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English Fantasy Roman

N. K. Jemisin – The Stone Sky

CN: Rassismus, Ausbeutung, Gewalt, Tod


Normal gazes that avert or frown or ogle. With every glimpse of normalcy, the city teaches us just how abnormal we are.

Der dritte Teil der Broken-Earth-Trilogie hat mich nach dem eher enttäuschenden zweiten Teil wieder sehr mit der Serie versöhnt. Die Stone Eaters haben eine Vorgeschichte erhalten, die im zweiten Teil immer nur angedeutet wurde. Manche Fragen wurden beantwortet, viele sind jedoch offen geblieben. Der Radfahrer und ich waren uns einig, dass das Ende noch viele Möglichkeiten offen gelassen hat. Für mich hätte speziell Nassun ein etwas versöhnlicheres Ende verdient gehabt. Ich kann mich an wenige Bücher erinnern, wo ich so konkrete Ideen gehabt habe, was am Ende noch anders sein hätte können. Und doch bleibt es für mich eine sehr gelungene Fantasy-Reihe, die ich auch allen empfehlen kann, die sich für das Genre interessieren.

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English Fantasy Roman

N. K. Jemisin – The Obelisk Gate

CN: Rassismus, Gewalt, Tod, Mord, Folter


Die Fortsetzung von The Fifth Season, auf die ich mich so gefreut hatte. Leider wurde diese Freude nicht vollständig erfüllt, der zweite Band fällt nach meiner Meinung deutlich schwächer aus. Unsere Protagonistin Essun findet auf ihrer Reise neue Gesellschaft, verliert aber die Spur ihrer Tochter und landet in einer kommunistisch angehauchten Untergrund-Community namens Castrima, die sich dem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Menschen verschrieben hat. Hier sollen Stills (gewöhnliche Menschen ohne besondere Kräfte), Orogene und Stoneeaters zusammenleben können, ohne sich ständig gegenseitig zu bekämpfen.

Manches wird erklärt, das im ersten Teil offen geblieben ist, aber insgesamt werden noch mehr Fragen aufgeworfen. Das rassistische System, das die Guardians zur Ausbeutung der Orogenen etabliert haben, wird durch die mutmaßliche Beteiligung der Stoneeaters an dem Konflikt nur noch komplizierter. Die Geschichte ist gut, aber nicht so gut wie im ersten Teil. Einen Hugo Award hätte ich dem zweiten Band jedenfalls nicht verliehen. Der Radfahrer liest noch am dritten Band (und findet den deutlich besser als den zweiten, daher habe ich Hoffnung).

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Roman

Paolo Bacigalupi – Versunkene Städte

CN: Krieg, Gewalt, Tod, Waffen, Klimakatastrophe
(leider sind meine Notizen verloren gegangen, kann daher keine vollständigen CN-Angaben machen)


Wieder mal habe ich versagt, was die Pflege meiner Notizen angeht, ich weiß nicht mehr, wo der Tipp zu diesem Buch bzw. dem Autor hergekommen ist. Und dann hab ich auch noch den Post verschleppt, das Leben hat sich wieder mal dazwischen gedrängt. Das eBook wurde automatisch retourniert und in der Onleihe bleiben die gesetzten Bookmarks und Markierungen leider nicht erhalten (in OverDrive/Libby geht das erfreulicherweise, bei einem erneuten Download sind die Notizen wieder da).

Die Geschichte spielt in einer von der Klimakatastrophe gezeichneten Welt, deren dystopischer Charakter die Entscheidungen der Protagonist:innen dominiert. Eine deutliche Trennung besteht zwischen der reichen, besser gestellten Gesellschaft, die sich im Norden hinter Mauern verschanzt und die leidende Bevölkerung im Süden sich selbst überlässt. Hier herrscht das Recht der Stärkeren, die versunkenen Städte werden von mehreren verfeindeten Armeen umkämpft.

Hier kämpfen auch Mahlia und Mouse, nämlich ums Überleben. Doktor Mahfouz hat die beiden jugendlichen „Kriegsmaden“ (so werden durch den Krieg verwaiste Kinder bezeichnet) gegen den Widerstand der Dorfbewohner:innen bei sich aufgenommen und bildet Mahlia als seine Assistentin aus. Mahlia wurde als Tochter eines Friedenswächters (bei diesem Begriff verspürte ich starke Anleihen an Panem) geboren und gilt damit mehreren Kriegsparteien als Verräterin. Ihr wurde ein Arm abgeschlagen, was sie zusätzlich als Ausgestoßene kennzeichnet.

Als Soldaten auf der Jagd nach dem Halbmenschen Tool das Dorf heimsuchen, bricht die fragile Lebensgemeinschaft auseinander. Tool wurde als Kreuzung zwischen Mensch und Hund erschaffen und zur Kriegsmaschine ausgebildet, hat sich aber nun von seinem Herrn losgesagt und ist auf der Flucht. Nach einem Kampf mit einem Alligator ist er dem Tod nahe und wird von Mahlia gegen den Widerstand von Mouse gerettet. Bereits hier zeigt sich der Loyalitätskonflikt, der den weiteren Verlauf der Geschichte prägen wird: Soll Mahlia die knappen Medikamente für die Rettung des Halbmenschen verwenden („verschwenden“ wäre Mouse’s Bezeichnung dafür)? Fühlen sich Mahlia und Mouse der Dorfgemeinschaft verbunden oder sollen sie das Dorf den marodierenden Soldaten überlassen, um ihr eigenes Leben zu retten?

Mahlia flüchtet gemeinsam mit Tool, Mouse wird von den Soldaten rekrutiert. Zwei Kapitel später wird er nur noch Ghost genannt, ein deutliches Zeichen dafür, wie ihn die erzwungene Gemeinschaft mit den anderen Soldaten vereinnahmt. Doch nun spürt Mahlia Gewissensbisse und macht sich auf, um Mouse aus den Fängen der Armee zu befreien. Auch Tool fechtet Solidaritätskonflikte mit sich selbst aus: Ist er Mahlia etwas schuldig, weil sie ihm mit Medikamenten das Leben gerettet hat? Kann er ihr überhaupt vertrauen nach all den negativen Erfahrungen, die er mit Menschen bereits gemacht hat?

Immer wieder stehen Mahlia, Mouse und Tool vor der Frage, ob jetzt jede:r nur für sich selbst kämpft oder ob es besser ist, beim Versuch, die Freundin/den Freund zu retten, selbst umzukommen. Wie können wir weiterleben, wenn wir, um zu überleben, unsere Lieben im Stich lassen müssen? Ein nachdenklich machender Blick in eine düstere Zukunft; die Verweise auf die Klimakatastrophe, die diese Welt entstehen hat lassen, sollten ein deutlicher Aufruf sein, dass es niemals zu spät sein darf, endlich etwas zu ändern.

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English Roman

Jessamin Chan – The School For Good Mothers

CN dieses Buch: Rassismus, Depression, Andeutung sexueller Handlungen, Gewalt, Sexismus, Suizid, Krankheit (Krebs, psychische Krankheiten)
CN dieser Post: Suizidgedanken


Was für ein gruseliges Buch. Die Autorin beschreibt eine Gesellschaft, in der Eltern in eine Besserungsanstalt geschickt werden, wenn sie (vermeintlich) ihren Kindern schaden. Die Geschichte beginnt mit der Protagonistin Frida, die in einer schwierigen Situation nicht mehr ein noch aus weiß. Vom Vater ihres Kindes Harriet lebt sie getrennt, sie teilen sich das Sorgerecht, die Hälfte der Woche, die Harriet bei Frida verbringt, arbeitet Frida von zuhause aus. Ein Entgegenkommen ihrer Arbeitsstelle, für das sie dankbar sein müsste. In der Realität kann Frida jedoch weder ihrer Tochter noch ihrer Arbeit jemals gerecht werden, die Anforderungen sind astronomisch. Nachdem Frida an einem sehr schlechten Tag eine sehr schlechte Entscheidung trifft, sieht sie sich konfrontiert mit einem System, das sie nicht nur als schlechte Mutter abstempelt, sondern auch jeder Chance beraubt, jemals dieses Stigma wieder loswerden zu können.

Aus dem System gibt es kein Entrinnen. Um ihre Tochter wieder zu bekommen, muss Frida allem zustimmen, darf nicht aufbegehren, muss alle Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen. Schon die Szenen zu Beginn, in denen Frida unter unmöglichen Umständen unter der Aufsicht einer Sozialarbeiter:in beweisen soll, dass sie mit ihrer Tochter nicht überfordert ist, lassen mich vor Ungerechtigkeit fast aufschreien. Diese Grausamkeit steigert sich jedoch in der Schule, in der Frida schließlich lernen soll, eine gute Mutter zu sein, in bisher ungekannte Dimensionen.

Bad parents must be transformed from the inside out. The right instincts, the right feelings, the ability to make split-second, safe, nurturing, loving decisions.

Die Schule erweist sich als Ort der Gehirnwäsche. Immer wieder müssen die Frauen sich selbst vorsagen, was für schlechte Mütter sie sind. Dass sie es verdienen, hier und getrennt von ihren Kindern zu sein. Dass sie gesündigt haben und nun Buße tun müssen.

A mother is always patient. A mother is always kind. A mother is always giving. A mother never falls apart. A mother is the buffer between her child and the cruel world.

Um zu lernen, wie sie gute Mütter sein können, werden die Mütter mit Roboterkindern ausgestattet, an denen sie nun beweisen müssen, dass sie fähig sind, mütterliche Emotionen zu empfinden und dementsprechend richtig zu handeln. Viele Mütter halten dem Druck nicht stand und scheitern an der unmöglichen Erfüllung der an sie gestellten Aufgaben. Manche versagen in den Tests immer wieder, manche verstoßen aus Einsamkeit gegen die absurden Regeln der Schule, manche sehen keine Hoffnung und keinen Sinn mehr in ihrem Leben.

A mother who is in harmony with her child, who understands her place in her child’s life and her role in society, is never lonely. Through caring for her child, all her needs are fulfilled.

Ein ausgezeichnetes Beispiel bietet das Buch auch für die Art von Überwachung, die aufzeigt, dass Beobachtungen von menschlichen Handlungen immer interpretiert werden. Unter Videoüberwachung soll Frida zeigen, wie sehr sie ihre Tochter vermisst, wie sehr sie ihren Fehler bereut. Ihre Emotionen werden jedoch von den Menschen des Systems völlig unterschiedlich interpretiert, kalt und egoistisch wird Frida dargestellt, selbstsüchtig und nicht fähig, sich um ihre Tochter zu kümmern. Lange klammert sich Frida an jeden einzelnen Funken Hoffnung. Die Aussichtslosigkeit ihrer Lage wird erst auf den letzten Seiten deutlich.

Sometimes people do things because that thing will make them feel good in the moment. Because they just want to feel better.

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Roman

Andri Snær Magnason – Lovestar

CN dieses Buch: Suizidgedanken, Suizidversuch, Sterben, Geschlechtsteile, sexuelle Handlungen, Weltuntergang
CN dieser Post: –


All dies würde unausweichlich geschehen, wenn sie den Ort fänden, an dem die Gebete endeten. Nichts hält eine Idee auf, nichts kann verhindern, dass eine Möglichkeit voll ausgeschöpft wird.

Eine derart beängstigende und gleichzeitig wahnwitzig unterhaltsame Zukunftsvision habe ich in meinen Dystopie-Studien der letzten Jahre noch nicht erlebt. Dieser Roman aus dem Jahr 2002 hat manches vorausgesehen, das in den 20 Jahren seit seiner Erscheinung bereits Wirklichkeit geworden ist, wenn auch die Überwachung und die Eingriffe in die Gedanken, Körper und Leben der Menschen im Roman deutlich invasiver sind, als wir es heute kennen.

In einer von Stimmungsabteilungen gesteuerten durchkapitalisierten Welt werden Menschen nicht mehr begraben sondern mit Raketen ins Weltall geschossen, um dort zu verglühen. Die Liebe wird durch einen Computeralgorithmus berechnet, der die von den Menschen ausgesendeten Wellen miteinander abgleicht und Übereinstimmungen miteinander verknüpft. Als der Kopf des weltumspannenden Unternehmens LoveStar schließlich entdeckt, dass Menschen trotz aller Kontrolle noch immer Gebete an eine höhere Macht richten, entgleitet ihm das Projekt.

Immer wieder rechtfertigen die Charaktere in der Geschichte ihre Handlungen mit dem Satz: „Wenn ich es nicht tue, macht es jemand anders.“ Jede fragwürdige Handlung wird dadurch legitimiert, dass sich die Idee (aus dem obigen Zitat) ohnehin nicht aufhalten ließe. Diese Argumentation begegnet uns oft im Hinblick auf Technologien oder Datensammlungen. Alles, was möglich ist, wird irgendwann getan werden, mögen auch heutige Gesetze dies verbieten (wenn auch nicht zwingend verhindern).

Das Buch ist mir in einer Lithub-Sammlung isländischer Werke begegnet, hätte aber nach meiner Meinung eine weitaus breitere Rezeption verdient. Es versteckt tiefe Gedanken über die Entwicklung unserer Welt in einer extrem unterhaltsamen Geschichte. Mein Highlight-Moment: als der Reißverschluss im Bauch des Großen Bösen Wolfs (der eigentlich eine Wölfin ist) das erste Mal geöffnet wird.

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English Roman

Cormac McCarthy – The Road

CN dieses Buch: Gewalt, Sterben, Tod, Mord
CN dieser Post: –


Even now some part of him wished they’d never found this refuge. Some part of him always wished it to be over.

Von den Dystopien hab ich jetzt echt mal genug. In diesem Buch sind ein namenloser Mann und sein namenloser Sohn auf einer Straße unterwegs in den Süden. Eine Apokalypse unbekannter Quelle scheint das Land heimgesucht zu haben, nur wenige Menschen sind unterwegs, Lebensmittel sind knapp und schwer zu finden. Im Süden erhoffen sich die beiden Reisenden eigentlich nur wärmeres Wetter. Im Norden wird ihnen die Kälte das Leben bald unmöglich machen.

Ich musste das Buch zwischenzeitlich pausieren und dann in Sprints fertig lesen, weil ich mich nicht erinnern kann, jemals ein Buch so voller Verzweiflung und Resignation gelesen zu haben. Jeder einzelne Tag, jede einzelne Stunde, jeder einzelne Handgriff scheint für die beiden Reisenden eine einzige Qual zu sein. Wie aus obigem Zitat zu entnehmen ist, ist selbst das Entdecken eines Luftschutzkellers mit Massen an Vorräten kein wirklicher Grund zur Freude. Das Ende hab ich mir die ganze Zeit nicht vorstellen können. Und wusste dann auch nicht, was mir das Buch eigentlich sagen wollte.

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English Roman

Louise Erdrich – Future Home of the Living God

CN dieses Buch: Mord, Abtreibung, Totgeburt, Sucht
CN dieser Post: –


The first thing that happens at the end of the world is that we don’t know what is happening.

Irgendwie sind die Bücher gerade zu kurz. Gerade, als ich mich endlich halbwegs mit dieser seltsamen Welt vertraut gemacht hatte, war die Geschichte schon wieder zu Ende. Und was für ein Ende auch noch …

Louise Erdrich beschreibt eine nordamerikanische Gesellschaft, die von einer Art umgekehrter Evolution bedroht ist. Was genau passiert, wird immer nur angedeutet. Diese Andeutungen gehen in die Richtung, dass neu geborene Kinder einen evolutionären Rückschritt aufweisen. Die Protagonist:innen bekommen Maßnahmen mit, die von der Regierung verordnet werden, wozu unter anderem gehört, dass jede schwangere Frau in Gewahrsam genommen wird, um den Schwangerschafts- und Geburtsvorgang zu kontrollieren. Diese Zwangsmaßnahmen werden zunehmend verstärkt.

In dieser Welt ist die Protagonistin Cedar unerwartet schwanger und will ihr Baby unter allen Umständen beschützen. Als Nebenstrang der Geschichte werden Stück für Stück die komplizierten Familienverhältnisse der adoptierten Cedar enthüllt. Ihre Abstammung von den nativen Ojibwe ist dabei ein entscheidender Faktor. Der Kontakt mit ihrer leiblichen Mutter wird zum Stressfaktor für die Beziehung zu ihrer Adoptivmutter.

Es wird somit das Thema Mutterschaft aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Was bedeutet Mutterschaft für die Entwicklung unserer Gesellschaft, was passiert mit der Welt, wenn das empfindliche Gleichgewicht der menschlichen Fortpflanzung aus der Balance gerät? Wozu sind Menschen fähig, wenn sie denken, nur ihr Weg könnte die Menschen und die Welt retten? Wozu sind (werdende) Mütter bereit, um ihr (ungeborenes) Kind zu schützen?

Es ist eine Dystopie, die in ihrem Fokus auf Schwangerschaft und Mutterschaft und dem autoritären Umgang mit einer aus den Fugen geratenen Welt an The Handmaid’s Tale erinnert. Dazu trägt auch die Erzählung in Form eines Tagebuchs bei, das Cedar an ihr ungeborenes Kind schreibt. Ein Buch, das viele Fragen offen lässt. Kein Buch für dunkle Tage. Und ganz sicher kein Buch für Menschen, die selbst ein Kind erwarten.

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English Roman

Yoko Ogawa – The Memory Police

CN dieses Buch: Missbrauch, Vergewaltigung
CN dieser Post: –


And even if a memory disappears completely, the heart retains something. A slight tremor or pain, some bit of joy, a tear.

Die namenlose Protagonistin lebt auf einer Insel, auf der das Verschwinden von alltäglichen Dingen von einem auf den anderen Tag zur Gewohnheit gehört. Wenn ein Gegenstand verschwindet, müssen alle seine Instanzen vernichtet werden. Als beispielsweise die Kalender verschwinden, verbrennen die Bewohner:innen im Garten alle ihre Kalender. Die Bevölkerung verliert dann auch umgehend ihre Erinnerung an diesen Gegenstand. Außer diejenigen, die immun gegen das Vergessen sind … diese Menschen werden dann wiederum von der titelgebenden Memory Police abgeholt. Was mit ihnen passiert, wird niemals klar …

You have to stop worrying about things like that. The disappearances are beyond our control. They have nothing to do with us.

Was zuerst wie eine sehr seltsame Dystopie wirkt, bekommt schnell das Gefühl eines totalitären Regimes. Wer für das Verschwinden der Dinge und Erinnerungen verantwortlich ist, ist unklar. Die Memory Police ist jedoch eine eindeutig inquisitorisch wirkende Behörde, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist. Im obigen Zitat wird das sehr verdeutlicht. Die Bevölkerung kann sich einreden, machtlos zu sein: „Du kannst daran nichts ändern. Wir haben über das Verschwinden der Dinge keine Kontrolle. Was hier passiert, hat nichts mit uns zu tun.“ Und natürlich hat es immer mit allem zu tun …

A great mountain of books was already burning, sending sparks high into the night sky.

Als schließlich die Romane verschwinden, verliert die Protagonistin nicht nur ihren Beruf, sondern mit dem Verschwinden der Geschichten auch einen wesentlichen Teil ihres Selbst. Die Beschreibung der brennenden Bücherberge erinnert beunruhigend an die Bücherverbrennung 1933 in Deutschland oder die literarische Umsetzung in Fahrenheit 451. Erinnert fühlte ich mich außerdem an eine ähnlich dystopische Geschichte: Emmi Itäranta – Der Geschmack von Wasser.

Die Protagonistin schreibt jedoch heimlich weiter an ihrem Roman. In dieser Geschichte zeichnet sich parallel weiter das Verschwinden ab. Im Roman verliert die Hauptfigur Stück für Stück ihre Sinne. Sie wird eingesperrt von einem Menschen, der früher mal ihr Partner war und durch den Verlust ihrer Sinne verliert sie sich immer mehr selbst. Hier zeichnet sich der Prozess des Verschwindens auf einer anderen Ebene ab.

Unsere Erinnerungen machen uns zu dem, was wir sind. Sind wir noch wir selbst, wenn wir unsere Erinnerungen Stück für Stück verlieren? Was bleibt von uns, wenn uns immer mehr weg genommen wird?

It’s the challenges we face, that make us who we are.

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Roman Science Fiction

Philip K. Dick – Blade Runner

CN dieses Buch: Mord, Gewalt gegen Menschen und Tiere, Depression
CN dieser Post: Depression


Empathie existierte offenbar nur in der menschlichen Rasse, während man Intelligenz bis zu einem gewissen Grad bei jeder Art und jedem Stamm von Lebewesen bis hinunter zu den Spinnen antraf.

Meine Erinnerung an die Verfilmung mit Harrison Ford und Rutger Hauer aus dem Jahr 1982 ist mangelhaft. Mehr in Erinnerung ist mir der Blog Post von Typeset in the future, der sich intensiv mit der verwendeten Typographie, aber auch mit einigen anderen Unklarheiten des Films befasst.

Das Buch selbst befasst sich im Prinzip mit der Frage, was einen Menschen eigentlich menschlich macht. Androiden, also humanoide Roboter, werden einem Empathietest unterzogen. Sie sollen als moderne Sklaven dienen; wenn sie entkommen, werden sie von Prämienjägern gejagt. Der Empathietest ist neben einer Knochenmarksanalyse die einzige Methode, um mit relativer Sicherheit einen Androiden von einem Menschen unterscheiden zu können. Der Empathietest beinhaltet hauptsächlich Fragen zu Tieren, die rar und teuer sind in dieser Zukunftswelt, die durch Kriege gezeichnet sind. Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Was unterscheidet den humanoiden Roboter vom Menschen? Ist ein Mensch, der seine Gefühlswelt von einer Einswerdungsbox (der unklar ausgearbeitete religiöse Teil scheint in der Verfilmung nicht vorzukommen, jedenfalls kommt die Person Mercer in der Cast-Liste nicht vor) oder einer Stimmungsorgel steuern lässt, tatsächlich noch menschlicher als ein Roboter?

Bis jetzt hatte er noch nie über die Ähnlichkeit zwischen einem elektrischen Schaf und einem Androiden nachgedacht. Das elektrische Tier, überlegte er, konnte als unterentwickelte Form des andern betrachtet werden, als eine Art minderwertiger Roboter.

Das Ende des Buchs betrachtend kann ich mir nicht vorstellen, dass in der Verfilmung nicht einiges geändert wurde. In dieser Form, die ich hier gelesen habe, scheint das Buch eher komplett unverfilmbar zu sein. Vielleicht werde ich mir den Film bei Gelegenheit nochmal ansehen.

Vielleicht könnte daraus eine Depression werden wie bei dir. Ich kann verstehen, wie du unter dem Gefühl leidest. Ich habe immer geglaubt, das mache dir Spaß, und du könntest dieses Gefühl nach Belieben abstellen, wenn schon nicht aus eigener Kraft, dann doch zumindest mit Hilfe der Stimmungsorgel. Aber wenn man so bedrückt ist, dann wird einem alles gleichgültig, weil man keinen Wertmaßstab mehr hat.

Nochmal kurz zurück zum Thema Stimmungsorgel und mentale/psychische Gesundheit: Nein, ein Depressionsgefühl lässt sich nicht beliebig abstellen. Nein, es macht keinen Spaß. Es ist nicht mal ein richtiges Gefühl, das sich beschrieben ließe, es ist mehr wie Eifersucht, die sich in unterschiedlichen Gefühlen (Verlustangst, Ärger, Minderwertigkeit, etc.) äußern kann. Die Gleichgültigkeit, dieses Gefühl, nichts zu wollen und nichts zu können, lässt sich nicht abstellen, Betroffene sind mehr oder weniger hilflos. Wer sich darüber informieren möchte, der*dem empfehle ich das Buch Der Schwarze Hund von Matthew Johnstone.

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English Jugend Roman

Lois Lowry – Gathering Blue

CN dieses Buch: Tod, Sterben
CN dieser Post: –


Suddenly  Kira knew that although her door was unlocked, she was not really free. Her life was limited to these things and this work.

Meta: Gerade ist mir wieder aufgefallen, dass die Linsen, durch die wir unsere Buchauswahl treffen, einen großen Einfluss darauf haben, welche Bücher wir auswählen. Hin und wieder blättere ich durch die Neuerscheinungen oder die populären Bücher in der OverDrive eLibrary und da muss mir irgendwie Lois Lowry entgegen gesprungen sein. Obwohl in meiner Papierausgabe von The Giver bereits am Ende des Buches angegeben war, dass es sich um ein Quartett handelt, muss ich das übersehen haben. In der Anzeige der OverDrive eLibrary war allerdings der Vermerk #1 in Series nicht zu übersehen. Mir ist auch aufgefallen, dass ich in letzter Zeit hauptsächlich auf englisch gelesen habe. Der Komfort der OverDrive eLibrary hat mich ziemlich im Griff. Ich versuch jetzt, bewusst auch zu den Altlasten zu greifen, die schon ewig auf dem Regal der ungelesenen Bücher stehen (San Miguel war auch eins von denen).

Vorerst ist unklar, ob eine Verbindung zwischen der Welt von The Giver und der Welt in diesem Roman besteht. Kann das eine eine Vergangenheit oder Zukunft des anderen sein? Ich hoffe sehr, dass sich das in den weiteren Büchern noch auflöst … ohne eine Verbindung zwischen den Welten wäre es wohl kaum als Quartett zu bezeichnen?

Jedenfalls hat es die Leserin auch hier mit einer eher dystopischen Welt zu tun, in der „beschädigte“ Menschen kein Lebensrecht haben und in der mit Zähnen und Klauen um jeden Vorteil gekämpft wird. Die Oberen schüren Angst vor den Bestien im Wald, um die Bewohner*innen im Zaum zu halten. Frauen ist es bei Strafe verboten, lesen zu lernen. Die Geschichte dieser Gesellschaft wird allein durch einen Gesang bewahrt, den ein speziell dafür ausgebildeter Sänger einmal im Jahr bei einer großen Versammlung vorführt.

Der Plot Twist am Ende hat mich dann nur mäßig überrascht, irgendwie war der Pfad schon deutlich zu erkennen. Der Kapitelauszug des nächsten Bandes am Ende lässt hoffen, dass wir erfahren, was die Zukunft dieser Gemeinschaft bringen wird.