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English Roman

Jenni Fagan – Luckenbooth

CN: Gewalt, Mord, Drogenmissbrauch, Xenophobie, Mysogynie, Homophobie, Beziehungsgewalt, Pandemie (Spanische Grippe), Weltkrieg, Erwähnung von Konzentrationslagern und Holocaust


This building is a psychic vampire – it drinks human essence.

Mit diesem Buch verbinde ich sehr gemischte Gefühle. Drei Anläufe habe ich gebraucht, bis ich überhaupt rein gekommen bin. Der Anfang ist dermaßen sperrig, dass ich Gefühle hatte, die ich sonst von Science-Fiction-Romanen kenne. Da habe ich manchmal Schwierigkeiten, die Welt zu verstehen, die verwendeten Begrifflichkeiten, die Lebensrealität der Protagonist:innen. Hier ist der Ort bald klar: Edinburgh, Schottland. Das jeweilige Jahr wird bei den einzelnen Kapiteln angegeben, also auch an der zeitlichen Einordnung gibt es nichts zu zweifeln. Und doch konnte ich mit der Tochter des Teufels, die das erste (und später noch zwei weitere) Kapitel als Protagonistin bestreitet, nicht einordnen, was ich vor mir habe.

Auf der positiven Seite möchte einige Punkte hervorheben:

  • Alle Protagonist:innen sind in irgendeiner Weise marginalisiert: obdachlos, drogensüchtig, queer, jenseits des Gesetz arbeitend, psychisch krank, oft mehreres davon und weitere Merkmale, die die Protagonist:innen von der Mehrheitsgesellschaft abheben oder sogar von dieser isolieren.

Revellers interrupting the murdered, the lost and the damned, the homeless or the cold and hungry, the addicted – those wary of living this life. These are Dot’s people – if there have ever been any to call her own. It’s where she comes from.

It is all wrong, what is going on in this world, what people do to other people.

  • Das Ende ist einfach herrlich. Mehr kann ich kaum sagen, ohne zu spoilern, aber selten habe ich ein so gelungenes Ende für ein Buch gelesen.

Mir ist klar, warum das Buch als brilliantly strange bezeichnet und von vielen Medien gefeiert wurde. Für mich war’s aber nicht so wirklich richtig.

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Roman

David Nicholls – One Day

Erst kürzlich habe ich mich gefragt, ob diese Reading Challenge so eine gute Idee war. Nach knappen 5 Monaten zeichnet sich kein großer Erfolg ab, irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass ich über den Sommer so viel aufholen werde können, dass sich das irgendwie ausgeht.

Andererseits hat es mir einen neuen Blick in manche Nischen beschert. Da ich in meinen eigenen Beständen und Listen kein Buch mit einer Zahl im Titel finden konnte, habe ich an einem Abend eine entsprechende Liste auf Goodreads durchgeblättert und mich schließlich für dieses Buch entschieden. Hauptsächlich, weil es im englischen Original in der Wiener Hauptbücherei verfügbar war. Und damit habe ich einen echten Glücksgriff getätigt, zu dem ich auf anderem Wege vermutlich nicht gekommen wäre.

Das Buch beschreibt das Leben von Emma und Dexter über einen Zeitraum von insgesamt 20 Jahren. Der dramaturgische Kniff dabei: wir sehen Emma und Dexter jeweils an einem Tag des Jahres, dem 15. Juli, die Zeit dazwischen wird teilweise nacherzählt, großteils jedoch ausgeblendet. Es beginnt am Tag der Abschlussparty, als Emma und Dexter nach einer Party die Nacht miteinander verbringen. Und endet 19 Jahre später. In dieser Zeit erleben beide viele Wendungen in ihrem Leben, auch ihr Verhältnis zueinander erlebt Ups and Downs, andere Menschen treten in die Leben der beiden und verlassen es wieder.

Es gab so viele Momente, in denen ich buchstäblich laut aufseufzen musste, weil eine Chance verpasst wurde oder eine Situation sich so vertraut anfühlte, dass man beim Lesen körperlichen Schmerz verspürt. Das liegt zum einen an der lockeren Sprache, flott und witzig geschrieben, zum anderen daran, dass einem beide Hauptpersonen (obwohl sich Dexter teilweise zu einem ziemlichen Mistkerl entwickelt) so sympathisch sind, dass man sie gerne glücklich sehen will. Ob zusammen oder allein.

Der Autor beschreibt etwa launig Emmas Gefühle bezüglich der in ihrem Freundeskreis multipel auftretenden Familiengründungen. Die freie Singlefrau Anfang 30, scheinbar beneidet von den unausgeschlafenen Müttern:

Of course, she can’t say any of this out loud. There’s something unnatural about a woman finding babies or, more specifically, conversation about babies, boring. They’ll think she’s bitter, jealous, lonely. But she’s also bored of everybody telling her how lucky she is, what with all that sleep and all that freedom and spare time, the ability to go on dates or head of to Paris at a moment’s notice. It sounds like they’re consoling her, and she resents this and feels patronized by it. It’s not like she’s even going to Paris!

Die Bewertung, ob sich Männer eher mit der männlichen Hauptfigur Dexter identifizieren können, muss ich anderen überlassen, mir persönlich war Emma deutlich sympathischer. Sie ist zwar nicht fehlerlos gezeichnet (was ja an sich schon wieder unsympathisch wäre), jedoch macht sie keine offensichtlich gravierenden Lebensfehler wie Dexter, der durch seine TV-Karriere in eine Alkohol- und Drogensucht hineinrutscht, die sein Leben über mehrere Jahre dominiert. Oft hatte ich als Leser das Gefühl, Dexter hätte mehr Glück, als er verdient, während ich Emma jede Wendung zu ihren Gunsten von Herzen vergönnen konnte.

Abschließend sei zu sagen (hoffentlich ohne zu spoilern), dass sich der Autor nicht um ein Ende herumdrückt. Im letzten Drittel hatte ich die dringende Befürchtung, es kann nur auf ein Happy End (im Sinne von endlich zusammen, happily ever after …) hinauslaufen. Diese hat sich nicht bestätigt, das Ende passt perfekt. Leseempfehlung.

Reading Challenge: A book with a number in the title