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Sachbuch

Jonathan Mead – Reclaim Your Dreams

Jonathan Mead: Reclaim Your Dreams (ebook)

NOTE: This is the first post written originally in English. For German summary scroll down.

But then other people tell you how you should be: your teachers, uncles, aunts, classmates, and religious leaders. They all have an idea of what you should be. You compare what’s good and what’s bad, what’s desirable and what’s not. You obviously want to make good choices. But the problem is that it doesn’t always happen because you’re comparing yourself to an image of perfection.

Jonathan Mead www.illuminatedmind.net, where he tries to help people to reclaim their dreams. That’s what his book is about. Most of us have lost sight of our dreams because we are overwhelmed of the routine of everyday life. Often we get lost in the daily things, that need to get done and don’t find time for the things we really want to pursue. If you want to get out of this routine and really work on your dreams, this book might have some useful tips for you.

But is the purpose of living to simply get things done? If you’re living this way, you’ve lost sight of the point of being productive in the first place: to create more time for the things you love. If you’re being productive for the sake of productivity, or working for work’s sake, you’ve gone too far.

Productivity is very important for „us internet people“, that are online 24-7 and often working evenings, nights or weekends. But ticking off things on lists is not what’s important in the end. Jonathan talks about or own thoughts, that constrain us and about outer barriers, like our day job or our friends and families, that might not encourage us if we want to become an astronaut (for example). The book is about finding a way to pursuing your dreams and get on with the daily life as well. Most important tip for me: Work on your dreams every day. Best do it first thing in the morning. Make it important. To you, you’re dreams should be most important.

Deutsche Zusammenfassung: Jonathan Mead betreibt den Blog www.illuminatedmind.net, sein Ziel ist es, seinen Lesern zu helfen, ihre Träume zu verfolgen. Darum geht es in seinem Buch Reclaim Your Dreams. Im Alltag verlieren wir oft unsere Träume aus dem Blick, weil uns das Leben mit den täglichen Erledigungen überfordert und wir keine Zeit für die Verwirklichung unserer Träume finden. Wer aus diesem Kreis ausbrechen will, findet viele nützliche Tipps in diesem Buch. Produktivität alleine kann nicht die Lösung unserer Zeitprobleme sein, das Abhaken von ToDos auf Listen ist letztendlich nicht das, was wirklich wichtig ist. Jonathan gibt in diesem Buch Tipps, wie man einerseits seine eigenen negativen Gedanken besiegen kann, aber andererseits auch, wie man damit umgeht, wenn Freunde oder Familie keine oder wenig Unterstützung bringen, wenn man beispielsweise Astronaut werden möchte. Der wichtigste Tipp für mich: Arbeite täglich an deinem Traum. Am besten gleich als Erstes jeden Tag, bevor man noch etwas anderes beginnt. Es muss wichtig sein. Der eigene Traum sollte vielleicht sogar das Allerwichtigste sein.

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Roman

David Gilmour – Unser allerbestes Jahr

„Genau das will ich sagen. Wenn sie es mit keinem anderen Mann macht, macht sie es auch nicht mit mir. Und deshalb habe ich dich mit ihr bekommen und nicht mit einer anderen Frau.“ – „Du hast gewusst, dass ihr euch trennt?“ – „Ich will sagen, ich finde es okay, mit einem Miststück ins Bett zu gehen, aber man soll nie mit einem Miststück ein Kind haben.“ – Da war er still.

Schon noch 20 Seiten fällt es schwer, das Buch aus der Hand zu legen (mich hat es genau zwei Abende lang beschäftigt). David Gilmour versteht es, den Leser sofort in seine Geschichte hineinzuziehen, er fackelt nicht lange mit Beschreibungen der Lebenswelten (diese werden mit der Zeit ohnehin immer klarer), sondern kommt sofort zum Wesentlichen: Der Beziehung zu seinem Sohn.

„Über eine Frau wegzukommen, ist ein Prozess, der seinem eigenen Zeitplan folgt, Jesse. Wie Fingernägel, die wachsen. Du kannst machen, was du willst – Tabletten, andere Mädchen, ins Fitnesscenter gehen, nicht ins Fitnesscenter gehen, trinken, nicht trinken – letztlich spielt das alles keine Rolle. Du kommst nicht eine Sekunde schneller ans Ziel.“

Den besonderen Charme des Buches macht gleichzeitig seine Einfachheit als auch seine Ehrlichkeit aus. Gilmour beschreibt seinen eigenen Sohn Jesse, der sich in der Schule so langweilt, dass er stets negativ auffällt. Nach langem Überlegen entschließt er sich, seinem Sohn den Schulabbruch zu erlauben, mit der Auflage, dass sie sich von jetzt an gemeinsam wöchentlich drei Filme ansehen. Anhand der Filme versucht er seinem Sohn etwas beizubringen. Daraus lernt er einerseits viel über Filme, aber natürlich auch Einiges übers Leben. Gilmour beschreibt grandios den Trennungsschmerz nach dem Ende einer Beziehung, einerseits mit Blick auf die Teenagerliebe seines Sohnes, aber auch anhand seiner eigenen Erfahrungen. Man möchte in die Hände klatschen und ausrufen: „Ja, genau so war es auch bei mir“, wenn er den Punkt beschreibt, an dem man plötzlich feststellt, dass der Schmerz verschwunden ist.

Als wäre die Kette am Anker gerissen (man kann sich nicht mehr erinnern, wo man war oder was man gemacht hat), merkt man plötzlich, dass die eigenen Gedanken wieder einem selbst gehören, das Bett ist nicht mehr leer, sondern einfach das eigene Bett, in dem man Zeitung lesen kann oder schlafen oder … was wollte ich heute noch erledigen? Ah, ja, der neue Haustürschlüssel.

Genau diese Ehrlichkeit macht es zu so einem überzeugenden Buch. Für mich sind es zwar nicht Filme, die mein Leben als Leidenschaft ausfüllen, aber Ähnliches ließe sich über Bücher sagen, die einem in verschiedenen Lebensphasen genau den Kick geben, den man gerade braucht. Dieses Buch kann einem einerseits über das Ende einer Beziehung hinweghelfen. Auf eine schräge Art ist es aber auch ein Loblied auf die Elternschaft – gleichzeitig ehrlich und verklärend. Und nicht zuletzt zeigt es uns, dass wir manchmal entgegen besseres Wissen auf unser Herz hören müssen.

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Roman

Margit Schreiner – Haus, Frauen, Sex

Nähen (c) Rainer Sturm / PIXELIO

Da habe ich mir gedacht: Die Resi ist eine Prinzessin, und eines Tages baue ich ihr ein Haus mit einem Garten und einem Teich in der Mitte. Und im Haus lege ich ihr einen roten Steinboden im Flur. Das habe ich mir damals geschworen, als du schwanger warst mit meinem Sohn.

Margit Schreiner beschreibt in diesem Roman die Trennung eines Paars nach langjähriger Ehe aus der Sicht des verlassenen Mannes. Vieles, was er über seine Frau denkt, scheint seinem eigenen verletzten Ego zu entspringen. Dinge, die er niemals aussprechen würde, wenn seine Frau noch seine Frau wäre, und vor ihm stehen würde. Und das obwohl er selbst beschreibt, was er bereits alles ausgesprochen hat und auch, dass er seine Frau im Affekt geschlagen hat.

Seine eigenen Taten spielt er herunter, alle Fehler werden der Frau zugeschoben, das Funktionieren der Ehe hängt scheinbar allein von ihrem Versagen ab. Er hält sich selbst für fehlerlos und mokiert an seiner Frau über viele Seiten, dass sie nicht imstande ist, den Herd oder eine Holzkommode nach seinen Vorstellungen korrekt zu putzen.

Vieles, was hier zur Sprache kommt, scheint direkt dem männlichen Egodenken entnommen, man wundert sich immer wieder, wie eine Frau zu derartigen Erkenntnissen gelangen kann. Wo die männliche Seele der Frau immer als Buch mit sieben Siegeln erscheint, trotz allem ausgedehnten Analysieren, geht Margit Schreiner hier den Grenzweg zwischen grausamer Wahrheit und übertriebener Fiktion. Das Ergebnis ist ein grausames Charakterportrait, das man gar nicht ernst nehmen will, weil es ein so schmerzhafter Blick in die gekränkte Seele eines verlassenen Mannes zu sein scheint.

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Roman

Nick Hornby – Juliet, Naked

CD (c) Günter Havlena/PIXELIO

„Du ziehst aus“, sagte Annie. „Oh. Hoppla. Wow. Nein, nein, nein, davon habe ich nicht gesprochen“, protestierte Duncan. „Du vielleicht nicht. Aber ich spreche davon. Ich habe mein halbes Leben an dich vergeudet, Duncan. Oder zumindest das, was von meiner Jugend noch übrig geblieben war. Ich werde keinen weiteren Tag vergeuden.“ Sie ging zu ihrer Tasche, zog eine Zehnpfundnote hervor, warf sie auf den Tisch und ging hinaus.

Mit diesem Roman kehrt Nick Hornby wieder zu seinen musikalischen Wurzeln zurück. Im Zentrum steht ein Rocksänger, der zuerst nur aus dem Blickwinkel seines Fans Duncan und dessen Freundin Annie in Erscheinung tritt. Deren Beziehung gerät ins Wanken durch unterschiedliche Meinung über das neue Album des Rocksängers Tucker Crowe, den Duncan wie einen Gott verehrt. Annie zweifelt an den vergangenen 15 Jahren ihres Lebens und sucht nach neuen Wegen.

„Nun, viele Menschen, die ich kenne, führen eine unglückliche oder frustrierende Ehe. Oder eine langweilige.“ – „Und?“ – „Sie sind trotzdem eigentlich ganz zufrieden.“ – „Sie sind glücklich in ihrem Elend.“ – „Sie haben sich damit arrangiert, ja.“

Haiauge, Herzinfarkt und Farmer John begleiten Annie, Tucker und Duncan auf ihrer gemeinsamen Suche nach einem neuen Leben. Und natürlich die Musik. Bei Duncan kann man zwar den Lerneffekt nicht so eindeutig feststellen, aber zumindest Annie und Tucker haben am Ende des Buches dazugelernt und können von nun an hoffentlich mehr aus ihrem Leben machen.

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Roman

José Saramago – Die Stadt der Blinden

Spielfiguren symbolisieren Gesellschaft (c) Stephanie Hofschlaeger/PIXELIO

Man kann vorher nie wissen, wozu die Menschen fähig sind, man muss warten, der Zeit Zeit geben, die Zeit bestimmt, die Zeit ist der Partner, der auf der anderen Seite des Tisches spielt und alle Karten des Spiels in der Hand hält, an uns ist es, uns das Spiel des Lebens auszudenken, unseres Lebens.

„Die Stadt der Blinden“ beschreibt eine Utopie. Ein Autofahrer erblindet von einer Sekunde auf die andere. Wie sich schnell herausstellt, ist die unbekannte Krankheit hoch ansteckend und binnen weniger Stunden erblinden immer mehr Menschen. Die Regierung steckt die ersten Erblindeten in Quarantäne, um das Ausbreiten der Krankheit zu verhindern. Wie man sich vorstellen kann, gelingt dies nicht, auch unter den Soldaten, die die Quarantäne bewachen sollen, erblinden immer mehr Personen.

In der Quarantäne zeigen sich Stück für Stück alle gesellschaftlichen Probleme, die sich beim Zusammenleben von vielen Blinden auf engem Raum ergeben. Die Einzige, die noch sehen kann, die Frau des Augenarztes, verbirgt dies, um bei ihrem Mann bleiben zu können und ihm dadurch das Leben zu erleichtern. Mit jedem Tag fällt es ihr schwerer, als Einzige sehen zu können. Negative Charaktereigenschaften treten durch die Blindheit zutage, auch unter den Blinden gibt es schlechte Menschen, die der Hunger und schließlich die nackte Gier zum Äußersten treibt.

Da Saramago seine Dialoge nicht trennt und die Aussagen der verschiedenen Personen oft nur durch Beistriche trennt, fragt man sich immer wieder, wer eigentlich gerade spricht. Es mag sein persönlicher Stil sein, auf die Dauer wird es aber doch etwas anstrengend zu lesen. Und trotzdem gibt diese Art der Sprache, die mehr Gedanken als tatsächlichen Gesprächen ähnelt, dem Gesellschaftsportrait eine Eindringlichkeit, die ohne diesen Stil vielleicht nicht möglich wäre. Eine packende Beschreibung unserer Zivilisation und Gesellschaft, so real, dass man erst recht Angst vor dem tatsächlichen Katastrophenfall bekommt.

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Roman

Richard Powers – Das Echo der Erinnerung

Kanadakranich (c) Miroslaw/PIXELIO

Für Japaner erfüllt sich ein Wunsch, wenn sie tausend Papierkraniche falten. Sadako Sasaki, zwölf Jahre alt und ein Opfer der „Atombombenkrankheit“, schaffte 644. Kinder von überall auf der Welt schicken ihr Tausende, Jahr für Jahr. Kraniche tragen die Seele ins Paradies. Kranichbilder stehen in den Fenstern der Trauerhäuser, und Schmuckstücke in Kranichgestalt begleiten die Toten. Die Kraniche sind Seelen, die einst Menschen waren und vielleicht wieder Menschen werden, nach vielen Leben.

Richard Powers ist ein Geschichtenerzähler ersten Ranges. Bereits der Vorgänger „Der Klang der Zeit“ beeindruckte Kritiker und Leser. Mich jedoch hat „Das Echo der Erinnerung“ noch nachhaltiger berührt.

Karins Bruder Mark erleidet einen Unfall, sein Wagen kommt von der Straße ab, erst nach mehreren Stunden kann er von der Polizei befreit werden. Lange ist unsicher, ob er überleben wird. Als er schließlich zu sich kommt, hält er seine Schwester für eine Schauspielerin. Für Karin wird dadurch der Genesungsprozess zu einem Spießrutenlauf. Obwohl sich Marks Zustand zu bessern scheint, leidet Karin immer mehr darunter, dass er zwar andere Personen erkennt, jedoch auch sein Haus und seinen Hund für blasse Kopien hält. Schließlich wendet sich Karin an den berühmten Neurowissenschaftler Gerald Weber, der sich auch bereit erklärt, Mark zu besuchen. Jedoch verfolgt er dabei seine eigenen Motive. Sein drittes Buch bleibt hinter den Erfolgen der Vorgänger zurück. In der Beschreibung von Weber und seiner Frau Sylvie ist mir jedoch eine bestimmte Passage aufgefallen, die mich an eine Zeile aus dem Song „Both Ways“ von Quietdrive erinnert hat: „I think I’ve found the perfect way to grow old“. In weiterer Folge zeigt sich, dass auch Webers scheinbar perfekte Ehe ins Wanken gerät, aber diese Passage kann einen trotzdem glauben lassen, dass es möglich ist:

Wenn man einmal von der absurden Puderdose absah, die tat, als sei sie ein Telefon, hätten sie ebenso gut wieder im College sein können, wo sie bis spät in die Nacht über ihre Erfahrungen geredet hatten, lange nachdem die Sperrstunde jeden von ihnen in ihre getrennten Wohnheime gescheucht hatte. Er hatte sich am Telefon in Sylvie verliebt. Immer, wenn er auf Reisen war, erinnerte er sich daran. Sie verfielen in ihren Rhythmus, redeten, wie sie fast jeden Abend ihres Lebens geredet hatten, ein Dritteljahrhundert lang.

Weber kann Mark nicht helfen, er lässt Karin mit dem Rat zu einer Verhaltenstherapie zurück. Sein eigenes Leben gerät zusehends auseinander. Auch Karin wird zwischen ihrem ehemaligen Freund Karsh, Daniel, der früher Marks Freund war und nun mit Karin zusammen ist, und ihrem Bruder Mark aufgerieben. Als Nebenhandlung entsteht außerdem noch ein spannender Wirtschaftskrimi über die in der Gegend verbreiteten Kraniche, die einem Touristenzentrum weichen soll. Karsh kämpft dafür, Daniel dagegen. Karin vergräbt sich weiter in die Psyche ihres Bruders und ignoriert ihr eigenes Leben.

Das Bewusstsein erzählt eine Geschichte, und diese Geschichte ist in sich geschlossen, zusammenhängend und stabil. Wenn diese Geschichte abbricht, schreibt das Bewusstsein sie neu. Jede revidierte Fassung erhebt den Anspruch, das Original zu sein. Und so sind wir oft die Letzten, die es erfahren, wenn Krankheit oder Unfall uns zerstören.

Obwohl man das Buch nicht als Krimi bezeichnen kann, ist es dieser Spannungsfaden, der einen nicht mehr loslässt und schließlich beide Erzählebenen auflöst. Kein Happy End. Fragen bleiben offen. Ich könnte mir kein besseres Ende vorstellen.

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Sachbuch

Douglas R. Hofstadter – Gödel, Escher, Bach

Fraktal (c) Eva Kaliwoda/PIXELIO

Vielleicht versuchen Kunstwerke mehr als irgend etwas sonst, ihren Stil zu erkennen zu geben. Wenn man in diesem Falle jemals einen Stil bis in seine tiefsten Tiefen ergründet hätte, könnte man ohne die Werke in diesem Stil auskommen. „Stil“, „äußere Botschaft“, „Entschlüsselungstechnik“ – alles verschiedene Arten, die gleichen Grundgedanken auszudrücken.

Dieses Buch wurde mir bereits vor Jahren von einem Studienkollegen (an dieser Stelle schöne Grüße an Rüdiger in Berlin) empfohlen, der mir von der spannenden Verknüpfung der unterschiedlichen Fachgebiete vorgeschwärmt hat, die Douglas Hofstadter in seinem Buch miteinander verknüpft. Wie man anhand der vergangenen Blogposts sehen kann, hab ich nicht nur lange gebraucht, bis ich überhaupt damit angefangen habe, sondern auch das Lesen hat sehr lange gedauert, da man schon einige Konzentration aufwenden muss, um Hofstadters Argumentation zu verfolgen.

Jedes Kapitel wird mit einem Dialog eingeleitet, der den Inhalt des folgenden Kapitels auf amüsante Weise vorwegnimmt. Im letzten dieser Dialoge tritt sogar der Autor selbst auf und erklärt, dass jeder dieser Dialoge an einer Fuge von Bach angelehnt ist. In den Dialogen werden wie in den Kapiteln die Disziplinen der titelgebenden Persönlichkeiten Kurt Gödel, M.C. Escher und Johann Sebastian Bach auf spannende Weise miteinander verknüpft. Es ist immer wieder überraschend, wie Hofstadter eine Zeichnung von Escher in einem Musikstück von Bach wieder erkennt. Als übergreifendes Element werden die Zahlentheorien des großen Mathematikers Gödel benutzt. Allein schon der Aufbau des Buches kann als geniales Meisterstück gelten.

Bei den zahlentheoretischen Beispielen bin ich nicht immer vollständig mitgekommen, hätte ich mich damit intensiver beschäftigt, hätte es wohl noch ein weiteres Jahr gedauert, das Buch zu Ende zu lesen. Besonders beeindruckt hat mich jedoch ein Kapitel im letzten Drittel des Buchs, in dem Hofstadter den Versuch beschreibt, einem Programm das Bilden von Sätzen und sogar Haikus einzuprogrammieren.

Eine andere Frage bei der Repräsentierung von Wissen ist die nach der Modularität. Wie leicht ist es, neues Wissen einzugeben? Wie leicht ist es, altes Wissen zu revidieren? Wie „modular“ sind Bücher? Es kommt ganz darauf an. … Die Methode, die ich anwandte, war die, jedes Wort – Hauptwort, Verbum, Präposition usw. – verschiedenen „semantischen Dimensionen“ zuzuordnen. So war jedes Wort ein Element der verschiedenen Klassen; dann gab es auch Superklassen – Klassen von Klassen (man erinnere sich an den Ausspruch Ulams). … Die Auswahl von Wörtern war nunmehr semantisch beschränkt, weil verlangt wurde, dass die verschiedenen Teile des zu konstruierenden Satzes übereinstimmen sollten.

Mit dieser semantischen Ordnung von Wörtern gelang es, dass das Programm Sätze ausspuckte, die in einer Gruppe von anderen Sätzen nicht als Computerwerke erkennbar waren. In diesem Fall hat also das Programm den Turing-Test bestanden, wenn auch die Ergebnisse teilweise etwas seltsam waren. Anhand dieser Grammatik untersucht Hofstadter auch die Grammatik der Musik, etwas das zuerst als Widerspruch anmuten mag, von ihm aber schlüssig erklärt wird.

Wer sich darüber traut, wird mit einer spannenden Melange aus den unterschiedlichsten Themengebieten belohnt, unterhaltsam und lehrreich. Dieser Empfehlung hätte ich früher folgen sollen.

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Roman

Bernard Cornwell – Schwertgesang

Wikingerschiff (c) Cellblock / PIXELIO

Da verging meine Furcht. Sie wurde von einer Woge des Stolzes und des Machtgefühls weggespült. Ich bezweifelte Bjorns Botschaft nicht, denn die Götter sprechen nicht leichtfertig, und die Spinnerinnen kennen unser Schicksal. Wir Sachsen sagen „wyrd bid ful araed“, und sogar die Christen glauben an diese Wahrheit. Das Schicksal ist unausweichlich. Das Schicksal lässt sich nicht ändern. Das Schicksal herrscht über uns. Unsere Leben werden gemacht, bevor wir sie leben. Und ich sollte König von Mercien werden.

Wie es schon der Hinweis auf das Schicksal verkündet, kommt es natürlich ganz anders. Mit faulem Zauber versuchen die Dänen Uthred zum Verrat an Alfred zu bewegen, dem er seinen Schwur geleistet hat. Und im Laufe dieses Romans wird Uthred einen weiteren Schwur leisten, obwohl sein einziger Wunsch (neben dem Töten von Dänen) darin besteht, von Alfred aus seinem Schwur entlassen zu werden.

London wird erobert, immer wieder wendet sich das Blatt, kaum glaubt man, jetzt ist alles klar, ergibt sich die nächste Überraschung, die die Spinnerinnen für Uthred und seine Mitstreiter und Feinde ausgeheckt haben. Ein weiterer Roman kündigt sich an und ich hoffe in aller Ehrlichkeit, dass Cornwell noch viele Abenteuer für Uthred in Planung hat, bevor dieser seine Bebbanburg wieder erobern darf.

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Sachbuch

Garr Reynolds – Presentation Zen

Schale mit Steinen (c) motograf/PIXELIO

What I am talking about here, however, is a state of mind. You have many things on your plate, no doubt. You are busy. But „busy“ is not really the problem. Sure, there never seems to be enough time in the day to do things the way you prefer to do them, and we all face time contraints. But time constraints can also be a great motivator, bringing a sense of urgency that simulates creative thinking and the discovery of solutions to problems. The problem today, though, is not „busy“ but „busyness“.

Obwohl sich Garr Reynolds Buch natürlich hauptsächlich mit Präsentationstechnik beschäftigt, sind gerade die Teile besonders interessant, die sich mit dem Zen-Aspekt des Themas beschäftigen. Wenn man eine Präsentation vorbereitet, denkt man meist darüber nach, wie man die Arbeit selbst möglichst zeitsparend hinter sich bringen kann. Garr Reynolds argumentiert hier jedoch anders: Wir können eine Stunde unserer eigenen Zeit einsparen, aber wenn wir diese Stunde auf die Vorbereitung unserer Präsentation verwenden und diese dadurch besser wird, gewinnen alle Zuhörer Zeit, die sie nicht in einer langweiligen Präsentation verbringen müssen. Das können wir wohl alle nachvollziehen, wer hat sich nicht schon bei schlechten Slides und unlesbaren PowerPoint-Grafiken gepaart mit einem schlechten Vortrag gelangweilt?

Einfache auf das wesentliche reduzierte Grafiken, großformatige Bilder, nur wenige Schlagworte anstatt Listen und vollgeschriebene Slides sind die Rezepte von Garr Reynolds. An vielen Beispielen erklärt er sein Konzept für gelungene Präsentationsunterlagen und warum Detailinformationen in die Unterlagen gehören und nicht in die Präsentation. Als Typographie-Interessierte habe ich mich außerdem in die Fliesstext-Schrift verliebt: Trade Gothic. Wirklich elegant und sehr passend zum Thema.

Aber seinen wichtigsten Tipp sollte tatsächlich jeder berücksichtigen, den er funktioniert auch, wenn man Technik-bedingt komplett ohne Präsentationsunterlagen auskommen muss: Be in the moment. Wenn die Präsentation stattfindet, ist alles andere gerade nebensächlich, es gibt nur den Sprecher und das Publikum. Und genau das ist wohl auch der Zen-Aspekt, den wir im Leben immer berücksichtigen sollten.

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Kurzgeschichten Satire

Ephraim Kishon – Drehn Sie sich um, Frau Lot!

Pinsel mit Farbe (c) BirgitH / PIXELIO

In Israel gilt das Schlangestehen als notwendiges Übel, in England als Lebensform. Wir Israeli haben keinen größeren Ehrgeiz, als das Schlangestehen zu umgehen (auch unser Vorvater Jakob erhielt den väterlichen Segen außer der Reihe). Und wir bewundern die Engländer, die an den Autobushaltestellen ruhig, geduldig und gewissenhaft Schlange stehen und erst dann zu stoßen und zu drängen beginnen, wenn der Bus anhält.

Kishon ist wahrlich ein Meister der Satire, auch wenn das natürlich eine abgedroschene Formulierung ist. Bereits 1961 wurde die Erstausgabe dieser Sammlung von Kurzgeschichten veröffentlicht und wenn man sie liest, kann man beinahe nicht glauben, dass sie schon fast 50 Jahre auf dem Buckel haben. Kishon gelingt es, nicht nur seine Landsleute „auf die Schaufel zu nehmen“, sondern auch die Eigenheiten anderer Völker (wie im obigen Zitat die Freude der Engländer am „queueing“) liebevoll und amüsant zu portraitieren.

In Bath Jam befindet sich eine Irrenanstalt, und es ist keine geringe Leistung, dort Aufnahme zu finden. Wenn anderswo ein Mensch plötzlich zu gackern beginnt, nimmt man an, dass er den Verstand verloren hat. In Israel nimmt man an, dass er ein Neueinwanderer aus der südlichen Mandschurei ist, der sich in seiner Muttersprache zu verständigen sucht. … Ein Wahnsinniger muss schon etwas wirklich Erstklassiges bieten, um in Israel aufzufallen.

Dieser Hang zum Irren kommt auch in vielen der Geschichten zum Vorschein, etwa, wenn erzählt wird, wie der Ich-Erzähler (Bezug nimmt Kishon immer auf sich selbst) beim Versuch, eine Auskunft auf einem Amt zu erhalten, dieses übernimmt, indem er sich als der fehlende Beamte ausgibt und daraus in wenigen Monaten ein beachtliches Bauprojekt entsteht. So skurril diese Geschichten sein mögen, so amüsant und kurzweilig versüßen sie so manche Zugfahrt.

Angeblich spricht der Präsident der Vereinigten Staaten im Schlaf nur noch jiddisch – vorausgesetzt, dass wir ihn überhaupt schlafen lassen. Denn Amerika ist das erste und hauptsächliche Opfer unserer Aggression. Man mag das bedauern, sollte sich aber nicht darüber täuschen, dass die Amerikaner selbst an ihrer prekären Lage schuld sind.

Damit nimmt Kishon auch das bis heute gespannte Verhältnis der Amerikaner zu Israel aufs Korn und zeigt damit eine Weitsicht, die mit den Jahren immer deutlicher zu Tage tritt und damit seine Geschichten zeitlos spannend macht.