CN: Tod eines geliebten Menschen, Andeutung sexueller Handlungen, Geburt
Ein weiterer Beitrag aus der Reihe Literatur-Geocaches. Das Buch erzählt von den Schären-Inseln im finnischen Åland und beschreibt das Leben der Bewohner:innen in dieser autonom verwalteten Gegend in der Nachkriegszeit. Es ist eine Gegend aus tausenden versprengten Inseln, von denen nur wenige bewohnt sind (60 von 6757 lt. Wikipedia). Transport findet per Boot und Fahrrad statt, nur wenn im Winter das Eis zufriert, sind die Wege zwischen den Inseln mittels Schlitten einfacher zu absolvieren als während des restlichen Jahres.
Die Geschichte beginnt mit der Ankunft des neuen Pfarrers, seiner Frau und seiner Tochter und erzählt im Verlauf der Jahreszeiten, wie sich das Paar einlebt und mit den Einheimischen in Kontakt kommt. Die Pfarrersfrau Mona kann nur als tüchtig beschrieben werden. Sie kümmert sich um alles, was zu erledigen ist, melkt sogar hochschwanger noch die Kühe und lässt sich weder vom Wetter noch von anderen Umständen aus ihren Ritualen bringen. Dieses strenge Regime erstreckt sich nicht nur auf sie selbst. Von ihren Kindern erwartet sie gleichsam ein widerspruchsloses Einfügen in die vorgegebenen Umstände.
Er selbst fühlte sich dem gegenüber wie ein neugeborenes Kind und voll widerstrebender Gefühle. Einerseits hätte er den Vorfall entschieden missbilligen und verurteilen sollen, andererseits war er eine Manifestation jenes Anarchismus und der pragmatischen Einstellung gegenüber den auf dem Festland geltenden Gesetzen, die ihn so amüsierte und stolz auf seine souveränen Insulaner sein ließ.
Pfarrer Petter selbst hat damit zu tun, sich um seine Gemeinde zu kümmern. Er verlässt sich darauf, dass seine tüchtige Frau alles andere für ihn regelt. In die Kindererziehung mischt er sich nicht ein, obwohl er selbst nicht ganz so streng mit den Töchtern umgehen würde. Auch mit den Mitgliedern seiner Kirchengemeinde pflegt er einen eher verständnisvollen als strengen Umgang, wie das obige Zitat veranschaulicht. (Es geht dabei um eine Kiste mit Schnaps, die aus dem Meer gefischt und vor den gestrengen Augen des Pfarrers nur halbherzig versteckt gehalten wurde.)
Es passiert viel und gleichzeitig wenig. Ein Einblick in eine Lebenswelt, die heute wohl so nicht mehr existiert und auch zur damaligen Zeit eher außergewöhnlich war.
The world kept telling her to look away, to pay no attention to an age-old system, in which men thrived and inconvenient women disappeared.
Ein Roman, der wie für eine Serienumsetzung geschrieben scheint (kein Wunder, dass AppleTV+ das schon gemacht hat). Das Setting in den 1960er-Jahren im US-amerikanischen Baltimore erlaubt ein Eintauchen in eine andere Zeit, sowohl modisch als auch mit dem Set-Design. Nachdem ich mir den Trailer angesehen habe, bin ich mir aber nicht mehr sicher, wieviel die Serie mit der Romanvorlage tatsächlich gemeinsam hat …
Das Buch beginnt mit der jüdischen Hausfrau Madeline Schwartz, die nach einem von vielen weiteren Abendessen, das sie für ihren Ehemann und spontan geladene Gäste ausrichtet, beschließt, ihren Ehemann zu verlassen. Im Buch wirkt das völlig gefühllos, wobei das auch zur Identität von Madeline (Maddie) zu passen scheint, die generell eher kalt und berechnend wirkt.
Als sie zufällig zur Zeugin in einem Mordfall wird, nutzt sie die Gelegenheit, um sich mit mehr oder weniger sauberen Winkelzügen in die Zeitungsredaktion des Star einzuschleusen. Dafür nutzt sie den guten Willen des Mordverdächtigen, der ihre Briefe beantwortet, die sie dann später nutzt, um daraus in der Zeitung Kapital zu schlagen.
In vieler Hinsicht wirkt Maddie wie eine hilflose Möchtegern-Ermittlerin, die Spuren nachläuft, um sich interessant, beliebt und wertgeschätzt zu machen. Dabei dreht sie sich die Situationen auch so hin, dass es für sie moralisch passt, auch dann, wenn sie dabei offensichtlich anderen schadet. Das macht sie zu einer wenig sympathischen Person, die die erhoffte Karriere über alles stellt.
Die Erzählstruktur des Buchs ist zu Anfang so, dass sich Kapitel aus der Perspektive von Maddie abwechseln mit Kapiteln, die aus der Perspektive von anderen Menschen geschrieben sind, die jeweils gerade mit Maddie Kontakt hatten. Dazwischen gestreut sind die Statements der titelgebenden Lady in the Lake: Eine schwarze junge Frau namens Cleo Sherwood, die zu Beginn als vermisst gilt und später zum Ziel Maddies weiterer Ermittlungen wird. Dabei scheucht Maddie nicht nur Cleos Familie und frühere Bekannte auf, sie bringt sich auch selbst in gefährliche Situationen.
Mich verwundert gerade sehr, wie massiv die nicht mal drei Minuten Trailer meinen Blick auf die Geschichte, die ich gerade gelesen habe, verändert haben. Natürlich ist so eine verdichtete Darstellung in einem Trailer nicht zu vergleichen mit der tatsächlichen Mini-Serie (oder der Buchvorlage), es scheint aber doch ein wesentlich größerer Fokus auf Cleo gelegt zu werden, die im Buch zwar zur Sprache kommt, im Trailer aber deutlich mehr Präsenz einnimmt. Dass das eBook jetzt mit dem Cover der Serie in der OverDrive eLibrary steht, gefällt mir auch nicht so wirklich. Ich hätte lieber das Original-Cover des Buchs dort gesehen.
Bei meinem letzten Berlin-Besuch kam es endlich dazu, dass wir den Modellpark Berlin-Brandenburg besichtigten. Entdeckt hatten wir den Park schon im August 2020, als wir die Feldbahn im FEZ besuchten. Dann hatte ich das Tab ewig lange offen, bis es irgendwann einem Crash zum Opfer fiel. Als ich nun erfreut feststellte, dass wir den Modellpark auch mit Hund besuchen können, gab es kein Halten mehr.
Laut Webseite sind im Modellpark über 80 Modelle zu sehen, der aktuelle Lageplan enthält 66 Objekte, von denen manche aus mehreren einzelnen Modellen bestehen. Vor Ort konnten wir leider nicht alle sehen. Wo laut Lageplan ein Modell sein sollte, war teilweise nur eine Form im Rasen erahnbar, wo das Modell wohl zuvor gestanden hat (zum Beispiel das Zeiss Grossplanetarium). Da die Modelle alle der Witterung ausgesetzt sind, ist es logisch, dass viel Wartung nötig ist, das zeigt sich auch deutlich an manchen der vorhandenen Modelle. Oft sind Regenrinnen abgebrochen oder Teile des Dachs fehlen (ersichtlich zum Beispiel auf dem untenstehenden Foto des Modells der Zitadelle Spandau). Die Versuchung, Kleinteile als Souvenir mitzunehmen, war bei mir groß, ich konnte gerade noch widerstehen.
Viele (eigentlich alle?) der Modelle aus dem Land Brandenburg waren mir allerdings komplett unbekannt. Dabei sind einige Schlösser wie zum Beispiel das Schloss Rheinsberg, neben dessen Modell ein Teich mit Seerosen angelegt ist oder das Schloss Oranienburg mit Orangerie. Hier sind Rosenbüsche neben den Gebäuden gepflanzt, zentral ist das Eingangsportal zum Schlossgarten, das ich gleich aus mehreren Perspektiven fotografiert habe, wie auf den nächsten beiden Fotos zu sehen ist.
Als Modellbahn-begeisterte Person hatte ich natürlich besondere Freude mit den bewegten Modellen im Park. Ein ICE durchfährt eine Landschaft mit mehreren Modellen, ein älteres Zugmodell ist zwischen Modellen aus der Gegend Zehdenick, Dannenwalde und Fürstenberg, Bredereiche unterwegs. Leider konnte ich von den einzelnen Modellen in diesen Bereichen keine Beschreibungen finden, im Lageplan sind sie nur als Gruppe verzeichnet. Vor Ort waren neben den Modellen Beschreibungstafeln angebracht (die meisten davon durch die Sonne sehr ausgebleicht und oft nicht eindeutig den Modellen zuzuordnen), leider hab ich mich darauf verlassen, das alles nachträglich recherchieren zu können, was leider nicht funktioniert.
Alt-Text für Video: Bild aus der Bodenperspektive, links und rechts ein Gebäude, dazwischen schlängelt sich eine rote Modellbahn durchs Bild, sie besteht aus einer Lokomotive, einem Frachtwaggon und einem Waggon, in dem blau gekleidete Personen sitzen
Exkurs: Ich versuche noch, die Videos ordentlich mit Alt-Text einzubinden, auf die Schnelle habe ich das gerade leider nicht geschafft.
Alt-Text für Video: Modell einer U-Bahn-Strecke mit zwei Gleisen, zuerst fährt auf dem rechten Gleis ein Wagen aus einem Tunnel auf die Kamera zu, kurz darauf auf dem linken Gleis wiederum ein einzelner Wagen, dieser auf dem linken Gleis scheint sich gefährlich zur Seite zu neigen, das Gleis fällt auf einer Seite etwas ab.
Als wir beim Frühstück den Tagesablauf planten, meinte der Fotograf noch, wir würden wohl eh nicht so lange im Modellpark sein. Da hat er sich natürlich getäuscht, wir haben sicher über drei Stunden dort verbracht, obwohl alle Modelle in der Sonne liegen und es trotz der moderaten Temperaturen in der Sonne ganz schön heiß war. Gegen Ende unseres Rundgangs waren wir alle drei schön durch erhitzt.
Der Modellpark ist liebevoll gestaltet und betreut, es gibt Spielmöglichkeiten für Kinder, viele – auch schattige – Sitzgelegenheiten, einen Miet-Trolley (um kleinere Kinder durch den Park zu transportieren), einen Souvenir-Shop und auch fürs leibliche Wohl wird gesorgt. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es für die Besucher:innen nur eine öffentliche Toilette außerhalb des Modellparks gibt. Für die sind 50 Cent Gebühr fällig. Besucher:innen des Modellparks können einen Chip bekommen, um die Toilette gratis zu nutzen, das ist jedoch nicht sehr transparent kommuniziert. Da wäre es schön, wenn es im Modellpark wenigstens ein Öklo oder sowas gäbe. Die Eintrittspreise sind sehr moderat (aktuell Erwachsene: 5,50€, Kinder bis 6 Jahre frei, Kinder von 7 bis 18 Jahre: 2,50€, es gibt noch weitere Ermäßigungen für bestimmte Personengruppen). Die Anreise kann sich je nachdem, von wo in Berlin ihr herkommen wollt, etwas mühsam gestalten, ist es aber in meinen Augen auf jeden Fall wert. Wenn ihr euch irgendwie für Modellbau interessiert (oder einfach nur ein paar lustige Fotos machen wollt), kann ich den Modellpark wärmstens empfehlen.
Perhaps they didn’t know themselves, and these were questions without fixed answers, and the work of making meaning was still going on.
Irgendwie weiß ich noch immer nicht, was ich über dieses Buch schreiben soll. Es hat mich nicht wirklich gefangen. Keine:r der Protagonist:innen hat mich wirklich interessiert, es war mir einfach ziemlich egal, was mit Ihnen passiert. Wenn ich mich an die beiden vorhergehenden Bücher der Autorin zurück erinnere (Normal People, Conversations With Friends), dann könnte ich schreiben, dass die dort schon vorhandenen Aspekte, die mir nicht so gut gefallen haben (übertriebenes Selbstmitleid von privilegierten Personen, intensives Philosophieren über Ideen wie zB political conservatism ohne daraus irgendwelche Handlungen abzuleiten, eine gewisse Abgehobenheit von der Welt), in diesem Buch vermehrt auftreten, während die anderen Aspekte in den Hintergrund treten.
In Conversations With Friends wird eine konfliktreiche Polybeziehung beschrieben, hier wird Bisexualität angedeutet, aber nicht wirklich ausgelebt, eine nicht-exklusive Beziehung wird erwähnt, aber sofort beendet. Als Beweis der Zuneigung. (Was?)
Normal People hat mich zu einer (weiteren) Auseinandersetzung mit dem Normalitätsbegriff angeregt. Und jetzt weiß ich weder, was ich über dieses Buch schreiben soll, noch, was es mir eigentlich sagen wollte.
Natürlich kann ich nicht vollständig ausschließen, dass ich die Metaebene einfach nicht verstanden habe. Dementsprechend kann ich nur sagen, dass dieses Buch meine Erwartungen leider nicht im Geringsten erfüllt hat.
CN dieses Buch: Dieses Buch spielt im Mittelalter, der Titel ist eine direkte Referenz auf die Folterkammern der Inquisition. Entsprechend der Epoche enthält das Buch rassistische und anti-feministische Elemente sowie Gewalt, Gefangenschaft und Folter. Wenn eins dieser Themen für euch schwierig ist, rate ich euch von diesem Buch ab.
Aus Zeitgründen nur ein paar Stichworte:
Religionskrieg. Die Protestanten wollen sich von den Katholiken nicht mehr weiter unterdrücken lassen. Die Katholiken wiederum bestehen auf der Deutungshoheit der Heiligen Schrift und setzen diese auch mit Waffengewalt gegen alle Widerstände durch. Wozu ein fanatischer Glaube Menschen treiben kann, wird hier deutlich.
Intrigen ohne Ende.
Starke Vibes von Les Misérables: Die Barrikaden in der Stadt, auf denen die aufgeklärten Studenten sich den katholischen Truppen entgegen stellen. Der tapfere junge Mann, der eigentlich nur die Frau, die er liebt, in Sicherheit bringen will, aber trotzdem treu an der Seite seiner Kameraden steht. Das ist jetzt irgendwie auch nichts Neues.
Eine Familiengeschichte im Hintergrund, ein Erbe, von dem die erbende Person gar nichts weiß, das jedoch sie und ihre Familie allen möglichen und unmöglichen Gefahren aussetzt.
Schön gesponnen und hat mich ein paar Tage lang unterhalten. Und natürlich ein Happy End.
CN dieses Buch: Gewalt, Verlust eines Elternteils, Flucht, Krieg,
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Dieses Buch habe ich auf einer Reise im Travel Book Shop in Zürich gekauft. Es stand vermutlich seit ca. sieben Jahren auf meiner Leseliste, ich konnte es aber nie finden, weil … in meiner Liste der erste Buchstabe des Nachnamens des Autors falsch war. Ob das bereits in dem Artikel so war, aus dem ich die Empfehlung hatte, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen (der Link funktioniert nicht mehr). Jedenfalls hatte ich mich vor dem Nieselregen in das Buchgeschäft zurückgezogen, wollte eigentlich nichts kaufen. Nachdem ich mir mehrere Fotobände angesehen hatte, die ich keinesfalls auf dem Rest dieser Reise mitschleppen würde, konnte ich doch nicht umhin, dieses Buch zu kaufen, weil es irgendwie einfach Schicksal war, es dort zu finden …
Samir, der Protagonist der Geschichte, wurde in Deutschland geboren, seine Eltern waren kurz vor seiner Geburt aus dem Libanon geflüchtet. Im Verlauf des Buches beschreibt Samir, wie er sich zwischen den beiden Kulturen verloren fühlt: Er wurde in Deutschland geboren, hat sein ganzes Leben hier verbracht. Die Erzählungen seines Vaters über dessen Heimatland Libanon bedeuten Samir aber umso mehr, nachdem sein Vater die Familie verlassen hat, als Samir acht Jahre alt war. Es war ein Verschwinden von einem Tag auf den anderen, verbunden mit Geheimnissen, auf die sich der achtjährige Samir keinen Reim machen kann. Das unerklärte Verschwinden des Vaters lässt ihm keine Ruhe, kostet ihn schließlich seinen Job in einer Bibliothek, beeinflusst als fixe Idee seine Beziehungen und Freundschaften. Erst der erneute Kontakt mit der Kindheitsfreundin Yasmin rüttelt ihn auf und führt ihn schließlich auf eine Reise in den Libanon mit dem Zweck, die Spuren seines Vaters zu verfolgen.
In den neunziger Jahren veränderten sich das politische Klima und die Welt um mich herum dramatisch. Doch so richtig merkte ich es nicht. Ich war gefangen in diesem verrückten, bunten Jahrzehnt, in dem alles zum letzten Mal analog war. Mitgerissen von einer Generation, die sich vehement weigerte, sich den Spaß nehmen zu lassen, obwohl es genügend Zeigefinger gab, die mahnend in die Zukunft wiesen. Wir hatten keine Kämpfe zu kämpfen. Der Kalte Krieg war vorbei, die Mauer war eingestürzt, die Zwillingstürme noch nicht. Die einzigen Grenzen, die wir kannten, waren die, die wir uns selbst auferlegten.
Der Protagonist Samir wurde Anfang der 80er geboren und in den Beschreibungen der Zeiten seines Aufwachsens, seiner Jugend habe ich vieles wieder erkannt, wie ich es selbst erlebt habe. Im Gespräch mit einer Person, die zur selben Zeit in Israel aufwuchs, habe ich überrascht festgestellt, wie unterschiedlich unsere Erinnerungen an diese Zeit sind. Während der Jugoslawien-Krieg für mich als Kind absolut keine Rolle spielte, waren die Verflechtungen zwischen dem Libanon und seinen Nachbarländern Syrien und Israel viel bestimmender für politische und gesellschaftliche Entwicklungen und laut dieser Person auch wesentlich präsenter im alltäglichen Leben.
Das Buch ist eine wunderbare Mischung aus der persönlichen Geschichte Samirs und den politischen Entwicklungen, die die Erfahrungen so vieler geflüchteter Menschen entscheidend geprägt haben. Samirs Reise in den Libanon erzählt von den Landschaften, die ihm sein Vater als Kind näher gebracht hat, vom Geruch der Zedern, den schroffen Bergen, dem fremden Flair eines Landes, in dem sich Samir aber eigentlich nicht fremd fühlen will. In den Hinweisen, die er aus seiner Kindheit bewahrt hat und den Recherchen, die ihm den Bibliotheksjob gekostet haben, sucht er nach Anhaltspunkten, die ihm dabei helfen könnten, das Schicksal seines verschwundenen Vaters zu ergründen. Oft entwickeln sich scheinbare Sackgassen zu neuen Verbindungen.
Meine uneingeschränkte Empfehlung für dieses Buch. Die Geschichte ist mitreißend mit einer überraschenden Wendung am Ende, die ich absolut nicht kommen habe sehen, und die trotzdem ganz wunderbar passt. Den Schreibstil fand ich sehr angenehm, die Mischung der Zeitebenen (der junge Samir mit seinen Eltern, der „heutige“ Samir auf seiner Reise in den Libanon) wird mit dem Fortschreiten der Geschichte immer enger und führt schließlich komplett in die Gegenwart (1. Auflage 2018). Der umfangreich beschriebene kulturelle und gesellschaftliche Kontext aus einer Zeit, die ich einerseits selbst in Erinnerung habe, in der sich aber in einem gar nicht so weit entfernten Land Dinge zugetragen haben, mit denen ich mich nie befasst habe, hat mich sehr berührt. Wenn wir uns nur mehr mit anderen Kulturen, Lebensbedingungen, Religionen befassen würden, würde es insgesamt vielleicht weniger Konflikte geben. Vielleicht trägt dieses Buch etwas zum Verständnis bei, mir hat es jedenfalls eine unbekannte Welt innerhalb unserer alltäglichen Welt eröffnet.
CN dieses Buch: Menstruation, Depression, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Suizid, sexuelle Handlungen, Belästigung, Angriff, Bedrohung
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Vielleicht war Großmutter auch allen Vorurteilen zum Trotz ein wenig sentimental und hatte in den Hühnern das erblickt, was mein Vater nie zu erkennen in der Lage gewesen war: das unentwirrbare Bild des Schicksals dieser Stadt.
Dieses Buch wurde von Autorin und Podcasterin Alexandra Tobor aus dem Polnischen ins Deutsche erzählt und sie hat in der Wrintheit davon erzählt. Was sie genau darüber gesagt hat, ist mir nicht erinnerlich, aber mit dem Buch hatte ich definitiv viel Spaß.
Der Untertitel „Der Esoteriker, die Genossin und der Arsch im Heiligenschein“ deutet schon an, dass hier komplexe Persönlichkeiten portraitiert werden, ohne sie zu ernst zu nehmen. Der Esoteriker wird sich als der Vater der Ich-Erzählerin herausstellen, die Genossin als ihre Großmutter mütterlicherseits, der „Arsch im Heiligenschein“ als Beispiel für eines der (vermeintlichen) Wunder, die das beschriebene Mahrtal und die Kleinstadt Zuckrowka immer wieder heimsuchen. Es ist der Autorin gelungen, zwischen den vielen Anekdoten, die sie über die schrägen Gestalten im Dorf erzählt, auch noch ein Geheimnis zu verstecken, das sich am Ende etwas unspektakulär auflöst. Ein Imker, der seine Bienen am Stock spazieren führt, wenn sie aus ihren heimatlichen Stöcken ausschwärmen. Eine junge Frau, die nachts über die Dächer des Dorfs schlafwandelt und dabei singt. Eine weinende Marienstatue, an deren wunderliche Wirkung nicht nur der Pfarrer fest glaubt. Gerüchte und Spekulationen treiben die Bewohner:innen von Zuckrowka an, Hauptsache, es gibt etwas zu tratschen. Das Ganze ist herrlich unaufgeregt und trotzdem unterhaltsam geschrieben. Empfehlung.
CN dieses Buch: Krankheit, Koma, Suizid, Krebs, Alkoholmissbrauch
(Anmerkung: Ereignisse der letzten Jahre wie die Covid19-Pandemie oder die Ermordung von George Floyd werden im letzten Teil des Buchs erwähnt)
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But we are not all right, we are so far from all right. We are this broken family.
Es ist bedrückend, was Menschen alles zustoßen kann. Und beeindruckend, wie sie trotzdem weiter machen. Die Autorin führt die Leser:innen durch Jahre voller Ungewissheit. Sie lässt uns teilhaben an den Momenten der Hoffnung, an denen sie sich festklammert, spart aber auch die Momente der Verzweiflung nicht aus, in denen sie nicht mehr weiter weiß und aufgeben als eine reale Alternative erscheint.
And I am reminded that alongside the ghost of you, the ghost of us, there is the ghost of our past life.
Das Buch beschreibt Jahre, in denen sich für diese Familie Krise an Krise reiht. Und dabei sind die letzten Jahre nur eine Randnotiz. Erfüllt ist es jedoch auch von der Dankbarkeit für all die Unterstützung, die sie durch Familie und Freunde erfahren hat. Für all die Menschen, die uns ein wenig Last abnehmen, wenn wir sie nicht mehr allein tragen können. Unfassbar traurig und unfassbar hoffnungsvoll.
CN dieses Buch: Suizidgedanken, Suizidversuch, Sterben, Geschlechtsteile, sexuelle Handlungen, Weltuntergang
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All dies würde unausweichlich geschehen, wenn sie den Ort fänden, an dem die Gebete endeten. Nichts hält eine Idee auf, nichts kann verhindern, dass eine Möglichkeit voll ausgeschöpft wird.
Eine derart beängstigende und gleichzeitig wahnwitzig unterhaltsame Zukunftsvision habe ich in meinen Dystopie-Studien der letzten Jahre noch nicht erlebt. Dieser Roman aus dem Jahr 2002 hat manches vorausgesehen, das in den 20 Jahren seit seiner Erscheinung bereits Wirklichkeit geworden ist, wenn auch die Überwachung und die Eingriffe in die Gedanken, Körper und Leben der Menschen im Roman deutlich invasiver sind, als wir es heute kennen.
In einer von Stimmungsabteilungen gesteuerten durchkapitalisierten Welt werden Menschen nicht mehr begraben sondern mit Raketen ins Weltall geschossen, um dort zu verglühen. Die Liebe wird durch einen Computeralgorithmus berechnet, der die von den Menschen ausgesendeten Wellen miteinander abgleicht und Übereinstimmungen miteinander verknüpft. Als der Kopf des weltumspannenden Unternehmens LoveStar schließlich entdeckt, dass Menschen trotz aller Kontrolle noch immer Gebete an eine höhere Macht richten, entgleitet ihm das Projekt.
Immer wieder rechtfertigen die Charaktere in der Geschichte ihre Handlungen mit dem Satz: „Wenn ich es nicht tue, macht es jemand anders.“ Jede fragwürdige Handlung wird dadurch legitimiert, dass sich die Idee (aus dem obigen Zitat) ohnehin nicht aufhalten ließe. Diese Argumentation begegnet uns oft im Hinblick auf Technologien oder Datensammlungen. Alles, was möglich ist, wird irgendwann getan werden, mögen auch heutige Gesetze dies verbieten (wenn auch nicht zwingend verhindern).
Das Buch ist mir in einer Lithub-Sammlung isländischer Werke begegnet, hätte aber nach meiner Meinung eine weitaus breitere Rezeption verdient. Es versteckt tiefe Gedanken über die Entwicklung unserer Welt in einer extrem unterhaltsamen Geschichte. Mein Highlight-Moment: als der Reißverschluss im Bauch des Großen Bösen Wolfs (der eigentlich eine Wölfin ist) das erste Mal geöffnet wird.
CN dieses Buch: Drogenmissbrauch, Tod, Totschlag, Gewalt, Erwähnung von Pädophilie (keine grafische Beschreibung)
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Armand Gamache knew the power of a father’s love. Whether it be a biological father or a father by choice. And fate.
Der erste Band der Gamache-Reihe, der vollkommen abseits vom abgelegenen Örtchen Three Pines spielt, in dem so viele sympathische und besondere Charaktere leben. Gamache und Beauvoir sind einem Mörder in einem Kloster auf der Spur. Der Kreis der Verdächtigen beschränkt sich auf 23 Mönche, einer wie der andere ein sehr unwahrscheinlicher Mörder. Bald stellt sich heraus, dass gerade unter einem Schweigegelübde die Konflikte nur so vor sich hin brodeln. Und auch der schwelende Konflikt zwischen Gamache und Beauvoir wird schließlich von einem unerwarteten Besuch neu befeuert. Die Geschichte ist spannend, aber mir fehlten tatsächlich die bekannten Gesichter aus Three Pines, weshalb ich gleich mit dem nächsten Band anschließen musste.
CN dieses Buch: Sterben, Unfall
CN dieser Post: Sterben, Unfall
At that moment, I sensed my insignificance more than at any other moment in my life. It takes so much to make you feel big in this world. It only takes an ocean to make you feel tiny.
Von Mitch Albom habe ich schon einiges gelesen (Dienstags bei Morrie und One More Day vor dem Beginn dieses Blogs, Der Stundenzähler, The First Phone Call from Heaven und zuletzt The Magic Strings of Frankie Presto). Was in seinen Büchern und Geschichten niemals fehlt, ist die Frage nach der eigenen Bedeutung im Gesamtgeflecht der Welt und der Dehnbarkeit der Zeit. Das spezielle Thema dieses Buchs ist jedoch das Überleben.
It had survived. And witnessing survival can make us believe in our own.
Nach einem Schiffsunglück finden sich einige Überlebende in einem Rettungsboot wieder. Während sie auf ihre Rettung warten, ziehen sie einen weiteren Schiffbrüchigen aus dem Meer, den jedoch keine:r von ihnen je auf der gesunkenen Yacht gesehen hat. Der Fremde stellt sich als Gott vor. Stück für Stück zeigt sich, wie die einzelnen Personen mit ihrer düsteren aber nicht aussichtslosen Situation umgehen. Während die eine alles tut, um das Überleben der anderen zu sichern, gibt sich der andere dem Glauben an die Rettung hin, die ihm aufgrund seiner hohen Stellung ja wohl zusteht. Während der eine an alles glauben möchte, was ihm das Überleben sichert, will die andere keinesfalls von ihren bisherigen Lebenseinstellungen abweichen. Das Thema Überleben hat mich an ein anderes Buch erinnert: Travelling with Ghosts.
This was the story he told himself, and the stories we tell ourselves long enough become our truths.
In einer parallelen Zeitlinie wird das leere Rettungsboot über ein Jahr nach dem Unfall am Strand einer karibischen Insel gefunden. Es gibt keine Spur von jeglichen Überlebenden. In einer Tasche des Rettungsboots findet der örtliche Polizeikommandant das Tagebuch, das Benji, einer der Überlebenden, an Bord geführt hat und das die Leser:innen abwechselnd mit Nachrichtenschnipseln über die vermissten Personen und den Nachforschungen des Polizeinspektors zu lesen bekommen. Dieser rasche Wechsel zwischen kurzen Kapiteln aus mehreren Perspektiven wirkte auf mich stellenweise zerfleddert. Vielleicht ist das aber auch ein bewusster stylistischer Mechanismus, um die Zerfaserung des (Über-)-Lebens auch in der geschriebenen Sprache zu verdeutlichen. Letztendlich gibt es nur den einen Weg, wie Überleben funktionieren kann:
Survive this voyage. And once you do, find another soul in despair. And help them.