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Krimi Roman

Henning Mankell – Mittsommermord

Steg (c) Andreas Trapp/PIXELIO

Nichts deutete darauf hin, dass jemand wichtige Beobachtungen gemacht hatte, weder auf der Lilla Norregata noch draußen im Naturreservat. Am sonderbarsten aber war, dass niemand sich gemeldet hatte, der die Frau namens Louise zu kennen glaubte.

Was hat die geheimnisvolle Frau, deren Foto Wallander in einem Geheimversteck in der Wohnung des ermordeten Kollegen Svedberg findet, mit diesem zu tun? Kennt sie den Mörder? Was hatte Svedberg mit ihr zu tun? Wie konnte er ein eventuelles Verhältnis vor den Kollegen verbergen? Und das Wichtigste: warum wurde er ermordet?

Eine langwierige Ermittlung fordert alles von Wallander und seinen Kollegen. Der Leser erfährt schon zu Beginn, dass Wallander an Diabetes leidet, genau wie er stellt man sich die Zuckerinseln vor, die in seinen Blutbahnen herumschwimmen. Wie wir Wallander kennen, unternimmt er vorerst nichts gegen die Krankheit und verschiebt dies auf die Zeit, nachdem die Ermittlung abgeschlossen ist.

Natürlich geht auch dieser Mörder letztendlich ins Netz, auch wenn Wallander und sein Team diesmal sehr lange im Dunkeln tappen. Das ergibt eine spannende Ermittlung, in der sie dem Mörder sehr oft sehr nahe kommen, ohne ihn jedoch zu erkennen oder sogar zu erwischen. Und nicht zu vergessen: Wallander lernt sogar eine Frau kennen. Der spannendste und beste Wallander bisher.

Weitere Informationen: Krimi-CouchLeseLustMittsommermord – der Film

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Roman

William Riviere – Kate oder Caterina

Wintergipfel(c)Karl-Heinz-Laube/PIXELIO

Und dann fühlte er es – dieser grauhaarige Mann, der auf seiner Mistgabel lehnte und in die züngelnden Flammen seines Feuers sah. Er fühlte die Schnelligkeit der Zeit in seinem brennenden Leben, so schnell, wie die Goldfinken durch den verregneten Nebel schossen. Und er fühlte die Langsamkeit der Zeit, Zeit, die so unermesslich langsam war; Zeit, die ihn wie eine tiefe Flut aus der Ewigkeit umspülte und ihm alles brachte; Zeit, die weiterfließen würde und ihn auffüllte mit Bewusstsein – und noch immer steig die Rauchsäule zum Himmel.

Leider muss ich voranschicken, dass das Eindeutigste an dieser Rezension sein wird, dass ich mich fürchterlich gelangweilt habe. Schon lange musste ich mich nicht mehr so durch ein Buch durchquälen. Es lässt sich nur schwer definieren, dass eine Geschichte aus dem zweiten Weltkrieg in Italien, mit einer zerrissenen Familie, einer Frau, die sich nach ihrem Mann verzehrt, der zuerst als politischer Gefangener hinter Gittern landet und danach mit den Partisanen in den Bergen verschwindet, so langweilig sein kann. Es passiert eigentlich genug, aber erzählt wird es durch die Emotionen der beteiligten Personen. Das geschieht aber wiederum in einer bemerkenswerten Emotionslosigkeit.

Denn selbstverständlich war zusätzlich das Unvermeidliche geschehen. Nach einigen dieser so weltlichen römischen Nächte hatte sie sich in fremden Zimmern wiedergefunden, mit Männern, die sie kaum kannte , beim ersehnten, kalten, nichts sagenden Geschlechtsverkehr.

Caterina betrügt ihren Mann während dieser im Gefängnis sitzt, das auch noch mit dem Feind und erwähnt wird dies so nebenbei, es scheint sie gar nicht weiter zu betrüben, gleichzeitig kann sie wohl ihrem eigenen Mann einen möglichen Seitensprung wohl kaum verzeihen. Diese Caterina ist eine überspannte Frau, die nicht weiß, was sie will und ihrem starken Mann kaum eine Stütze ist. Man hat kein Mitleid mit dieser schwachen Frau, die in ihrer Emotionalität versinkt und monatelang keinen klaren Gedanken zu fassen bekommt.

„Der Krieg, der hat ein eigenes Leben, ein Leben, das stärker ist als deines. Wir begannen zu verstehen, was es bedeutet, die totale Niederlage; was es für Italien bedeutete, keine eigene Armee mehr zu besitzen, wehrlos zu sein. Wir waren … Es waren wir, was unser Land nicht hatte; und das war nicht besonders gut.“

Natürlich ist es auf seine Art ein Epos gegen den Krieg, großteils ohne die Scheußlichkeiten des Krieges zu besprechen. Es zeigt wie eine Familie wegen des Krieges auseinanderbricht und das manche Menschen nachher nicht mehr dieselben sein werden. Leider ist es trotzdem quälend langweilig.

All diese Wunder! Ich kann nicht anders, als die Gewissheit zu verspüren, dass sie mir beide eines Tages für immer zurückgegeben werden. Entweder dies, oder aber ich lasse es zu, dass ich diese Vorzeichen nur zur Hälfte glaube, dann werden meine Gedanken ihren letzten Halt in dieser realen Welt verlieren.

So scheint es, als hätte Caterina schon lange den Halt in der realen Welt verloren. Auch der Gedanke, dass dieser Roman aus der Feder eines Mannes geflossen sein kann, erscheint mir befremdend. Zerrissenheit kann uns in Zeiten des Krieges aber auch in vielen anderen Situationen überfallen. Dieses Buch lässt hingegen keine zerrissenen Gefühle zurück sondern letztendlich nur Erleichterung.

Weitere Informationen: Fantastic fictionflipkart.com

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Roman

Joey Goebel – Heartland

Wolkenkratzer(c)siepmannH/PIXELIO

Dass er in dem möblierten Häuschen hinter dem Herrenhaus seiner Eltern wohnte, rief Blue Gene eine Fernsehserie über schwer gestörte Kalifornier in Erinnerung. Ihm hatte die die Serie gefallen. Im Zentrum er Handlung stand ein Typ aus dem Armeleuteviertel, der irgendwie mit einer Reihe reicher Leute zusammenleben musste. Er beschloss aber, sie sich nicht noch mal anzusehen, weil sie zu sehr einer Soap glich und die Musik irgendwie schwul klang.
(Eine herrliche Charakterisierung der bekannten Serie OC California mit Ben McKenzie in der Hauptrolle und dem Titelsong „California“ von Phantom Planet)

Wieder einmal hat sich der Griff zu Joey Goebel als richtig erwiesen, er entfaltet seine amerikanische Familiengeschichte diesmal im gespaltenen Umfeld von Wrestling und Politik. Auch in diesem Roman zeigt er sein großes Talent für Personencharakterisierung, jede einzelne Figur in diesem Werk ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und in ihren Entscheidungen nachvollziehbar. Besonders deutlich zeigt sich dies naturgemäß bei der Hauptfigur Blue Gene, aber auch bei seiner späteren Flamme Jackie, die zu ihren Überzeugungen steht und damit letztlich sogar auf der widerlichen Politbühne eine gute Figur macht.

Auf Profi-Wrestling war Blue Gene seit seiner Kindheit versessen, und daran hatte sich nie etwas geändert. Er und Mitchell Gibson hatten irgendwann begonnen, sich gemeinsam sonntags morgens Wrestling in der Glotze anzusehen, damals in den glorreichen Tagen von Hulk Hogan und „Macho Man“ Randy Savage. Ihn faszinierte die Vorstellung, dass zwei Männer vorgaben, einander töten zu wollen, aber später im Umkleideraum darüber lachten, sich gegenseitig zu ihren guten Leistungen gratulierten und anschließend zusammen ein Bier trinken gingen.

Bis auf Seite 644 entspinnt sich ein Hin und Her zwischen Blue Gene und seiner Familie. Erst geht die Initiative von den Eltern aus, um Blue Gene hinzuzuholen, damit er seinen Bruder John beim Wahlkampf unterstützt. In weiterer Folge ergreift Blue Gene aufgrund der vielen Enthüllungen über seine Familie, mit denen er konfrontiert wird, selbst die Initiative und bringt sein Geld unter die Leute. Sein gemeinnütziges Projekt wird nicht nur von Jackie, die Blue Gene zu erobern hofft, begeistert aufgenommen, sondern auch von den vielen anderen Menschen, denen Blue Gene mit seinem Projekt Arbeit gibt. Doch wie so oft in der Politik, wird Blue Genes Projekt schließlich vom politischen Gegner seines Bruders zum Negativen verkehrt und muss letztendlich geschlossen werden (woran Blue Genes Vater Henry nicht unschuldig ist).

Jackie überredet Blue Gene eine Gegenbewegung auf die Beine zu stellen, sie selbst wird schließlich die Kandidatin und erreicht eine große Menschenmenge. Als sie John in einem Fernsehinterview bloß stellt, kommt es zum Äußersten. Es zeigt sich, wie weit Menschen bereit sind, zu gehen, wenn es um den Erwerb oder den Erhalt ihrer Macht geht. Als er keinen Ausweg mehr sieht, wirft John alle moralischen Bedenken über Bord und gibt den Auftrag, Jackie zu ermorden. Und das auch noch mit den Worten „Gott verlang das von Ihnen.“ Wäre dieser Mordversuch erfolgreich, hätte John Mapother bereits auf dem Weg in den Kongress mehrere Existenzen zerstört.

Von diesem Punkt an geht alles ganz schnell. Johns Sohn Arthur wird von einem Auto angefahren und landet im Wachkoma. Am Bett des verletzten Kindes nähert sich die Familie schließlich wieder an, besonders John und Blue Gene versöhnen sich in Liebe zu dem Kind. Die Wahlkampf ist schließlich unwichtig. Auch in Amerika geht die Familie über alles.

Weitere Informationen: sf magazineselsohrenBücher-Wiki

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Roman

Tony Parsons – Als wir unsterblich waren

Rock(c)Friedrich Hillenbrand/PIXELIO

„Ja, schon gut“, sagte sie. „Aber hey, es wäre so wie in On the Road. Sal Paradise und Dean Moriarty, du weißt schon.“ Sie dachte, dass ihn das überzeugen würde. Sie wusste, wie sehr er dieses Buch liebte.

Tony Parsons entpuppt sich überraschenderweise als Multitalent. Hier entfaltet sich ein Punk Rock Epos, das die Geschichte dreier Freunde erzählt, deren Leben sich in einer Nacht vollkommen verändert. Als die Nacht (des 16. August 1977, die Nachricht von Elvis Tod verbreitet sich wie ein Lauffeuer) beginnt, arbeiten alle drei bei The Paper und haben mit ihrem Leben weiter nichts vor, als von Party zu Party zu ziehen und den rivalisierenden Jugendgruppen aus dem Weg zu gehen, die hinter ihnen her sind, um sie zu verprügeln. Trotz allem kennen diese Musikkritiker nicht nur die neue Musik, sondern können sich (auf Speed) sogar für eine Puccini-Arie begeistern.

Aber irgendwas in dem über die Ruinen wehenden Puccini sagte Terry, dass er sie wollte und nur sie die eine war und er nur diese eine wollte. Er stand auf und gesellte sich zu seinen Freunden am Fenster. „Es ist die Arie aus Madame Butterfly“, sagte Leon. „Es geht um dieses japanische Mädchen und wie sie sich in diesen Amerikaner verliebt, einen Kapitän oder so – keine Ahnung. Er fährt dann zurück in seine Heimat und heiratet eine andere. Aber sie liebt ihn noch. Und sie sagt, dass ihre Liebe eines schönen Tages zurückkommen wird.“

Drogenverherrlichung findet natürlich in gewisser Weise statt, es entspricht dem Zeitgeist, eine solche Geschichte kann ohne Drogen schwerlich auskommen. Auf unaufdringliche Weise gelingt es Parsons jedoch auch, zu zeigen, dass Drogen unweigerlich zum Absturz führen und man sich an einem Punkt entscheiden muss, sein Leben zu ändern. Dies zeigt sich eindrucksvoll an den drei Protagonisten Ray, Terry und Leon, die sich letztendlich für neue Wege entscheiden.

Doch als er über die Kampfzonen blickte, die sich rund um die Dogs auftaten, und er all die Tage und Nächte ohne Schlaf auf sich lasten spürte, war es unmöglich, etwas anderes zu empfinden als eine Art erschöpfter Melancholie.

Während Terry und Leon dem jeweiligen perfekten Mädchen hinterherjagen, steht Ray vor der Aufgabe, noch in dieser Nacht John Lennon zu interviewen oder sein bisheriges Leben als Journalist bei The Paper geht den Bach runter. Das Happy End lässt sich im Gefühl zwar bereits frühzeitig erahnen, wie es sich jedoch letztendlich ergibt und dass Terry in dieser Angelegenheit zum Deus ex machina wird, der nicht nur seine eigenen Probleme in neue Bahnen lenkt sondern damit auch Ray zum großen Erfolg verhilft, ist eine schöne Wendung, die den Leser zu frieden zurücklässt. Auch Leon landet am Ende bei Jack Kerouac (der obige Absatz bezog sich auf Terry, der sich letztendlich zu einem neuen Leben gezwungen sieht). Leon erkennt auf die scheinbar schwerste und doch auch einfachste Weise, dass sein Leben so nicht weitergehen kann und es Zeit wird, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Es waren die letzten Tage des Trampens. Lastwagenfahrer und Vertreter, die noch nie von Jack Kerouac oder On the Road gehört hatten, nahmen einen jungen Mann ohne Geld und mit rausgestrecktem Daumen schon mal mit, uns sei’s nur, um ein wenig Gesellschaft zu haben oder um etwas Gutes zu tun in einer schlechten Welt.

Ein wehmütiges und doch hoffnungsvolles Portrait des Erwachsenwerdens.

Fußnote: Der englische Titel „Stories we could tell“ trifft es meines Erachtens viel besser

Weitere Informationen: Tony Parsons Kolumne beim Daily MirrorRezension der Süddeutsche Zeitung

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Klassiker Roman

Daniel Defoe – Robinson Crusoe

Insel (c) Daniel Stricker/PIXELIO

Sobald ich nur eine Möglichkeit des Überlebens sah und nicht verhungern und umkommen musste, verging das Gefühl der Niedergeschlagenheit, sogar dann, als ich nach gebührendem Nachdenken erkannte, dass ich an diesen furchtbaren Ort verschlagen war, unerreichbar weit von allen Menschen, ohne jede Hoffnung auf Befreiung und ohne jede Aussicht auf Erlösung.

Zumindest grob kennt jeder die Geschichte des Robinson Crusoe, der auf einer einsamen Insel strandet und dort viele Jahre verlebt. Es ist interessant, mit welch stoischem Gehabe Robinson die Einsamkeit auf der Insel hinnimmt. Ohne sich lange mit Ärger und Gejammer aufzuhalten, baut er sich auf der Insel in mühsamer Kleinstarbeit eine Existenz auf. Natürlich macht er dabei Fehler, aber dies stellt kaum ein Problem dar, denn Zeit hat er ja im Überfluss. Lange Jahre lebt Robinson alleine und hat nur Tiere zur Gesellschaft und doch kommt ihm lange kein Gedanke an das Fortkommen von der Insel, außer der Möglichkeit, es könnte ein Schiff vorbeikommen.

Erst die Errettung des „Wilden“ Freitag zeigt Robinson, wie sehr im Gesellschaft gefehlt hat. Nach den langen Jahren scheint es ein Wunder, dass sich Robinson noch in der Lage sieht, seinen neuen Gefährten in Religion zu unterrichten und mit diesem theologischen Fragen nachzugehen.

Dies befriedigte Freitag nicht, sondern er entgegnete mir, indem er meine Worte wiederholte: „Schließlich vorgesehen? Ich nicht verstehen – aber warum nicht Teufel jetzt töten, viel vorher töten?“
„Ebensogut könntest du mich fragen“, sagte ich, „warum Gott nicht dich und mich tötet, wenn wir hier sündhafte Dinge tun, die ihn beleidigen; er verschont uns, damit wir bereuen und damit uns vergeben wird.“

Allzuviel Zeit bleibt ihnen für diese Gespräche ohnehin nicht. Die Ankunft Freitags setzt den Wunsch in Brand, die Insel zu verlassen. Da Robinson nun durch die Ankunft der Wilden weiß, dass das Festland in Reichweite liegt, setzt er alles daran, dieses auch zu erreichen. Als sich die Möglichkeit bietet, ein Schiff zu kapern, gelingt dies nach Robinsons Plan. Auch seine Rückkehr wird erzählt, was in kaum einer Rezension erwähnt wird. Meist konzentriert man sich einzig auf sein einsames Leben auf der Insel, das auch in Filmen (auch moderne Versionen wie beispielsweise Cast Away mit Tom Hanks) thematisiert wird. Auch Sechs Tage, sieben Nächte mit Harrison Ford und Anne Heche bedient sich des Motivs der einsamen Insel. Im Vergleich zu den filmischen Umsetzungen bleibt die Erzählung von Daniel Defoe wie oben bereits erwähnt, erstaunlich emotionslos, kaum eine Gemütsbewegung kann die Stimmung des wackeren Robinson trüben. Im Großen und Ganzen scheint es ihm nicht so schlecht bekommen zu sein, einen Großteil seines Lebens auf der Insel zu verleben.

Weitere Informationen: WikipediaCandlelight Stories Audio Podcastwriters blog

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Krimi Roman

Ian Rankin – Die Tore der Finsternis

Beer(c)StefanG81/SXC

„Wie hieß noch gleich dieser Song von The Clash?“
„Career Opportunities.“
„Genau. Ich hatte immer das Gefühl, dass es sich für jemand wie mich nicht gehört, The Clash zu mögen: zu alt und unpolitisch.“

Nach einem mehr oder weniger gezielten Teebecherwurf wird Inspektor Rebus ins Ausbildungscamp geschickt, wo er sich mit anderen Kollegen, die sich ebenfalls schlecht benommen haben. Gemeinsam werden sie auf einen ungelösten Fall angesetzt, es stellt sich heraus, dass Rebus bereits mit den mutmaßlichen Beteiligten zu tun hatte. Es entspinnt sich schließlich eine Verbindung zur Mordermittlung, die Rebus im Hauptquartier zurückgebliebene Kollegin Siobhan beschäftigt. Der Maler Edward Marber wurde ermordet und dahinter steckt weit mehr als zu Anfang ersichtlich ist.

Viele gerechtfertigte und ungerechtfertigte Verdächtigungen werden ausgesprochen, die Puzzleteile, aus denen sich das Bild letztendlich zusammensetzt sind äußerst klein und passen erst auf den letzten Seiten zueinander. Wie so oft sind die offensichtlich Unschuldigen letztendlich nicht so unschuldig, wie man denkt.

„Ich dachte, um Sie zu beruhigen, fahre ich mit Ihnen zu Cafferty.“
„Jetzt sofort?“
„Mit ein bisschen Glück erwischen wir ihn zu Hause. Aber ich möchte vorher noch in der Arden Street vorbeifahren, um etwas zu holen. Ach ja, und wir müssen mit Miss Meikle sprechen. Schauen Sie doch bitte nach, ob sie im Telefonbuch steht.
„Jawohl, Boss“, sagte Siobhan, die Bad und Fernsehen in weite Ferne rücken sah.

Foto: Stefan Gustafsson

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Krimi Roman Thriller

Simon Beckett – Flammenbrut

Feuer(c)Niko-Korte/PIXELIO

Mit einem lauten Wusch! schoss eine helle Flamme empor. Sie schraken vor der plötzlichen Hitze zurück. Jack versuchte ein paarmal mit spitzen Fingern nach dem Grillrost zu schnappen und ihn hochzuheben, bevor das Feuer ihn ganz verschlang, aber nach ein paar sekunden gab er es auf und blies auf seine verbrannten Finger.

Feuer übt seit jeher eine besondere Faszination auf Menschen aus. In diesem Thriller wird das Feuer zu einem wiederkehrenden Element, das die Protagonistin Kate bereits begleitet, lange bevor sie offensichtlich sehenden Auges ins Unglück rennt. Es ist eine dieser Geschichten, wo man beim Lesen geradezu schreien möchte „nein, tu es nicht“. Um noch ein Quäntchen an Überraschung in der Geschichte zu lassen (viel ist ohnehin nicht vorhanden) wage ich nichts von der Handlung zu verraten. Einzig dieser Hinweis sei gestattet: Die beste Freundin sieht in heiklen Angelegenheiten oft klarer als man selbst. Das mag sie aber nicht davor schützen, selbst in den Flammen unterzugehen.

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Roman

Nicolas Fargues – Nicht so schlimm

Tiger(c)streuner/PIXELIO

Ich bin nicht für die Vernunftliebe gemacht, ich ertrage keine Halbherzigkeiten, kein Mittelmaß, keine Vorsicht. Ehrlich gesagt, ertrage ich es nicht, keine Leidenschaft auszulösen, Egosache wohl. Ich bin für Beziehungen totaler Intimität gemacht, alles oder nichts, ohne Zurückhhaltung. Und dafür muss man eben einen Preis zahlen. Ich mache jedes Mal denselben Fehler, und ich stehe dazu, nichts zu machen. Ist das wirklich so schlimm? Kann man das nicht auch Liebe nennen?

Die vertrauliche Atmosphäre, in der der Ich-Erzähler von seiner Beziehung zu seiner Frau und der „anderen Frau“ erzählt, lässt das Ganze teilweise wie ein Gespräch unter Freunden wirken. Und wie bei einem guten Freund will man einschreiten, weil man den Erzähler mit offenen Augen ins Verderben laufen sieht. Es handelt sich um eine dieser Beziehungen, wo jeder andere sich denkt, warum bleibt dieser Mensch? Seine Frau Alexandrine schlägt ihn, demütigt ihn, dominiert beider Leben und lässt ihn doch nicht an sich heran. Für den nüchternen Zuschauer scheint eine Trennung die einzige Möglichkeit, beider Leben langfristig zu verbessern. Bis der Ich-Erzähler zum selben Schluss kommt, dauert es noch Monate.

Die Beziehung als Kampf, sage ich dir, bis ins Schlafzimmer. Ich glaube, dass das Ende unserer Geschichte vielleicht auch das Ergebnis eines lange verborgenen interkulturellen Konfliktes ist. Alex selbst hat mir das eines Abends mal gesagt: „Deine Geschichte mit Alice ist umso schmerzhafter für mich, als ich mir sage, dass ihr euch perfekt verstanden habt, weil ihr beide Weiße seid.“

In Italien lernt er schließlich die „andere Frau“ kennen, eine Frau, mit der er sich scheinbar blind versteht, trotz Sprachbarriere, aber mit der gleichen Hautfarbe. Der potentielle Rassenkonflikt wird nur kurz angeschnitten (siehe obiges Zitat), dieser Aspekt scheint etwas halbherzig eingeworfen, ohne dann weiter darauf einzugehen. Es würde auch nicht passen, denn der Fokus liegt in dieser Geschichte eindeutig auf den Beziehungen zwischen Männern und Frauen.

Warum lassen sich Menschen in Beziehungen auf so viel Leid ein? Warum lässt sich Alice auf die Beziehung mit einem verheirateten Mann ein? Warum bleibt sie dabei, obwohl sie aus seinen Erzählungen die Probleme mit seiner Frau kennt und sehen muss, dass er nicht fähig ist, sie zu verlassen? Warum bleibt er selbst? Unser Ich-Erzähler bezeichnet sich immer wieder selbst als Feigling, man kann ihm bis zur schlussendlichen Wende nur zustimmen, wenn sich auch wider Erwarten schließlich das Happy End einstellt. Ein packendes Beziehungsportrait, das die Leidensfähigkeit der Menschen thematisiert und zeigt, dass oft eine Trennung und ein Neuanfang dem weiteren Festhalten an Beziehungen vorzuziehen ist.

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Klassiker Roman

Miguel de Cervantes – Don Quijote von der Mancha

Windmuehle(c)Andreas-Zöllick/PIXELIO

Kurz, er versenkte sich so tief in seine Bücher, dass ihm die Nächte vom Zwielicht bis zum Zwielicht, und die Tage von der Dämmerung bis zur Dämmerung über dem Lesen hingingen; und so trocknete ihm vom wenigen Schlafen und vom vielen Lesen das Hirn so aus, dass er zuletzt den Verstand verlor.

Was für ein Glück, dass dieses Beispiel nicht Schule gemacht hat, ich wäre ansonsten wohl auch schon ein geschminkter Zwerg in High Heels in der Scheibenwelt. Und wie man am Ende dieser langen Geschichte ersehen kann, bekommt das Ritter-Dasein auch dem Helden nicht gut.

Das Schönste bei der Sache war, dass dem Wirte das Licht verlöschte, und wie sie nun im Dunkeln blieben, schlugen alle aufs Geratewohl so unbarmherzig aufeinander los, dass sie, wo sie nur immer mit der Faust hintrafen, nirgends einen heilen Fleck ließen.

Don Quijote zieht mit seinem Knappen Sancho los, die beiden erleben allerhand spannende Geschichten, beziehen aufgrund der Verrücktheit des Ritters immer wieder Prügel und bleiben nicht selten als Verlierer des Kampfes zurück, den Don Quijote begonnen hat. Nicht nur die Windmühlen gehen als Sieger aus dem Kampf hervor auch so mancher Landjunker und vermeintlicher Ritter vermag den Ritter von der traurigen Gestalt zu besiegen.

Alles dies hörte Sancho und sprach zu sich selber: „Dieser mein Herr pflegt, wenn ich von etwas rede, das Hand und Fuß hat, zu sagen, ich könnte eine Kanzel zur Hand nehmen und in der Welt herumziehen und allerhand Schönes predigen. Ich aber sage von ihm, wenn er anfängt, Weisheitssprüche aneinanderzureihen und Ratschläge zu erteilen, kann er nicht nur eine Kanzel zur Hand nehmen, sondern zwei auf jeden Finger und kann auf den Marktplätzen umher reden gehen, Herz, was begehrst du. Hol dich der Kuckuck, was für ein fahrender Ritter bist du, dass du so vieles weißt und verstehst!

So weise Ratschläge der gute zwischenzeitlich auch Löwenritter genannte Don Quijote auch zu geben vermag, so abseits zeigt sich sein Gebahren, wenn es um die verzauberte Dulcinea geht, die nur durch Sanchos Selbstgeißelung entzaubert werden kann. Dies eine Erfindung des Herzogspaars, das sich auf Kosten von Ritter und Knappe belustigt und dabei nicht nur die Kammerfrau Schmerzensreich einen Bart tragen sondern auch das arme Mädchen Altisidora einen scheinbaren Tod aus Liebe sterben lässt.

„Merke dir, Sancho“, entgegnete Don Quijote, „dass es zweierlei Schönheiten gibt, die der Seele und die des Körpers. Die der Seele waltet und erscheint im Geiste, in der Sittsamkeit, im edlen Benehmen, in der Freigebigkeit, in der feinen Bildung, lauter Eigenschaften, die in einem hässlichen Manne Platz haben und sich vorfinden können. … Ich, Sancho, sehe wohl, dass ich nicht schön bin, aber ich weiß auch, dass ich nicht missgestaltet bin; und für einen braven Mann, wenn er nur die Gaben der Seele besitzt, die ich aufgezählt habe, ist es schon genug, dass er kein Ungeheuer ist, um von Herzen geliebt zu werden.“

Dale Wasserman verarbeitete die weitläufige Geschichte des Ritters zu einem Musical, das mit dem Hit „The impossible Dream“ heute noch begeistert. Dass er seiner Musicalhandlung auch noch eine Rahmenhandlung um den Schriftsteller Cervantes beigab, anstatt sich auf die Reisen Quijotes zu beschränken, die ohnehin genug Stoff hergeben, soll heute nicht mehr angezweifelt werden, mag damals aber als fragwürdige Entscheidung gegolten haben. Mit den vielen Geschichten um Don Quijote und Sancho kann man sich jedenfalls lange unterhalten (auch deutlich daran zu ersehen, wie lang das Buch bei mir im Rad mitlief). Ausreichend Durchhaltevermögen und Sitzfleisch ist dafür allerdings erforderlich.

Don Quijote und Sancho sandten ihre Blicke nach allen Seiten aus. Sie sahen das Meer, das von ihnen noch nie erschaut worden, und es schien ihnen von großem, weitem Umfang zu sein, weit mehr als die Teiche der Ruidera, die sie in der Mancha gesehen hatten.

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Fantasy Roman

Terry Pratchett – Hohle Köpfe

Spuren(c)Margot-Kessler/PIXELIO

Behutsam zog er den Zettel aus Dorfls Fingern. „Ich schätze, es könnte klappen“, sagte er. „Es ist nicht besonders taktvoll, aber immerhin kommt es in erster Linie auf die Worte an …“ Karotte öffnete die Klappe von Dorfls Schädel und legte den Zettel hinein.

Eine ganz großartig unterhaltsame Geschichte aus Ankh-Morpork. Mit dem langsam kombinierenden Kommandeur Mumm, der immer wieder von einer langsam weiblicher werdenden Zwergenfrau abgelenkt wird. Was soll man auch davon halten, wenn ein Zwerg plötzlich Lippenstift trägt und sich sogar die Frechheit erlaubt, Bein zu zeigen? Rasant springt die Geschichte von einem Schauplatz zum anderen, wäre dies ein Theaterstück, die Anzahl der Statisten wäre enorm.

Auf den Spuren des Mörders stoßen Hauptmann Karotte und Obergefreite Angua auf Gnome, Vampire und vermeintliche Nachfolger des Präsidenten Vetinari. Wappen, Kerzen und Ratten pflastern die Spur des Mörders. Verarbeitet hat Pratchett in diesem Roman das Motiv des Golems. Laut der jüdischen Legende werden Golems aus Lehm gebrannt und können nicht sprechen. In Pratchetts Geschichte führt der willenlose Arbeiter Aufträge aus und erhält letztlich nicht nur eine Stimme sondern auch einen freien Willen. Vorher ermordet jedoch ein Frankenstein-Golem seine Mitwisser. Es muss einiges Wasser den Ankh hinunterfließen, bevor die tapferen Mannen der Stadtwache diesen Fall aufklären. Ein spannender und kurzweiliger Krimi aus der Scheibenwelt.