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Robin Sloan – Sourdough

The internet: always proving that you’re not quite as special as you suspected.

Dieses Buch hätte einen ausführlicheren Bericht verdient, aber ich möchte nicht spoilern. Die Annahme, der Nachfolger von Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore könnte nur enttäuschen, erwies sich erfreulicherweise als falsch. Die Geschichte hat ein vollständig anderes Setting, aber sie spielt im Hier und Jetzt, setzt sich mit modernen Technologien (wie zum Beispiel Roboterarme und durch Mikroorganismen erzeugte Lebensmittel) auseinander und lässt es dabei nicht an kritischer Reflexion fehlen. Die Grundgeschichte jedoch erzählt davon, wie verschlungene Wege zu dem führen, was im Leben wirklich wichtig ist. Dass wir Erfahrungen erst machen, Dinge erst ausprobieren müssen, um zu wissen, ob sie gut für uns sind, ob sie uns in unserem Leben weiterbringen. Dass es wichtig ist, die kleinen Dinge – wie eine herzhafte spicy soup – im Leben schätzen zu können, um ein glückliches Leben zu führen. Wärmste Leseempfehlung.

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Roman

James Dashner – The Kill Order

Das vierte Buch der Maze-Runner-Serie, das eigentlich ein Prequel zu den drei vorangegangenen Büchern darstellt, war in meinen Augen bisher das Schwächste. Schon im vorhergehenden Buch drehten sich große Teile einzig um den blutigen und schmerzhaften Kampf gegen Menschen, die aufgrund der Krankheit Stück für Stück ihren Verstand verlieren. In diesem Prequel geht es praktisch nur noch von einer Kampfszene zur nächsten. Gegen Ende werden dann doch einige Neuigkeiten enthüllt, die aber nur wenig dazu beitragen, das Gesamtbild der Geschichte zu beeinflussen. Im fünften und letzten Teil werden sich dann hoffentlich die entsprechenden Informationen verstecken, die die Ideen und Gründe hinter dem Irrgarten transparenter machen.

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Roman

Ayobami Adebayo – Stay With Me

Women manufacture children and if you can’t you are just a man. Nobody should call you a woman.

Dieses Buch erzählt eine komplexe Familiengeschichte in Nigeria. Zentral ist das Dreiecksverhältnis zwischen der Haupterzählerin Yejide, ihrem Ehemann Akin (Teile des Buches werden auch aus seiner Sicht erzählt) und Akins Bruder Dotun. Eine wichtige Rolle spielen jedoch auch die Eltern der Protagonisten, speziell Akins und Dotuns Mutter, die einen enormen gesellschaftlichen Druck über ihre Schwiegertochter heraufbeschwört. In dieser Gesellschaft gilt eine Frau nur solange etwas, wie sie ihrem Mann Kinder schenkt. Geschieht das nicht, wird dem Mann eine Zweitfrau (oder Drittfrau oder Viertfrau) zur Seite gestellt (von den Eltern des Mannes).

A man is not something you can hoard to yourself; he can have many wives, but a child can have only one real mother. One.

Yejide droht unter dem eigenen Kinderwunsch, der Angst, ihren Mann zu verlieren und dem Druck der Schwiegermutter zusammenzubrechen. Akin, der keine Zweitfrau möchte und sich nur grollend den Anforderungen seiner Mutter fügt, findet schließlich eine andere Lösung, um die Kinderlosigkeit und damit Yejides Leiden zu beenden. Eine Lösung, die alle drei Betroffenen jedoch noch lange beschäftigen wird.

The reasons why we do the things we do will not always be the ones that others will remember.

Das Thema des Verlustes und der Angst davor zieht sich durch all die beschriebenen Jahre in dieser Geschichte. Können wir uns eines Menschen überhaupt sicher sein? Wieviel Schmerz und Verlust kann ein Mensch aushalten und sich trotzdem immer wieder auf neue Beziehungen und damit das erneute Risiko eines Verlustes einlassen? Das Buch wirft auch Fragen über unerfüllten Kinderwunsch auf. Welche Mittel sind zulässig, um ein Kind in die Welt zu bringen? Welche Moralvorstellungen werden über Bord geworfen, um neues Leben in die Welt zu setzen? Kann aus einer Tat, die aus falschen Motiven begangen wurde, trotzdem etwas Gutes entstehen? Fragen, die noch lange nach den letzten Worten dieses Buches in der Leserin nachklingen.

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Roman

Benjamin Alire Sáenz – Aristotle and Dante Discover the Secrets of the Universe

And even though I felt it was a beautiful thing, I also felt it was a weight. Not that she meant it to be a weight. But love was always something heavy for me. Something I had to carry.

Man könnte es einfach nur als langwierige, feinfühlige Coming-out-Story betrachten. Aber für mich war noch eine Ebene zwischen den Zeilen versteckt. Ari und Dante lernen sich im Schwimmbad kennen. Beide haben keine engen Freunde, Ari ist ein Einzelgänger, Dante bei allen beliebt, aber trotzdem irgendwie anders. Es entwickelt sich eine intensive Freundschaft, die beiden Jugendlichen fühlen sich auf unterschiedlichsten Ebenen verbunden und verstanden.

Maybe it was because Dante seemed to make himself fit everywhere he went. And me, I always felt that I didn’t belong anywhere.

Die Zwischenebene für mich waren all die Zweifel, die durch Ari in der Erzählung aus seiner Perspektive ausgedrückt werden. Großteils sind es keine überraschenden Fragen für einen Heranwachsenden und auch Erwachsene stellen sich hoffentlich zumindest hin und wieder noch die essentiellen Fragen des Lebens: Wer bin ich? Wo will ich hin? Wer soll an meiner Seite sein? Dem Autor gelingt es, Aris schwermütigem Temperament eine leichtfüßige Sprache zu verleihen und seine Zweifel an sich selbst und der Welt somit erträglich zu machen. Und manchmal lösen sich Zweifel auch einfach in einem großen Sturm auf.

Another secret of the universe: sometimes pain was like a storm that came out of nowhere. The clearest summer morning could end in a downpour. Could end in lightning and thunder.

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Roman

Eric-Emmanuel Schmitt – Die Frau im Spiegel

Sich fortzupflanzen? War es das, was die Frauen in ihrer Umgebung alle nicht erwarten konnten? Selbst die unbändige Ida?

Dieses Buch hatte ich schon auf meiner letzten Reise begonnen, nur irgendwie war der Anfang etwas schleppend und ich konnte mich nicht wirklich auf die drei Protagonistinnen einlassen. Das Buch beschreibt drei Frauen, die sich den Normen ihrer aktuellen Gesellschaft nicht unterwerfen können oder wollen. Sie lehnen sich auf gegen die Erwartungen, die an sie als Frau gestellt werden: zu heiraten, fruchtbar zu sein, sich in Liebe einem Mann zu unterwerfen. In unterschiedlichen Epochen und unterschiedlichen Verhältnissen lebend bleiben den Frauen verschiedene Möglichkeiten, sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen zu arrangieren oder sie herauszufordern.

Anne von Brügge läuft ihrer eigenen Hochzeit davon, fühlt sich nur mit der Natur eins und wird aufgrund ihres unerschütterlichen Glaubens, dass Gott in der Natur lebt und durch sie spricht, schließlich als Ketzerin verbrannt.

Hanna Waldberg droht unter den Erwartungen ihres Ehemannes und seiner Familie, ihm möglichst bald Kinder zu schenken, zusammenzubrechen. Die Begegnung und Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse eröffnet ihr schließlich einen neuen Lebensweg abseits der Pfade, die die Gesellschaft für eine Frau in ihrer Stellung vorgesehen hat.

Anny Lee lässt sich als erfolgreiche Schauspielerin von ihrer Agentin gängeln und versucht ihre Freiheit durch Alkohol- und Drogeneskapaden auszuleben. Ihr fehlt nicht nur ein Bezug zur realen Welt sondern auch ein Gefühl für ihren eigenen Körper. Dabei können ihr auch die Beziehungen zu wechselnden Männern nicht helfen. Erst als sie ihre Vorstellungen davon, was Liebe sein muss, zurücklassen kann, findet sie eine neue Perspektive auf die Welt.

Du bist sehr viel mehr, als das, was du glaubst zu sein.

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Roman

James Dashner – The Death Cure

But let me ask you this – are you telling me that the lives of a few aren’t worth losing to save countless more?

Im dritten Teil der Maze-Runner-Serie sind Janson und seine Komplizen von WICKED fest davon überzeugt, dass die einzige Chance, um eine Behandlung für das tödliche Flare-Virus zu entwickeln und damit das Überleben der Menschheit zu sichern, im Vollzug des Experiments liegt. Thomas, Minho und Newt weigern sich jedoch, die Operation vornehmen zu lassen, die ihnen ihre Erinnerungen zurückgeben soll. Es gelingt ihnen, zu fliehen und sich nach Denver durchzuschlagen. Denver erscheint zuerst als sichere Stadt, Einwohner und Besucher werden akribisch auf die Krankheit getestet und doch gibt es immer wieder Fälle der tödlichen Krankheit.

He almost wanted to laugh at the irony. They had made him a killer … to save people?

Thomas wird mit den schwersten Entscheidungen konfrontiert, die ein Mensch treffen kann. Ist es gerechtfertigt, einen Freund zu töten, um ihn von seinem Leid zu erlösen? Ist es wert, das Leben eines Einzigen zu opfern, um damit (möglicherweise) viele zu retten? Diese essentiellen Fragen gehen zwar beinahe im Chaos der untergehenden Welt verloren, bleiben aber doch länger im Gedächtnis hängen.

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Roman

James Dashner – The Scorch Trials

About the sun flares and the disease and how different things might be now that they knew they were being tested or experimented on.

Im zweiten Teil der Maze Runner Serie haben Thomas und seine Mitstreiter herausgefunden, dass sie Teil eines Experiments sind, das dazu beitragen soll, eine Heilmethode für eine Krankheit zu finden, die den Großteil der Menschheit erfasst hat. Diese Krankheit führt zu langsamem Verfall des Gehirns und endet in einem Zustand, der weniger menschlich als zombiehaft anmutet. Sie wissen jetzt, dass sie beobachtet werden, dass jede ihrer Handlungen protokolliert wird und das verändert ihr Verhalten. Sollen sie gehorchen und die Aufgabe erfüllen, die ihnen die mysteriöse Organisation WICKED zugewiesen hat? Wem können sie noch vertrauen? Wartet am Ende ihrer Reise tatsächlich die versprochene Heilung?

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English Fantasy Roman

James Dashner – The Maze Runner

Dieses Buch bzw. diese Serie steht schon seit Jahren auf meiner Liste, stammt vermutlich aus der Ecke problemsofabooknerd, wo es leider in letzter Zeit nicht viel Neues gibt. Die Overdrive eLibrary hat es nun möglich gemacht und ich habe das erste Buch an 4 Abenden durchgelesen.

Thomas wacht in einem dunklen Raum auf, sein Gedächtnis ist teilweise verschwunden, er kann sich an die prinzipielle Funktionsweise der Welt erinnern, aber an keine Personen im Detail. Er weiß noch, dass Kinder Eltern haben, hat aber keine Erinnerung an seine eigenen Eltern. Er landet in einer Art Festung, in der bereits etwa 60 andere Jungen leben. Die Festung ist umschlossen von einem Irrgarten, den die Jungen bereits seit 2 Jahren zu entschlüsseln versuchen. Bevölkert wird dieser von gefährlichen Kreaturen, die während des Tages zumeist verschwunden bleiben, des Nachts aber in großer Zahl auftreten. Die Türen der Festung schließen sich am Abend selbsttätig, wer draußen bleibt, steht dem sicheren Tod gegenüber.

Thomas bleibt keine Zeit, sich an das neue Leben zu gewöhnen, die Ereignisse überschlagen sich in rasendem Tempo. Am Tag nach seiner Ankunft landet ein Mädchen in ihrer Mitte, das das baldige Ende verkündet und Thomas vage bekannt vorkommt. Der Druck steigt, als die Türen sich nachts nicht mehr schließen und die Jugendlichen den gefährlichen Kreaturen schutzlos ausgeliefert sind. Das Rätsel des Irrgartens muss gelöst werden.

Das Ende des Buches erinnert vage an The Hunger Games. Dem drohenden Tod im Irrgarten sind Thomas, Teresa und einige andere entkommen, doch die Welt außerhalb ist ebenfalls aus den Fugen geraten. Damit geht es im zweiten Teil der Serie weiter. Es handelt sich um ein fesselndes Stück YA Literatur, das zeigt, wie Menschen in ausweglosen Situationen über sich hinauswachsen.

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Roman

Colson Whitehead – The Underground Railroad

And destroy that what needs to be destroyed. To lift up the lesser races. If not lift up, subjugate. And if not subjugate, exterminate. Our destiny by divine prescription – the American imperative.

Dieser Roman gibt tiefe Einblicke in das Leben der Sklaven im Süden der USA im 17. und 18. Jahrhundert. Die Protagonistin Cora flieht von der Baumwollplantage, auf der sie geboren wurde und ihr gesamtes bisheriges Leben verbracht hat. Sie ergreift trotz großer Gefahr die Chance auf ein freies Leben. Ihr Weg ist lange und von vielen Rückschlägen und Demütigungen geprägt. Am Ende des Buches ist sie noch immer auf dem Weg.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Der Leser lernt sowohl die Sicht der Sklaven kennen, die bereits auf der Plantage geboren wurden und kein freies Leben kennen, als auch die der Gegner der Sklaverei, die teilweise ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um Menschen die Freiheit zu ermöglichen und sie vor Misshandlung und Mord zu schützen.

Cora hat in einem ihrer Verstecke viel Zeit, sich mit Büchern auseinanderzusetzen und über die Ungerechtigkeit der Welt nachzudenken. Dem Autor ist es gelungen, ihre Weltsicht einzufangen, ohne ausschließlich zu moralisieren. Interessant ist auch die Perspektive des Sklavenjägers (siehe Zitat oben), die auch die Meinung vieler Sklavenhalter widerspiegelt. Teilweise schmerzt es fast, die Beschreibungen der damals weit verbreiteten Rassenlehre und damit der Vorstellung von mehr oder weniger wertigen Menschen zu lesen. Es ist auch erschreckend (und notwendig), sich bewusst zu machen, dass auch heute noch eine Klassengesellschaft existiert, in der manche Menschen als wertvoller erachtet werden als andere. Die Idee der Chancengleichheit für alle ist nach wie vor eine Illusion oder ein nobles Wunschbild.

Helfen kann hierbei nur der Gedanke, dass jede und jeder auch an einem anderen Ort, in einer anderen Kultur, unter anderen Umständen geboren werden hätte können. Wir haben uns unseren Platz im Leben nicht nur selbst erarbeitet, wir haben Startvoraussetzungen mitbekommen, die rein vom Zufall bestimmt sind. Für diese Startvoraussetzungen sollten wir dankbar sein und jene unterstützen, die mit weniger Vorteilen ins Leben gestartet sind. Gerade Menschen, die aus einem anderen Land zu uns kommen, die in einem Land geboren wurden, in dem Krieg herrscht und in dem sie kein gutes Leben führen können, sollten alle Chancen bekommen, die ihnen bisher versagt wurden. Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf ein gutes Leben. Jede und jeder.

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Roman

Estelle Laure – But then I came back

For all the bad days you could ever have, there will be other beautiful days. Don’t you want to stick around and see where the adventure leads?

Dieses Zitat stammt eigentlich nicht direkt aus dem Buch sondern aus dem am Ende angeschlossenen Interview mit der Autorin, in dem sie erklärt, warum sie sich überhaupt mit dem Thema Nahtoderfahrung auseinandersetzen wollte. Die Frage ist berechtigt, schließlich ist es sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen eine aufreibende und prägende Erfahrung. Wissenschaftlich ist dieser Bereich wenig erforscht, da es kaum Möglichkeiten gibt, eine solche Situation unter Laborbedingungen zu untersuchen. Es gibt wenig Erkenntnisse darüber, warum manche Menschen aus einem Koma wieder erwachen und andere nicht. Gerade die Erfahrungen von Menschen in so einer Situation lassen sich schwer dokumentieren, da sie in höchstem Maße subjektiv sind. Menschen, die aus einem Koma erwachen, sind oft beeinträchtigt, zumindest zu Beginn, auch wenn sie später vielleicht ihre Kräfte vollständig wiedererlangen.

Das Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Prozess des Zurückkommens. Damit meine ich jedoch nicht den Vorgang des Erwachens sondern den des Zurückfindens ins Leben. Die Protagonistin Eden hat nach einem Unfall einen Monat im Koma gelegen. Anschließend muss sie nicht nur Stück für Stück ihre körperlichen Kräfte zurück gewinnen, auch ihre Seele muss sich mit ihrer neuen Lebenssituation zurecht finden. Sie stellt ihr bisheriges Leben in Frage, fühlt sich ziellos und kämpft mit der essentiellen Frage, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Das Koma und das Wiedererwachen bildet für sie eine existentielle Zäsur in ihrem Leben. Doch gerade diese Zwangspause und die lange Zeit der Rekonvaleszenz danach geben ihr schließlich eine Klarheit, die sie ohne dieses Ereignis möglicherweise niemals oder erst viel später in ihrem Leben erreichen hätte können. Eine Hymne an das Leben.