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Roman

Nicolas Fargues – Nicht so schlimm

Tiger(c)streuner/PIXELIO

Ich bin nicht für die Vernunftliebe gemacht, ich ertrage keine Halbherzigkeiten, kein Mittelmaß, keine Vorsicht. Ehrlich gesagt, ertrage ich es nicht, keine Leidenschaft auszulösen, Egosache wohl. Ich bin für Beziehungen totaler Intimität gemacht, alles oder nichts, ohne Zurückhhaltung. Und dafür muss man eben einen Preis zahlen. Ich mache jedes Mal denselben Fehler, und ich stehe dazu, nichts zu machen. Ist das wirklich so schlimm? Kann man das nicht auch Liebe nennen?

Die vertrauliche Atmosphäre, in der der Ich-Erzähler von seiner Beziehung zu seiner Frau und der „anderen Frau“ erzählt, lässt das Ganze teilweise wie ein Gespräch unter Freunden wirken. Und wie bei einem guten Freund will man einschreiten, weil man den Erzähler mit offenen Augen ins Verderben laufen sieht. Es handelt sich um eine dieser Beziehungen, wo jeder andere sich denkt, warum bleibt dieser Mensch? Seine Frau Alexandrine schlägt ihn, demütigt ihn, dominiert beider Leben und lässt ihn doch nicht an sich heran. Für den nüchternen Zuschauer scheint eine Trennung die einzige Möglichkeit, beider Leben langfristig zu verbessern. Bis der Ich-Erzähler zum selben Schluss kommt, dauert es noch Monate.

Die Beziehung als Kampf, sage ich dir, bis ins Schlafzimmer. Ich glaube, dass das Ende unserer Geschichte vielleicht auch das Ergebnis eines lange verborgenen interkulturellen Konfliktes ist. Alex selbst hat mir das eines Abends mal gesagt: „Deine Geschichte mit Alice ist umso schmerzhafter für mich, als ich mir sage, dass ihr euch perfekt verstanden habt, weil ihr beide Weiße seid.“

In Italien lernt er schließlich die „andere Frau“ kennen, eine Frau, mit der er sich scheinbar blind versteht, trotz Sprachbarriere, aber mit der gleichen Hautfarbe. Der potentielle Rassenkonflikt wird nur kurz angeschnitten (siehe obiges Zitat), dieser Aspekt scheint etwas halbherzig eingeworfen, ohne dann weiter darauf einzugehen. Es würde auch nicht passen, denn der Fokus liegt in dieser Geschichte eindeutig auf den Beziehungen zwischen Männern und Frauen.

Warum lassen sich Menschen in Beziehungen auf so viel Leid ein? Warum lässt sich Alice auf die Beziehung mit einem verheirateten Mann ein? Warum bleibt sie dabei, obwohl sie aus seinen Erzählungen die Probleme mit seiner Frau kennt und sehen muss, dass er nicht fähig ist, sie zu verlassen? Warum bleibt er selbst? Unser Ich-Erzähler bezeichnet sich immer wieder selbst als Feigling, man kann ihm bis zur schlussendlichen Wende nur zustimmen, wenn sich auch wider Erwarten schließlich das Happy End einstellt. Ein packendes Beziehungsportrait, das die Leidensfähigkeit der Menschen thematisiert und zeigt, dass oft eine Trennung und ein Neuanfang dem weiteren Festhalten an Beziehungen vorzuziehen ist.

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Roman

Jostein Gaarder – Vita brevis: Das Leben ist kurz

Schmetterlinge (c)Martin Ostheimer / PIXELIO

Denn du hast mir Leib und Seele gegeben, so, wie ich dir Leib und Seele verpfändet habe. Wo du warst, da war ich, und wo ich war, da wolltest auch du sein.

Die Rahmenhandlung bestreitet in diesem Roman Jostein Gaarder selbst: Er erzählt, wie er in einem Antiquariat eine Kassette findet, die ein scheinbar altes Schriftstück enthält. Geschrieben wurde es von Floria an Aurel Augustin, Bischof von Hippo. Schrieb Sie diesen Brief an den Bischof als Antwort auf seine Bekenntnisse, in denen er um das Jahr 400 seine endgültige Abkehr vom weltlichen Leben und seine vollständige Hinwendung zur Religion begründet.

Laut diesem Brief war Floria jahrelang Aurels Geliebte, die beiden hatten auch einen gemeinsamen Sohn, der bereits in jungen Jahren einer Krankheit zum Opfer fiel. Auch Aurels Mutter Monika steht zwischen ihnen, denn sie möchte den Sohn angemessen verheiraten. Floria schreibt sich hier ihren Ärger über Aurel von der Seele. Aus ihrer Sicht hat er nicht nur sie, sondern auch ihre Liebe und den gemeinsamen Sohn verraten.

Ich glaube, damals hast du wirklich angefangen, nach einer Wahrheit zu suchen, die deine Seele vor der Vergänglichkeit retten konnte. Ich sagte: Nimm mich in den Arm. Das Leben ist so kurz, und es steht nicht fest, ob es für unsere schwachen Seelen eine Ewigkeit gibt. Aber das wolltest du mir nicht glauben, Aurel. Du wolltest nichts unversucht lassen, eine Ewigkeit für deine Seele zu finden. Es schien dir wichtiger zu sein, deine Seele vor der Verdammnis zu retten als meine.

Noch immer leidet Floria unter dem Verlust des Geliebten, der sie aus ihrer Sicht durch seine Bekenntnisse auch verleugnet. Immer wieder führt sie seine Argumentation aus den Bekenntnissen ad absurdum. Gerade die Unsterblichkeit der Seelen, auf die Augustin nun durch den vollkommenen Verzicht auf alle leiblichen Genüsse zu erreichen hofft, erscheint ihr das falsche Ziel. Immer wieder bezieht sie sich auf die gemeinsamen Erinnerungen. Ihr Brief ist ein Befreiungsschlag und gleichzeitig ein Hohelied auf die Liebe.

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Krimi Roman Unterhaltung

Donna Leon – Endstation Venedig

Brunetti kam am nächsten Morgen um acht in die Questura, nachdem er unterwegs noch die Zeitungen gekauft hatte. Der Mord hatte es auf Seite elf des Corriere geschafft, der allerdings nur zwei Absätze dafür übrig hatte, in La Repubblica wurde er nicht erwähnt, verständlich am Jahrestag eines blutigen Bombenanschlags der sechziger Jahre, aber er war auf der ersten Seite des zweiten Teils von Il Gazzettino gelandet, gleich links neben einem Bericht – dieser mit Foto – über den tödlichen Unfall dreier junger Männer, die mit ihrem Auto auf der Autobahn zwischen Dolo und Mestre in einen Baum gerast waren.

Dieses Zitat verdeutlicht in einem die unterschiedlichen Aspekte, die ich zu diesem Krimi verdeutlichen möchte.

  • Donna Leons Krimis über den langweilig sympathischen Commissario Brunetti leben großteils vom italienischen bzw. venezianischen Lokalkolorit. Die versinkende Lagunenstadt übt auf viele eine faszinierende Anziehungskraft aus, was jeder dort spielenden Geschichte ebenfalls etwas Mysteriöses gibt.
  • Brunettis scheinbar normales Familienleben mag der Hauptfigur eine Basis geben, die die Auseinandersetzung mit den vielen Straftaten erträglicher macht. Manchmal ist es jedoch schlicht langweilig, wenn die Beschreibung des Abendessens gerade wieder ausufert. Das mag bei Eva Rossmann überzeugen, dies gilt jedoch nicht für Donna Leon.
  • Interessantestes Detail an diesem Werk ist der unterschwellig aktuelle (der Roman erschien erstmals 1993, aber die Thematik ist noch immer gültig) Bezug zur Umweltverschmutzung und die Kritik an der amerikanischen Regierung bzw. an Regierungen weltweit. Zu realistisch jedoch der Ausgang dieser Verknüpfung, indem natürlich die übliche Vertuschung vorgenommen wird.

Wie bereits in meinem Beitrag zu Stieg Larssons Verblendung angemerkt, sei vom anschließenden Genuss eines Donna Leon-Krimis abgeraten, da man sich unnötig langweilt, wenn man erstmal Bekanntschaft mit Stieg Larsson gemacht hat. Ich überlege jetzt, ob ich überhaupt weitere Brunettis lesen sollte, es heißt so oft, einer wäre wie der andere. Da würden mich durchaus andere Meinungen zu diesem Thema interessieren.

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Roman Unterhaltung

Marc Levy – Bis ich dich wiedersehe

Louvre Pyramide 

„Ich liebe dich und werde nie aufhören können, dich zu lieben, ich weiß nicht, wie und warum. Ich liebe dich so, weil ich keine andere Art kenne. Wo du nicht bist, kann ich auch nicht sein.“ Jonathan drückte seine Lippen auf Claras Mund, und zum letzten Mal in seinem Leben begann sich alles um ihn herum zu drehen.

Marc Levy ist Spezialist für Liebe zwischen Zeiten und Welten und da macht auch „Bis ich dich wiedersehe“ keine Ausnahme. Jonathan und Clara meinen beide von der ersten Begegnung an, sich bereits zu kennen. Die Liebe zum russischen Maler Wladimir Radskin verbindet sie. Sein mutmaßliches letztes Bild blieb jedoch unsigniert und um seinem Freund Peter, der das Bild versteigern soll, zu helfen, versuchen die beiden, die Urheberschaft des Bildes zu beweisen. Als sich ihre Hände zum ersten Mal berühren, haben beide Visionen aus der Vergangenheit.

Langsam entrollt sich die Geschichte des Malers und damit auch die Geschichte von Clara und Jonathan sowie Jonathans Verlobter Anna und deren Familie. Eine Geschichte über mehrere Generationen hinweg.

Seinem Stil bleibt Marc Levy auch in diesem Roman treu, die Rückblenden bleiben etwas kurz und nur langsam zeigen sich die Anzeichen der hintergründigen Familiengeschichte. Dann kommt die Auflösung beinahe zu schnell. 

Ein Liebesroman, an dem man sich in dunklen einsamen Nächten das Herz wärmen kann.

 

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Christoph Ransmayr – Die letzte Welt

Meer by Zopfliese/PIXELIO

Cotta spürte, wie die Wellen ihm den schwarzen, feinkörnigen Sand in die Schuhe schwemmten, wie Wasserzungen über seine Füße hinweg auf den Strand und wieder ins Meer zurückglitten und alle Spuren des hinter ihnen liegenden Weges verwischten. Dennoch rührte er sich nicht von der Stelle, war von Echos Hand wie gebannt, stand zu ihr hinabgebeugt und hörte von der Vernichtung der Welt.

Zwischen den Welten liegt eigentlich diese Welt, das Dorf Tomi, dessen Bewohner Ransmayr ausführlich beschreibt. Zwischen den Welten und auch zwischen den Zeiten, denn die Elemente der Antike werden mit deutlich neueren Elementen (wie dem fahrenden Lichtspieltheater) verknüpft, was beim Leser anfänglich Verwirrung auslöst. Wenn man sich jedoch davon gelöst hat, dass es eine fixe Zeit geben muss, kann man einfach eintauchen in die Geschichten der handelnden Personen, die jede für sich für ein eigenes Buch taugen könnten.

Die Einsamkeit der Überlebenden, schrie Echo, sei gewiß die schlimmste aller Strafen.

Geschichten in der Geschichte ergänzen das Buch um eine weitere Handlungsebene. Die intensivste davon ist sicher die von der großen Flut, die alle Menschen und Tiere ertränkt, bis auf ein einziges Paar, das sich auf einem Floß retten kann und nach dem Abflauen der Flut schließlich auf einem Berg von Leichen sitzt.

Und dann riss ihm der Krampf, der ihn schüttelte, den Mund auf: War es ein Gebrüll, ein Lachen, ein Schluchzen; er wusste es nicht. Er hörte seine Stimme aus einer großen Ferne, war außer sich, irgendwo hoch oben in den schimmernden Felsen und sah in der Verwüstung Trachilas einen Verrückten kauern; an einem kalten Herd dort in der Tiefe einen zerschundenen Mann. Ein flatterndes, blaues Tuch schlug ihm auf den Mund. Immer wieder. Bis er endlich aufhörte zu schluchzen, zu schreien, zu lachen. Und dann wurde es wunderbar still.

Die scheinbare Hauptperson Cotta ist auf der Suche nach dem Dichter Naso, der vom Kaiser in Rom aufgrund seiner aufrührerischen Rede nach Tomi verbannt wurde. Die Einwohner von Tomi wiederum vertreiben den eigenbrötlerischen Naso in die tote Felsstadt Trachila, begleitet wird er vom Griechen Pythagoras, der allgemein als verrückt gilt. Diese Erfahrung muss auch Cotta machen, der von seiner Suche nach Naso mehr und mehr aufgezehrt wird. Das verschwundene Buch Metamorphoses beherrscht alle seine Gedanken, die kleinen Katastrophen und Lebensumstände der ihn umgebenden Menschen nimmt er kaum war, dem Leser wird jedoch alles enthüllt.

Cotta hörte die Worte nicht, die man ihm zurief, und bemerkte auch keine Hand, die ihm winkte; hörte wohl das Gezeter der Lachmöwen, die Brandung, auch Vogelsang und das Rascheln von Palmfächern im Wind – aber keine menschliche Stimme mehr; hatte allein die Bilder vor Augen, die ihm die Inschriften auf seinen Lumpen verhießen; … hier war Naso gegangen, dies war Nasos Weg. Aus Rom verbannt, aus dem Reich der Notwendigkeit und Vernunft, hatte der Dichter die Metamorphoses am Schwarzen Meer zu Ende erzählt, hatte eine kahle Steilküste, an der er Heimweh litt und fror, zu seiner Küste gemacht und zu seinen Gestalten jene Barbaren, die ihn bedrängten und in die Verlassenheit von Trachila vertrieben.

Alle Personen hat Ransmayr aus Ovids Metamorphosen ausgeliehen, jedoch sind sie teilweise derart verfremdet, dass sie nur vom geübten Historiker erkannt werden können. Da hilft die Zusammenfassung der Unterschiede der Personen am Ende des Buches, wobei diese Informationen zum Verständnis der Geschichte nicht notwendig wären. Wie so oft muss man sich auf die Geschichte und die Personen einlassen, dann steht dem ungehinderten Genuss dieses speziellen Romans nichts mehr im Wege.

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Roman

Jürgen & Marita Alberts – Cappuccino zu dritt

Ein “Roman aus der Toskana” und genau darum geht es auch. Die Geschichte ist weder spannend noch interessant, ein Paar lernt sich kennen aufgrund eines Autodiebstahls (das Auto wird wiedergefunden ohne dass jemand zu Schaden kommt), ein ehemaliger Liebhaber taucht auf, was zu einem Streit führt, der allerdings auch gleich wieder aufgelöst wird.

Das Schöne ist die Beschreibung der besuchten Sehenswürdigkeiten und der kulinarischen Besonderheiten der Toskana, die Lust auf einen Besuch machen. Schöner kann man kaum reisen.