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Kinder

P. L. Travers – Mary Poppins

Wir sind alle aus dem gleichen Stoff gemacht, vergiß es nicht, wir aus dem Dschungel und ihr aus der Stadt. Wir bestehen aus dem gleichen Stoff – der Baum über uns, der Stein neben uns, der Vogel, das Tier, der Stern – wir alle sind eins und gehen demselben Ende entgegen.

Schon als Kind liebte ich Musicalfilme und neben Tschitti Tschitti Bäng Bäng (wo in der deutschen Übersetzung der feine Wortwitz des Namens der weiblichen Protagonistin Truly Scrumptious leider völlig verloren geht, das hab ich erst Jahre später verstanden) war Mary Poppins auch einer meiner Lieblingsfilme. Daher habe ich das Buch auch aus einem Erbe behalten, daher weiß ich auch ungefähr, dass es schon mindestens 8 Jahre im Regal der ungelesenen Bücher steht.

Beim Lesen erinnerte ich mich dann an die Musicalversion, die im Jahr 2004 in London Premiere feierte und dass in den Kritiken damals zu lesen war, dass diese Musical-Mary-Poppins deutlich düsterer und sperriger wäre als Julie Andrews im Disney-Film von 1964. Das mag von der Gesamtstimmung her näher an der Buchvorlage liegen, denn hier ist Mary Poppins keinesfalls das strenge, aber immer fröhliche Kindermädchen, sondern durchaus launisch, eitel und ungeduldig.

Die Diskrepanz fühlt sich für mich in etwa so an, wie die zwischen der Musicalversion von Wicked und der Buchvorlage Wicked von Gregory Maguire. Die wesentlichen Personen sind großteils vertreten, ihre Geschichten und Eigenschaften werden jedoch im Musical bzw. Film deutlich anders wiedergegeben oder durch Geschichten erweitert, die ein Happy End oder große szenische Auftritte erlauben. Im Buch zu Mary Poppins kommt Bert nur in einer winzigen Rolle als Streichholzmann vor, während Dick Van Dyke als Bert im Film eine wichtige Rolle bei den Ausflügen spielt, die Mary Poppins mit den Kindern unternimmt (ein romantisches Verhältnis zwischen Mary und Bert wird sehr vage angedeutet). Die Mutter von Jane und Michael (und im Buch auch der Zwillinge John und Barbara, die im Film keinen Platz finden) spielt im Buch nur eine winzige Nebenrolle, während sie im Film als kämpferische Suffragette auftritt.

We’re clearly soldiers in petticoats, and dauntless crusaders for women’s a-votes! Though we adore men individually, we agree that as a group they’re rather stupid.

Kürzlich kam in einem Podcast wieder mal das Thema auf, ob zuerst das Buch gelesen oder dann der Film geschaut werden sollte, oder jedenfalls nur das eine oder andere, weil beides zu konsumieren immer zur Enttäuschung führt. Im Hinblick auf Mary Poppins kann ich jetzt sagen, dass die Filmversion einfach derart tief in meiner Kindheit verankert ist, dass ich dem Buch nicht viel abgewinnen konnte.

Randnotiz: Kürzlich habe ich beschlossen, dass dieser Winter die richtige Zeit für A Song of Ice and Fire bzw. Game of Thrones ist. Ich fange demnächst mit dem ersten Buch an und werde mal sehen, ob ich dann auch Lust auf die Serie haben werde. Alternativen wären nämlich auch die Serie, die auf Big Little Lies basiert oder Little Fires Everywhere (wo ich ebenfalls zwischen Buch und Serie wählen kann).

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English Roman

Jenny Colgan – 500 Miles from You

Von Jenny Colgan habe ich bereits Little Beach Street Bakery und The Bookshop on the Corner gelesen. Auch wenn die Personen und  Liebesentwicklungen eine gewisse Vorhersehbarkeit aufweisen (die Protagonistin hat eine wilde Freundin, das kam in allen drei Büchern, die ich nun von ihr gelesen habe, vor), gelingt es ihr immer wieder, der Geschichte unerwartete Wendungen zu geben. Ihre Charaktere sind sympathisch und fein gezeichnet, haben Ecken und Kanten und machen Fehler. Erfreut hat es mich auch, dass die Protagonist*innen Nina und Lennox aus The Bookshop on the Corner hier erneut einen Auftritt haben und die Leser*in dadurch auch erfährt, wie es mit deren Geschichte weitergeht. Ein entspannendes Lesevergnügen für jede Jahreszeit.

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Roman

Kate Tempest – Worauf du dich verlassen kannst

Aber Leon hatte das Leben nie so gesehen. Leon sah, dass das Leben mal abscheulich und mal schön und manchmal beides sein konnte, aber nie schal. Er wusste, dass jede kleinste Begebenheit wahrgenommen, empfunden, genossen werden musste, dass man entweder für oder gegen sie kämpfen musste.

Irgendwie kann ich mit dieser Geschichte nach wie vor nichts anfangen. Der Beginn zieht sich in die Länge, es werden in Rückblenden immer wieder die Geschichten der Eltern der eigentlichen Protagonisten erzählt. Das soll vermutlich Kontext geben, dauert aber für mein Gefühl einfach zu lang.

Alle Protagonist*innen sind mit ihrem Leben unzufrieden: die ehrgeizige Becky will endlich ein richtiges Engagement als Tänzerin, der ziellose Pete weiß mit seinem Leben überhaupt nichts anzufangen, Harry und Leon wollen mit ihren Drogengeschäften so viel verdienen, dass sie ihr eigenes Lokal eröffnen und aus dem Geschäft aussteigen können. Die Dreiecksgeschichte, die sich zwischen Becky, Pete und Harry anbahnt, hätte mehr Potenzial, verschwindet aber schließlich komplett hinter der Enthüllung, wer eigentlich alles in diese Drogengeschäfte verwickelt ist.

Am Ende hatte ich das Gefühl, dass sich nichts verändert, nichts weiterentwickelt hätte. Aber vielleicht ist das genau der Punkt: Dass wir im Leben nicht darauf warten dürfen, dass sich für uns alles zum besten wendet, weil wir es selbst in die Hand nehmen müssen. Und manchmal müssen wir Dinge auch loslassen, so wie ich dieses Buch jetzt loslassen werde …

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Roman

Sarah Waters – Fingersmith

Bei meinem ersten Ausflug in die Bücherei-Zweigstelle Hernals hatte ich gleich einen ganzen Stapel Bücher mitgenommen, damit sich das Ganze auch auszahlt. Dieses war das Letzte dieser Bücher, die anderen habe ich schon retourniert und dabei auch gleich einen neuen (kleineren) Stapel nach Hause gebracht.

Einerseits war es das dickste Buch im Stapel und andererseits konnte ich mich nicht mehr erinnern, warum dieses Buch überhaupt in meiner Liste stand. Zusätzlich hat sich die Geschichte als sehr langwierig erwiesen. Das erste Drittel zieht sich erstaunlich in die Länge, danach werden die Geschehnisse des ersten Drittels nochmal aus der Perspektive der zweiten Protagonistin erzählt. Das ist einerseits ein zur Geschichte passender literarischer Kniff, der den Cliffhanger am Ende des ersten Drittels Schritt für Schritt erklärt, bringt aber andererseits die Handlung noch langsamer vorwärts.

Das Ende hält dann immerhin einige überraschende Wendungen bereit, das gesamte Tempo, das vorher gefehlt hat, steckt in den Auflösungen am Schluss. Eine Zusammenfassung der Ereignisse verbietet sich wie bei einem guten Thriller.

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Roman

Lilian Faschinger – Magdalena Sünderin

Wagt es eine österreichische Frau, ihr österreichisches Frauenunglück nicht hinzunehmen, hält eine österreichische Frau es für selbstverständlich, dieses ihr vom katholischen Österreich bestimmte Frauenunglück auf das energischste von sich zu weisen […], dann zieht sie nicht nur die Gegnerschaft der österreichischen Männer auf sich, die vom österreichischen Frauenunglück seit Jahrzehnten profitieren, sondern vor allem die unversöhnliche Feindschaft [der Frauen].

Ein weiteres Buch aus der Reihe Literatur-Geocache. Die titelgebende Sünderin entführt einen Priester, vorgeblich um ihre Geschichte zu beichten und Absolution zu erhalten. Während sie erzählt, wie es ihr ergangen ist, seit sie aus den familiären Zwängen (siehe das obige Zitat) ausgebrochen ist, entwickelt sich zwischen dem geknebelten Opfer, aus dessen Perspektive eigentlich erzählt wird, und der Täterin ein intensives Stockholm-Syndrom. Während sich die Beschreibung der begangenen Morde kontinuierlich steigert, sinkt die Angst des Entführten. Er verurteilt aus seiner katholischen Perspektive selbstverständlich die Taten, entwickelt jedoch ein stummes Verständnis für die unglücklichen Liebschaften der Mörderin.

Wie bereits aus dem obigen Zitat ersichtlich ist, passt der Schreibstil überhaupt nicht zur eigentlichen Thematik des Buches. Viele Aufzählungen (Psychologinnen, Psychiater, Psychotherapeutinnen, etc.) wiederholen sich gefühlt endlos, im obigen Zitat habe ich einige Wiederholungen des österreichischen Frauenunglücks aus Gründen der Redundanz gekürzt.

Die Protagonistin selbst ist mir ein Rätsel geblieben. Einerseits hat sie sich von ihrer Familie befreit, die sie in traditionelle Lebensbahnen pressen wollte. Sie hat ihr gewöhnliches Leben hinter sich gelassen, fährt durch die Welt und ermordet ihre Liebhaber, wenn die Beziehung aus diversen Gründen nicht mehr funktioniert. Gleichzeitig passt sie sich jedoch jedem Mann, den sie kennenlernt, bis zur Selbstaufgabe an. Aufgrund ihrer grenzenlosen Naivität wird sie immer wieder von den Geheimnissen ihrer Partner überrascht. Sie rebelliert durch radikale Anpassung an sich ändernde Verhältnisse. Jedoch immer nur so lange, bis die Grenze erreicht ist und der jeweilige Partner ohne Zögern ins Jenseits befördert wird. Und dann findet die Geschichte einen neuen Anfang

Bei solchen Anfängen entgleisen die Liegewagen des Lebens, springen die Güterwaggons des Geschicks aus den Schienen, rollt der Drehgestellflachwagen des Daseins über die Böschung, gerät die E-Lok der Existenz aus dem Gleis. Nach solchen Anfängen ist man nicht mehr der, der man vor solchen Anfängen gewesen ist. Die Anfänge sind am schönsten.

 

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Roman

Gayle Forman – Just one day

I wait for the fist of devastation, the collapse of a year’s worth of hopes, the roar of sadness. And I do feel it. The pain of losing him. Or the idea of him. But along with that pain is something else, something quiet at first, so I have to strain for it. But when I do, I hear the sound of a door quietly clicking shut. And then the most amazing thing happens: The night is calm, but I feel a rush of wind, as if a thousand other doors have just simultaneously flung open.

Es könnte nur eine banale Lovestory sein, aber es ist so viel mehr. Allyson lernt Willem kennen und entschließt sich spontan, mit ihm für einen Tag nach Paris zu reisen. Für Allyson ist diese Entscheidung untypisch, etwas Besonderes, eine Ausnahme, sie lebte bisher ein geordnetes Leben weitgehend ohne Überraschungen. Dieser eine Tag in Paris steckt hingegen voller Überraschungen, immer wieder zweifelt Allyson. Und steht am Ende allein da. Willem ist weg, Allyson hat all ihr Geld bereits verbraucht und muss verzweifelt um Hilfe rufen.

Hier könnte das Buch auch zu Ende sein, jedoch das war nur das erste Drittel. Was passiert nach diesem einen besonderen Tag? Allyson beginnt ihr Studium am College, findet jedoch keinen Zugang, weder zu ihrem alten Ich noch zu ihrem neuen Ich, das sie an diesem einen Tag in Paris geworden sein könnte. Ziellos treibt sie umher und versucht, der Frage auszuweichen, was passiert ist und ob ihre Gefühle für Willem ein Fehler oder eine Illusion waren. Gegen Ende des Buches dachte ich mir immer wieder: „Das kann nicht sein, es kann unmöglich zu Ende gehen, ohne dass wir Willems Seite der Geschichte erfahren.“ Kann es doch: es gibt eine Fortsetzung Just one year, die die Geschichte aus Willems Sicht weitererzählt.

Es könnte nur eine banale Lovestory sein, aber es ist so viel mehr. Allyson lernt, dass mehr in ihr steckt, als sie bisher dachte, dass sie nicht gefangen ist in bisherigen Vorstellungen, sondern dass sie diese über Bord werfen kann, wenn sie nur mutig genug ist und sich der Herausforderung stellt. Dieser Tag in Paris war dafür nur der Auslöser. Eine herrlich erzählte Coming-of-age-Story, die mich einige Stunden Schlaf gekostet hat.

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Roman

David Nicholls – One Day

Erst kürzlich habe ich mich gefragt, ob diese Reading Challenge so eine gute Idee war. Nach knappen 5 Monaten zeichnet sich kein großer Erfolg ab, irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ich über den Sommer so viel aufholen werde können, dass sich das irgendwie ausgeht.

Andererseits hat es mir einen neuen Blick in manche Nischen beschert. Da ich in meinen eigenen Beständen und Listen kein Buch mit einer Zahl im Titel finden konnte, habe ich an einem Abend eine entsprechende Liste auf Goodreads durchgeblättert und mich schließlich für dieses Buch entschieden. Hauptsächlich, weil es im englischen Original in der Wiener Hauptbücherei verfügbar war. Und damit habe ich einen echten Glücksgriff getätigt, zu dem ich auf anderem Wege vermutlich nicht gekommen wäre.

Das Buch beschreibt das Leben von Emma und Dexter über einen Zeitraum von insgesamt 20 Jahren. Der dramaturgische Kniff dabei: wir sehen Emma und Dexter jeweils an einem Tag des Jahres, dem 15. Juli, die Zeit dazwischen wird teilweise nacherzählt, großteils jedoch ausgeblendet. Es beginnt am Tag der Abschlussparty, als Emma und Dexter nach einer Party die Nacht miteinander verbringen. Und endet 19 Jahre später. In dieser Zeit erleben beide viele Wendungen in ihrem Leben, auch ihr Verhältnis zueinander erlebt Ups and Downs, andere Menschen treten in die Leben der beiden und verlassen es wieder.

Es gab so viele Momente, in denen ich buchstäblich laut aufseufzen musste, weil eine Chance verpasst wurde oder eine Situation sich so vertraut anfühlte, dass man beim Lesen körperlichen Schmerz verspürt. Das liegt zum einen an der lockeren Sprache, flott und witzig geschrieben, zum anderen daran, dass einem beide Hauptpersonen (obwohl sich Dexter teilweise zu einem ziemlichen Mistkerl entwickelt) so sympathisch sind, dass man sie gerne glücklich sehen will. Ob zusammen oder allein.

Der Autor beschreibt etwa launig Emmas Gefühle bezüglich der in ihrem Freundeskreis multipel auftretenden Familiengründungen. Die freie Singlefrau Anfang 30, scheinbar beneidet von den unausgeschlafenen Müttern:

Of course, she can’t say any of this out loud. There’s something unnatural about a woman finding babies or, more specifically, conversation about babies, boring. They’ll think she’s bitter, jealous, lonely. But she’s also bored of everybody telling her how lucky she is, what with all that sleep and all that freedom and spare time, the ability to go on dates or head of to Paris at a moment’s notice. It sounds like they’re consoling her, and she resents this and feels patronized by it. It’s not like she’s even going to Paris!

Die Bewertung, ob sich Männer eher mit der männlichen Hauptfigur Dexter identifizieren können, muss ich anderen überlassen, mir persönlich war Emma deutlich sympathischer. Sie ist zwar nicht fehlerlos gezeichnet (was ja an sich schon wieder unsympathisch wäre), jedoch macht sie keine offensichtlich gravierenden Lebensfehler wie Dexter, der durch seine TV-Karriere in eine Alkohol- und Drogensucht hineinrutscht, die sein Leben über mehrere Jahre dominiert. Oft hatte ich als Leser das Gefühl, Dexter hätte mehr Glück, als er verdient, während ich Emma jede Wendung zu ihren Gunsten von Herzen vergönnen konnte.

Abschließend sei zu sagen (hoffentlich ohne zu spoilern), dass sich der Autor nicht um ein Ende herumdrückt. Im letzten Drittel hatte ich die dringende Befürchtung, es kann nur auf ein Happy End (im Sinne von endlich zusammen, happily ever after …) hinauslaufen. Diese hat sich nicht bestätigt, das Ende passt perfekt. Leseempfehlung.

Reading Challenge: A book with a number in the title

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Roman

Noelle Harrison – Wie die Sterne am Himmel

Vielleicht kann ich in der Zukunft leben, die Vergangenheit vergessen und eine andere werden.

Das vorweihnachtliche Chaos hat ergeben, dass ich dieses Buch schon deutlich länger ausgelesen habe und bisher nicht dazu gekommen bin, den Post dazu zu schreiben. Das hat aber auch dazu geführt, dass ich schon mit etwas Abstand darauf blicken kann und meine Meinung dazu ständig besser zu werden scheint.

Zu Beginn schauen wir auf Barbara, ein verunsichertes Mädchen, das aus Irland stammend als Au-pair-Mädchen nach London geht, um aus ihrem Dorf wegzukommen. Stück für Stück wird die Familiengeschichte enthüllt. Barbaras Vater war kaum für die Familie da, ihre Mutter „nur“ seine Geliebte, im Dorf wurde getratscht. Barbaras Mutter verdient sich ihr Geld mit Kartenlegen und „Heilungen“, wird dafür von den Dorfbewohnern verachtet und trotzdem von den Frauen eifrig konsultiert. So will Barbara nicht werden. Ständig im Raum steht auch der Tod von Barbaras Bruder Mattie. Sie gibt sich die Schuld an seinem Tod, was wirklich passiert ist, wird erst auf den letzten Seiten aufgelöst.

In London angekommen soll sie sich um das Mädchen Matilda kümmern. Matilda leidet an einer mysteriösen Krankheit, deretwegen sie nicht zur Schule gehen kann und kaum ein normales Leben führen kann. Sie ist verwöhnt und zickig. Trotzdem schließt Barbara sie schnell ins Herz. Schon nach zwei Wochen bei der Familie steht der Sommerurlaub in Südfrankreich an, bei Matildas Großeltern. Dieser Urlaub wird Barbaras Leben entscheidend verändern.

Es ist schwierig, über die Entwicklung Barbaras etwas zu sagen, ohne zu spoilern. Der Hauptpluspunkt ist, wie sich am Ende alles perfekt zusammenfügt, ohne dass man vorher erraten hätte können, wie es zusammenpassen wird. Der Erzählstil ist immer ruhig, unaufgeregt, die Perspektive eigentlich auch dann gefühlt eine weit zurückliegende eine Erinnerung, wenn man durch die Augen der jungen Barbara auf die Ereignisse in Südfrankreich blickt. Gefühlsmäßig erinnert es mich an Woher wir kommen. Begründen kann ich das nicht wirklich, vielleicht ist des der Rückblick auf ein „früheres Leben“, dessen Auswirkungen sich im heute widerspiegeln. Je länger ich darüber nachdenke, umso positiver wird mein Blick auf diesen Roman, den ich eigentlich aus einer Not heraus rein aufgrund des Titels (ich erhoffte mir ein positives Leseerlebnis von Sternen am Himmel) aus der Onleihe gefischt habe.

Matilda und mir ist es vorbestimmt, erwachsen zu werden. Als ich mit Mathilda wegrannte, glaubte ich, sie zu retten und den Tod von Mattie zu sühnen. Ich täuschte mich. Ich rettete tatsächlich ein kleines Mädchen, aber dieses Mädchen war ich selbst.

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Roman

Lucinda Riley – Der Lavendelgarten

Es könnte einfach nur eine kitschige Lovestory sein. Aber der historische Background und die Geschichte der „Großmutter“ Constanze, die als SOE-Agentin vom englischen Regime nach Frankreich geschickt wird, um im Untergrund gegen die Deutschen zu arbeiten, wertet diesen Roman enorm auf. Die Hauptprotagonistin der Jetztzeit ist Emilie de la Martinières, die sich ziemlich naiv in die Arme eines Mannes wirft, der sich am Ende als grandioser Hochstapler herausstellt. Was der Leser durchaus schon auf den ersten Seiten ahnen kann. Doch der historische Background und wie sich letztendlich das Familiengewirr der de la Martinières auflöst, kann durchaus gefallen. Als „sicherer Hafen“ hat mich dieses Buch durch die letzten Wochen begleitet und damit schon einen überaus wichtigen Zweck erfüllt. Manchmal braucht man eine „schicksalhafte Liebe“ (siehe dramatisch-romantischer Klappentext …), um sich mal kurz aus dem eigenen Alltag zu verabschieden.

RANDNOTIZ: Dieses Jahr scheint das Jahr des Wiederlesens zu werden. Seit dem Wochenende verfolgt mich die Idee, die Saga vom Dunklen Turm nochmal zu lesen. Das hatte mich vor Jahren durch meine Studienzeit begleitet und Teile davon hatten durchaus eine Anziehungskraft, obwohl ich nicht so begeistert davon war, wie der damalige Lebensbegleiter. In der Onleihe hab ich leider nicht alle Bücher gefunden (was soll das? warum nur Teil 2, 3, 5 und 7 einer Serie vorrätig haben? wer denkt sich sowas aus?). Vielleicht werd ich doch eine digitale Investition tätigen.

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Roman

Mario Vargas Llosa – Das böse Mädchen

Ich verliebte mich wie ein Mondkalb in Lily, was die romantischste Form des Verliebtseins ist – man sagte auch: sich total verknallen–, und erklärte mich ihr dreimal in jenem unvergesslichen Sommer.

Mit diesen Worten beginnt eine lebenslange Liebe für Ricardo. Das einzige Ziel des jungen Peruaners ist es, nach Frankreich auszuwandern und in Paris zu leben. Das geliebte Mädchen hingegen verlangt nach mehr: nach Geld, Glamour, Lebensart, Stil, Erfolg. Sie wird Ricardo später mangelnden Ehrgeiz vorwerfen. Und obwohl sie (vielleicht?) nach den falschen Sternen greift, hat sie recht, wenn sie ihm später sagen wird, dass sie nie mit dem zufrieden sein wird, was sie hat und immer mehr wollen wird.

Ich winkte ihr zu, und sie hob die Hand, in der sie den geblümten Sonnenschirm trug. Ich brauchte sie nur zu sehen, um zu begreifen, dass ich sie in all diesen Jahren nicht einen einzigen Augenblick vergessen hatte und dass ich genauso verliebt in sie war wie am ersten Tag.

Als Rahmen gibt der Autor seiner Geschichte die Geschichte Europas, immer wieder mit Blicken nach Peru, dem Heimatland des Erzählers Ricardo. Die Jahre vergehen, Europa verändert sich, während Ricardo stets derselbe zu bleiben scheint. Es ist schwer zu beschreiben. Während man bei Freunden und Bekannten Veränderungen in ihren Einstellungen oft deutlich wahrnimmt, erkennt man sie im eigenen Leben nicht immer sofort, weil sie schleichend Einzug halten. Ähnlich ist es mit den veränderten Stimmungen von Ricardo, der sich und seiner Liebe zum bösen Mädchen treu bleibt, auch wenn er in Hippiekreise gerät …

Es war etwas Sympathisches an ihrem Pazifismus, ihrer Naturliebe, ihrem Vegetarismus, ihrer emsigen Suche nach einem spirituellen Leben, das ihrer Ablehnung der materialistischen Welt mit ihren gesellschaftlichen und sexuellen Vorurteilen Transzendenz verleihen sollte. Doch all das war anarchisch, spontan, ohne Zentrum oder Führung, selbst ohne Ideen, denn die Hippies – zumindest diejenigen, die ich näher kannte – behaupteten zwar, sie würden sich mit der Dichtung der Beatniks identifizieren – Allen Ginsberg trug auf dem Trafalgar Square vor Tausenden junger Leute seine Gedichte vor und sang und tanzte Hindu-Tänze –, aber in Wahrheit lasen sie sehr wenig oder überhaupt nicht. Ihre Lebensanschauung beruhte nicht auf Denken und Vernunft, sondern auf den Gefühlen: auf dem feeling.

Jedes Mal, wenn Ricardo erneut vom bösen Mädchen verlassen wird, jedes Mal, wenn sie sich erneut auf die Suche nach etwas anderem, etwas scheinbar Besserem begibt, schilt er sich selbst, dass er sich wieder auf sie eingelassen hat und noch, wenn er sie wiederfindet, weiß er, dass es eine Dummheit ist, sich nochmal auf sie einzulassen. Doch er ist verliebt wie ein Mondkalb. Seine Gefühle wechseln intensiv zwischen Höhen und Tiefen.

Ich lag Stunden so da, mit leerem Kopf, schlaflos, fühlte mich wie der letzte Dreck, voll stupider Einfalt, naiver Dummheit. … Selbst das Kino, die Konzerte, das Lesen, die Schallplatten waren eher Formen, die Zeit auszufüllen, als Dinge, die mich wie früher begeisterten. Auch deshalb grollte ich Kuriko. … Durch ihre Schuld waren die Freuden, die aus dem Leben etwas mehr als eine Summe routinemäßiger Verrichtungen machen, in mir erloschen. Bisweilen fühlte ich mich wie ein alter Mann.

Natürlich nimmt er sich nach einem besonders schlimmen Verrat vor, nie mehr mit ihr zu sprechen, sie endgültig aus seinem Leben zu verbannen. Natürlich scheitert er daran.

Ich besänftigte meine Schuldgefühle, indem ich mir sagte, dass dies in keinem Fall ein Rückfall wäre. Ich würde wie ein entfernter Freund mit ihr sprechen; meine Kälte wäre der beste Beweis dafür, dass ich mich wirklich von ihr befreit hatte. … Es gab keinen Grund, überrascht zu sein: es war genau das passiert, von dem du immer wusstest, dass es passieren würde.

Ich würde wirklich gerne die Geschichte aus der Sicht des Mädchens lesen. Sie selbst hat in ihrem Leben einiges mitgemacht, einiges ertragen. Nur durch den Einsatz ihres Körpers kann sie sich durchs Leben schlagen. Schließlich landet sie selbst in einer Beziehung mit einem Mann, dem sie unterlegen ist, dem sie sich sogar soweit unterwirft, dass sie damit ihre Beziehung zu Ricardo aufs Spiel setzt. Der sie schließlich psychisch krank und verletzt zurück lässt.

Jetzt, da diese Geschichte endlich abgeschlossen war.

Ricardo hat nie die Gelegenheit herauszufinden, ob ihre Liebe im Alltag Bestand haben kann, denn das böse Mädchen verlässt ihn immer wieder lange bevor er ihrer überdrüssig werden kann.

Wann weiß man, dass eine Liebe abgeschlossen ist? Kann man sich jemals sicher sein? Wenn man jemanden wirklich geliebt hat, kann die größte Verletzung ein Leben lang halten? Ist eine derart intensive Abhängigkeit die wahre Liebe? Oder ist es wahre Liebe, wenn man auch den gemeinsamen Alltag über längere Zeit aushält? Fragen ohne Antwort.