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Erfahrungsbericht Sachbuch

Khaled Al-Berry – Life is more beautiful than paradise

Wenn über den Islam gesprochen wird, wissen die wenigsten Menschen, was diese Religion eigentlich ausmacht, wo sie herkommt und wie die Gläubigen leben. Ich weiß selbst beschämend wenig darüber. Wenn es dann um fundamentalistischen Islam geht, um die Menschen, die für ihre Religion in einen Glaubenskrieg ziehen, dann hört das Verständnis zumeist total auf. In unserer Gesellschaft liegt das vermutlich auch zu einem großen Teil daran, dass viele gläubige Katholiken es eigentlich nur auf dem Papier sind. Sein Leben an religiösen Vorschriften ausrichten, die über 2.000 Jahre alt sind? Für die Einhaltung von Vorschriften kämpfen, die einem das Alltagsleben erschweren, die einem Chancen zunichte machen, die darüber entscheiden können, ob man einen Job bekommt, oder nicht? Das kennt man im heutigen Katholizismus nicht mehr. Dass noch vor 1.000 Jahren die christlichen Glaubensritter auf Kreuzzüge auszogen, um die „einzig wahre“ Religion zu verbreiten, wird zumeist auch vergessen.

Dieses Buch erzählt nun also die Geschichte eines fundamentalistischen Islam-Gläubigen. Khaled Al-Berry schloss sich in jugendlichem Alter Anfang der 90er-Jahre einer Extremistengruppe an, die den fundamentalistischen Islam vertritt. Die Jama’a Islamiya formierte sich an ägyptischen Universitäten als Organisation militanter Studenten mit dem Ziel, die ägyptische Regierung zu stürzen und durch einen Islamischen Staat (auch islamische Republik, nicht zu verwechseln mit der heute bekannten Organisation Islamischer Staat) zu ersetzen.

Eine der interessantesten Stellen des Buches beschreibt den schleichenden Eintritt in die fundamentalistische Religion. Khaled Al-Berry erzählt, wie aus den Diskussionsgruppen, in denen er mit Gleichgesinnten Auslegungen des Korans und anderer islamischer Schriften diskutierte, schließlich politische Dimensionen entsprangen. Zuerst geht es nur um die Einhaltung der Vorschriften durch jeden für sich selbst. Dann geht es um die Einhaltung der Vorschriften durch alle anderen Gläubigen. Dann geht es um den Staat und dass dieser keinesfalls von Ungläubigen geleitet werden darf.

When anyone takes his first steps in the Jama’a, he cannot tell where the path begins or at what point he will find himself fully committed; everything flows seamlessly. The study circles do not discuss how to confront society, or how the state should be governed. They discuss what is forbidden and what is permitted, they discuss prayer, the rules governing fasten, the rules governing how to look at a woman and listen to music, the limits to be placed on the exposure of the body, the acts that render ritual ablutions void and those that require the ritual purification of the whole body, the proprieties to be observed when bathing and when eating.

Einen wichtigen Punkt bildet dabei auch die Rechtfertigung des Tötens, denn natürlich enthält auch der Koran eine Vorschrift, die das Töten anderer Menschen untersagt. Leider enthält er auch Passagen, die in die eine oder die andere Richtung interpretierbar sind. Fundamentalistische Gruppen verstehen es, diese Passagen so auszuwerten, dass im Kampf gegen Ungläubige und um den einzig wahren Glauben zu verteidigen, jedes Mittel erlaubt ist, wie es auch die Jama’a Islamiya in ihrem Motto verfolgte:

Fight them on until there is no more Tumult, and there prevail justice and faith in Allah; but if they cease, Let there be no hostility except to those who practise oppression.

Khaled Al-Berry erklärt in diesem Zusammenhang auch den Unterschied zwischen Töten (zu verstehen im Sinne einer Exekution als Strafe für falsches Verhalten) und Kämpfen (im Sinne eines Krieges oder eines Aufruhrs gegen das bestehende Regime):

To put the matter in a contemporary context, killing resembled the carrying out of a judicial sentence of execution, whereas fighting was an armed uprising against the ruling regime, or a war with another state’s regime.

Während eines Aufruhrs an der Universität wird der Autor verhaftet. Aus dem Buch geht nicht hervor, dass er irgendeine Form der kriegerischen oder gewalttätigen Handlung begangen hätte, er gehörte schlicht einer politischen Gruppierung an, die sich gegen das bestehende Regime auflehnte und daher von der Regierung niedergeschlagen werden sollte. Dieser Teil des Buches beschreibt Verhörmethoden, mangelnde Gerichtsverfahren, Folter in weitaus mehr Details, als ich jemals wissen wollte. Auf eine ungewisse Zeit in einem Security Camp (einer nicht näher beschriebenen militärischen Einrichtung) folgt eine ebenso ungewisse Zeit im Gefängnis – ohne Hoffnung auf Entlassung.

But the experience itself is different. Prison is a cage in which a person who has complete power imprisons another who has no protection and deprives him of the sight of the sun, of walking in the open air, of going to the toilet, or of seeing friends. … Prison likewise deprives one of his control over time and place.

Die Zeit im Gefängnis hat Khaled Al-Berry nicht von seinen religiösen Vorstellungen geheilt oder befreit, sie jedoch massiv verändert. Er beschreibt deutlich schamvoll, wie sehr ihn die schließlich wiedererlangte Freiheit verändert. Auch den titelgebenden Punkt, an dem er feststellte, dass das Leben auf dieser Erde schöner ist, mehr wert ist, als das Leben nach dem Tod im Paradies. Er verfolgt keine politischen Ziele mehr, versucht unter dem Radar zu fliegen, sein Studium abzuschließen und nicht aufzufallen. Er bleibt gläubig, lässt aber Stück für Stück von seinen radikalen Ansichten ab. Im letzten Absatz des Buches bezeichnet er sich selbst als a young man raised on illusions. Das dürfte wohl auf viele Glaubenskrieger zutreffen.

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Sachbuch

Andreas Salcher – Erkenne dich selbst … und erschrick nicht

Andreas Salcher war mir aus den Medien aufgrund seiner Beiträge in den Bildungsdebatten der vergangenen Jahre ein Begriff. Dieses Buch stach mir in der Auslage einer geschlossenen Buchhandlung ins Auge und traf in diesem Moment einen Nerv bei mir. Sich selbst erkennen und dann mit sich selbst leben können, das wäre doch mal wirklich eine angenehme Entwicklung. Der Klappentext verspricht Auseinandersetzungen zu den Themen Wie man seine Freunde auswählt oder dem Dilemma zwischen Gefühl und Verstand. Schon die Einleitung holte mich dann auf den Boden der Tatsachen zurück. Der Autor beschäftigt sich hier mit dem Werk des Jesuitenprofessors Balthasar Gracián, das bereits 1653 veröffentlicht wurde. In diesem Handorakel und Kunst der Weltklugheit sammelte Gracián 300 Regeln, die sich mit den Themen Macht, Herrschaft, Gesellschaft und Disziplin beschäftigen. Andreas Salcher hat nun diese Regeln auf ihren heutigen Gehalt untersucht und dabei Erstaunliches festgestellt: viele von Graciáns Regeln sind auch heute noch sinnvoll und anwendbar.

Das Kapitel Über den Umgang mit Feinden beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Thema, dass man seine Gegner und Schlachten klug auswählen soll. Nicht jede Nichtigkeit ist einen Kampf wert und unsere Energien müssen wir uns einteilen und für die wirklich wichtigen Dinge einsetzen.

Es ist sehr verkehrt, wenn man sich zu Herzen nimmt, was man in den Wind schlagen sollte. Viele Sachen, die wirklich etwas waren, wurden zu nichts, weil man sie ruhen ließ: und aus anderen, die eigentlich nichts waren, wurde viel, weil man sich ihrer annahm. Anfangs lässt sich alles leicht beseitigen, späterhin nicht. Oft bringt die Arznei die Krankheit hervor. Und nicht die schlechteste Lebensregel ist: ruhen lassen. (Originalzitat Gracián)

Ein für mich sehr interessanter Teil des Buches beschäftigt sich mit der Frage, wie man kluge Entscheidungen trifft. Die darin beschriebenen Modelle (etwa das jesuitische Entscheidungsmodell von Ignatius von Loyola) sehe ich für mich zwar nicht in Frage kommen, jedoch ein Zitat aus dem Fazit sollte sich jeder vergegenwärtigen, der irgendwann so etwas wie Seelenfrieden finden will:

Wir müssen uns damit abfinden, dass wir zwar nach allen Regeln der Kunst klug entscheiden können, aber trotzdem keine Garantie für den guten Ausgang erhalten werden. (Andreas Salcher)

Alles in allem bin ich nach der Lektüre dieses Buches mit meiner Selbsterkenntnis nicht besonders weiter gekommen (man könnte auch sagen, ich wäre zu faul für die nötige Erkenntnisarbeit …) aber immerhin habe ich jetzt ein neues Buch zum Thema Entscheidungen auf der Leseliste.

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Sachbuch

The Art of the American Musical – Edited by Jackson R. Bryer and Richard A. Davison

Das Thema Musical beschäftigt mich inzwischen seit etwa 20 Jahren. Gelesen habe ich zu diesem Thema seit Längerem nichts mehr, dieses Buch mit Interviews habe ich seit zwei Jahren im Regal stehen (habe extra nachgeschaut, wann ich es gekauft hatte) und irgendwie hat mich der schlichte schwarze Einband etwas abgeschreckt. Das Lesen gestaltet sich wegen des steifen Hardcover-Einbands tatsächlich etwas mühsam, der Inhalt jedoch hat mich sofort gefangen genommen.

In der schnelllebigen (Musik-)Theaterwelt sind zehn Jahre eine lange Zeit, diese Interviewsammlung wurde 2005 veröffentlicht. Die Fragen sind jedoch geschickt formuliert und entlocken den Interviewten durchaus Statements, die auch über Jahre hinweg Bestand haben. Etwa Stephen Flaherty erklärt auf die Frage, ob es nicht frustrierend sei, von Theaterkritikern, die eigentlich keine musikalische Expertise haben, Kritik für seine Kompositionen entgegennehmen zu müssen, dass es eigentlich mehr darauf ankommt, ob man seine eigenen Ideen verfolgt hat und das Beste daraus gemacht hat. Und falls das nicht gelungen sein sollte, kann man noch immer daraus lernen.

Ultimately, it comes down to you as an artist sitting with yourself and being honest about what you’re trying to achieve and whether you’ve achieved it or not – and if you haven’t how you can build upon that and learn from it.

(Stephen Flaherty)

Jason Robert Brown erzählt unter anderem darüber, wie er bewertet, welches Material Musicalpotential hat. Wenn die Krise, die Emotion, das Gefühl der Figur nicht groß genug, nicht episch genug ist, dann wirkt ein Song fehlplatziert und übertrieben und wird vom Publikum potentiell nicht ernst genommen.

Singing, ultimately, magnifies everything you’re feeling; when you sing it, it becomes epic.

(Jason Robert Brown)

In seinem Interview fand ich auch sehr interessant, wie er den Prozess des Orchestrierens beschreibt. Im Musicalbereich ist es oft so, dass der Komponist zwar die Melodien der Musiknummern schreibt, diese jedoch von jemand anderem für Orchester umgesetzt werden. Er erzählt, dass der Orchestrator aus einer Palette (ich nehme an an Instrumenten bzw. Stilmitteln) auswählt und somit den endgültigen Sound sehr prägt. Auch zum Thema Tony Awards nimmt sich Jason Robert Brown kein Blatt vor den Mund. Er spricht von einer Gruppe von Mitgliedern der Tony Award Jury, die Tourneeproduzenten sind und ihre Tony Award Votings zu ihrem persönlichen Vorteil nutzen. Für den Erfolg einer US-Tournee ist ein Tony Award ein unverzichtbares Marketinginstrument.

Arthur Laurents erzählt im Gespräch über drei fatale Probleme, die bei einem seiner Projekte zu einem Misserfolg geführt haben (und er bezieht sich dabei sowohl auf finanziellen, künstlerischen als auch persönlichen Misserfolg). Als seinen ersten Fehler bezeichnet er, das Projekt nur gemacht zu haben, weil der Produzent ein guter Freund von ihm war. Er zieht daraus die Lehre, dass es künstlerisch falsch ist, ein Projekt ausschließlich eines Gefallens wegen zu verfolgen. Sein zweiter Fehler: obwohl er lange vor der Premiere erkannte, dass es nicht funktionieren würde, zog er sich nicht aus dem Projekt zurück („I am very tenacious, I won’t quit“). Ich kann das sehr gut nachvollziehen.

The third thing is the most important of all. I didn’t care deeply about the material, and if you don’t care about anything that you’re doing creatively, you’re a fool to go on with it. It takes so much time and so much hard work that if in the end it fails, you have to be able to say, “I don’t care. I’m proud of it.”

(Arthur Laurents)

Im einem weiteren sehr interessanten Abschnitt beschäftigt sich Arthur Laurents mit dem Thema „Aktualisierung“ von Stücken. In der heutigen Zeit sehen wir immer öfter moderne Versionen der West Side Story (die ja selbst damals schon eine moderne Version der Romeo-und-Julia-Geschichte war). Laurents meint nun, man darf nicht die Geschichte aus ihrer Zeit nehmen, aber man kann den Schauspielern (bzw. ihren Rollen) eine andere Einstellung geben und damit das Gesamtbild beeinflussen:

You can’t remove a piece from the period in which it was written, but you can induce a kind of sophistication in the attitude. But I didn’t change the material; I changed the attitude of the actors. For example, in Gypsy, with the first scene where the man and the woman meet: The way I did it this time is I said to them, “Instantly, they want to go to bed together.” And that was very clear in the way they played it. You couldn’t have done that in the fifties. People didn’t go to bed; they had twin beds.

(Arthur Laurents)

Eine ähnliche Geschichte erzählt auch Charles Strouse über sein Stück Applause. Bei einer Liebesgeschichte stellt sich oft am Ende die Frage, kommt das Paar wieder zusammen oder trennen sie sich endgültig. In diesem Zusammenhang fällt mir auch My Fair Lady ein, wo im Originalstück Pygmalion von George Bernard Shaw Eliza am Ende den Professor verlässt. In der Musicalversion kommt sie jedoch zumeist zurück und bring dem Professor demütig die Pantoffeln, die sie ihm in einer früheren Szene wutentbrannt entgegen geschleudert hat. Laut Charles Strouse kann die richtige Antwort auch mit dem aktuellen Empfinden des Publikums zu dieser Zeit zusammenhängen:

We wrote the ending two ways. The original ending to Applause was that the great star says to her fiancé, “Sorry. The theater is what I love,” and dumps him. That was very true to life and very true to Bacall herself and that kind of person who is so committed. When the show started to work, the audience liked it but didn’t love it. We said, “Let’s try the sentimental ending.” So we tried the sentimental ending, which is she gets back with her fiancé and gives up the theater and gives her part to Eve. The audience leaped to its feet. It says a lot about America in the 1970s. With the revival we’re planning, we’re going to go back to the original ending. Everybody now feels very strongly that giving up th theater for love is not what a woman who is impelled to be a great star necessarily would do.

(Charles Strouse)

Über Stephen Sondheim habe ich bereits eine umfangreiche Biographie gelesen. Im Interview erklärt er unter anderem, warum seine Stücke stets außerhalb der Norm stehen, warum keines seiner Werke mit seinen anderen oder denjenigen anderer Künstler vergleichbar ist:

I think you should frighten yourself. You should try to wade into territory you haven’t waded into before. That doesn’t necessarily have to be new musical territory; it can be a new approach to the show or to the way of telling a story.

(Stephen Sondheim)

Autor George C. Wolfe beschreibt einen völlig anderen Ansatz, mit Geschichten umzugehen. Für ihn dreht sich alles um einen perfekten Moment, um den herum dann der „Rest“ der Geschichte Stück für Stück gebaut wird. Jede Szene muss darauf geprüft werden, ob sie auch mit dem perfekten Moment mithalten kann.

If you can locate a perfect moment or the moment that is close to perfect in a play, that gives you the rules for every single thing that comes before and follows after. I have very specific kinds of analytical skills – only because I’ve had so many wonderful experiences in working with so many smart people – that enable me to go to that moment and say, “Does this scene over there have the same integrity, truth, buoyancy, depth, and outrageousness as this perfect scene?” It’s important to have not just an intuitive sense, but also a craft like understanding of how it’s all connected.

(George C. Wolfe)

Ein kleiner Wermutstropfen: unter den 20 Interviewten sind nur 4 Frauen. Trotzdem alles in allem ein sehr aufschlussreiches Buch, aus dem man viel über den amerikanischen Musicalprozess und die Entstehungsgeschichten von Musicals lernen kann.

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Sachbuch

Katrin Rönicke – Bitte freimachen

Katrin Rönicke beschäftigt sich seit Längerem mit dem Thema Feminismus, nicht nur in diesem Buch, sondern auch in ihrem Lila Podcast. Darüber bin ich überhaupt erst auf das Buch gestoßen. Mit einer Freundin diskutiere ich immer wieder über das Thema, wir sind auch oft nicht einer Meinung. Daher hatte ich gehofft, mir etwas Input zu holen – Hintergründe zum Thema, andere Meinungen, Argumente zu bestimmten Aspekten und so weiter. Diese Erwartungen wurden nur so halb erfüllt.

So geht’s mir mit dem Feminismus allgemein immer wieder. Auf der einen Seite habe ich mich als Studentin an einer technischen Fachhochschule oft sehr geärgert über die Ungleichbehandlungen durch Lehrbeauftragte. Unser Physik-Lehrbeauftragter hatte mich in einer der ersten Vorlesungen im ersten Semester wegen einer (seiner Meinung nach dummen) Frage abgestempelt. Er wollte wissen, auf welcher Schule ich vorher gewesen war und auf meine Antwort „Handelsakademie“ meinte er (wortwörtlich, mit abfälligem Unterton): „Na solche wie Sie brauchen wir hier.“ Noch ein Beispiel gefällig: Bei meiner Diplomfeier meinte der Präsident des Fachhochschulrates zu mir: „Bei Ihnen als Frau ist es mir eine besondere Freude, Ihnen das Diplom zu überreichen.“ Diese Geschichte habe ich schon oft erzählt und unter anderem auch die Reaktion bekommen, das hätte er doch nur gut gemeint. Warum ich mich denn so darüber aufrege …

Auf der anderen Seite erlebe ich auch immer wieder die oft abfällig betrachteten Krawall-Feministinnen, die anderen Frauen vorschreiben wollen, wie sie ihr Leben zu leben haben. Wenn eine Frau freiwillig länger bei den Kindern daheim bleiben möchte, wird sie deshalb verurteilt und als „Heimchen am Herd“ abgestempelt. Im Gegenzug werden „Karrierefrauen“, die es sich leisten können, für Kinderbetreuung Geld auszugeben, abschlägig als „Rabenmütter“ bezeichnet.

„Das Problem ist, dass man das Gefühl hat, dass alles zu kurz kommt. Dass man den Job nicht richtig macht, dass man die Familie nicht richtig macht“, erzählt Kapek. „Das Gefühl, dass man immer zu wenig macht, das hat man dauerhaft. Da muss man sich dran gewöhnen. Man lernt sehr viel: den eigenen Körper zu ignorieren und die eigenen Gefühle zu ignorieren.“

Viele dieser Probleme, mit denen wir als Frau im Alltag immer wieder konfrontiert sind, beschreibt die Autorin auch in ihrem Buch. Ihre Erfahrungen können in mancher Hinsicht erleuchten, vieles haben aber vermutlich die meisten von uns selbst bereits in der einen oder anderen Form erlebt. Der feministische Ansatz in diesem Buch ist ein solidarischer. Das Wort Netzwerk möchte ich dafür nicht verwenden, weil ich entgegen vieler anderer der Meinung bin, dass Frauen ohnehin Netzwerke haben, sie setzen sie nur nicht so für die Karriere ein, wie viele Männer das tun. In meinem Umfeld sehe ich haufenweise Frauen, die größere Netzwerke unterhalten als die meisten Männer. Und diese Netzwerke sind nicht nur größer, sie halten auch wesentlich fester zusammen, sie halten auf längere Zeit und sie halten auch in schwierigen Zeiten beziehungsweise gerade dann.

Zum Abschluss mein persönlicher feministischer Ansatz: Wenn Mädchen mit Autos spielen wollen, sollen sie das dürfen. Wenn Burschen Röcke anziehen wollen, sollen sie das dürfen. Umgekehrt genauso. Wenn Männer in Karenz gehen wollen, sollen sie das dürfen. Wenn Frauen nach der Geburt ihrer Kinder bald wieder arbeiten gehen wollen, sollen sie das dürfen. Umgekehrt genauso. Ich könnte noch einen Haufen Beispiele aufzählen, aber kurz gesagt: es geht mir um die Wahlfreiheit. Frauen sollten alle Möglichkeiten haben, sich zu verwirklichen und dabei nicht schief von der Seite angeschaut werden. Die Politik hat die Aufgabe, die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, ausreichend leistbare Möglichkeiten für Kinderbetreuung stehen dabei an oberster Stelle. Die Wirtschaft wiederum ist gefordert, flexible Arbeitsmodelle zu unterstützen und zu fördern. Jeder von uns ist gefordert, Toleranz gegenüber anderen Lebensmodellen zu zeigen und niemanden für seine persönlichen Lebensentscheidungen zu verurteilen.

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Sachbuch

Robert Betz – Willst du normal sein oder glücklich?

Es ist mir nach wie vor schleierhaft, in welcher Gemütsstimmung ich mich befunden haben muss, als ich dieses Buch aus dem Regal des Buchgeschäfts nahm und es nach der Lektüre des Klappentexts nicht zurückstellte sondern stattdessen zur Kasse trug. Hätte ich mir die Zeit genommen, vor dem Kauf wenigstens die erste Seite zu lesen, wäre dieser Blog Post nicht passiert …

Zu meiner Verteidigung kann ich sagen, dass mich die Frage, was denn eigentlich „normal“ ist, ständig begleitet und immer wieder beschäftigt. Wer in irgendeiner Form nicht „normal“ ist, fällt auf. Auffallen kann positiv oder negativ sein. Wer auffällt, erntet Reaktionen, diese können je nach Person und Situation positiv oder negativ ausfallen. Wer „normal“ ist, fällt nicht auf, gliedert sich in die jeweilige aktuelle Gesellschaft ein und „passt dazu“.

Jeder Leser dieses Buches wird erkennen, warum er in seinem Leben dort steht, wo er gerade steht, und auf welche Weise seine Mangelzustände, sein Leiden, sein Gefühl der Unfreiheit und Begrenzung entstanden sind.

Laut dem Autor leiden wir also allesamt an Zwängen, fühlen uns eingesperrt ins Korsett des „normalen“ Lebens. Unsere Unfreiheit macht uns unglücklich. Schuld daran? Natürlich unsere grausame Kindheit. Die Lösung: Erkenntnis, Verstehen und Vergeben. Wir haben es selbst in der Hand. Du hattest eine unglückliche Kindheit? Hey, chillax deine Base, lass es hinter dir, schließe ab und sofort wirst du glücklich! [Ironie Ende]

Jede Zurückweisung, jedes Verlassenwerden und Alleinsein, jeder Moment der Enttäuschung, als du nicht geliebt, sondern kritisiert oder gar geschlagen wurdest, ist mit all deinen Gefühlen und deinen Gedanken wie auf einer großen Festplatte in dir gespeichert und abrufbar.

In weiteren (kurzen) Kapiteln ergeht sich der Autor unter anderem darüber, dass wir in der Kindheit verinnerlicht hätten, uns selbst nicht zu lieben, uns „nicht so wichtig zu nehmen“. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Autor jemals selbst an Kindererziehung mitgewirkt hat. In meinen eigenen Erfahrungen mit Kindern geht es bei dem Hinweis zumeist darum, den Kindern bewusst zu machen, dass es nicht möglich ist, ihren eigenen Willen ohne Rücksicht auf andere durchzusetzen. Wer nicht als Einsiedler im Wald leben will, wird lernen müssen, dass die eigenen Bedürfnisse wichtig sind, aber nicht immer im Vordergrund stehen können.

Endgültig absurd wird es, als der Autor die mangelnde Selbstliebe des Menschen als Auslöser für alle möglichen Krankheiten identifiziert. Wenn man seinen Körper nicht liebe, reagiere dieser mit Verstimmung und lasse beispielsweise das Zahnfleisch zurück gehen, wenn der Mensch nicht in der Lage sei, Zähne zu zeigen. Auf der nächsten Doppelseite preist er dann seine Meditations-CDs an, mit dem man seinem Körper etwas Gutes tun kann (soll!). Im Prinzip wird in jedem Kapitel zumindest einmal auf eine Mediations-CD des Autors verwiesen. Sammle sie alle und du wirst nie mehr unglücklich sein!

Um nicht ungerecht zu sein, muss ich zugeben, dass im dritten Teil (praktische Übungen) dann doch einige Anregungen waren, die ich zwar in dieser oder einer anderen Form schon mal gehört oder gelesen hatte, woran man aber immer wieder erinnert werden muss. Daran, dass das Leben jetzt ist und nicht in der Zukunft oder der Vergangenheit statt findet, darf man sich gern immer wieder mal erinnern (lassen). Dass man sich selbst vergeben soll, dass (vermeintliche) Fehler oft gar nicht so tragisch sind, dass man sein Leben selbst in der Hand hat. Ein kleiner, wahrer Kern zwischen der Werbung für Meditations-CDs.

Reading Challenge: A book by an author you’ve never read before
(and will never read again …)

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Sachbuch

Bas Kast – Ich weiß nicht, was ich wollen soll

Irgendwann voriges Jahr hatte ich dieses Buch schon mal vor einem lokalen Buchgeschäft in der zweiten Homezone in der Hand gehabt, jedoch war ich mit kleinem Gepäck unterwegs zu einer längeren Expedition und habe deshalb vernünftigerweise nicht das Hardcover gekauft. Nun fiel mir in der Hauptbücherei das Paperback in die Hand und da musste ich nicht lange überlegen.

Schon länger hatte ich mir vorgenommen, mich damit zu beschäftigen, wie ich mir selbst Entscheidungen (oder das Leben mit einmal getroffenen Entscheidungen) leichter machen könnte. Also warum nicht mal die Psychologie dahinter untersuchen? Diese Erwartung hat dieses Buch bei mir nicht (ganz) erfüllt. Der Autor untersucht anhand unterschiedlichster Studien in mehreren Subkapiteln die Frage, warum der moderne Mensch sich mit Entscheidungen überhaupt so schwer tut.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich durch Technik und Entwicklung einiges zum Positiven verändert. Viele Menschen in den Industrienationen müssen nicht körperlich schwer arbeiten und haben beinahe unendliche Möglichkeiten, sich zu entfalten. Dadurch müsste eigentlich das Glücksempfinden gestiegen sein, Studien zeigen jedoch das Gegenteil. Bas Kast findet dafür folgende Gründe: Wer so viele Möglichkeiten zur Auswahl hat, fühlt sich auch unter Druck gesetzt, diese zu nutzen. Täglich können wir im Internet von den Erlebnissen & Erfolgen (Weltreisen, Firmengründungen, Statussymbolen, …) lesen, dabei sitzen wir auf der Couch und vergleichen unser eigenes (scheinbar) langweiliges Leben mit diesen Highlights anderer Personen. Und bekommen dabei unweigerlich das Gefühl, unsere eigene Zeit und unsere eigenen Möglichkeiten nicht bestmöglich auszunutzen.

So gesehen ist mit der gestiegenen Freiheit der Druck auf die Psyche nicht geringer, sondern paradoxerweise größer geworden. Einerseits sind unsere Ansprüche angesichts der vielen Optionen, die uns die gegenwärtige Welt bietet, hoch. Andererseits fällt jeder Fehlgriff unweigerlich auf uns zurück: Versauen wir unser Leben trotz der ganzen Möglichkeiten, die wir im Gegensatz zu unseren Eltern oder Großeltern haben, sind wir nicht nur unzufrieden. Wir fühlen uns auch noch schuldig.

Jede Entscheidung für eine Option ist auch eine Entscheidung gegen alle anderen möglichen Optionen (die wir vielleicht noch nicht einmal alle kennen). Beispiel: Entscheidung für einen Partner. Wer sich für eine Hochzeit und damit für eine langfristige Bindung an einen Menschen entscheidet, schließt damit viele andere Personen, die auch passen könnten, aus seinem Leben aus. Dasselbe gilt für die Entscheidung für einen Beruf, eine Karriere. Die erste Ausbildung im Leben muss heutzutage nicht mehr die letzte sein, umsatteln in späteren Jahren ist möglich, jedoch oft mit finanziellen Einbußen verbunden. Die Entscheidung für die erste (oder zweite oder dritte) Ausbildung beeinflusst massiv unseren Lebensweg und will daher gut überlegt sein.

So schön und beeindruckend die Vielseitigkeit meiner Bekannten ist, sie bedeutet für sie nicht nur ein Mehr, ein Plus, ein Gratis-Extra: Es gibt Momente, Tage, Wochen, da zweifelt sie an ihrer Berufswahl, träumt von jenen anderen Karrieren, für die sie ebenfalls eine starke Neigung in sich spürt, eine Neigung, der sie aber nicht ganz nachgeben kann, weil das hieße, ihren Job als Wissenschaftlerin an den Nagel zu hängen. Während das Festlegen auf den Beruf des Forschers für ihren Mann etwas war, was sich gar nicht wie eine Entscheidung anfühlte, bedeutete dieses Festlegen für sie zugleich einen enormen Verlust.

Für die ausgeschlossenen (Sorry, but you are DISMISSED!) Optionen prägt der Autor den Begriff Alternativkosten. Dieser fällt besonders im Rahmen der Familienplanung auf. Viele Paare verschieben die Fortpflanzung nach hinten, um sich vorher der Karriere zu widmen. Doch je länger man wartet, umso höher fallen die Alternativkosten aus, umso mehr wirkt sich der Verzicht aus, wenn durch ein Kind das Leben komplett auf den Kopf gestellt wird.

Je mehr Möglichkeiten einem die Welt bietet, desto größer fällt dieser kinderbedingte Verzicht aus. In einer Welt „unbegrenzter“ Möglichkeiten stehen somit für jene, die ein Kind wollen, einmal mehr hohe Alternativkosten an.

In einem späteren Kapitel kommt auch das Thema Beschleunigung zur Sprache. Speziell das Internet bietet uns tagtäglich dermaßen viele Ablenkungen an, bei jedem Tweet, der einen Link enthält, müssen wir entscheiden, ob wir ihn anklicken oder nicht.

Mich schmerzt in diesem Zusammenhang nach wie vor immer wieder die Erkenntnis, dass ich nicht ALLES lesen kann oder dass ich niemals ALLE Geocaches finden kann, weil die Zeit einfach dafür nicht ausreicht. (Angenommen ich kann meine Leserate von etwa 50 Büchern/Jahr halten und ich würde 80 Jahre alt werden, hätte ich noch 2.350 Bücher zu lesen. ARGH. Wie soll ich mich da jemals wieder für eines entscheiden? Und gegen alle anderen?) Immerhin gab es einen Zeitpunkt in meinem Leben, zu dem ich alle Geocaches in San Marino gefunden hatte … den kann mir niemand mehr nehmen.

Im Prinzip bleiben uns nur zwei Strategien, mit der heutigen Optionsvielfalt fertig zu werden, und beide Strategien haben etwas Unbefriedigendes: Entweder man tut unendlich viel, oder man verpasst unendlich viel. Da keiner unendlich viel tun kann, leiden wir alle unter dem Gefühl, stets etwas zu verpassen (was wir ja auch tun), und um dieses Gefühl zu minimieren, versuchen wir in die 24 Stunden, die uns täglich zur Verfügung stehen, so viele Tätigkeiten wie möglich zu pressen.

Die für mich (überraschende) gute Nachricht: auf der Skala zwischen Maximiererin und Genügsame liege ich im Mittelfeld. Der Begriff Maximierer bezeichnet Menschen, die immer alle Optionen im Detail evaluieren, die sich schwer zufriedengeben können, die nach Perfektion streben und sich oft gar nicht entscheiden, um nur keine falsche Entscheidung zu treffen. Am anderen Ende der Skala finden sich die Genügsamen, die sich mit einer „good enough“-Lösung zufriedengeben und dann im Allgemeinen auch besser mit ihrer Entscheidung leben können und weniger zweifeln. Ich hatte mich selbst eher auf der Maximierer-Seite gesehen, möglicherweise tragen meine Bemühungen zum insgesamt genügsameren Leben aber auch bereits Früchte.

Um sich die Entscheidungen im Leben zu erleichtern, schlägt der Autor dann doch eine Strategie vor: die Träume einem Praxistest unterziehen. Oft malt man sich ein anderes Leben deutlich schöner aus, man sieht nur die guten Seiten und nicht die negativen Aspekte.

Warum all diese lästigen Praxistests so wichtig sind? Erstens ist unsere Vorstellungskraft begrenzt. Was aber noch entscheidender ist: Unsere Phantasie hat, wie wir alle wissen, die Angewohnheit, sich die Dinge schönzufärben. Einzig und allein der mutige Praxistest gibt uns ehrlichen Aufschluss darüber, ob uns etwas wirklich Freude bereitet, ob etwas zu uns passt oder auch: ob wir etwas können.

Die andere gute Nachricht: wenn man ein Buch hat, das man wirklich lesen will, dann ist auch die Leseflaute umgehend dahin. Sogar unter Zeitmangel.

Reading Challenge: A nonfiction book

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Sachbuch

Nelly Bly – Zehn Tage im Irrenhaus

Vergleichen Sie dies mit einem Verbrecher, dem jede Gelegenheit geboten wird, seine Unschuld zu beweisen: Wer würde nicht lieber ein Mörder sein und sein Leben aufs Spiel setzen, als für geistig krank erklärt zu werden und ohne jede Hoffnung auf Rettung zu sein?

In einem Gespräch mit D. fiel der Titel dieses Buches, von dem ich mir inzwischen nicht mehr sicher bin, dass tatsächlich dieses gemeint war. Bei der Bestellung im lokalen Buchgeschäft war mir gar nicht klar gewesen, dass dieses Werk bereits so viele Jahre auf dem Buckel hat.

Die Journalistin Nelly Bly lässt sich 1887 im Auftrag der Zeitung New York World in die Frauenpsychiatrie einweisen. Damals deckte sie mit ihrem Bericht unglaubliche Missstände auf. Heute scheint es hauptsächlich interessant, wie einfach es für sie war, sich trotz geistiger Gesundheit einweisen zu lassen. So wurden damals offenbar auch Frauen eingewiesen, die vor ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie keine geistigen Probleme hatten, mit denen man aber einfach nicht wusste, wie ihnen zu helfen wäre. Beispielsweise die Geschichte einer Ausländerin, mit der mangels Sprachkenntnissen keine Kommunikation möglich war:

Mrs. Schanz flehte auf Deutsch darum zu erfahren, wo sie war, und bat inständig, freigelassen zu werden. Ihre Stimme war von Schluchzern durchbrochen, und sie wurde, ohne dass man sie angehört hätte, zu uns geführt.

Dass Machtpositionen (wie hier Ärzte und Schwestern Macht über die Insassen haben) immer ausgenutzt werden, wenn keine Kontrolle zu befürchten ist, haben unterschiedlichste Beispiele der Geschichte gezeigt. Gerade Irrenanstalten sind da auch immer wieder Thema gewesen. Wer sich für diese psychologischen Hintergründe interessiert, wird vermutlich in anderen Werken mehr Informationen finden, jedoch ist Nelly Blys Bericht heute noch als Buch erhältlich und allein dies kann Zeugnis darüber ablegen, dass es zum Zeitdokument geworden ist.

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Sachbuch

Chris Hadfield – Anleitung zur Schwerelosigkeit

Es begann alles mit dem Video von der ISS, in dem Astronaut Chris Hadfield den berühmten Song Space Oddity von David Bowie covert. Wie die Gitarre herumschwebt, hat verdammt viel Aufsehen erregt und Chris Hadfield weltweite Bekanntheit beschert. Daraus entwickelte sich wohl auch dieses Buch, in dem er beschreibt, welche Fähigkeiten für einen Astronauten wichtig sind und warum einem diese auch im Alltag helfen, das Leben zu meistern.

Meine markierten Zitate kann ich leider nicht mehr wiedergeben, da ich das Buch aus der Onleihe der Büchereien Wien ausgeliehen hatte. Da sich das Buch nach der Ausleihzeit von 14 Tagen selbst zerstört, hat man ab diesem Zeitpunkt nur noch Zugriff auf die eigenen Notizen, aber nicht auf die markierten Textstellen. Diesmal hatte ich vergessen, mir rechtzeitig die Zitate rauszuschreiben, daher kann ich nun nichts wiedergeben. Ohnehin möchte ich das Buch eher nochmals auf englisch lesen und vertage aus gegebenem Anlass eine genauere Beschreibung auf einen späteren Blogpost.

Am Herzen liegt mir in diesem Zusammenhang jedoch eine allgemeinere Betrachtung zur Situation auf dem ebook-Markt und auch der Onleihe. Die Büchereien Wien bieten ihren Kunden auch eine Leihmöglichkeit für „virtuelle Medien“ an, die so genannte Virtuelle Bücherei. Zur Auswahl stehen eBook, eAudio und ePaper. Dazu verwenden die Büchereien eine Bibliothekssoftware namens Onleihe, hergestellt von der Firma Divibib. Diese verwendet das DRM von Adobe. (Ob nur dieses verwendet wird, oder ob es auch andere Formate gibt, konnte ich durch längere Recherche auf den Webseiten nicht feststellen.)

Am 6. Oktober wurde von The Digital Reader eine Sicherheitslücke veröffentlicht. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Adobe Digital Editions 4 Software detaillierte Userdaten im Plaintext an Adobe Server schickt. Dies ist aus zwei Aspekten zu betrachten:

1) Ganz klar ist: diese Daten müssten verschlüsselt werden. Dass die Daten unverschlüsselt übertragen werden, kann nur ein Fehler sein. Adobe hat dies auch rasch zugegeben und Besserung gelobt. Eine direkte Quelle dafür habe ich nicht gefunden, in diesem Follow-Up-Blog-Post von The Digital Reader wird es jedoch erwähnt:

But on the plus side, at least Adobe is now promising to encrypt their spying. They’re not promising to stop it but at least now no one will be able to listen in.

Am 23. Oktober wurde die neueste Version von Adobe Digital Editions (4.0.1) veröffentlicht, Adobe behauptet zumindest in den Release Notes, dass die gesammelten Daten nun über eine HTTPS-Verbindung übertragen werden.

2) Welche Daten sammelt Adobe genau und ist das überhaupt in Ordnung? In der allgemeinen Datenschutzrichtlinie von Adobe finden sich keine Details zu den Daten, die gesammelt werden. Im Prinzip ist die Formulierung derart, dass Adobe sich offen hält, alle Daten über die Benutzer zu speichern, die irgendwie verfügbar sind:

Wir erfassen Informationen darüber, wie Sie unsere Websites und Anwendungen nutzen, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem Sie eine Desktopproduktfunktion verwenden, die eine Online-Verbindung herstellt (wie z. B. eine Fotosynchronisierungsfunktion).

Auch beängstigend:

Um unsere Datenbanken auf dem neuesten Stand zu halten und für Sie relevante Inhalte und Erlebnisse zu bieten, können wir im Einklang mit geltendem Recht Informationen über Sie mit Informationen von öffentlichen Quellen und unseren vertrauenswürdigen Partnern verbinden. Anhand dieser Quellen können wir beispielsweise die Firmengröße und Branche unserer Firmenkunden ermitteln.

Nachdem diese ganze Geschichte bekannt wurde, hat Adobe hier nachgebessert und genauere Informationen über die gesammelten Daten zur Verfügung gestellt. Danach muss man jedoch auch mühselig suchen.

Nach dieser allgemeinen Zusammenfassung kommen jetzt meine persönlichen Erfahrungen. Nach Bekanntwerden dieser Sicherheitslücke schickte ich ein E-Mail an meine Bücherei. Ich ersuchte darum, die Nutzer der Onleihe zu informieren und bei Adobe Beschwerde einzulegen. Die Büchereien Wien antworteten mir rasch, gaben sich „gelinde gesagt – wenig erfreut über diese Entwicklung“, halten sich jedoch für nicht zuständig, da sie Adobe nicht beeinflussen könnten und verwiesen mich an den Hersteller der Onleihe – Divibib.

Meine Anfrage an diese Adresse wurde weitaus weniger freundlich beantwortet. Zuerst wurde ich auf diese Information vom 15. Oktober verwiesen. Ich widersprach in meinem Antwortmail der folgenden Aussage:

Zu den gesammelten Daten gehören demnach Benutzer-ID, App-ID, IP-Adresse, Metadaten des jeweiligen E-Books, Datum des Kaufs/Downloads, Dauer der Lesesitzung und den Lesefortschritt und zuletzt gelesene Seiten. Dass ADE gewisse Daten speichert, ist notwendig. Denn nur so kann Adobe die Nutzung des E-Books wirksam kontrollieren.

Ginge es nur um das DRM, würde eine ID des Buches sowie des Users ausreichen. Außerdem: wenn ältere Versionen der Adobe Digital Editions diese Daten nicht übertragen, wie können sie dann notwendig sein?

Weiters forderte ich die Divibib GmbH auf, als Kunde auf Adobe einzuwirken, den Nutzern alternative Möglichkeiten anzubieten und Adobe das Monopol zu entziehen. Darauf erhielt ich im Prinzip keine Antwort. Im nächsten Mail verwies man mich auf ältere ADE Versionen mit dem Hinweis: „hier wurden entsprechende Vorwürfe nicht bekannt.“ Hat man jedoch die aktuellste Version des ADE installiert, gibt es keine Möglichkeit, auf eine ältere Version umzusteigen, da Adobe jeweils nur die aktuellste Version des Programmes zum Download stellt.

Weiters verwies man mich an meine Heimatbibliothek und das Onleihe Userforum. Die SSL-Config dieses Forums ist das Negativbeispiel schlechthin. Auf meinen diesbezüglichen Hinweis erhielt ich bloß die Antwort, es würden alle Datenschutzbestimmungen eingehalten. Da es sich um eine deutsche Firma handelt, ist hier wohl deutsches Datenschutzgesetz anzuwenden. Falls sich jemand hiermit auskennt / auseinandersetzen will, würde ich mich freuen.

Meine weiteren Fragen wurden schlicht ignoriert bzw. mit dem Bescheid „diese Informationen liegen uns nicht vor“ abgewiegelt. In ihren eigenen Datenschutzbestimmungen (nur als PDF erhältlich!) hält sich die Divibib GmbH übrigens auch aus allem heraus und wälzt die Verantwortung auf die User ab.

§ 4 Technische Voraussetzungen
Um die „Onleihe“ nutzen zu können, müssen Sie als Bibliotheksnutzer über eine geeignete Hardware und Online-Technologie verfügen und sich auf eigene Kosten und Gefahr Zugang zu elektronischen Diensten und Medien, insbesondere zum Internet, verschaffen. Sie müssen diese Hardware und Online-Technologie den sich verändernden technischen Standards im Internet und der „Onleihe“ auf eigene Kosten anpassen.

Da ich die Adobe Digital Editions App nicht verwende, bin ich nicht akut betroffen. Ich nutze die Onleihe App am iPad und lese die Bücher im Bluefire Reader. Auch von dieser Stelle gibt es ein Statement, Bluefire behauptet, keine Daten zu sammeln. Trotzdem hat mich der gesamte Ablauf dieser Angelegenheit dermaßen angewidert, dass ich überlege, wieder vollständig auf Papier umzusteigen. Adobe selbst verweist auf seine Datenschutzbestimmungen und kommt vergleichsweise einfach davon. Alle untergeordneten Unternehmen fühlen sich nicht zuständig und verweisen auf Adobe. Adobe hat bereits Userdaten verloren.

Der Umgang der Divibib GmbH mir gegenüber in dieser Angelegenheit war unhöflich und nicht hilfreich. Zu behaupten, man wolle gern weiterhelfen, reicht nicht aus, wenn gleichzeitig alle gestellten Fragen ignoriert werden und lediglich nicht passende Textbausteine als Antwort gegeben werden.

Persönlich muss ich mir jetzt die Frage stellen, wie privat meine Lesegewohnheiten eigentlich sind, da ich hier ohnehin sehr genau beschreibe, was ich lese. Meine Meinung über die unterschiedlichen Bücher gibt vermutlich mehr über mich preis, als ich mir vorstellen möchte. Trotzdem möchte ich nicht, dass Adobe diese Daten sammelt und mit anderen öffentlichen Informationen über mich verknüpft (siehe Zitat aus der Datenschutzrichtlinie oben). Fürs Erste werde ich keine Bücher mehr aus der Onleihe ausleihen und mich bei Gelegenheit wieder mal nach Alternativen umsehen.

Nachtrag: Thematisch passender Galgenhumor der Büchereien Wien auf Twitter zu Halloween:

Ich gehe als Adobe Kopierschutz. Schickt mir also schon mal eure Daten. #mediengrusel

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Reise Sachbuch

Katrin Zita – Die Kunst, allein zu reisen

In irgendeinem Medium war mir dieses Buch entgegen geflogen und ich erinnere mich noch, dass mich der Titel so angesprochen hat, dass ich es sofort kaufen wollte (ohne auf die Paperback-Ausgabe zu warten). In meiner lokalen Buchhandlung konnte ich es nach ein paar Tagen abholen. Hätte ich den Untertitel nicht nur überflogen, sondern auch interpretiert, wäre mir wahrscheinlich vorher klar gewesen, dass es sich um ein Coaching-Buch handelt. Ich hab’s ja nicht so mit Selbsthilfe-Literatur. Kürzlich hatte ich ein Buch zum Thema Entscheidungen treffen in der Buchhandlung liegen gelassen (aber immerhin fotografiert, um es wieder zu finden).

Sich selbst wahrzunehmen bedeutet, die eigenen Gefühle zu spüren. Es gilt einzuordnen, was uns froh stimmt und erfüllt, und auch was uns ärgert, nervt oder wütend macht. Diese Wahrnehmung führt zu einer weiteren Erkenntnis, nämlich zur Chance der Beobachtung, welche automatisch ablaufenden Denkmuster diese Gefühle in uns auslösen.

Obwohl mich der Schreibstil der Autorin an Schokomousse erinnert, konnte ich dann doch einige Anregungen mitnehmen. Mein Vorurteil gegenüber Coaching und Lebensberatung wurde zwar stückchenweise bestätigt, aber bei einem Buchpreis von ca. 20€ fürs Hardcover habe ich mich zumindest nicht in Unkosten gestürzt. Ob es die richtige Entscheidung für mich war, mein ohnehin grüblerisches Leben auch noch mit Fragen nach dem richtigen Reisen zu belasten, kann ich nachträglich nicht beantworten.

Die Frau darf alles, sogar Erfolg haben, aber sobald sie selbst die wichtigste Person in ihrem Leben ist, werden Missfallen, böse Worte und offener Hass entgegengebracht. Dies ist gespeist aus Neid, Schmerz und Erkenntnis über das aus der Hand gegebene eigene Leben.

In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass ich kein guter Reisegefährte bin. Ich will alles nach meinem Willen haben, möchte aber nach Möglichkeit, dass meine Reisebegleitung das für mich möglich macht. Schließlich will ich mich im Urlaub entspannen. Das hat natürlich meistens nicht besonders gut geklappt. Dazu kommen dann oft noch die unterschiedlichen Wünsche des jeweiligen Reisegefährten und fertig ist die Katastrophe (und dazu kam es tatsächlich mehrmals mit unterschiedlichen Reisebegleitern). Wenn ich alleine unterwegs bin, hab ich zwar das Problem, alle Entscheidungen selbst treffen und auch ausbaden zu müssen, aber immerhin kann ich dann die Teile, die ich beeinflussen kann, so haben, wie ich es möchte. Von Reisen außerhalb Europas habe ich mich allerdings aus diesem Grund verabschiedet (und mir auch gleich als Ersatz für den abgelaufenen Pass nur einen Personalausweis ausstellen lassen).

Wer klug handelt, reist um die Welt und bereist dabei sich selbst. Denn man lernt mit dem Älterwerden immer besser, mit den eigenen Gefühlen umzugehen. Die Weiterführung dieser Fähigkeit zeigt sich im Austausch mit anderen: Wer bei sich selbst ein gutes Gefühlsmanagement geschaffen hat, ist weitaus klarer und einfühlsamer im Umgang mit anderen.

Je fremder die Umgebung, umso größer werden die Unannehmlichkeiten, mit denen man möglicherweise konfrontiert wird. Für viele Annehmlichkeiten fehlt dann oft das Budget. Erst kürzlich habe ich mir überlegt, ob vielleicht eine Lebenskrise in meinem Leben bisher gefehlt hat und mir daher entsprechende Bewältigungsmechanismen fehlen. Was wiederum der Grund dafür sein könnte, dass mich Kleinigkeiten in einer schlechten Mondphase schon mal aus der Bahn werfen können. Andererseits kann sich niemand auf eine Lebenskrise vorbereiten, weil man nie weiß, wann sie einen erwischt und auf welche Art und Weise das eigene Leben auf den Kopf gestellt wird.

Vielleicht hätte ich das Buch doch besser digital gekauft, um es auf Reisen wieder lesen zu können. Eine Empfehlung kann ich nicht aussprechen, ich glaube, man muss schon eine Affinität für genau dieses Thema oder diese Literatur haben. Für mich war es nicht ganz erwartungsgemäß, aber trotzdem interessant. Und es fühlt sich etwas wie eine Hausübung an. Einige Punkt konnte ich bereits abhaken, andere sind noch offen.

RANDNOTIZ: Während ich das schreibe, höre ich endlich das neue Yellowcard-Album Lift A Sail. Monatelang wurde der Countdown auf den 7. Oktober als Release-Termin runtergezählt. Als ich dann zur Mittagszeit des 7. Oktober das Album laden wollte: Im österreichischen iTunes-Store erst am 10. Oktober verfügbar. Was soll das? Ich hatte vor Wochen vorbestellt, ich kann mir keinen Grund vorstellen, weshalb die Band oder die Plattenfirma einen gleichzeitigen Release auf der ganzen Welt nicht wollen sollten (weniger treue Gemüter hätten wohl längst anderswo runtergeladen). Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es Apple nicht möglich ist, ein Album auf der ganzen Welt gleichzeitig (von mir aus über 24 Stunden / Zeitzonen verteilt) zur Verfügung zu stellen. Auf meinen diesbezüglichen Frustrations-Tweet bekam ich leider keine Reaktion.

Abgesehen von dieser Vorgeschichte: das Album ist großartig. Southern Air kam für mich nicht an die Großartigkeit von When you’re through thinking, say yes heran, obwohl Here I Am Alive, Always Summer und Telescope absolute Highlights sind. Transmission Home ist eine wunderbare Gänsehaut-Nummer und passte aus anderen Gründen (dazu mehr in einem späteren Post) gerade gut in meine Stimmungslage.

Da die Frühlingstournee Yellowcard zwar nach Europa, aber nicht nach Österreich führt, steht wohl eine Konzertreise an. Diese werde ich höchstwahrscheinlich allein absolvieren. Kopenhagen klingt echt gut.

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Sachbuch

Adele Faber, Elaine Mazlish – How to talk so teens will listen & listen so teens will talk

Mein Patenkind ist inzwischen zu einem jugendlichen Mädchen herangewachsen, ein junger Teenager, aber doch nicht mehr ganz Kind. Das spüren die Eltern, aber auch ich im Gespräch mit ihr immer wieder daran, dass sie sich einerseits viele Gedanken macht und sich die Themen in den letzten Monaten deutlich verschoben haben. Daraus folgt aber auch, dass sie alles in Frage stellt, speziell die Regeln, die ihre Eltern für sie aufstellen. Wie geht man mit einem Kind in diesem Alter um?

Im ersten Kapitel habe ich einiges wiedergefunden, was ich bereits aus dem Vorgängerbuch How to talk, so kids will listen … kannte. Speziell das Zuhören anstatt Kommentieren habe ich bereits mit Erfolg angewandte (und zwar bei Weitem nicht nur bei Kindern, es funktioniert bei Erwachsenen auch ganz hervorragend). Es ist nicht so leicht, wir haben uns angewöhnt, die Gefühle von anderen in Beziehung zu unseren eigenen zu setzen und uns vorzustellen, wie wir uns in dieser Situation fühlen würden. Das funktioniert bei Erwachsenen, die Probleme austauschen, meist ganz gut, weil beide Seiten wissen, dass genau das passiert. Bei Jugendlichen fühlt man sich als Erwachsener schnell überlegen, man glaubt, man „weiß es besser“, man nimmt die Gefühle der jugendlichen Person nicht ernst (weil man natürlich selber weiß, dass das erste „miteinander-gehen“ mit einer interessanten Person zumeist von langfristiger Bedeutung ist). Doch gerade dieses nicht-ernst-nehmen führt bei Jugendlichen dazu, dass sie den Eltern (oder anderen Bezugspersonen) gar nichts mehr erzählen wollen. So banal das klingt: Die Gefühle der anderen Person sollte man in jedem Fall akzeptieren, auch wenn sie einem selbst lächerlich erscheinen mögen.

So weit so gut. Weitere Tips und Beispiele lassen mich dann eher kopfschüttelnd zurück. Obwohl ich selbst nicht Mutter bin, kenne ich viele Geschichten aus der Realität und weiß daher, dass es ganz ohne Bestrafungen nicht geht. Die vorgeschlagenen Alternativmethoden:

  • State your feelings.
  • State your expectations.
  • Show how to make amends.
  • Offer a choice.
  • Take action.

In den erklärten Beispielen läuft es dann am Ende dann doch wieder auf Strafe hinaus. Am Ende Fußballverbot.

Das nächste Kapitel gibt Ratschläge, wie man gemeinsam an Problemlösungen arbeiten kann. Klingt in der Theorie alles ganz praktisch, aber ich kann mir gut vorstellen, dass in der Praxis bei allen Beteiligten die Emotionen hochgehen. Allein schon der Punkt „invite your teenager to brainstorm with you“. Ich höre es direkt in meinem Kopf: „Ist ja dein Problem, für mich ist eh alles super.“ Nehmen wir einen kurzen Moment an, es kommt zu einem gemeinsamen Brainstorming und man einigt sich mit dem Teenager auf einen Plan. Was, wenn dieser nicht eingehalten wird? Auch das kenne ich aus dem eigenen Leben: man vereinbart ein Verhalten, dieses wird nicht eingehalten, man muss Konsequenzen ziehen. Teenager leben im Moment und vergessen oft, was ihr Verhalten gerade jetzt später für Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Besonders spannend fand ich dann das Kapitel, in dem die Jugendlichen zu Wort kamen. Das Buch beschreibt ein experimentelles Workshop-Programm, das die Autorinnen in einer Schule mit betroffenen Eltern durchführten. An einem späteren Abend setzten die Autorinnen sich nur mit den Jugendlichen zusammen, um ihre Perspektive zu sehen und zu hören, was ihnen wichtig ist. Dabei musste es natürlich auch um Gruppenzwang gehen und darum, was man tut oder nicht tun sollte, nur weil die anderen es auch machen. Ein Thema, das jeder Erwachsene aus der Praxis kennt und sich vorstellen kann.

I was touched by what the kids were saying. Their friends were so important to them that some of them were willing to give up part of themselves in order to be part of the group. And yet they all knew, on some level, what gave meaning to a mutually satisfying friendship.

Auch ich hatte letztens den Eindruck, dass mein Patenkind prinzipiell weiß, was richtig ist. Aber ich muss zugeben, dass ich manchmal Zweifel habe, ob sie ihre Prinzipien auch gegen den Gruppenzwang durchsetzen würde, wenn sie befürchten müsste, damit allein dazustehen.

Die meisten Kinder wissen in den Situationen, die ihnen im Alltag begegnen, was richtig und falsch ist. Es ist falsch, einen Rollstuhlfahrer auszulachen. Es ist falsch, ein anderes Kind zu hänseln, weil es rote Haare hat oder dicker oder dünner als der Durchschnitt ist. Es ist falsch, ein anderes Kind wegen irgendwelchen Äußerlichkeiten abzukanzeln. Aber es ist sehr schwierig, eine Meinung auch nur kundzutun, wenn man bereits weiß, dass man sich damit in einer Gruppe exponiert. Sich gegen die Gruppe zu stellen ist das Schwierige. Diesbezüglich bin ich mir noch unschlüssig, wie wir das unseren Kindern vorleben können (weil ich überzeugt bin, dass Vorleben als Erziehungsmethode am besten funktioniert). Kinder brauchen Orientierung und die bekommen sie von ihren Bezugspersonen. Aber nicht jede Situation ergibt sich im Alltag. Ich bin heute noch vorsichtig, eine konträre Meinung in einer größeren Gruppe laut zu äußern, weil ich selbst die Erfahrung gemacht habe, dass man damit nicht nur die Stimmung empfindlich zerstören sondern sich auch zur Zielscheibe machen kann. Und gerade eine Zielscheibe möchte kein Jugendlicher sein. Das wiederum sollten sich auch die Eltern merken: das Kind nicht zur Zielscheibe der eigenen (unerfüllbaren) Wertvorstellungen zu machen.

But fortunately, silence is not our only option. If ever we find ourselves becoming annoyed or angry with anyone in the family, we need to stop, take a breath, and ask ourselves one crucial question: How can I express my honest feelings in a way that will make it possible for the other person to hear me and even consider what I have to say?

Kommunikation kann nur beidseitig funktionieren und deshalb sollten natürlich auch die Kinder lernen, dass gegenseitiges Beschuldigen, Schimpfen, sich Vorwürfe machen keine gute Strategie ist. Aber wie sollen sie das lernen, wenn sie genau das von ihren Eltern immer wieder erleben? (siehe oben: Vorleben) Die Autorinnen raten dazu, die eigenen Gefühle zu beschreiben, anstatt sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Nicht einfach, vor allem, wenn man nicht gewohnt ist, Gefühle zu beschreiben. Umso wichtiger wäre es, dass wir das unseren Kindern beibringen, damit sie später in der Lage sind, sich in Worten auszudrücken und nicht herumzubrüllen oder möglicherweise aggressiv mit Tellern zu werfen.

Auch wenn ich so meine Zweifel habe, wie sich die einzelnen Methoden tatsächlich in der Praxis bewähren können, habe ich doch für mich einige interessante Anregungen aus diesem Buch beziehen können. Und sei es nur, dass ich selbst nach einem harten Arbeitstag gleich mal klarstelle, dass ich grumpy bin und heute keine Diskussionen mehr führen will. Das kann auch im Umgang mit dem Partner durchaus mal von Vorteil sein. ;-)