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English Roman

Christopher Isherwood – The Berlin Novels

CN dieses Buch: Alkoholismus, Sucht, Tod
CN dieser Post: –


I am a camera with its shutter open, quite passive, recording, not thinking. Recording the man shaving at the window opposite and the woman in the kimono washing her hair. Some day, all this will have to be developed, carefully printed, fixed.

Diesen Blog Post prokrastiniere ich jetzt schon ein paar Tage vor mir her und ich weiß eigentlich wirklich nicht, warum. Vermutlich liegt es nicht am Buch, sondern eher daran, dass ich einfach mehr lesen als schreiben will … Dieses Buch habe ich seit Langem auf der Liste, weil es die Vorlage bzw. Inspiration für das Musical „Cabaret“ war/ist. Dieses Stück habe ich über die Jahre in vielen Inszenierungen gesehen und wage nun, zu behaupten, dass die Inszenierung an der Wiener Volksoper vor zwei oder drei Jahren die beste war, die ich jemals erlebt habe. Ich hatte an dem Abend überhaupt keine Lust aufs Theater und war dann dermaßen begeistert, dass ich es mir gern nochmal angeschaut hätte (inzwischen waren jedoch alle Termine restlos ausverkauft). Ruth Brauer-Kvam stellte in dieser Inszenierung den Conferencier dar, was ich zuerst befremdlich fand. Jedoch brachte diese geniale Besetzung einen unglaublichen Mehrwert für das Stück. Bettina Mönch spielte die Sally Bowles, wurde jedoch von der großartigen Inszenierung beinahe in den Schatten gestellt. Und von Dagmar Hellberg als Fräulein Schneider kann ich gar nicht anfangen … (sie ist einfach großartig in allem, was sie spielt!). Außerdem erinnere ich mich an eine Inszenierung in den Sofiensälen vor langer Zeit, bei der Mercedes Echerer Regie führte und das Publikum wie im Kit Kat Club an kleinen Tischen mit roten Lampen darauf saß.

‘I’ve often thaught, I was in love with a man, and then I found out I wasn’t. But this time,’ Sally’s voice was regretful, ‘I really did feel sure of it … And now, somehow, everything seems to have got a bit confused …’

Dieses Zitat habe ich mir notiert, weil es mir genau der Absatz zu sein scheint, der den Song „Maybe This Time“ inspiriert hat. Er wurde in die Filmfassung von 1971 integriert und auch in spätere Bühnenfassungen. Es ist die in Musik und Gesang gefasste Verkörperung des Wortes Hoffnung. Hoffnung, dass diesmal alles anders wird. Dass nach vielen Verlusten es dieses Mal vielleicht klappt …

‘All the same, this one may quite well be in earnest … The Nazis may write like schoolboys, but they’re capable of anything. That’s just why they’re so dangerous. People laugh at them, right up to the last moment.’

Die Buchvorlage transportiert die Schrecken des aufsteigenden Nazi-Regimes. Ähnlich wie Volker Kutschers Reihe um Kommissar Gereon Rath beschreibt es diese Epoche des politischen Umbruchs. Da Christopher Isherwood tatsächlich zu dieser Zeit in Berlin lebte, liegt es nahe, seinen Schilderungen mehr Nähe zur Realität zuzugestehen. In Leb wohl, Berlin trägt sogar der erzählende Protagonist den Namen des Autors. Wie viel autobiografischer Einfluss im Werk steckt, können wir jedoch nur raten.

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English Roman

Liane Moriarty – Nine Perfect Strangers

CN dieses Buch: Tod, Sterben, Suizid, Drogensucht
CN dieser Post: Suizid (keine graphische Beschreibung)


Masha repeated, ‘In ten days, you will not be the person you are now.’ No-one moved. Frances felt hope rise in the room like a delicate mist. Oh, to be transformed, to be someone else, to be someone better.

Schon einige Jahre ist es her, dass mich Big Little Lies derart begeistert hat, dass ich das beinahe fertig gelesene Taschenbuch auf eine Reise mitnehmen musste, weil ich keinesfalls bis nach der Reise auf das Finale warten konnte.

Auch Nine Perfect Strangers enthält eine Vielzahl an Elementen, die Liane Moriarty kunstvoll zu einer spannenden und gleichzeitig berührenden Geschichte verwebt. Die neun titelgebenden Protagonist*innen nehmen an einem retreat in einem Gesundheitsressort teil. Ihre Motivationen sind unterschiedlich. Ein Ehepaar leidet (!) unter den Auswirkungen ihres Lottogewinns, der sie plötzlich reich gemacht hat, jedoch ihre sozialen Beziehungen eher negativ beeinflusst. Eine Familie aus Eltern und Tochter kämpft seit Jahren mit dem plötzlichen Suizid ihres Sohnes/Bruders. Alle drei geben sich in irgendeiner Form die Schuld daran. Eine Autorin muss sich mit dem möglichen Ende ihrer Karriere und ihrer Menopause auseinandersetzen, eine 4-fache Mutter hat sich selbst im Wirrwarr ihrer Scheidung und den täglichen Anforderungen ihrer Töchter verloren. Ein alternder Sportler weiß nicht mehr, was er mit dem Rest seines Lebens noch anfangen soll. Ein Familienanwalt plagt sich mit dem Kinderwunsch seines Ehemanns (ja, beide Männer), dass in diesem Buch das Thema Kinderwunsch mit zwei Männern behandelt wird, hat mir besonders gefallen.

Had their relationship reached an impossible impasse because, either way, one of them had to make an impossible sacrifice? Whose sacrifice was worse?

All diese Lebenssituationen kommen in diesem Gesundheitsressort zusammen und bilden unterschiedliche Ausgangspunkte für die gewünschte Transformation, die jedoch deutlich anders ausfällt, als es sich die Teilnehmer*innen vorher vorgestellt hatten. Liane Moriarty gibt ihren Figuren eine Tiefe, wie das selten vorkommt. Sie schaut genau hin und lässt damit auch die Leser*innen an den Zweifeln und Krisen des Lebens teilhaben. Tiefgründig UND unterhaltsam.

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Roman

Christoph Ransmayr – Cox oder Der Lauf der Zeit

CN dieses Buch: Tod, Sterben, Folter
CN dieser Post: –


Mit Christoph Ransmayr habe ich damals 2007 (!) dieses Blog begonnen. Also damals noch nicht exakt dieses, sondern anfangs auf Last.fm, später wurden diese ersten Aufzeichnungen dann in ein WordPress Blog integriert, das seitdem regelmäßig aktualisiert wird.

Aber alles in ihm stand jedesmal und immer wieder still, wenn die unerfüllbare Sehnsucht nach seinen Liebsten ihn in einen Zustand leerer Traurigkeit verstieß, in dem er nicht mehr denken, sich auch nicht mehr erinnern, sondern nur noch erschöpft einschlafen konnte, um sich, von wirren Träumen gleichermaßen gelähmt und gejagt, auf die vergebliche Suche nach den Orten seines Heimwehs zu machen.

Dazu passt irgendwie auch das Thema von diesem Roman. Es geht im Großen und Ganzen um die Zeit an sich. Darum, wie sie uns manchmal scheinbar schneller oder langsamer vergeht. Wie wir sie messen können und ob wir mit unserer Lebenszeit auch gleichzeitig unsere Lebensqualität messen können. Hauptprotagonisten sind dabei der um seine verstorbene Tochter Abigail trauernde Uhrmacher Cox sowie der Kaiser von China. Als Gott gleicher Herrscher über „eigentlich eh alles“ sammelt der Kaiser Uhren, um damit letztlich auch noch die Zeit kontrollieren zu können. Cox erfindet dabei verschiedene ausgefallene Uhrwerke. Das Meisterwerk soll schließlich das sagenumwobene Perpetuum mobile sein (oder eine möglichst exakte Annäherung): eine Uhr, die ihre Energie allein aus der Veränderung des Luftdrucks bezieht. Wartungsfrei soll sie ihre Erbauer überleben, was als Sieg über die Zeit an sich gewertet wird. Aber letztendlich wird sich herausstellen, was wir ohnehin alle schon wissen: Nicht mal der Kaiser von China kann die Zeit anhalten.

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English Roman

Dave Eggers – Heroes of the Frontier

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Geschlechtsteile
CN dieser Post: –


Courage was the beginning, being unafraid, moving ahead, through small hardships, not turning back. Courage was simply a form of moving forward.

Manchmal weiß ich nicht mehr, warum ich ein Buch überhaupt auf die Liste gesetzt habe. Und hier hatte ich mir irgendwie etwas vollkommen anderes erwartet. The Circle (vom selben Autor) habe ich nur als Film gesehen und hier war ich dann von der Protagonistin Josie und ihren Zweifeln an ihrem Leben und ihren Lebensentscheidungen schon sehr überrascht. In Rückblenden erzählt sie von ihrer Kindheit und der Trennung von ihren Eltern, vom konstant abwesenden Vater ihrer eigenen Kinder, ihrer Karriere als Zahnärztin, die mit einem Rechtsstreit endet. Ihr Leben scheint eine Abfolge von schwierigen Situationen zu sein, unterbrochen nur durch kurze Momente der Ruhe, in denen sowas wie Hoffnung aufkommen kann.

Genau dasselbe passiert auch auf der Reise durch Alaska, die in der Jetzt-Zeit des Buchs stattfindet. Mit ihren Kindern Paul und Ana stolpert Josie von einem holprigen Tag in den nächsten. Auf den letzten Seiten fing ich langsam an, mich zu fragen, wie dieses Buch nur zu einem halbwegs erträglichen Ende kommen kann. Dann war ich kurz enttäuscht über den vermeintlich letzten Satz. Und dann kam noch ein Kapitel mit nur einem einzigen Satz. Der hat mich dann wieder mit dem Buch (und dem Leben) versöhnt. Ein schöner Blick auf unsere Zweifel an uns selbst und an unseren Entscheidungen. Und ein Aufruf, niemals aufzugeben und immer weiter zu gehen.

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English Roman

Kim Stanley Robinson – New York 2140

CN dieses Buch: Tod durch Unfall, sexuelle Handlungen
CN dieser Post: –


And I began to see it in a new way, as something like this: it had to mean something. Finance, or even just life: it had to mean something. And meaning had no price. It was some kind of alternative form of value.

Dieser Roman hat alles, was mir an Romanen gefällt:

  • einen interessanten Schauplatz: New York im Jahr 2140, zu großen Teilen überflutet (lower manhattan), eine utopische Großstadt, in der immer noch mehr Menschen wohnen wollen, als die Stadt ernähren und beherbergen kann.
  • eine einerseits realistische, aber andererseits auch utopische Welt: Alle möglichen technischen Neuerungen werden durch idealisierte wissenschaftliche Entwicklungen erklärt. Es gibt spezielle Baumaterialien, die den Schutz vor Wasser ermöglichen, gleichzeitig stürzen jedoch ältere Gebäude ein, die noch aus der Zeit vor den Fluten stammen. Reichere Menschen leben in so genannten sky villages, die sich selbst nachhaltig mit Energie und Nahrungsmitteln versorgen. Einer der Protagonisten holt sich ein float-by Reuben Sandwich, float-by dabei die New York 2140 Variante von drive-in.
  • idealistische und diverse Protagonistinnen. Der Finanzhai, der sich schließlich selbst bekehrt, um wirklichen Wert zu schaffen, anstatt nur mit Optionen zu spekulieren. Die Inspektorin (a big black woman), die an der Ungerechtigkeit der Welt beinahe verzweifelt, aber trotzdem weiter versucht, durch ihre Arbeit das Leben ihrer Mitmenschen zu verbessern. Der Hausverwalter mit serbokroatischen Wurzeln, von seiner Exfrau entfremdet durch den Tod des gemeinsamen Kindes (im Angesicht der Katastrophe eines Hurricanes finden die beiden schließlich eine neue gemeinsame Existenz). Die Influencerin, die sich für den Erhalt von gefährdeten Tierarten einsetzt, und, um Aufmerksamkeit für ihre Projekte zu generieren, auch mal die Hüllen fallen lässt. Und das sind nur einige Beispiele …
  • Referenzen auf bekannte Anker wie etwa Hermann Melvilles Moby Dick oder Hurricane Katrina (2005 in New Orleans). Diese Bezugnahme auf bekannte Ereignisse verbindet diese Utopie mit der Realität, die wir heute kennen, und lässt dadurch die Leser*innen näher heranrücken an diese erfundene – aber vielleicht doch später mögliche – Welt.
  • eine eindeutige Botschaft zwischen den Zeilen: Wir können überhaupt nicht abschätzen, was uns in Zukunft erwarten wird, wenn wir nicht sofort etwas gegen die Klimakrise unternehmen.

But okay, you can’t really imagine a catastrophe will hit you until it does. People just don’t have that kind of mental capacity. If you did you would be stricken paralytic with fear at all times, […] so evolution has kindly given you a strategically located mental blind spot, an inability to imagine future desasters in any way you can really believe, so that you can continue to function, as pointless as that may be.

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English Roman

Han Kang – The Vegetarian

CN dieses Buch: Vergewaltigung, sexuelle Handlungen, Geschlechtsteile, Gewalt gegen Tiere, Depression, Suizid
CN dieser Post: –


It’s your body, you can treat it however you please. The only area where you’re free to do just as you like. And even that doesn’t turn out how you wanted.

Irgendwie war ich mir bis zum Ende des Buches nicht sicher, wie das jetzt zu verstehen ist. Vielleicht ist dieser breite Interpretationsspielraum, die Option, alles Mögliche zwischen den Zeilen herauszulesen, ein Grund dafür, warum dieses Buch nach seiner Erscheinung so bejubelt wurde. Der Überschwang dieses Jubels erschließt sich mir nach wie vor nicht so ganz.

Die Geschichte wird in drei Teilen aus der Sicht von drei Personen erzählt: drei Bezugspersonen der titelgebenden Vegetarierin, ihr Ehemann, ihr Schwager, ihre Schwester. Von der Protagonistin selbst hört die Leserin nur kurze Bruchstücke ihrer Träume. Diese Träume sind der Auslöser für ihre Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen. Diese Entscheidung führt zu einem Bruch mit dem Ehemann und einer äußerst unangenehmen Auseinandersetzung mit ihrem Vater. Da dachte ich zuerst, es ginge zwischen den Zeilen primär um die Kritik einer Gesellschaftsform, in der Ehemann und Vater einer Frau befehlen können, was sie mit ihrem Körper zu tun hat. Also ein Hinweis darauf, dass Frauen selbst über ihren Körper bestimmen können sollen, selbst wenn ihre Entscheidungen für andere Personen unverständlich sind.

There was nothing the matter. It was a fact. Everything would be fine as long as she just kept going, just carried on with her life as she always had done. In any case, there was no other way.

Im zweiten und dritten Teil fühlt sich die Protagonistin jedoch zunehmend verrückt an. Sie will sich in eine Pflanze verwandeln (darauf verweist auch das wunderbar gestaltete Cover) und sich nur noch von Licht ernähren. Für ihre verantwortungsvolle Schwester, die scheinbar in ihrer Rolle als hart arbeitende und sich selbst aufgebende Ehefrau und Mutter aufgeht, wird es zunehmend schwerer, zu akzeptieren, dass die Protagonistin sich einfach die Freiheit nimmt, aus dem gesellschaftlichen Rad auszusteigen. Eine Freiheit, die sich die Schwester wiederum selbst nicht mal zu denken traut. Eine komplexe Geschichte mit viel Interpretationsspielraum.

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English Roman

Yoko Ogawa – The Memory Police

CN dieses Buch: Missbrauch, Vergewaltigung
CN dieser Post: –


And even if a memory disappears completely, the heart retains something. A slight tremor or pain, some bit of joy, a tear.

Die namenlose Protagonistin lebt auf einer Insel, auf der das Verschwinden von alltäglichen Dingen von einem auf den anderen Tag zur Gewohnheit gehört. Wenn ein Gegenstand verschwindet, müssen alle seine Instanzen vernichtet werden. Als beispielsweise die Kalender verschwinden, verbrennen die Bewohner:innen im Garten alle ihre Kalender. Die Bevölkerung verliert dann auch umgehend ihre Erinnerung an diesen Gegenstand. Außer diejenigen, die immun gegen das Vergessen sind … diese Menschen werden dann wiederum von der titelgebenden Memory Police abgeholt. Was mit ihnen passiert, wird niemals klar …

You have to stop worrying about things like that. The disappearances are beyond our control. They have nothing to do with us.

Was zuerst wie eine sehr seltsame Dystopie wirkt, bekommt schnell das Gefühl eines totalitären Regimes. Wer für das Verschwinden der Dinge und Erinnerungen verantwortlich ist, ist unklar. Die Memory Police ist jedoch eine eindeutig inquisitorisch wirkende Behörde, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist. Im obigen Zitat wird das sehr verdeutlicht. Die Bevölkerung kann sich einreden, machtlos zu sein: „Du kannst daran nichts ändern. Wir haben über das Verschwinden der Dinge keine Kontrolle. Was hier passiert, hat nichts mit uns zu tun.“ Und natürlich hat es immer mit allem zu tun …

A great mountain of books was already burning, sending sparks high into the night sky.

Als schließlich die Romane verschwinden, verliert die Protagonistin nicht nur ihren Beruf, sondern mit dem Verschwinden der Geschichten auch einen wesentlichen Teil ihres Selbst. Die Beschreibung der brennenden Bücherberge erinnert beunruhigend an die Bücherverbrennung 1933 in Deutschland oder die literarische Umsetzung in Fahrenheit 451. Erinnert fühlte ich mich außerdem an eine ähnlich dystopische Geschichte: Emmi Itäranta – Der Geschmack von Wasser.

Die Protagonistin schreibt jedoch heimlich weiter an ihrem Roman. In dieser Geschichte zeichnet sich parallel weiter das Verschwinden ab. Im Roman verliert die Hauptfigur Stück für Stück ihre Sinne. Sie wird eingesperrt von einem Menschen, der früher mal ihr Partner war und durch den Verlust ihrer Sinne verliert sie sich immer mehr selbst. Hier zeichnet sich der Prozess des Verschwindens auf einer anderen Ebene ab.

Unsere Erinnerungen machen uns zu dem, was wir sind. Sind wir noch wir selbst, wenn wir unsere Erinnerungen Stück für Stück verlieren? Was bleibt von uns, wenn uns immer mehr weg genommen wird?

It’s the challenges we face, that make us who we are.

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Krimi Roman

Martin Mucha – Papierkrieg

CN dieses Buch: Mord, Drogensucht, Alkoholismus
CN dieser Post: –


Nachdem ich letztens mit dem einen Literaturgeocache abgeschlossen hatte, suchte ich mir den nächsten aus der Liste aus und stieß schnell auf die richtige Person. Beide Bücher sind in der virtuellen Bücherei prinzipiell verfügbar, das ist sch0n mal ein gutes Zeichen.

Der Autor entwirft einen komplizierten Kriminalplot um den Philologen Arno Linder, der mehr oder weniger zufällig in eine Situation stolpert, in der er abwechselnd von der österreichischen und russischen Unterwelt sowie von der Polizei ins Visier genommen wird. Ganz unschuldig ist er daran natürlich nicht. Anstatt sich rauszuhalten, sucht er nach allen möglichen Kniffen, um aus der Sache finanziellen Profit herauszuschlagen.

Die Idee, (Kriminal-)Kommissare und andere ermittelnde Personen (bei mir zuletzt eine Staatswanwältin) als Protagonist*innen mit einem eigenen Strauß an Problemen auszustatten, ist nicht mehr neu. Arno Linder ist aber hier deutlich mehr Täter als Opfer, was mich am Anfang hauptsächlich mit einem Abneigungsgefühl erfüllt hat. Zu schnell für meinen Geschmack springt er auf die Gelegenheit an, durch ein bißchen (in seinen Augen harmlose) Erpressung sein Budget aufzubessern. Vielleicht liegt das daran, dass das nicht das erste Buch dieser Reihe sein dürfte (es wird immer wieder auf seine Bekanntschaften in der Szene verwiesen, die offenbar schon länger bestehen, diese Vermutung von mir stellte sich jedoch als falsch heraus).

Am Ende hat mich dann die schlüssige Auflösung des komplizierten Plots doch bestens unterhalten. Menschen, die sich in Wien etwas auskennen, kann außerdem der reichlich gestreute Lokalkolorit Freude bereiten. Werde mir demnächst das zweite für den Literaturcache benötigte Buch vornehmen.

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English Roman

Katy Simpson Smith – The Everlasting

CN dieses Buch: Mord, Folter, selbstverletzendes Verhalten, Gewalt gegen Tiere, lebensbedrohliche Erkrankung (MS), Abtreibung

CN dieser Post: zum Abschluss ein Zitat über selbstverletzendes Verhalten, wird nochmal vorher gewarnt


The necessary experiment: determining if ostracods were not merely hardy survivalists but had evolved to prefer the bitter taste of civilization. If nature, like faith, was a human construction.

Eine Geschichte auf vier verschiedenen Zeitebenen, verbindende Elemente sind einerseits die Örtlichkeit Rom bzw. Umgebung sowie der Fischhaken, der in allen Zeitebenen eine Rolle spielt. Weiters haben alle Protagonist*innen massiv mit ihren Selbstzweifeln oder gesellschaftlichen Anforderungen zu kämpfen.

  • Der von seiner Frau entfremdete Forscher, dem die Abwesenheit von seiner Tochter die Gefühle zu rauben scheint und der schließlich mit einer erschreckenden Diagnose konfrontiert wird (Jetztzeit).
  • Die gelangweilte Ehefrau auf der Suche nach wahrer Liebe in einer Zeit und Gesellschaft, in der Ehen rein aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen geschlossen werden (16. Jh.).
  • Ein alternder Mönch, der aufgrund einer Andeutung homosexueller Zuneigung als Jugendlicher von seiner Familie ins Kloster verstoßen wurde und nun die Aufgabe hat, in der Krypta des Klosters über die verwesenden Toten zu wachen (9. Jh.).
  • Eine junge Frau, die in den Versprechen einer neuen Religion Antworten auf alle Fragen ihres Lebens findet und deshalb zur Märtyrerin wird (1. Jh.).

Because if you are not always, always yourself, you will lose the ability to breathe.

Das Buch wurde in einem Sammelpost auf Lithub (den ich mir leider nicht gespeichert habe) mit solchen Worten empfohlen, die mich dazu brachten, das Buch sofort herunterzuladen, nachdem ich gesehen hatte, dass es in Libby verfügbar war. Jetzt wüsste ich gerne, welche Worte das waren und in welcher Stimmung ich in diesem Moment war. Vielleicht hatte ich mir auch einfach etwas anderes vorgestellt. Ich weiß noch immer nicht genau, was ich von diesem Buch halten soll.

There was always time to make different decisions, or else there was never time; once she spoke, it was impossible in the tightly woven fabric of the world that she had ever not spoken.

Nach dem kommenden Trennstrich folgt ein kurzer Abschnitt mit Zitaten aus dem Buch zum Thema selbstverletzendes Verhalten.


His tears were made of sulfur. He yanked his hand back and slapped himself so hard his sight went briefly starry. The pain was on the ouside now, and felt so much better there. So much clearer. He hit himself again.

Sehr berührt haben mich diese beiden Zitate mit der Beschreibung des Gefühls bei selbstverletzendem Verhalten. Den Schmerz nach außen bringen; über einen winzigen Teil der Welt Kontrolle haben; etwas fühlen, irgendetwas fühlen, auch wenn es Schmerz ist. Mir fehlt die Vorstellungskraft, um solche Handlungen nachzuempfinden. Diese beiden Zitate haben es mir aber etwas besser erklärt.

Man versus body, the hook a tool, his one hand opening the other, wanting that red as evidence he could make a choice, that in his whirlpool life he had some measure of control, the pain a reminder he was alive and feeling was good, feeling was to be savored, not suppressed, that even hurt was better than numb.

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Krimi Roman

Bernhard Aichner – Totenhaus

CN dieses Buch: Mord, Folter, Verstümmelung, Suizid
CN dieser Post: –


Es war alles zu viel. Auf die Euphorie, dass er mit ihr sprach, folgte die Ernüchterung. Blum hatte ihre eigene Geschichte, die sie in die Knie zwang und nach unten zog, da war kein Platz mehr für Mitgefühl, für das Leid der anderen. Viel zu viel alles.

Es ist knapp über fünf Jahre her, dass ich den ersten Roman über die Bestatterin und Mörderin Blum gelesen habe. Warum ich jetzt gerade zu diesem dicksten Buch auf dem Regal gegriffen habe, kann ich auch nicht recht sagen. Es fällt mir gerade schwer, aus den ganzen Optionen (das Regal der ungelesenen Bücher, die Wishlist in Libby, die Wishlist in Onleihe, die Tabelle, in der ich mir interessante Bücher notiere) etwas auszuwählen, das ich gerade wirklich lesen möchte. Möglicherweise ist nach über einem Jahr Pandemie der Moment gekommen, an dem ich tatsächlich genug gelesen habe. Wobei der Mai halt bisher wetterbedingt auch einfach sehr lese-intensiv war …

Die rachsüchtige Blum zeigt in diesem zweiten Roman andere Seiten. Sie verfolgt einen zufällig entdeckten Hinweis auf ihre Vergangenheit und gerät damit in eine ganz andere Familiengeschichte, die nicht die ihre ist, jedoch bei näherer Betrachtung um nichts besser. Sie lässt sich von ihren Gefühlen leiten, bis zu dem Punkt, wo nichts mehr zusammenpassen will. Sie steht vor dem Abgrund und will nur noch ihre Kinder retten. In diesem Buch erschien mir ihre Gewalt mehr als Notwehr und weniger als Rache, wobei das natürlich nicht in allen Situationen stimmt. Das Bild der mörderischen Protagonistin wird jedenfalls differenzierter. Es ist nicht bloß eine Fortsetzung mit einer neuen Mordgeschichte, es ist ein vertiefter Einblick.