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Roman

Madeline Miller – Circe

Rage and grief, thwarted desire, lust, self-pity: these are emotions gods know well. Buit guilt and shame, remorse, ambivalence, those are foreign countries to our kind, which must be learned stone by stone.

Eine wunderschöne Geschichte, gewoben aus dem Stoff der griechischen Götter- und Heldensagen. Viel gelobt und auf allen Bestsellerlisten des letzten Jahres und zuletzt wieder mal in einem Podcast empfohlen (eigentlich im Rahmen einer Werbeeinschaltung für einen bekannten Hörbuchhändler).

Die Leserin erlebt Circe, die Zauberin der griechischen Mythologie, von ihrem Vater Helios dazu verbannt, allein auf einer Insel zu leben. Aufgewachsen ist sie im Palast ihres Vaters zwischen Göttern und Halbgöttern, ihr wahres Selbst entdeckt sie jedoch im Laufe der Jahrhunderte auf ihrer Insel. Die Einsamkeit prägt ihr Weltbild und entfernt sie schließlich immer mehr von ihrer göttlichen Herkunft, den grausamen Launen der Götter, die mit den Sterblichen spielen, um sich die Zeit zu vertreiben.

I stared into the horizon until my eyes blurred, hoping for some fishermen, some cargo, even a shipwreck. There was nothing.

Bei vielen besonders guten Romanen fällt es mir schwer, zu beschreiben, warum sie eigentlich so gut sind. Circe macht eine Entwicklung durch, sie zweifelt an sich selbst und wächst über sich hinaus. Besonders eindringlich beschreibt die Autorin die Freuden und Sorgen der Mutterschaft. Das Ende habe ich so nicht kommen sehen und es ist perfekt. Das ist etwas, was nur in sehr wenigen Romanen gelingt.

He does not mean that it does not hurt. He does not mean that we are not frightened. Only that: we are here. This is what it means to swim the tide, to walk the earth and feel it touch your feet. This is what it means to be alive.

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Roman

Karen Karbo – In Praise of Difficult Women

Write your rage, paint it, film it, dance it, lyricize it, poeticize it. You don’t have to be good, just honest.

Eigentlich war es irgendein anderes Buch von Karen Karbo, das ich irgendwo aufgeschnappt hatte (vermutlich das). In der Overdrive eLibrary gab es aber dieses und das klang auch interessant und passend als Abwechslung zwischendurch.

Viele der portraitierten Frauen waren mir bekannt (Eva Perón aus dem Musical, Shonda Rhimes als Schöpferin von Grey’s Anatomy, die deutsche Bundeskanzerlin Angela Merkel und Hillary Clinton, an denen kommt wohl niemand vorbei, der in irgendeiner Form Weltpolitik verfolgt), andere zumindest vom Namen her, aber ohne Genaueres über ihre Lebensumstände und Erfolge zu wissen (Feministin Gloria Steinem, Josephine Baker im Bananenröckchen, die Modeschöpferin Coco Chanel). Von anderen hatte ich bisher nie bewusst gehört (wie zB die in den letzten Tagen verstorbene Ruth Bader Ginsburg oder Vita Sackville-West, die Muse von Virginia Woolf, die selbst aber nicht im Buch portraitiert wird / offenbar nicht difficult genug war …).

But I still summon up her wisdom, which is, of course, Shonda’s wisdom: The men in our lives “may be dreamy but are not the sun. You are.”

Natürlich lässt sich über die Auswahl herrlich streiten, da muss sich jede*r ihre*seine eigene Meinung bilden. Mich persönlich hat etwas gestört, dass die einzelnen Texte sehr unterschiedliche Längen haben. Das mag sich einerseits daraus ergeben, dass über Damen, die noch einen großen Teil ihres Lebens vor sich haben, weniger geschrieben werden kann als über jene, die bereits verstorben sind. Andererseits lässt sich dagegenhalten, dass über aktuell erfolgreiche Frauen höchstwahrscheinlich mehr Material vorliegt (dem Internet sei Dank). Ich habe jedenfalls etwas Ausgewogenheit vermisst.

Besonders gefallen hat mir das Portrait von Frida Kahlo. Die beschriebenen Bilder musste ich im Internet suchen, um ihre Kunst auch nur ansatzweise verstehen zu können und war sehr beeindruckt. Es erinnerte mich an meine Lektüre von The Lonely City, in dem Olivia Laing Gemälde von Edward Hopper beschreibt. Der chronisch schlechte Gesundheitszustand der Malerin wird eindrucksvoll in Verbindung mit ihren Gemälden gebracht.

Die Portraits zeigen bei Weitem nicht nur die guten Seiten der beschriebenen Persönlichkeiten. Gerade ihre Ecken und Kanten, ihre Divenhaftigkeit, ihre Widerständigkeit sind es, die ihnen erst einen Platz in diesem Buch verschafft haben. Manchmal wird es zu plakativ, dass es darum geht, sich von den Eigenheiten der Frauen inspirieren zu lassen. Aber andererseits können wir wohl nicht genug Vorbilder haben, die uns zeigen, dass wir als Frauen unseren eigenen Weg gehen können und uns von Widerständen nicht aufhalten lassen müssen.

But when it comes to putting ourselves and our own needs above those of people we love, we are wary. We’ve been bred to worry that only a woman who’s prepared to wind up alone insists on the primacy of her own needs.

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Roman

Rasha Khayat – Weil wir längst woanders sind

Und dann werde ich runtergehen zu den anderen und meine Schwester, so wie sie war, für immer verlieren.

Die Autorin beschreibt in diesem Buch den Versuch, „Worte und Bilder zu finden für das Gefühl der Fremdheit im außen“. Wie auch ihre Protagonist*innen Basil und Layla hat sie ihre Kindheit zum Teil in Saudi-Arabien und in Deutschland erlebt. In einem persönlichen Essay, der der Geschichte angeschlossen ist, beschreibt sie, wie sich durch Anpassung, die oft geforderte Integration in die neue Kultur gleichzeitig eine Entfernung zur Familie auftut.

Und gleichzeitig, das merkte ich aber erst sehr viel später, entfernte es mich immer weiter von der Familie, mit der ich dieses Gefühl der Fremdheit teilte, die Sehnsucht nach Zurückgelassenem, nach Petersilie und frischem Koriander.

Basil reist aus seinem Lebensmittelpunkt Hamburg nach Jeddah in Saudi-Arabien zur Hochzeit seiner Schwester Layla. Stück für Stück wird die Geschichte der Familie enthüllt: der Vater Tarek, der von seiner Familie für ein Medizinstudium nach Deutschland geschickt wird und dort schließlich ein deutsches Mädchen heiratet, Barbara. Wie die Kinder zuerst innerhalb der arabischen Großfamilie in Jeddah aufwachsen und den Urlaub bei den deutschen Großeltern verbringen. Worauf dann aber die Entwurzelung folgt, als die Eltern permanent in Deutschland bleiben, damit Tarek seine Ausbildung weiter fortsetzen kann.

Während Basil sich bei der Rückkehr in den familiären Hafen unwohl und fremd fühlt, scheint es für Layla umgekehrt zu sein. Sie hat sich in der deutschen Kultur niemals wirklich willkommen gefühlt und kehrt nun zur Familientradition zurück.

Alles ist immer schwer und zerrissen, immer nur soll man Ecken und Enden von sich abschleifen, soll still sein oder zurückhaltend oder seine Liebe nicht zeigen.

Die Geschichte zeigt sehr deutlich, dass das Aufwachsen in zwei verschiedenen Kulturen für Kinder gleichzeitig bereichernd und anstrengend sein kann. Das Gefühl das Dazugehörens (belonging) kann durch Migration nachhaltig beschädigt werden. Im neuen Land wird Anpassung verlangt und jeder Schritt der Anpassung kann aber zur Entfremdung von der eigenen Kultur und Familie führen. Es ist eine Gratwanderung, die von Migrant*innen unterschiedlich bewältigt wird.

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Krimi Roman

Thomas Raab – Still

Wo suchen? War es immer ein und derselbe Täter? Welches Täterprofil verfolgen? Und vor allem, welches Opferprofil? Jeden hätte es treffen können, jeden, der im Verborgenen dunkle Seiten aufzuweisen hatte. Nur, wer hatte das nicht?

Von Thomas Raab habe ich bereits zwei Romane aus der Metzger-Reihe gelesen (Der Metzger muss nachsitzen und Der Metzger sieht rot). Bei Still handelt es sich ebenfalls um einen Krimi, allerdings mit ganz anderem Schreibstil und Aufbau der Geschichte. Der Autor zeichnet ein differenziertes Profil einer verstörten Persönlichkeit. Er lässt seinen Protagonisten Karl Heidemann ein Moralempfinden entwickeln, das auf logischen Grundlagen basiert, aber trotzdem dem in unserer Gesellschaft anerkannten Ideal diametral entgegensteht. Während Karl ein völlig eigenes Empfinden dem Phänomen Sterben und Tod gegenüber entwickelt, leiten ihn in anderen Fragen von Recht und Unrecht rein seine Gefühle. Beides verwebt sich zu einem spannenden Bild mit einem überraschenden Ende.

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English Roman

Jenny Colgan – 500 Miles from You

Von Jenny Colgan habe ich bereits Little Beach Street Bakery und The Bookshop on the Corner gelesen. Auch wenn die Personen und  Liebesentwicklungen eine gewisse Vorhersehbarkeit aufweisen (die Protagonistin hat eine wilde Freundin, das kam in allen drei Büchern, die ich nun von ihr gelesen habe, vor), gelingt es ihr immer wieder, der Geschichte unerwartete Wendungen zu geben. Ihre Charaktere sind sympathisch und fein gezeichnet, haben Ecken und Kanten und machen Fehler. Erfreut hat es mich auch, dass die Protagonist*innen Nina und Lennox aus The Bookshop on the Corner hier erneut einen Auftritt haben und die Leser*in dadurch auch erfährt, wie es mit deren Geschichte weitergeht. Ein entspannendes Lesevergnügen für jede Jahreszeit.

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English Fantasy Jugend Roman

Ransom Riggs – Hollow City

In that moment I was deeply grateful to the Gypsies, and for the simplemindedness of the animal part of my brain; that a hot meal and a song and a smile from someone I cared about could be enough to distract me from all that darkness, if only for a little while.

Im zweiten Buch begleitet die Leserin Jacob und die anderen peculiar children auf ihrer Reise mit dem Ziel, ihre verletzte Ymbrine Alma Peregrine aus ihrem Vogelkörper zu befreien. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und nicht nur einmal landen die Kinder in scheinbar ausweglosen Situationen, in denen sich dann doch wieder eine Lösung findet. Sie treffen auf unterschiedliche Menschen und Tiere, die sie unterstützen oder sich ihnen sogar anschließen wollen. Am Ende stellt sich leider heraus, dass eine wesentliche Grundannahme sich als falsch erweist und die Kinder den Feind direkt an den (mutmaßlich) letzten sicheren Ort geführt haben. Eine Auflösung steht vermutlich im dritten Buch bevor.

What I believe is that when it comes to big things in life, there are no accidents. Everything happens for a reason. You’re here for a reason – and it’s not to fail and die.

Seit Kate Bowler kann ich den Satz Everything happens for a reason nicht mehr lesen, ohne dabei die Augen zu verdrehen. In ihrem Podcast geht sie der Frage nach, was Menschen aus Schicksalsschlägen lernen können. Selbst wenn es also keinen Grund für alles gibt, können wir zumindest etwas lernen aus dem, was uns widerfährt.

Life is not just what happens to you. It’s what you do next.

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English Roman

Rory Powers – Wilder Girls

Sometimes if I close my eye, I forget what’s changed. And Raxter isn’t a rush of gunpowder and hunger anymore. It’s boredom, an idleness burrowing deep.

Während einer globalen Pandemie ein Buch zu lesen, in dem eine Gruppe von Mädchen und Frauen wegen einer mysteriösen Krankheit auf einer Insel in Quarantäne um ihr Leben kämpft, mag bei manchen ein eher ungutes Gefühl auslösen. Für mich kam dieses Gefühl aber eigentlich erst am Ende des Buchs, wozu ich leider nicht mehr schreiben kann, ohne den Spaß am Lesen zu verderben.

Die Krankheit verläuft in Schüben und lässt die Mädchen mit körperlichen Veränderungen (ein zugeschwollenes Auge, eine zweite Wirbelsäule, Hautveränderungen) zurück. Auch Tiere und Pflanzen sind betroffen, eine „Wildheit“ scheint von allem Infizierten Besitz zu ergreifen.

Die Mädchen klammern sich an ihre Erinnerungen, an die wenigen Momente, in denen sie (nie genug) zu essen haben und die Gemeinschaft, die sie trotz aller Entbehrungen zusammenhält. Schon als Hetty zum ersten Mal auf die Suche nach Byatt geht, frage ich mich, was sie denn wohl tun wollen, wenn Hetty Byatt findet. Eine Flucht von der Insel erscheint aussichtslos, ein Überleben außerhalb der vor den Tieren schützenden Mauern der Schule ebenso. Die Autorin lässt ihre drei Protagonistinnen Fehler machen, aber auch auf unterschiedliche Art über sich hinaus wachsen.

Die Geschichte endet mit der quälenden Unsicherheit der Zukunft, die wir alle in den letzten Monaten schmerzlich kennengelernt haben.

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English Fantasy Jugend Roman

Ransom Riggs – Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children

An einem dieser Abende, die wir während Corona gemeinsam online im Mumble verbrachten, wurde viel über Filme und Bücher gesprochen. Ich ließ mir erklären, was das weinende Baby am Ende von Harry Potter darstellen soll (eigentlich eh naheliegend, aber irgendwie war ich von selbst nicht drauf gekommen). In diesem Gespräch wurde mir von einer lieben Freundin dann als Folgelektüre Ransom Riggs empfohlen.

Der Beginn schleppt sich etwas dahin, obwohl im Nachhinein betrachtet die langwierige Einleitung vermutlich nötig ist, um die Entscheidungen zu rechtfertigen, die Protagonist Jacob später treffen wird. Schwierigkeiten hatte ich irgendwie auch mit dem Wechsel zwischen den beiden Zeiten/Welten, im Allgemeinen ist es mir bei Fantasy-Romanen lieber, wenn sie von Anfang an in einer Welt spielen, die mit der realen Welt nichts zu tun hat (wie zum Beispiel in Tolkiens Mittelerde).

Als sich in der zweiten Hälfte dann die Hinweise, die Jacob von seinem Großvater erhalten hat und mit denen er zuerst nichts anzufangen weiß, in Gewissheiten wandeln und zu einem sinnvollen Bild zusammenfügen, war ich dann aber doch gefangen. Die illustrierenden Fotos, die der Geschichte beigefügt sind und teilweise als Inspiration dienten (wie ein Interview mit dem Autor im Anhang des Buchs erklärt), verorten nicht nur in einer Zeit, sondern machen die Figuren auch lebendiger. Auf den zweiten Teil bin ich schon gespannt.

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English Jugend Roman

Suzanne Collins – The Ballad of Songbirds and Snakes

It frightened and infuriated him. This breaking of the contract. This invitation to chaos and all that could follow.

Mehrere Wochen musste ich warten, bis ich dieses Prequel zur Hunger Games-Serie (deutsch: Die Tribute von Panem) lesen konnte. Die Wartezeit hat sich gelohnt, wenn auch das Ergebnis anders ausfiel als erwartet.

Die Geschichte spielt zur Zeit der 10. Hungerspiele, ganze 65 Jahre vor der Zerstörung der Regentschaft des Kapitols durch Katniss Everdeen und ihre Unterstützer*innen. Enthüllt werden viele Details über die Rebellion, die überhaupt erst zur Erfindung der Hungerspiele geführt hat. Sowohl im Kapitol als auch in den Bezirken sind die Auswirkungen des Krieges omnipräsent. Einst wohlhabende Familien wie die von Coriolanus und Tigris kämpfen um den Erhalt ihres Status, während Profiteure des Krieges durch die Rüstungsindustrie als Aufsteiger gefeiert werden und ihren Reichtum nutzen, um Macht auszuüben.

Die Liebesgeschichte fand ich zuerst etwas zu stereotypisch. Das charismatische Mädchen, dem kaum eine Chance auf einen Sieg zugetraut wird, und ihr Mentor, der sich von ihren Reizen bezaubern lässt, sind gleichzeitig das unwahrscheinlichste und wahrscheinlichste Liebespaar in einer derartigen Konstellation. Das Ende jedoch lässt dann durchscheinen, was ohnehin von Anfang an klar gewesen zu sein schien.

Zwischen den Zeilen erzählt die Autorin, wie das Streben nach Macht Menschen dazu treibt, Dinge zu tun, die sie nie für möglich gehalten hätten. In die Enge getrieben entscheiden sich die einen für ihre Werte, für Freiheit und den Kampf gegen die Macht, während andere Kontrolle über das Chaos und den Kampf um den Erhalt der eigenen Privilegien über die Freiheit stellen.

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Krimi Roman

Volker Kutscher – Lunapark

Es konnte doch nicht das, was sie immer für falsch gehalten hatte, auf einmal richtig sein.

Bereits im vorhergehenden Roman um Kommissar Gereon Rath hatte sich abgezeichnet, wie sich die Gesellschaft unter dem Druck der nationalsozialistischen Regentschaft verändert. Diese Richtung wird in dieser Geschichte weiter verfolgt. Besonders bedrückend ist es, zu sehen, wie die politische Lage Familien spaltet. Gereon und Charly haben Fritze als Pflegekind aufgenommen. Während Gereon sich weiterhin Mühe gibt, die Lage vor sich selbst zu verharmlosen und Charly damit beschäftigt ist, ihren beruflichen Weg in der Anwaltskanzlei ihres jüdischen Freundes fortzusetzen, will Fritze unter dem Druck seiner Mitschüler*innen zur Hitlerjugend. Als 13-Jähriger ist er empfänglich für die Botschaften, die unter dem Deckmantel der Gemeinschaft und des Zusammenhalts für das neue Deutschland verbreitet werden. Die Methoden, mit denen Kinder dazu gebracht werden können, selbst ihre eigenen (Pflege-)Eltern zu bespitzeln, werden nur angedeutet, entfalten jedoch trotzdem ihre beunruhigende Wirkung. Das bereits von Anfang der Beziehung an bestehende (und damit nicht politisch induzierte) Misstrauen zwischen Gereon und Charly erreicht einen neuen Höhepunkt. Beide hüten ihre Geheimnisse einerseits stur und andererseits so unvorsichtig, dass Kleinigkeiten sich zu immer größerem Misstrauen anhäufen.

Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch keine Heimlichkeiten.

Nicht nur durch die Familie der Hauptprotagonist*innen zieht sich eine Spaltung entlang der politischen Konflikte. Auch in anderen Familien herrscht Misstrauen zwischen den überzeugten Anhängern des „neuen Deutschlands“ und den Sozialisten und Kommunisten, die sich zunehmend im Untergrund verstecken müssen. Das obige Zitat kann uns daran erinnern, welchen Wert Privatsphäre hat und wie sie in einem totalitären Staat systematisch ausgemerzt wird. Der Gegenpol dazu ist Edward Snowdens Statement, das nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden kann:

NSA whistleblower Edward Snowden says people saying they don’t care about rights to privacy because they ‘have nothing to hide’ are no different than people saying ‘I don’t care about freedom of speech because I have nothing to say’.

Die Berlin-Besuche der letzten zwei Jahre haben wohl dazu geführt, dass mir viele der erwähnten Orte nun in Erinnerung sind, ohne dass ich sie erst auf der Karte nachschlagen muss. Das Hedwigkrankenhaus konnte ich zwar nicht vom Namen her zuordnen, jedoch aber von der Nähe zu den Hackeschen Höfen und der Erwähnung im Rahmen eines sehr schön gestalteten Geocaches. Neben dem Stadtpark Lichtenberg ist mir zwar keine Laubenkolonie in Erinnerung, den Park selbst habe ich jedoch auch schon besucht. Und in der Dircksenstraße im Schatten der Stadtbahnbögen habe ich unter anderem das folgende Foto gemacht:

Fernsehturm Alexanderplatz Berlin Abend bewölkt
Fernsehturm Berlin Alexanderplatz, fotografiert von der Dircksenstraße aus mit der Stadtbahn im Vordergrund

Für das zufriedenstellende Leseerlebnis ist diese Lokalkenntnis absolut nicht erforderlich, für mich hat es jedoch einige Szenen noch besser greifbar gemacht. Es gelingt dem Autor wiederum, die historischen Ereignisse mit erfundenen Kriminalfällen zu verweben und somit einerseits Zeit und Ort der Handlung sehr glaubhaft darzustellen und andererseits auch zu fesseln. Die Geschichte hat mich gestern wachgehalten, ich konnte das Buch nicht weglegen.