have subplots brewing inside and unfolding outside.