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Roman

Nicole Krauss – Kommt ein Mann ins Zimmer

Mohn

Ray klopfte noch einmal, und dann, wie auf Stichwort, wurde der Bildschirm schwarz, und es erschien ein dreidimensionales, durch den Raum rotierendes Gehirn, so lebendig, dass es realer schien als ein echtes, die Gehirnlappen voller leuchtender Signale einer regen Tätigkeit, abgelöst von jeder Konsequenz die reinen Denkbewegungen verfolgend, ohne Blut und ohne Atem, ohne ein schlagendes Herz, das ihnen die Richtung wies.

Samson hat sein Gedächtnis verloren. Er wird in der Wüste von Nevada gefunden, ohne zu wissen, wer er ist und wo er herkommt. Nach der Entfernung eines Gehirntumors erinnert er sich wieder an seine Kindheit, jedoch an nichts danach. Diese Erinnerungslosigkeit wird zuerst zur Zerreißprobe für Samson und seine Frau Anna. Es scheint unvermeidlich, dass diese beiden Menschen getrennte Wege gehen müssen, dass Samson ein neues Leben beginnen muss. Aber wie kann er Anna verlassen? Ohne Geld, ohne Beruf, nach allem, was sie für ihn getan hat?

Aber er fragte nicht, weil er unsicher war, ob er die Antworten wissen wollte. Er hatte das Gefühl, hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, es sei besser, sie nicht zu wissen.

Es tun sich immer mehr Fragen auf. Was bleibt vom Menschen, wenn er seine Erinnerungen verliert? Ist er dann ein neuer Mensch? Ist Samsons Vergangenheit nichts mehr wert, da er sich nicht daran erinnert? Zählt eine Erinnerung nur, wenn sie geteilt werden kann? Einerseits ja, andererseits nein. Es hat auch mit dem Leben an sich zu tun. Wir füllen unser Leben nach Möglichkeit mit Annehmlichkeiten und es bleiben uns dann mehr oder weniger Erinnerungen. Wenn die weg sind, hat man dann sein Leben vergeudet? Warum will Samson keine neuen Erinnerungen machen, warum nicht so schnell wie möglich etwas erleben?

In das Bewusstsein eines anderen einzudringen und dort eine Fahne aufzupflanzen war ein Verstoß gegen das Gesetz der absoluten Einsamkeit, auf dem dieses Bewusstsein beruhte. Es war eine Bedrohung, vielleicht sogar eine unwiderrufliche Beschädigung der lebenswichtigen Abgeschiedenheit des Selbst.

Durch seinen Arzt gelangt Samson an Ray, ebenfalls Arzt, der Experimente mit dem menschlichen Gedächtnis macht und in Samson eine leere Tafel sieht. Er will versuchen, die Erinnerung eines anderen Menschen in Samsons Gedächtnis zu transferieren. So langsam wird klar, dass es vielleicht doch um irgendwelche schlimmen Experimente mit dem menschlichen Gehirn geht. Oder? Vergessen ist schon ein kompliziertes Thema an sich. Warum setzt Samson sich diesem Risiko aus, ohne zu wissen, was ihn erwartet? Warum ist er dann überrascht, als ihn die Erinnerung eines anderen wie ein Elektroschock trifft und nicht mehr loslässt? Hat er nie geglaubt, es könnte funktionieren? Die Folgen – in jeder Hinsicht – werden ihm erst später klar. Ein aufrüttelnder Roman, der die Wichtigkeit von (geteilten) Erinnerungen eindrucksvoll hervorhebt.

Erst viel später, als es schon zu spät war, ging ihm der Terror des Ganzen auf: eine Zukunft, in der Gedächtnisse entführt werden konnten, in der die letzte, tiefste Intimsphäre ausgekundschaftet und an die Öffentlichkeit gezerrt werden konnte.

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Roman

Kazuo Ishiguro – Damals in Nagasaki

Margeriten

„So war mein Mann eben, Etsuko. Sehr streng, und sehr patriotisch. Er war nie besonders rücksichtsvoll. Aber er kam aus einer sehr angesehenen Familie, und meine Eltern hielten ihn für eine gute Partie. Ich habe mich nicht gewehrt, als er mir verbot, Englisch zu lernen. Es schien mir schließlich gar nicht mehr sinnvoll.“

Es ist eine seltsame Welt, die sich in diesem Roman entfaltet. Mich verstörte ziemlich von Anfang an die Distanz, mit der die Autorin die Geschehnisse schildert. Durch die unterschiedlichen Zeitebenen – die Mutter Etsuko mit ihrer Tochter Niki in England, die junge Etsuko, schwanger mit ihrem ersten Kind in Japan, hoffnungsvoll in die Zukunft blickend – scheint die Hauptfigur Etusko in Distanz zu ihrem eigenen Leben zu stehen. Wie man es vielleicht in so einer Situation – mehr als 20 Jahre später, am anderen Ende der Welt lebend – selbst empfinden könnte.

Seit Langem habe ich wieder ein Buch vom Wühltisch gekauft, im Kurzurlaub in Klagenfurt. Angezogen hat mich der bunte Umschlag, dann der Titel, japanische Kultur hat ja auf die Nerdgemeinde seit Längerem eine große Anziehungskraft und ich schließe mich da selbst nicht aus. Es scheint Japan in vielem eine andere Welt zu sein. Die hohe Selbstmordrate, die hohen Ansprüche, die die Menschen an sich selbst stellen, die Höflichkeit, ständige Achtsamkeit, um nur niemanden zu beleidigen. Selbst im Streit vollkommene Umgangsformen zu bewahren, das kennt man in Europa und speziell in Österreich so nicht. Diese Höflichkeit prägt in zweiter Linie die Geschichte in diesem Buch.

Der Klappentext verspricht schließlich, dass Etsuko „sich ihrer Vergangenheit stellen“ muss, das konnte ich jedoch im Buch eher nur in der Theorie erahnen. „Erschüttert taucht sie ein in eine Welt der Erinnerungen, Träume und Illusionen und blickt zurück auf die Zeit damals in Nagasaki, nicht lange nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Welt, die sie kannte, in Trümmern lag …“. Von diesen Trümmern bekommt man als Leser nicht recht viel mit, auch der Konflikt, wegen dem Etsuko schließlich Japan verlassen hat, wird nur angedeutet. Probleme werden nicht thematisiert, selbst in emotionalen Momenten ist Zurückhaltung angesagt. In diesem Sinn ist das Buch vielleicht authentisch, vielleicht aber auch nicht. Als Außenstehender kann man das nicht beurteilen. Und so mag die Geschichte Einsichten liefern oder auch nicht. Kryptisch.

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Roman

Cornelia Travnicek – Chucks

Denkmal auf der Donauinsel vor dem Millenium Tower in Wien

Sie seien gegen die Traurigkeit, sagte meine Mutter. Der süße Nachgeschmack, kurz und intensiv, verbreite sich in meinem Mund immer genau in dem Moment, wenn sie die Tür schloss und es plötzlich dunkel in meinem Zimmer war. Aurum metallicum. In meinen Träumen nahmen die Globuli den Platz eines fremdländischen Zaubermittels ein, magische Kügelchen aus einem Land, in dem es sicherlich auch fliegende Teppiche und Wunderlampen gibt.

Die Ich-Erzählerin in Cornelia Travniceks berührendem Roman Chucks lebt ein bewegtes Leben. Bewegt ist auch die Erzählung desselben, sie springt zwischen verschiedenen Zeitebenen nahezu willkürlich herum. Und doch fügt sich das Bild zu einem harmonischen Ganzen. Der Tod des Bruders prägt die junge Frau entscheidend. Das scheinbar von Zwängen freie Leben der Aussteigerin Tamara, die in U-Bahnen und abbruchsreifen Häusern lebt, übt eine Anziehungskraft auf die Protagonistin aus, die nicht weiß, was sie vom Leben will.

„Im Falle eines Unfalles“, wiederhole ich mit affiger Stimme. Ich sehe schon einen Baum näher kommen, sehe, wie sich die Schnauze des Autos langsam, wie bei den Crashtests im Fernsehen, zusammenfaltet, sehe, wie die Airbags sich aufblasen und auf einmal da sind, wie meine Füße nach oben geschleudert werden, meine Nase ein blutiges Loch ist. Warum sich die lange Mitte unseres Lebens immer um den unvermeidlichen Anfang und das zu vermeidende Ende dreht.

Wer hat sich noch nicht vorgestellt, das Schlimmstmögliche würde nun eintreten und sich die grausigen Folgen ausgemalt? Ich denke, es wird vielen Lesern so gehen, dass sie ein oder mehrere Situationen auch schon erlebt haben. Obwohl das Schicksal der Protagonistin aus bekannten Versatzstücken zu bestehen scheint, langweilt man sich nie, auch wenn man Bekanntes findet. Der Druck, das Leben nutzen und möglichst sinnvoll befüllen zu müssen, kann jeden mal dazu treiben, den Ausstieg zu suchen und einfach zu gehen. Viele widerstrebende Gefühle werden so thematisiert und die Beschäftigung mit einem langsamen und quälenden Sterben könnte kaum gleichzeitig so distanziert und lebensnah beschrieben werden. Und wenn das noch nicht reichen sollte, dann sollten es alltagspoetische Sätze wie dieser tun:

Neben unseren Füßen zieht eine leere Fast-Food-Verpackung vorbei wie urbanes Tumbleweed.

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Krimi Roman

David Baldacci – Die Versuchung

Taj Mahal @ Minimundus, Klagenfurt

Die Wahrheit sah so aus, dass jeder Winkel dieser Wohnung ihm jederzeit schmerzliche Erinnerungen bringen konnte. Doch seit geraumer Zeit war er zu der Einsicht gelangt, dass das gar nicht so schlimm war. Schmerz war ein wunderbar motivierendes Instrument.

David Baldacci ist ja unter anderem als Meister des gepflegten Thrillers bekannt. In diesem Roman nimmt er sich viel Zeit, um seine Geschichte aufzubauen, manchmal kommt einem fast das Gähnen, wenn man die Protagonistin LuAnn ins Unglück, das sich mittels Lotteriegewinn als Glück tarnt, rennen sieht. Einerseits wird lang und breit das Vorleben von LuAnn thematisiert, aber Baldacci lässt uns nicht nur in den Kopf und ins (Vor-)Leben seiner Heldin blicken, sondern gibt auch dem Mörder eine Vergangenheit – und einen tyrannischen Vater.

Jackson lachte. „Die Leute sollten wirklich mehr Achtung vor Technikern haben, Mr. Donovan. Techniker kontrollieren nämlich alles, weil sie die Geräte kontrollieren, die wiederum den Informationsfluss kontrollieren. Ich nehme die Dienste vieler Techniker in Anspruch. Ich brauchte keine Bosse zu bestechen. Sie sind ohnehin nutzlos. Fette, unfähige Hampelmänner. Da sind mir die Arbeitsbienen viel lieber.“

Tatsächlich ist auch die Geschichte des Antagonisten Jackson spannender als die Haupt-Storyline. Wie hat er den Lotteriebetrug bewerkstelligt? Warum dieses Faible für Verkleidungen? Warum die Kaltblütigkeit, mit der er tötet? LuAnn und die anderen positiv besetzten Figuren der Geschichte haben kaum Ecken und Kanten, sie scheinen rundum gut zu sein, natürlich hat die gute LuAnn Gewissensbisse wegen dem vermeintlich begangenen Mord und dem Lotteriebetrug. Und auch der durch und durch gute Mann, der LuAnn erst seine Liebe gesteht, als er sicher sein kann, dass sie nicht glauben kann, er würde sie nur wegen ihres Geldes wollen. Da ist ein psychopathischer Mörder, der mit Milliardengewinnen aus veranlagtem Lotteriegeld nicht genug hat, schon deutlich interessanter.

Als Jackson die Straße hinunterging, schwirrte ihm immer noch der Kopf bei dem Gedanken an das Verbrechen, das er soeben begangen hatte. Dann aber richteten seine geistigen Energien sich wieder auf jenen Menschen, der seiner Meinung nach für alles verantwortlich war.

So hat sich letztendlich doch der langwierige Aufbau der Geschichte gelohnt. Nicht sein bestes Werk, aber vermutlich auch nicht das Schlechteste.

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Roman

Terry Pratchett – Rollende Steine/Echt zauberhaft

Liebesschloss am Lendkanal, Klagenfurt

„Du musst bestimmter auftreten“, sagte der Rabe. Er hockte nun auf einem Felsen. „Das ist das Problem mit Frauen in gehobenen Berufen. Sind nicht energisch genug.“

In diesem Pratchett-Doppelpack beschäftigt sich der erste Band mit Musik und deren potentieller Wirkung auf Musiker und Menschen. Tatsächlich lautet der englische Originaltitel „Soul Music“, es erscheint daher als komische Idee, das für die deutsche Ausgabe gerade die nicht eindeutige Übersetzung vom deutlich plakativeren „Rolling Stones“ gewählt wurde.

„Siehst du denn nicht, was passiert? Die Musik veranlasst Leute, sich närrisch zu benehmen, törichte Kleidung zu tragen, unhöflich und ungehorsam zu sein. So was gehört sich einfach nicht. Außerdem … denk an das, was mit Herrn Hong geschah.“

Auch Tod und die Zauberer der Unsichtbaren Universität können sich dem Zauber der Musik nicht entziehen. Wobei Tod tatsächlich auf Selbstfindungstrip versucht, sich zu Tode zu langweilen, während seine Enkelin Susanne mit der Sense die Pflicht versehen muss. Das alles während sie versucht, die Mitglieder der „Band Mit Steinen Drin“ zu beschützen. Eine nahezu unmögliche Aufgabe. Im Zuge deren Erlebnisse schafft es Pratchett auch, sich gefinkelt über die Urheberrechtsdebatte lustig zu machen. Wie in seinen von mir hoch geschätzten Büchern zum Thema Zeit steckt auch hier mehr in der Geschichte als auf den ersten Blick zu erkennen ist.

„Rincewind ist kein Käse, verdammt und zugenäht!“ rief der Dekan, dessen Geduld nun zu Ende ging. „Er ist auch kein Joghurt oder irgendein anderes Sauermilchderivat! Rincewind ist ein verfluchtes Ärgernis! Es gibt keine größere Schande für die Zauberei! …“

Im zweiten Band muss der unfähige Zaubberer Rincewind wieder mal unfreiwillig von einem Abenteuer ins andere stolpern und wird dabei Schritt für Schritt vom deus ex machina „gerettet“. Obwohl ebenfalls spannend aufgebaut, sagen mir die Rincewind-Geschichten nicht besonders zu. Keine Ahnung, warum.

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Roman

Terezia Mora – Der einzige Mann auf dem Kontinent

Mellow Yellow Flower

Das permanente Angebundensein an den Datenstrom ist mir nicht lästig und überfordert mich keinesfalls. Wenn nichts davon da ist – das überfordert mich.

Terezia Mora zeigt uns einen Protagonisten als hin- und hergerissenen Mann. Stressiger Job, herausfordernde Freundschaften, sensible Frau, die seine Aufmerksamkeit fordernd. Sie erzählt Episoden aus der Vergangenheit, so erinnert sich der Protagonist Darius Kopp etwa in Rückblenden an einen psychischen Zusammenbruch seiner damaligen Lebensgefährten, der schließlich zu einem Heiratsantrag seinerseits führte. Sie hypersensibel, er always on und untrennbar mit der Welt verbunden – man fragt sich bald, ob das gutgehen kann?

Die Idee war brillant, verwegen, Kopps Herz schlug ein schnelleres Tempo an, er riss die Augen auf: staubige, dunkle Balken. Es kommt doch heraus. Es kommt immer alles heraus. Nein, das stimmt nicht. Manches nie … Wozu reicht mein Mut? Das ist nicht die Frage, sondern: Wie findet meine Moral das? Er schloss sanft die Augen.

Sein fragiles berufliches Gerüst wird erschüttert von einer unterwarteten Barzahlung eines Kunden. Niemand außer ihm weiß von dem Geld. Sein Arbeitgeber schuldet wiederum Darius Kopp jede Menge Geld für Spesen und Versicherungszahlungen. Was soll mit dem Bargeld im Karton geschehen? Niemand muss davon erfahren. Aber Darius Kopp hat Skrupel. Und versucht trotz allem, das Richtige zu tun. Was immer das auch sein mag.

Er rannte ins Café hinein, Selbstbedienung, er rannte an den Tischen vorbei, direkt an die Theke, wie ist er auf den Barhocker gekommen, keine Erinnerung, auf einmal saß er drauf. Er keuchte, nicht vor Anstrengung, sondern vor Erleichterung darüber, dass er diesen Hafen gefunden hatte. Essen, Trinken, Internet.

Hier fühlt sich der gemeine Nerd/Geek leicht solidarisch, wobei ich von mir selbst behaupten möchte, dass ich so hysterisch selten in ein WLAN-Café gestürmt bin. Doch in einer fremden Stadt kann das Internet schon Heimat sein, wo es keine andere Heimat gibt. Für Darius Kopp scheint es ein Zufluchtsort zu sein, auch wenn ihn dort weder Erleuchtung noch Erleichterung seiner schwierigen Entscheidungen erwarten.

Er hätte gern einen Lachanfall bekommen, einen hysterischen Lachanfall, dass er hätte taumeln und sich krümmen müssen und aufpassen, dass er nicht wieder in die Kartonwand geriet, aber es gelang ihm nicht.

Während Darius Kopp mit seiner Familie und seinen anderen arbeits- und partnerschaftlichen Sorgen beschäftigt ist, hat der Leser das Geld der Armenier im Karton längst vergessen. Ein kluger Schachzug, denn gleich der Kartonwand stürzt auch Darius Kopps Leben Stück für Stück ein. Verfolgen Sie den Zusammenbruch eines Lebens und was am Ende wirklich wichtig ist. Gespalten.

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Roman

Michelle Raven – Vertraute Gefahr

Bluemchen

Nur langsam ließ die Panik nach und sie konnte wieder atmen. Wenn sie nicht wollte, dass sich die Ereignisse wiederholten, musste sie vorsichtiger sein. Vor allem durfte ihr niemand mehr so nahe kommen. Noch einmal würde sie eine solche Qual nicht durchstehen. Nicht in der Lage, sich mit ihren Gefühlen und Erinnerungen auseinanderzusetzen, warf Autmn Shane ein gequältes Lächeln zu und flüchtete zur Essensausgabe.

Oh, Amazon, was verschenkst du für fürchterliche Schnulzenromane zu Weihnachten? Ah, ein Opfer, eine Frau, welch Überraschung. Oh, ein Held, ein Mann, jetzt bin ich aber überrascht. Sofort ineinander verliebt, sie hält sich zurück, weil schlechte Erfahrungen, muss ich mehr sagen? Doch, eines muss ich noch sagen: in Amerika dürfte das Werk wegen der saftigen aber ebenfalls völlig vorhersehbaren Sexszenen unter Pornografie abgelegt werden …

So ab 80% wartete ich nur noch darauf, wann jetzt endlich der böse Ex daherkommt, der das Opfer entführt, damit sie der Held dann im letzten Moment retten kann. Banaler geht’s echt nicht. Und dann auch noch dieser Name – Autumn … Falls Amazon nächstes Jahr wieder Kindle-Bücher zu Weihnachten verschenkt, werd ich nicht mehr alles runterladen, nur weil’s gratis ist. Jetzt liegt’s in meiner Kindle-Bibliothek und verspottet mich … Entbehrlich.

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Roman

Kathrin Gerlof – Alle Zeit

Osterschnee

Es ist erstaunlich, dass ich in diesem Buch keine Zitate gefunden habe, die ich als charakteristisch für die Geschichte empfinde. Andererseits kann man es auch so interpretieren, dass ich so in die Geschichte gezogen wurde, dass ich darauf einfach nicht mehr geachtet habe.

Die Sprache ist einfach, Alltagssprache sozusagen, Kathrin Gerlof erzählt eine Geschichte, wie sie die Familiengeschichte der Nachbarin sein könnte. Vier Frauen sind Protagonistin dieser Geschichte, sie repräsentieren 4 Generationen einer Familie. Die Älteste, Klara, lebt vereinsamt im Altenheim und verfällt zusehends der Demenz. Die jüngste, Juli, ist soeben selbst im zarten Teenageralter Mutter geworden und sucht nach der Urgroßmutter, die ihr tatsächlich so nah ist. Die beiden dazwischen, Julis Mutter Elisa sowie deren Mutter Henriette, sind kürzlich bei einem Autounfall verstorben. Doch auch ihre Geschichte wird in einer Rückblende erzählt. So entfaltet sich ein Familienpanorama, das Platz für unterschiedlichste Blickwinkel auf das Leben bietet. Nebenschauplätze sind die Krebserkrankung der Kellnerin, die im Park das Verbindungsglied zwischen Juli und Klara sein könnte, sowie die späte Liebe von Klara und Aaron, die sich aus dem Altenheim davonstehlen, um ein bißchen Glück zu erleben. Man fühlt mit allen beschriebenen Personen mit, Antagonisten fehlen vollkommen (sieht man von einer unfreundlichen Pflegerin im Altenheim ab), und doch ist die Geschichte reich an Konflikten unter den beschriebenen Frauen. Eine Meisterleistung, diese tief im Leben verwurzelte Geschichte, die den Blick öffnet für die Perspektiven der unterschiedlichen Generationen. Leseempfehlung.

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Krimi Roman

Arne Dahl – Böses Blut

Metall

Sie zogen alle vier ihre Waffen. Ihre Kiefer waren angespannt, sie hielten den Atem an. Sie fürchteten mehr um das Wohl ihrer Seelen als um das ihrer Körper. Sie waren auf dem Weg in die Höhle des Löwen. Welch grobe Verzerrungen menschlichen Lebens würden ihnen dort drinnen begegnen?

Wieder ein Serienmörder-Krimi aus der Reihe „Amazons Weihnachtsgeschenke an die Kindle User“. Obwohl die Foltermethode des hier gejagten Kentuckymörders ähnlich brutal ist wie alles, was Jo Nesbo seinen Harry Hole in Leopard erleben ließ, lässt Arne Dahls Geschichte den Leser erstaunlich kalt. Er beschreibt zwischendurch immer wieder die Lebensumstände der ermittelnden Kommissare, was ihnen eigentlich Leben einhauchen sollte. Fühlt man sich Personen nicht eher verbunden, wenn man ihre Lebensumstände kennt? Wenn man weiß, dass sie Partner und/oder Kinder haben oder hatten, wie sie leben und was sie fühlen? Eigentlich sollte es so sein, aber mich konnten die Geschichten nicht erreichen. Einzig das Duo „Jalm und Halm“ (wie die Amerikaner sagen) gewinnt durch die gemeinsame Vorgeschichte etwas an Profil.

Zwei Lungenentzündungen kamen durch die Luft gesegelt und suchten ihre rechtmäßigen Besitzer.

Hin und wieder blitzt in all dem trostlosen Ermittlungschaos ein bißchen staubtrockener Humor auf. Das tröstet allerdings nicht darüber hinweg, dass die Ermittler den Fall schließlich nicht zufriedenstellend lösen.

Sie hatten nicht richtig hingesehen, dachte Nyberg. Es waren nicht zwei Lungenentzündungen gewesen, die durch die Luft gesegelt kamen und ihre rechtmäßigen Besitzer suchen, sondern zwei Gehirnerschütterungen.

Offen bleibt die Frage, ob man ein Flipchart sauberwischen kann? Ist das ein Übersetzungsfehler oder heißen Whiteboards in Schweden Flipcharts?

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Roman

Nora Roberts – Der verborgene Stern

Zweige

Zudem war es erregend, zu wissen, dass sie sich an keinen Kuss vor diesem erinnern konnte. Dass er der einzige Mann in ihrem Kopf und in ihrem Herzen war, der sie auf diese Weise berührte. Er war der erste, der sie zum Zittern brachte, sein Name war der erste, den sie wisperte, während sie von einer Welle des Begehrens ergriffen wurde.

Hach, Frauenromane. Warum ist das immer so ein Thema, dass es wichtig ist, ob ein Mann der Erste ist? Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, erweist sich die betreffende Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat, dann auch noch tatsächlich als unberührt …

Er hatte eine sehr genaue Vorstellung von Recht und Unrecht. Es gab die Guten und die Bösen, es gab Gesetz und Verbrechen. Und doch war er nicht so schlicht gestrickt, dass er nicht auch die Graustufen erkannte und zu würdien wusste. Doch es gab gewisse Grenzen, die er niemals überschritten hätte. Zudem besaß er einen scharfen Verstand, der höchstens hin und wieder kleine Abstecher in bunte Fantasiewelten machte.

Hach, was für ein strahlender Held. Bei etwa 97% dann die entscheidende Erkenntnis. Das ist der erste Teil einer Trilogie. Warum sollte Amazon auch irgendwas anderes verschenken, als Dinge, die noch mehr Teile haben? Siehe der achte Harry Hole. Ob ich für die Fortsetzung von diesem Schinken allerdings Geld ausgeben möchte, muss ich noch mit mir selbst ausfechten. Immerhin ist die gute Bailey jetzt keine Jungfrau mehr. Mal sehen, ob ich diese damit nicht abgeschlossene Trilogie nicht irgendwie verdrängen kann.