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English Erfahrungsbericht Essays

Alain de Botton – Essays in Love

CN dieses Buch: sexuelle Handlungen, Suizidgedanken
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In diesem Essay-Band beschreibt der Autor den Verlauf einer Liebe vom ersten Kennenlernen über das Entstehen der Beziehung bis zum unrühmlichen Ende inkl. der Trauerphase, die beim Autor darauf folgt. Dabei beschreibt er im Detail sowohl die Anfangszeit, in der der frisch geliebte Mensch durch die rosarote Brille gesehen wird und mit allen Mitteln beeindruckt werden will. Im Verlauf der Beziehung stellt sich der Alltag ein; aus Kleinigkeiten, die eigentlich bedeutungslos sind, entwickeln sich Konflikte epischen Ausmaßes.

Diesen gesamten Verlauf untersucht der Autor aus einer philosophischen Perspektive. Er sucht nach den wichtigen Konstanten im Leben seiner Partnerin ([…] the great themes of her life […]), analysiert die Beziehungsdynamiken und sein eigenes Verhältnis zum allgemeinen sowie zum Beziehungsglück.

It is easiest to accept happiness when it is brought about through things that one can control, that one has achieved after much effort and reason. But the happiness I had reached with Chloe had not come as a result of any personal achievement or effort. It was simply the outcome of having, by miracle of divine intervention, found a person whose company was more valuable to me than that of anyone else in the world.

Beim Lesen darf nicht vergessen werden, dass die Originalausgabe 1993 erschienen ist, was dazu führt, dass manche Umgangsweisen oder Ausdrücke heute antiquiert wirken. Und natürlich handelt es sich um eine cis-heterosexuelle seriell-monogame Beziehung, wie sie vor 30 Jahren allgemein verbreitet war und in weiten Teilen der Gesellschaft auch heute noch ist. Was mich auf den Gedanken bringt, dass ich so eine philosophische Abhandlung von Beziehungsthemen gerne mit aktuelleren Konfigurationen (queer, poly, patchwork) lesen würde. Empfehlungen gerne an meinen Mastodon-Account.

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English Krimi Roman

Louise Penny – All The Devils Are Here

CN dieses Buch: Mord, Folter-Erwähnung, Holocaust-Erwähnung
CN dieser Post: Holocaust-Erwähnung


If this was the right thing to do, why did it feel so wrong? But no, it didn’t feel wrong. It felt wretched. Horrific. A nightmare. But somethimes “right” felt like that.

Da ich gerade erst das vorherige Buch der Armand-Gamache-Reihe gelesen hatte, konnte ich hier sehr deutlich sehen, wie sich das im letzten Buch angedeutete Thema in diesem Buch weiter entwickelte: Dort wurde die Frage gestellt, was der Vater Armand Gamache alles bereit wäre zu tun, wenn das sein Leben eines seiner Kinder auf dem Spiel stünde. Wie reagieren Menschen, wenn sie mit der größten Angst ihres Lebens konfrontiert werden?

In diesem Buch wird diese Frage Realität, denn nun ist die Gamache-Familie gleich auf mehrere Arten in den aktuellen Mordfall verwickelt. Das Aufwachsen von Armand Gamache wird thematisiert: mit seiner Großmutter Zora (auf deren Verurteilung der Mörder*innen der Nazizeit er seine Entscheidung für die Arbeit bei der Sûreté zurück führt) und seinem Onkel Stephen, der nun nach einer Attacke auf offener Straße im Krankenhaus um sein Leben kämpft. Diese Einblicke in das Leben des jungen Armand tragen dazu bei, den Charakter weiter zu vertiefen und seine Handlungsmotivationen zu verstehen.

If there was one thing the senior police officer [Gamache] understood, it was that everyone had strengths. And weaknesses. The important thing was to recognize them. And not expect something from someone who didn’t have it to give.

Weiters wird die Beziehung zwischen Armand und seinem Sohn Daniel intensiv beleuchtet. Der Graben, der die beiden schon seit einigen Büchern trennt, wird nun zuerst größer und dann im Rahmen der dramatischen Ereignisse schließlich überbrückt. Diese Emotionen klingen in der Beschreibung so logisch, so klar und deutlich und doch waren sie für mich als Leserin absolut nicht absehbar. Das Rätsel dieser komplexen Vater-Sohn-Beziehung ist beinahe so spannend und verwirrend wie der eigentliche (Mord-)Fall, bei dem letztendlich ein finanzielles Motiv aufgedeckt wird.

Eine ausgezeichnete Fortsetzung der Serie. Einziger Wermutstropfen: die sympathischen Charaktere aus Three Pines kommen nur in wenigen Andeutungen vor. Stattdessen gibt es Paris.

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Erfahrungsbericht Memoir Reise

Peter Mayle – Mein Jahr in der Provence

CN dieses Buch: Gewalt gegen Tiere (Jagd, Entweidung, Stopfleber), Alkoholmissbrauch
CN dieser Post: Erwähnung von Alkohol


Auf meiner letzten Reise fischte ich dieses äußerlich deutlich gealterte Buch aus einem offenen Bücherschrank. Heute würde es in die Kategorie Travel Memoir fallen, ob das damals wohl schon ein Genre war? Der britische Autor Peter Mayle beschreibt den Verlauf eines Jahres in der französischen Provence, wo er sich als Zugezogener mit seiner Frau mit den Eigenheiten der lokalen Bevölkerung und der Tourist:innen auseinandersetzt.

Man kann diese Sommerprovenzalen nicht übersehen. Sie haben saubere Schuhe und die Haut von Menschen, die selten an der frischen Luft sind; sie haben grellbunte, neue Einkaufstaschen und makellose Autos. Durch die Straßen von Lacoste und Ménerbes und Bonnieux treiben sie in der Trance von Menschen auf Besichtigungstour und beäugen die Dorfbewohner, als wären die ebenfalls rare rustikale Sehenswürdigkeiten.

Es wird viel und gut gegessen, Wein und Pastis fließen in Strömen. Handwerker kommen dann, wenn es ihnen passt und werden nie zeitgerecht mit der Arbeit fertig. Besonders lustig fand ich den Abschnitt, der ein Ziegenrennen in einer nahe gelegenen Ortschaft beschreibt. Dabei stellt sich schnell heraus, dass Ziegen ihren eigenen Kopf haben und sich nicht gern vor einen Karren spannen lassen, den sie zur Belustigung der Menge möglichst schnell ins Ziel bringen sollen.

Das Buch hat mich auf meiner Reise bis nach Hause begleitet, ich hatte einfach kaum Zeit zum Lesen. Jetzt werde ich es in den nächsten Bücherschrank stellen und wieder auf die Reise schicken.

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Krimi Roman

Louise Penny – A Better Man

CN dieses Buch: Mord, häusliche Gewalt, Naturkatastrophe (Flut)
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Jedes weitere Buch von Louise Penny ist ein Quell der Beruhigung für mich. Die besonnene Art, mit der Inspektor Armand Gamache den Intrigen, die sich rund um den aktuellen Mordfall und die drohende Flutkatastrophe entspinnen, begegnet, vermittelt mir die Hoffnung, dass sich auch reale Probleme mit dieser Herangehensweise lösen lassen.

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English Roman

Ashley Herring Blake – Delilah Green Doesn’t Care

CN dieses Buch: graphische Beschreibungen sexueller Handlungen
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In einer einsamen Stunde bin ich der Empfehlung von Parnassus Books gefolgt und habe mich von diesem warmen Liebesroman voller interessanter Charaktere, verrückter Aktionen und neuen und lebenslangen Freundschaften aufheitern lassen. Mein Favorit ist natürlich die kämpferische und kreative Titelheldin, aber auch alle anderen Charaktere (abgesehen von dem, der abgesägt wird … ähäm) haben liebenswerte Eigenschaften, mit denen sich die geneigte Leser:in identifizieren kann.

Irgendwie war an mir vorbei gegangen, dass es diese Geschichten jetzt auch in queer gibt. Zum Glück gibt es Fortsetzungen, sodass ich für die nächsten einsamen Stunden jetzt bereits weiß, wo ich mich aufwärmen kann.

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Erfahrungsbericht Reise Sachbuch

Maria Kapeller – Lovely Planet

CN dieses Buch: –
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„Jene aber, die so gereist werden, fahren nur an vielem Neuen vorbei und nicht ins Neue hinein, alles Sonderbare und Persönliche eines Landes muss ihnen notwendig entgehen, solange sie geführt werden und nicht der wahre Gott der Wanderer, der Zufall, ihre Schritte lenkt.“ (Stefan Zweig)

Die Journalistin und Autorin Maria Kapeller versammelt in diesem Buch Recherchen zu verschiedenen Reisethemen. Sie ruft zu einem langsameren Reisen auf, leitet her, warum es so wichtig ist, Flüge zu vermeiden („Die An- und Abreise […] bilden mit rund 80 Prozent den größten Brocken an CO2-Ausstoß während einer Reise“) und untersucht den Reisetrieb der Menschen; also, was uns überhaupt dazu treibt, unbekannte Orte erkunden zu wollen.

Ich hätte viele Leben haben können, aber dankenswerterweise habe ich dieses meine. Es ist nicht selbstverständlich, eine Krankenversicherung, ein Dach über dem Kopf und sauberes Trinkwasser zu haben. Auch die Erkenntnis, dass Menschen trotz materiellem Mangel zufrieden und lebensfroh sein können, haben viele Reisende schon gemacht. Wer die Fähigkeit hat, dankbar zu sein, führt ein glücklicheres Leben.

Reisen, das nicht nur auf möglichst Social-Media-taugliche Fotos ausgerichtet ist, kann dazu führen, dass sowohl die Reisenden als auch deren Umfeld und die bereisten Gebiete von den Effekten des Reisens profitieren. Maria Kapeller führt aus, wie das In-Kontakt-Kommen mit fremden Menschen und Kulturen die Wahrnehmung der Reisenden von der Welt verändern können. Allerdings nur wenn diese das auch zulassen und sich nicht von rein gewinnorientierten Pauschalreisenanbieter:innen durch exotische Gebiete karren lassen. Ein langsameres Reisen, das sich nicht am Abhaken einer Bucket List orientiert, sondern ein tatsächliches In-Kontakt-Kommen ermöglicht, kann dazu führen, dass sich unser Weltbild verändert und wir mit neuen Ideen und neuer Energie zum Verbesssern der Welt nach Hause kommen.

Die These hinter diesem Gedankenspiel: Wer genauer hinschaut, wird demnach automatisch Teil eines Veränderungsprozesses auf dieser Welt, weil das Hinschauen zum Umdenken und Handeln führt.

Die Autorin lässt aber auch nicht unhinterfragt, ob es nicht möglich wäre, die erwünschten Effekte auch ohne oder mit verträglicheren Formen des Reisens zu erreichen. Oft ist es nur das temporäre Aussteigen aus dem eigenen Alltag, das erlebe ich bei mir selbst immer wieder. Weg aus dem eigenen Umfeld zu sein, die Kleinigkeiten im eigenen Leben, die endlich mal Aufmerksamkeit benötigten, zurücktreten zu lassen und mehr in der Gegenwart zu leben und den Augenblick zu genießen. Das ginge jedoch genauso gut im Waldviertel wie in einem weit entfernten Ausland.

Der springende Punkt dabei ist aber nicht das Reisen an sich. Man muss nicht zwingend in ein Flugzeug steigen oder weit wegfahren, um sich zu erholen. Ausschlaggebend ist, sich aus dem Alltag und seinem Umfeld herauszunehmen.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass mich die Bekehrung der Autorin von einer reiselustigen Flugmeilensammlerin zu einer Aktivistin für langsamen und nachhaltigen Tourismus mit einem etwas seltsamen Beigeschmack zurück gelassen hat. Es fühlt sich widersprüchlich an, wenn gerade ein Mensch, der in seinem Leben nach den eigenen im Buch angegebenen Maßstäben schon viel mehr CO2 verursacht hat, als in einem Leben zur Verfügung stünde, dann dazu aufruft, sein eigenes Flugverhalten zu hinterfragen. Natürlich ist niemand perfekt und wir können nicht nur, sondern wir müssen sogar unsere Meinungen und Einstellungen ändern, um die Klimakatastrophe noch irgendwie abmildern zu können. Nur scheint mir auch dieser Aufruf wieder an die Menschen gerichtet, die weniger ausrichten können. Das Flugverhalten von einzelnen Bürger:innen wird die Klimakatastrophe nicht verhindern, wenn reiche Menschen weiterhin mit Privatflugzeugen durch die Gegend jetten und dafür nichtmal entsprechende Steuern zahlen müssen.

Alle Steuerbegünstigungen für Flüge / Flugzeuge / Flughäfen müssen umgehend aufgehoben werden und stattdessen in die Bahninfrastruktur investiert werden. So lange ein Flug einfacher zu buchen und billiger ist als eine Zugverbindung, werden die Menschen sich nicht für die Eisenbahn entscheiden. Flüge müssen entsprechend ihrer Umweltschädlichkeit bepreist und im Gegenzug der öffentliche Verkehr gefördert werden. Das mag (und soll ja auch!) dazu führen, dass sich Menschen weniger Flüge leisten können. Es führt aber auch dazu, dass Menschen in ihrem Alltag eine bessere Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln erhalten und ihren täglichen (!) Verkehrsmittelmix hin zu einer umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Situation verändern können. Denn was wir täglich tun, hat mehr Bedeutungs- und Veränderungskraft als das, was wir hin und wieder mal tun.

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English Krimi Roman

Michael Warren Lucas – $ git commit murder \

CN dieses Buch: Gewalt, Mord, Gift, Sexismus
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If this was a TV show, some perky-pigtailed Goth girl would have the results back before the first commercial break, proving it wasn’t only poisoning, it was a rare sort of poisoning only possible from a rare beetle found only within two miles of Hellman’s home.

Der Autor Michael Warren Lucas schreibt nicht nur Krimis, sondern Bücher verschiedener Genres. Eins meiner Lieblingswesen ist ihm aufgrund seiner Fachbücher über das Betriebssystem BSD begegnet, er schreibt Non-Fiction über Tech-Themen wie Networking und Operating Systems, aber auch Crime, Fantasy und Science Fiction. Er war außerdem Gast auf der ersten Online-PrivacyWeek im Jahr 2020, wo er unter anderem aus diesem Buch vorgelesen hat.

Als Setting für diesen Krimi dient eine fiktive Tech-Konferenz namens BSD North, die in Ottawa, Kanada, stattfindet. Protagonist Dale wurde von seinem Arbeitgeber mehr oder weniger zur Teilnahme gezwungen. Als ADHD-Autist fühlt sich Dale in Gruppen von Menschen immer unwohl, Gesprächsverläufe bleiben ihm ein Rätsel, der Umgang mit Menschen generell kostet ihn Unmengen an Energie. Als dann noch während der Keynote ein anderer Konferenzteilnehmer sterbend aus seinem Sessel fällt, kommt zu der allgemeinen Unsicherheit noch die Suche nach einem mutmaßlichen Mörder hinzu.

Ein zentraler Punkt dieses Buchs sind die vielen mehr oder weniger Insider-Scherze, die der Autor über Versionskontrollsysteme, Tech-Konferenzen und das dort im Allgemeinen anzutreffende Publikum unterbringt. Dabei arbeitet er mit Klischees, wobei es ihm zumeist gelingt, diese nicht nur für platte Scherze zu nutzen, sondern sie in Frage zu stellen. Seinen Protagonisten Dale lässt er konkret (innerlich) die sexistischen Aussagen anderer Kongressteilnehmer kontern und kritisieren. Trotzdem bleibt ein schaler Beigeschmack bei der Beschreibung einer großteils cis-männlichen und weißen Kongressteilnehmergruppe, in der die einzige Frau hauptsächlich als Ziel von sexistischen Attacken fungiert.

Ein Nebenstrang der Geschichte ist Dales eigene versteckte Agenda, die er in seinen bisherigen Code-Patches der konkurrierenden Betriebssysteme versteckt hat. Dieser Teil wird zum Ende hin mit einer überraschend flauschigen Sinneswandlung von Dale aufgelöst, was mir als etwas zu einfach erschien. Wie ich auf der Webseite gerade gelesen habe, handelt es sich um eine noch nicht vollendete Trilogie, vielleicht wird dieser Strang ja in der Fortsetzung nochmal aufgegriffen.

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English Fantasy Kinder

C. S. Lewis – The Magician’s Nephew

CN dieses Buch: Gewalt gegen Tiere, Alkoholmissbrauch, Krankheit
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For what you see and hear depends a good deal on where you are standing: it also depends on what sort of person you are.

Letztens wollte ich mich nicht damit befassen, was ich nun als Nächstes lesen sollte und nahm wir daher vor, einfach aus meiner Bookmark-Liste in Libby, das oberste Buch zu nehmen, das gerade verfügbar ist. Das war dann die Gesamtausgabe der Chronicles of Narnia. Das jetzt erste Buch in dieser Reihe wurde erst später verfasst und ist eigentlich ein Prequel, das einiges über die Entstehung von Narnia erklärt.

Die Verklärung, die viele Menschen mit dieser Fantasy-Welt verbinden, ist mir völlig fremd, ich habe die Bücher als Kind nie gelesen. Daher fand ich jetzt auch diesen Einstieg eher langweilig. Aufmüpfige Kinder, die den Anweisungen ihrer Erziehungsbefugten nicht folgen, aber im Kern ihres Herzens gütig sind und die „richtigen“ Entscheidungen treffen, sind dann doch eher langweilige Protagonist:innen.

Amüsiert habe ich mich über die Szene, in der die sprechenden Tiere darüber debattieren, ob der bewusstlose Onkel Andrew wohl ein Mineral, eine Pflanze oder ein Tier wäre. Aus diversen Gründen erklären sie ihn zuerst zur Pflanze, graben ihn ein (zum Glück mit den Füßen nach unten) und gießen ihn, weil er so trocken aussieht. Als er durch das Gießen aufwacht, einigen sie sich darauf, dass er wohl doch ein Tier sein muss. Sie würden ihn gern als Haustier behalten.

Ich werde sicher den weiteren Büchern noch eine Chance geben (einer vollständigen Serie kann ich langfristig ja ohnehin nicht widerstehen).

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English Roman

Jessamin Chan – The School For Good Mothers

CN dieses Buch: Rassismus, Depression, Andeutung sexueller Handlungen, Gewalt, Sexismus, Suizid, Krankheit (Krebs, psychische Krankheiten)
CN dieser Post: Suizidgedanken


Was für ein gruseliges Buch. Die Autorin beschreibt eine Gesellschaft, in der Eltern in eine Besserungsanstalt geschickt werden, wenn sie (vermeintlich) ihren Kindern schaden. Die Geschichte beginnt mit der Protagonistin Frida, die in einer schwierigen Situation nicht mehr ein noch aus weiß. Vom Vater ihres Kindes Harriet lebt sie getrennt, sie teilen sich das Sorgerecht, die Hälfte der Woche, die Harriet bei Frida verbringt, arbeitet Frida von zuhause aus. Ein Entgegenkommen ihrer Arbeitsstelle, für das sie dankbar sein müsste. In der Realität kann Frida jedoch weder ihrer Tochter noch ihrer Arbeit jemals gerecht werden, die Anforderungen sind astronomisch. Nachdem Frida an einem sehr schlechten Tag eine sehr schlechte Entscheidung trifft, sieht sie sich konfrontiert mit einem System, das sie nicht nur als schlechte Mutter abstempelt, sondern auch jeder Chance beraubt, jemals dieses Stigma wieder loswerden zu können.

Aus dem System gibt es kein Entrinnen. Um ihre Tochter wieder zu bekommen, muss Frida allem zustimmen, darf nicht aufbegehren, muss alle Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen. Schon die Szenen zu Beginn, in denen Frida unter unmöglichen Umständen unter der Aufsicht einer Sozialarbeiter:in beweisen soll, dass sie mit ihrer Tochter nicht überfordert ist, lassen mich vor Ungerechtigkeit fast aufschreien. Diese Grausamkeit steigert sich jedoch in der Schule, in der Frida schließlich lernen soll, eine gute Mutter zu sein, in bisher ungekannte Dimensionen.

Bad parents must be transformed from the inside out. The right instincts, the right feelings, the ability to make split-second, safe, nurturing, loving decisions.

Die Schule erweist sich als Ort der Gehirnwäsche. Immer wieder müssen die Frauen sich selbst vorsagen, was für schlechte Mütter sie sind. Dass sie es verdienen, hier und getrennt von ihren Kindern zu sein. Dass sie gesündigt haben und nun Buße tun müssen.

A mother is always patient. A mother is always kind. A mother is always giving. A mother never falls apart. A mother is the buffer between her child and the cruel world.

Um zu lernen, wie sie gute Mütter sein können, werden die Mütter mit Roboterkindern ausgestattet, an denen sie nun beweisen müssen, dass sie fähig sind, mütterliche Emotionen zu empfinden und dementsprechend richtig zu handeln. Viele Mütter halten dem Druck nicht stand und scheitern an der unmöglichen Erfüllung der an sie gestellten Aufgaben. Manche versagen in den Tests immer wieder, manche verstoßen aus Einsamkeit gegen die absurden Regeln der Schule, manche sehen keine Hoffnung und keinen Sinn mehr in ihrem Leben.

A mother who is in harmony with her child, who understands her place in her child’s life and her role in society, is never lonely. Through caring for her child, all her needs are fulfilled.

Ein ausgezeichnetes Beispiel bietet das Buch auch für die Art von Überwachung, die aufzeigt, dass Beobachtungen von menschlichen Handlungen immer interpretiert werden. Unter Videoüberwachung soll Frida zeigen, wie sehr sie ihre Tochter vermisst, wie sehr sie ihren Fehler bereut. Ihre Emotionen werden jedoch von den Menschen des Systems völlig unterschiedlich interpretiert, kalt und egoistisch wird Frida dargestellt, selbstsüchtig und nicht fähig, sich um ihre Tochter zu kümmern. Lange klammert sich Frida an jeden einzelnen Funken Hoffnung. Die Aussichtslosigkeit ihrer Lage wird erst auf den letzten Seiten deutlich.

Sometimes people do things because that thing will make them feel good in the moment. Because they just want to feel better.

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Roman

Pierre Jarawan – Am Ende bleiben die Zedern

CN dieses Buch: Gewalt, Verlust eines Elternteils, Flucht, Krieg,
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Dieses Buch habe ich auf einer Reise im Travel Book Shop in Zürich gekauft. Es stand vermutlich seit ca. sieben Jahren auf meiner Leseliste, ich konnte es aber nie finden, weil … in meiner Liste der erste Buchstabe des Nachnamens des Autors falsch war. Ob das bereits in dem Artikel so war, aus dem ich die Empfehlung hatte, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen (der Link funktioniert nicht mehr). Jedenfalls hatte ich mich vor dem Nieselregen in das Buchgeschäft zurückgezogen, wollte eigentlich nichts kaufen. Nachdem ich mir mehrere Fotobände angesehen hatte, die ich keinesfalls auf dem Rest dieser Reise mitschleppen würde, konnte ich doch nicht umhin, dieses Buch zu kaufen, weil es irgendwie einfach Schicksal war, es dort zu finden …

Fassade des Travel Book Shop in Zürich, über dem Eingang hängt ein Zunftzeichen mit einer Palme, die Fensterrahmen sind grün gestrichen, im Hintergrund ist eine Reliefkarte in einem Schaukasten zu sehen

Samir, der Protagonist der Geschichte, wurde in Deutschland geboren, seine Eltern waren kurz vor seiner Geburt aus dem Libanon geflüchtet. Im Verlauf des Buches beschreibt Samir, wie er sich zwischen den beiden Kulturen verloren fühlt: Er wurde in Deutschland geboren, hat sein ganzes Leben hier verbracht. Die Erzählungen seines Vaters über dessen Heimatland Libanon bedeuten Samir aber umso mehr, nachdem sein Vater die Familie verlassen hat, als Samir acht Jahre alt war. Es war ein Verschwinden von einem Tag auf den anderen, verbunden mit Geheimnissen, auf die sich der achtjährige Samir keinen Reim machen kann. Das unerklärte Verschwinden des Vaters lässt ihm keine Ruhe, kostet ihn schließlich seinen Job in einer Bibliothek, beeinflusst als fixe Idee seine Beziehungen und Freundschaften. Erst der erneute Kontakt mit der Kindheitsfreundin Yasmin rüttelt ihn auf und führt ihn schließlich auf eine Reise in den Libanon mit dem Zweck, die Spuren seines Vaters zu verfolgen.

In den neunziger Jahren veränderten sich das politische Klima und die Welt um mich herum dramatisch. Doch so richtig merkte ich es nicht. Ich war gefangen in diesem verrückten, bunten Jahrzehnt, in dem alles zum letzten Mal analog war. Mitgerissen von einer Generation, die sich vehement weigerte, sich den Spaß nehmen zu lassen, obwohl es genügend Zeigefinger gab, die mahnend in die Zukunft wiesen. Wir hatten keine Kämpfe zu kämpfen. Der Kalte Krieg war vorbei, die Mauer war eingestürzt, die Zwillingstürme noch nicht. Die einzigen Grenzen, die wir kannten, waren die, die wir uns selbst auferlegten.

Der Protagonist Samir wurde Anfang der 80er geboren und in den Beschreibungen der Zeiten seines Aufwachsens, seiner Jugend habe ich vieles wieder erkannt, wie ich es selbst erlebt habe. Im Gespräch mit einer Person, die zur selben Zeit in Israel aufwuchs, habe ich überrascht festgestellt, wie unterschiedlich unsere Erinnerungen an diese Zeit sind. Während der Jugoslawien-Krieg für mich als Kind absolut keine Rolle spielte, waren die Verflechtungen zwischen dem Libanon und seinen Nachbarländern Syrien und Israel viel bestimmender für politische und gesellschaftliche Entwicklungen und laut dieser Person auch wesentlich präsenter im alltäglichen Leben.

Das Buch ist eine wunderbare Mischung aus der persönlichen Geschichte Samirs und den politischen Entwicklungen, die die Erfahrungen so vieler geflüchteter Menschen entscheidend geprägt haben. Samirs Reise in den Libanon erzählt von den Landschaften, die ihm sein Vater als Kind näher gebracht hat, vom Geruch der Zedern, den schroffen Bergen, dem fremden Flair eines Landes, in dem sich Samir aber eigentlich nicht fremd fühlen will. In den Hinweisen, die er aus seiner Kindheit bewahrt hat und den Recherchen, die ihm den Bibliotheksjob gekostet haben, sucht er nach Anhaltspunkten, die ihm dabei helfen könnten, das Schicksal seines verschwundenen Vaters zu ergründen. Oft entwickeln sich scheinbare Sackgassen zu neuen Verbindungen.

Meine uneingeschränkte Empfehlung für dieses Buch. Die Geschichte ist mitreißend mit einer überraschenden Wendung am Ende, die ich absolut nicht kommen habe sehen, und die trotzdem ganz wunderbar passt. Den Schreibstil fand ich sehr angenehm, die Mischung der Zeitebenen (der junge Samir mit seinen Eltern, der „heutige“ Samir auf seiner Reise in den Libanon) wird mit dem Fortschreiten der Geschichte immer enger und führt schließlich komplett in die Gegenwart (1. Auflage 2018). Der umfangreich beschriebene kulturelle und gesellschaftliche Kontext aus einer Zeit, die ich einerseits selbst in Erinnerung habe, in der sich aber in einem gar nicht so weit entfernten Land Dinge zugetragen haben, mit denen ich mich nie befasst habe, hat mich sehr berührt. Wenn wir uns nur mehr mit anderen Kulturen, Lebensbedingungen, Religionen befassen würden, würde es insgesamt vielleicht weniger Konflikte geben. Vielleicht trägt dieses Buch etwas zum Verständnis bei, mir hat es jedenfalls eine unbekannte Welt innerhalb unserer alltäglichen Welt eröffnet.