Categories
English Roman

Yoko Ogawa – The Memory Police

CN dieses Buch: Missbrauch, Vergewaltigung
CN dieser Post: –


And even if a memory disappears completely, the heart retains something. A slight tremor or pain, some bit of joy, a tear.

Die namenlose Protagonistin lebt auf einer Insel, auf der das Verschwinden von alltäglichen Dingen von einem auf den anderen Tag zur Gewohnheit gehört. Wenn ein Gegenstand verschwindet, müssen alle seine Instanzen vernichtet werden. Als beispielsweise die Kalender verschwinden, verbrennen die Bewohner:innen im Garten alle ihre Kalender. Die Bevölkerung verliert dann auch umgehend ihre Erinnerung an diesen Gegenstand. Außer diejenigen, die immun gegen das Vergessen sind … diese Menschen werden dann wiederum von der titelgebenden Memory Police abgeholt. Was mit ihnen passiert, wird niemals klar …

You have to stop worrying about things like that. The disappearances are beyond our control. They have nothing to do with us.

Was zuerst wie eine sehr seltsame Dystopie wirkt, bekommt schnell das Gefühl eines totalitären Regimes. Wer für das Verschwinden der Dinge und Erinnerungen verantwortlich ist, ist unklar. Die Memory Police ist jedoch eine eindeutig inquisitorisch wirkende Behörde, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist. Im obigen Zitat wird das sehr verdeutlicht. Die Bevölkerung kann sich einreden, machtlos zu sein: „Du kannst daran nichts ändern. Wir haben über das Verschwinden der Dinge keine Kontrolle. Was hier passiert, hat nichts mit uns zu tun.“ Und natürlich hat es immer mit allem zu tun …

A great mountain of books was already burning, sending sparks high into the night sky.

Als schließlich die Romane verschwinden, verliert die Protagonistin nicht nur ihren Beruf, sondern mit dem Verschwinden der Geschichten auch einen wesentlichen Teil ihres Selbst. Die Beschreibung der brennenden Bücherberge erinnert beunruhigend an die Bücherverbrennung 1933 in Deutschland oder die literarische Umsetzung in Fahrenheit 451. Erinnert fühlte ich mich außerdem an eine ähnlich dystopische Geschichte: Emmi Itäranta – Der Geschmack von Wasser.

Die Protagonistin schreibt jedoch heimlich weiter an ihrem Roman. In dieser Geschichte zeichnet sich parallel weiter das Verschwinden ab. Im Roman verliert die Hauptfigur Stück für Stück ihre Sinne. Sie wird eingesperrt von einem Menschen, der früher mal ihr Partner war und durch den Verlust ihrer Sinne verliert sie sich immer mehr selbst. Hier zeichnet sich der Prozess des Verschwindens auf einer anderen Ebene ab.

Unsere Erinnerungen machen uns zu dem, was wir sind. Sind wir noch wir selbst, wenn wir unsere Erinnerungen Stück für Stück verlieren? Was bleibt von uns, wenn uns immer mehr weg genommen wird?

It’s the challenges we face, that make us who we are.