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English Erfahrungsbericht

Matt Haig – Reasons to Stay Alive

CN dieses Buch: psychische Erkrankungen, Depression, Suizid, Selbstverletzung
CN dieser Post: psychische Erkrankungen, Depression, Suizid


In diesem Buch erzählt der Autor von seiner eigenen Zeit der Krankheit. Scheinbar von einem Tag auf den anderen plagen ihn Panikattacken und eine massive Depression, die ihm Stück für Stück allen Lebenswillen nimmt. Dass dieses Buch existiert, ist schon mal ein ausreichender Beweis dafür, dass eine solche Krankheit auch überwunden bzw. überlebt werden kann. Vorausgesetzt, sie wird ernst genommen. Unterstützung durch nahestehende Menschen ist natürlich ebenfalls essentiell.

Aus seiner eigenen Erfahrung berichtet der Autor von typischen Reaktionen, Gedanken, Erlebnissen, in denen sich vermutlich viele Menschen, die von ähnlichen Krankheiten betroffen sind oder waren, wiederfinden. Ich möchte ein paar Beispiele herausgreifen, von denen ich denke, dass sie für Menschen, die nicht in dieser Situation sind oder waren, schwer nachvollziehbar sind. Für das Verständnis der Krankheit sind sie jedoch extrem wichtig:

But with depression and anxiety the pain isn’t something you think about because it is thought. You are not your back but you are your thoughts. 

Psychische Erkrankungen sind unsichtbar. Der Vergleich mit einem gebrochenen Bein drängt sich auf. Jede:r kann sehen, dass da ein Gips am Bein hängt, dass die Person in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt ist, möglicherweise Schmerzen hat, dass diese Person Hilfe braucht. Depression ist von außen nicht sichtbar. Und der betroffene Mensch kann sich davon auch nicht lossagen. Das gebrochene Bein kann ich für die notwendige Zeit schonen, Krücken benutzen, meine Gedanken und meinen Geist anderweitig beschäftigen. Bei psychischen Erkrankungen geht das kaum. Die Krankheit ist in den Gedanken, sie betrifft die eigene Persönlichkeit viel direkter als zum Beispiel ein gebrochenes Bein. (Ich hatte noch nie ein gebrochenes Bein, ich bitte um Verzeihung, falls dieser Vergleich die Realität eines gebrochenen Beins verharmlost.)

Actually, depression can be exacerbated by things being all right externally, because the gulf between what you are feeling and what you are expected to feel becomes larger.

Von außen betrachtet, scheint der psychisch erkrankten Person nichts zu fehlen. Gerade wenn es aber keinen sichtbaren Auslöser gibt (wie zum Beispiel ein Verlust in der Familie oder eine andere Art von Krise), kann sich die betroffene Person erst recht in eine Abwärts-Spirale begeben. „Es geht mir doch eigentlich gut. Mein Leben ist ausgezeichnet. Warum bin ich trotzdem nicht glücklich?“

In einem späteren Absatz kommt in diesem Zusammenhang auch der Begriff meta-worry ins Spiel: Wir sorgen uns oft um irgend etwas, um die Zukunft, um unsere Familie, um die möglichen Nebenwirkungen einer Impfung (um mal ein aktuelles Beispiel heranzuziehen). Was bei Menschen mit Angststörungen und/oder Depressionen jedoch auch noch dazu kommen kann, ist die Sorge aufgrund der Sorge. „Jetzt mache ich mir schon wieder Sorgen, ich sollte mir keine Sorgen machen, …“, also Sorge aufgrund der Sorge ergibt Meta-Sorge.

Das Ende des Buchs fokussiert dann auf die Erkenntnisse, die der Autor durch die Bewältigung seiner Krankheit gewinnen konnte. Manche davon können möglicherweise hilfreich sein für Menschen, die selbst gerade unter einer psychischen Erkrankung leiden. Die folgenden drei Zitate möchte ich für sich selbst sprechen lassen:

[Depression] is not you. It is simply something that happens to you. And something that can often be eased by talking. Words. Comfort. Support.

Don’t worry about the time you lose to despair. The time you will have afterwards has just doubled its value. 

[Depression] may be a dark cloud passing across the sky, but – if that is the metaphor – you are the sky. You were there before it. And the cloud can’t exist without the sky, but the sky can exist without the cloud.

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English Roman

Liane Moriarty – Three Wishes

CN dieses Buch: Fehlgeburt, Panikattacken, Depression
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This was worse than anything. She was overreacting. She was being selfish. Women had miscarriages all the time. They didn’t make such a fuss. They just got on with it. And far worse things happened to people. Far, far worse.

Es zeichnet sich gerade wieder eine Leseblockade ab. Oder vielleicht ist es eine kombinierte Lese- und Schreibblockade. Zuerst will ich nicht lesen und dann will ich nicht darüber schreiben.

Mit diesem Buch habe ich die Leseblockade zumindest für ein Wochenende ausgeschaltet, danach ging’s aber wieder bergab.

Die Autorin lässt ihre Protagonistinnen – drei Schwestern, zwei eineiige Zwillinge und eine weitere Schwester, also Drillinge – große Veränderungen erleben. Die eine wünscht sich sehnlichst ein Baby und findet dann eine andere Erfüllung im Leben, die andere driftet durchs Leben und weiß eigentlich gar nicht, was sie sucht und die Dritte scheint alles zu haben und ist doch nicht glücklich. Frauenfiguren, die ans Klischeehafte grenzen, die jedoch in Liane Moriartys Schilderung doch immer sympathisch bleiben.

Don’t look at me as if I’m having an impact on you. I don’t have real relationships. I don’t have a real job. I don’t have a real home. The only part that’s real about me is my sisters. And if I’m not really real, then I can’t really hurt you.

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English Roman

Han Kang – The Vegetarian

CN dieses Buch: Vergewaltigung, sexuelle Handlungen, Geschlechtsteile, Gewalt gegen Tiere, Depression, Suizid
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It’s your body, you can treat it however you please. The only area where you’re free to do just as you like. And even that doesn’t turn out how you wanted.

Irgendwie war ich mir bis zum Ende des Buches nicht sicher, wie das jetzt zu verstehen ist. Vielleicht ist dieser breite Interpretationsspielraum, die Option, alles Mögliche zwischen den Zeilen herauszulesen, ein Grund dafür, warum dieses Buch nach seiner Erscheinung so bejubelt wurde. Der Überschwang dieses Jubels erschließt sich mir nach wie vor nicht so ganz.

Die Geschichte wird in drei Teilen aus der Sicht von drei Personen erzählt: drei Bezugspersonen der titelgebenden Vegetarierin, ihr Ehemann, ihr Schwager, ihre Schwester. Von der Protagonistin selbst hört die Leserin nur kurze Bruchstücke ihrer Träume. Diese Träume sind der Auslöser für ihre Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen. Diese Entscheidung führt zu einem Bruch mit dem Ehemann und einer äußerst unangenehmen Auseinandersetzung mit ihrem Vater. Da dachte ich zuerst, es ginge zwischen den Zeilen primär um die Kritik einer Gesellschaftsform, in der Ehemann und Vater einer Frau befehlen können, was sie mit ihrem Körper zu tun hat. Also ein Hinweis darauf, dass Frauen selbst über ihren Körper bestimmen können sollen, selbst wenn ihre Entscheidungen für andere Personen unverständlich sind.

There was nothing the matter. It was a fact. Everything would be fine as long as she just kept going, just carried on with her life as she always had done. In any case, there was no other way.

Im zweiten und dritten Teil fühlt sich die Protagonistin jedoch zunehmend verrückt an. Sie will sich in eine Pflanze verwandeln (darauf verweist auch das wunderbar gestaltete Cover) und sich nur noch von Licht ernähren. Für ihre verantwortungsvolle Schwester, die scheinbar in ihrer Rolle als hart arbeitende und sich selbst aufgebende Ehefrau und Mutter aufgeht, wird es zunehmend schwerer, zu akzeptieren, dass die Protagonistin sich einfach die Freiheit nimmt, aus dem gesellschaftlichen Rad auszusteigen. Eine Freiheit, die sich die Schwester wiederum selbst nicht mal zu denken traut. Eine komplexe Geschichte mit viel Interpretationsspielraum.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Susannah Cahalan – Brain on Fire: My Month of Madness

CN dieses Buch: psychische Erkrankung, lebensbedrohliche Erkrankung
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[… ] my immune system had gone haywire and had begun attacking my brain.

Die Autorin beschreibt in diesem Buch ausführlich ihren Krankheitsverlauf. Ihre Symptome ergeben kein deutliches Krankheitsbild, es braucht mehrere Wochen und viele verschiedene Ärztinnen und Ärzte, bis ihre Krankheit endlich einen Namen (und damit auch eine Therapiemöglichkeit) hat. Als Auslöser für ihre Symptome (Halluzinationen, Anfälle, psychotische Episoden, …) stellt sich schließlich eine seltene Form der Enzephalitis (Gehirnentzündung) heraus.

Will I be as slow, dour, unfunny, and stupid as I now felt for the rest of my life? Will I ever again regain that spark that defines who I am?

Der Diagnoseprozess, den ich hier so verkürzt in einem Absatz wiedergebe, nahm im realen Leben mehrere Wochen Zeit in Anspruch. Der Rehabilitationsprozess danach erforderte einige Monate, in denen sich die Autorin ständig fragte, ob sie jemals zu „ihrem alten Selbst“ zurückfinden würde. (Ich sehe eine interessante Parallele zu der aktuell gängigen Begrifflichkeit „zurück in die Normalität“ zu wollen.) Was dabei auch sehr deutlich wird: der Diagnoseprozess ist erst der Anfang. Selbst nach gefundener und bestätigter Diagnose dauert es noch, bis eine geeignete Therapie gefunden werden kann und dann auch tatsächlich anschlägt. Ein Rehabilitationsprozess ist ein tägliches Greifen nach dem kleinsten Strohhalm, ein ständiges Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten und dem Glauben an die eigene Zukunft.

Now, I think that this shame emerged out of the precarious balancing act between fear of loss and acceptance of loss. Yes, I could once again read and write and make to-do lists, but I had lost confidence and a sense of self. Who am I?

Am Ende kommt die Autorin zum Schluss, dass sie natürlich nicht zu ihrem alten Selbst zurückfinden kann. Weil die Erfahrung dieser beängstigenden und seltenen Krankheit sie verändert hat. Ihre wesentlichen Persönlichkeitsanteile sind jedoch erhalten geblieben. Und die kann sie nun nutzen, um zusammen mit der Erfahrung ihrer Krankheit Bewusstsein zu schaffen, ihre Geschichte öffentlich zu machen und zu teilen, um somit anderen Betroffenen Orientierungsmöglichkeiten zu bieten.

The girl in the video is a reminder about how fragile our hold on sanity and health is and how much we are at the utter whim of our Brutus bodies, which will inevitably, one day, turn on us for good. I am a prisoner, as we all are. And with that realization comes an aching sense of vulnerability.

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English Jugend Roman

John Green and David Levithan – Will Grayson, Will Grayson

Sowohl John Green als auch David Levithan sind Garanten für anspruchsvolle und trotzdem unterhaltsame Jugendliteratur. Beispiele sind etwa The Fault in Our Stars (die Verfilmung aus dem Jahr 2014 ist ebenfalls sehenswert), Every Day (und die beiden Fortsetzungen Another Day und Someday) oder David Levithans Kollaboration mit Rachel Cohn Dash & Lily’s Book of Dares.

me: you have no idea how wrong you are about me.
tiny: you have no idea how wrong you are about yourself.

Es dürfte wohl kein Spoiler sein, wenn ich verrate, dass die Protagonisten des Buches beide Will Grayson heißen und sich zu Beginn nicht kennen, im Verlauf des Buchs aber aufeinander treffen. Im Interview am Ende des Buches erklären die beiden Autoren, wie sie tatsächlich getrennt voneinander die Figuren entwickelt haben, um diese dann Kapitel für Kapitel aneinander heran zu führen.

Wie so oft in Jugendromanen geht es auch hier um die Suche nach der eigenen Identität und das Klarkommen mit der eigenen Vorgeschichte, mit den Voraussetzungen und Umständen, in die wir hineingeboren werden. Eigentlich sollten sich Erwachsenenromane auch mehr mit diesem Thema beschäftigen (wobei sie das bei entsprechender Betrachtung vielleicht ohnehin tun?), weil wer kann schon sagen, sich seiner Identität sicher zu sein? (Falls eine Identität überhaupt etwas Feststehendes sein sollte und nicht eher ein fluides Konzept. In diesem Fall wäre vermutlich das Konzept sich selbst treu zu bleiben hinfällig.) Den Abschluss des Buchs bildet ein Gespräch zwischen den beiden Autoren, in dem John Green über den Konflikt zwischen unserer inneren Identität und der von außen wahrgenommenen Identität erzählt:

I think a lot of the novel is about the weird relationship between identity and existence: In some ways, you are who you are because other people observe you; but in some ways, you are who you are in spite of other people’s observations of you.

Die Verknüpfung dieses Themas mit den philosophischen Überlegungen zu Schrödingers Katze hat mich besonders amüsiert. Und es mir bei der ersten Erwähnung des Bandnamens Maybe Dead Cats nicht mal aufgefallen …

still, what could i say? that i didn’t just feel depressed – instead, it was like the depression was the core of me, of every part of me, from my mind to my bones?

Einer der Will Graysons lebt mit einer Depression. Es gelingt den Autoren meisterhaft, die Isolation dieser Krankheit zu illustrieren; die Art, wie sie die betroffene Person von normalen Menschen abkapselt. Das Unverständnis der Umgebung und die Vorurteile über mental health issues, mit denen depressive Menschen zusätzlich zu ihrer Krankheit zu kämpfen haben, nehmen einen wichtigen Platz ein. Es geht hier nicht nur um Jugendliche, die ihren Platz im Leben suchen, sondern um Jugendliche, die dies unter erschwerten Bedingungen tun und trotzdem einen Weg finden.

all i wanted was one fucking break, one idiotic good thing, and that was clearly too much to ask for, too much to want.

Dazwischen ist das Buch aber auch noch großartig lustig. Die Absurdität, die ich aus Dash & Lily’s Book of Dares erinnere, spiegelt sich hier in den wahnwitzigen Musicalnummern wieder, die ich wirklich gern auf einer Bühne sehen würde. Nicht zuletzt hat mich die Referenz auf einen Film aus meiner eigenen Jugend amüsiert (Charlie Alle Hunde kommen in den Himmel). Mal sehen, ob ich den irgendwo auftreiben kann …

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English Roman

Claire-Luise Bennett – Pond

The hopelessness of everything I was trying to occupy myself with was at last glaringly crystal clear.

Irgendwie hatte ich die ganze Zeit während des Lesens das Gefühl, als ob ich nicht genau wüsste, worum es eigentlich geht. Ich fühlte mich erinnert an Leni Zumas – The Listeners und Ottessa Moshfegh – My Year of Rest and Relaxation, mit denen ich nicht wirklich viel anzufangen wusste. Möglicherweise war es die kürzliche Lektüre von Sylvia Plath – The Bell Jar, die mich dann vermuten hat lassen, dass die Protagonistin, die im Stream-of-consciousness-Stil erzählt, vermutlich an einer Depression leidet.

The large-scale changes in fact were of no interest to me at all; it was the small things that remained constant which sort of attracted me.

In diese gedankliche Richtung geschubst hat mich die ausführliche Referenz auf Marlen Haushofer – Die Wand. Neben der Einsamkeit, die die ebenfalls namenlose Erzählerin erlebt, stellt sie auch fest, dass die Kategorien, die sie bisher zur eigenen Identifikation verwendet hat, nun alle nicht mehr von Bedeutung sind. Als letzter lebendiger Mensch ist es schließlich egal, was für Rollen wir früher für uns gesehen haben.

Then it occurred to me that perhaps I’d been terrified for longer than all day, and I had rather mixed feelings upon realising that – I wasn’t much keen on the idea that I had been terrified for years, but it seemed possible. 

Gegen Ende des Buches werden die Sprünge größer, die Bezüge unwirklicher, die Erzählerin scheint den Faden zu verlieren. Gleichzeitig schleicht sich langsam die Erkenntnis ein, dass hier definitiv etwas nicht stimmt. Gepaart mit der Frage, wo das eigentlich alles hinführen soll.

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English Roman

Sylvia Plath – The Bell Jar

The big questions: how to sort out your life, how to work out what you want, how to deal with men and sex, how to be true to yourself and how to figure out what that means – those things are the same today.

Zu Beginn muss ich zugeben, dass ich über Sylvia Plath, ihr Leben oder ihren einzigen Roman The Bell Jar absolut nichts wusste. Ich wusste nicht mal, was die Wortkombination Bell Jar überhaupt bedeutet. Aus dem Buch habe ich dann erfahren, dass es sich um eine Glasglocke handelt (ich musste an jene denken, in der in Die Schöne und das Biest die Rose langsam ihre Blätter verliert). Etwas erstaunt war ich dann, als ich schon in der Einleitung von Frances McCullough aus dem Jahr 1996 las, dass dieses Buch im englischsprachigen oder amerikanischen Sprachraum als weibliches Pendant zu J. D. Salingers Fänger im Roggen gehandelt wird (… it quickly established itself as a female rite-of-passage novel, a twin to Catcher in the Rye). Beide Bücher beschäftigen sich mit dem Übergang von der jugendlichen Lebensphase in die Erwachsenenphase. Der Fänger im Roggen war eines der Bücher, an die ich mich erinnere, weil die gesamte Klasse sie im Deutschunterricht damals lesen musste. Viele andere Bücher wurden jeweils nur in der Form durchgenommen, dass ein*e Schüler*in sie lesen und dann ein Referat darüber halten musste. Neben Der Fänger im Roggen erinnere ich mich an Gernot Wolfgrubers Herrenjahre und Die neuen Leiden des jungen W. von Ulrich Plenzdorf. Als „weibliches Gegengewicht“ hatten wir in meiner Erinnerung Elfriede Jelineks Die Klavierspielerin.

Während der Lektüre fragte ich mich dann natürlich, warum The Bell Jar damals nicht in unserem Literaturkanon vorkam. Ich habe seit meiner Kindheit extrem gern gelesen und auch schwierigere Werke, die eigentlich nicht meiner Altersklasse entsprachen, konnten mich im Allgemeinen nicht erschrecken. Mit Elfriede Jelinek wusste ich jedoch nichts anzufangen. Und The Bell Jar erschien mir jetzt als wesentlich sinnvollere Alternative für mich und meine damaligen Altersgenossen. (Wobei ich immer noch lieber The Giver vorschlagen würde …)

I could have called down and asked for a breakfast tray in my room, I guess, but then I would have to tip the person who brought it up and I never knew how much to tip.

Was Sylvia Plath in The Bell Jar meisterhaft gelingt, ist die Darstellung der das ganze Leben umfassenden und erdrückenden Unsicherheit, die uns auf der Suche nach uns selbst zurückhält und manchmal sogar erstickt. Ihre Schilderung der Protagonistin Esther in ihrem Zustand der Orientierungslosigkeit, Verzweiflung und Depression hat mich tief beeindruckt. Dass ihre Beschreibung der Depression auf ihren eigenen Erfahrungen beruht, macht die Geschichte noch umso mehr glaubhafter. Das obige Zitat stammt aus dem Beginn des Romans, wo Esther noch scheinbar in die Gesellschaft passt und ihren Weg irgendwie vor sich sieht. Doch selbst da zeigt sich ihre Unsicherheit, ihr Versuch, in die Gesellschaft zu passen und nicht negativ aufzufallen, schon in kleinen Gesten, die sie von den anderen Mädchen in ihrer Gesellschaft abheben.

The trouble was, I hated the idea of serving men in any way. I wanted to dictate my own thrilling letters.

Gleichzeitig findet sich in diesem Roman etwas deutlich Feministisches; unter anderem die Frage, warum das sexuelle Verhalten von Frauen und Männern mit zweierlei Maß gemessen wird. Das wird auch ausführlich erläutert in diesem Lithub-Artikel über eine neu erschienene Biographie über die Autorin. Auch Kritik über ihre Verwendung von rassistischen Begriffen findet dort ihren Platz, wobei ich denke, dass ihre Verwendung von bestimmten Begrifflichkeiten auch in ihrem zeitlichen Kontext gesehen werden muss. Das soll keine Entschuldigung sein, aber ich kann einfach nicht einsehen, warum wir Astrid Lindgren verurteilen sollten, weil Pippi Langstrumpf 1945 keinen Südseekönig, sondern einen Begriff, den wir heute nicht mehr nennen wollen/sollen, zum Vater hatte. Es ist wichtig, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen und sie nicht zu ignorieren, es kann aber in meinen Augen kein Grund sein, um das gesamte Werk einer Autorin zu verdammen.

Lange Rede, kurzer Sinn: The Bell Jar beschreibt eine junge Frau, die auf der Suche ist und daran beinahe zerbricht. Auf der Suche nach dem richtigen Lebensweg, auf der Suche nach sich selbst, auf der Suche nach Verständnis, auf der Suche danach, wahrgenommen zu werden, so wie sie ist. Ich wünschte wirklich, ich hätte das in meiner Jugendzeit lesen dürfen.

To the person in the bell jar, blank and stopped as a dead baby, the world itself is the bad dream.

A bad dream.

I remembered everything.

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Erfahrungsbericht Memoir

Sue Monk Kidd und Ann Kidd Taylor – Granatapfeljahre

Was mich zum wichtigsten Grund dafür bringt, warum es der reine Wahnsinn wäre, wenn ich eine Schriftstellerkarriere anstreben würde: Es erfordert viel zu viel Selbstvertrauen.

Wenn ich schon selbst nicht verreisen kann, dann kann ich wenigstens einen Reisebericht lesen, dachte ich mir. Die Reisen sind aber in diesem Buch eigentlich nur der rote Faden für die Entwicklung der beiden Autor*innen und ihrer Beziehung zueinander. Sie sind Mutter und Tochter.

Die Jüngere kämpft mit einer Ablehnung, die ihr den Lebensweg verstellt, den sie sich als Erfüllung ihrer Träume vorgestellt hat. Die Ältere hadert mit dem Übergang in eine neue Lebensphase, die Menopause macht ihr nicht nur körperlich zu schaffen, sondern lässt sie auch seelisch ihre Lebensentscheidungen hinterfragen. Auf ihrer spirituellen Suche befassen sie sich mit der griechischen Sage von Demeter und Persephone, der Jungfrau von Orleans und der Gottesmutter Maria, hauptsächlich in Gestalt der Schwarzen Madonnen, die berühmteste ist im französischen Rocamadour zu finden.

Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Mythen und den Rollen, die Frauen in ihrem Lebensverlauf spielen (können), hilft schließlich beiden, sich über ihren weiteren Lebensweg klar zu werden. Der spirituelle Zugang mag nicht allen Leser*innen gefallen (mir war es streckenweise auch zu viel innere Einkehr), für mich war es aber ein interessanter Zugang, das Reisen nicht nur um des Reisens willen zu betrachten, sondern auch als „Reise zu sich selbst“.

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Roman

Ali Smith – How to be both

I know, she says. But it kind of doesn’t matter, does it, that we don’t know his name. We saw the pictures. What more do we need to know? It’s enough just that someone painted them and then one day we came here and saw them. No?

Im ersten Teil geht es um George, eine Jugendliche, die um ihre Mutter trauert, die vor kurzer Zeit wegen eines Unfalls gestorben ist. Der Leser folgt Georges Gedankengängen, die sich an viele Gespräche mit ihrer Mutter erinnert. Diese werden mit Georges Gegenwart verflochten, die hauptsächlich aus Sorgen um ihren Vater und ihren Bruder und mehr oder weniger pflichtbewussten Therapiesitzungen bestehen. Zumindest so lange, bis H(elena) in ihr Leben tritt.

I have this need, H is saying.
What need? George says.
To me more, H says.
More what? George says.
Well, H says and her voice sounds strangely altered. More.

Im zweiten Teil wird das Leben des Künstlers (der Künstlerin?) beschrieben, der das Fresko gemalt hat, von dem Georges Mutter so fasziniert war, dass sie mit ihren beiden Kindern nach Ferrara flog, um es zu bewundern. Dieser Teil ist wirr und teilweise in Fragmenten verfasst, die es schwierig machen, den Überblick zu behalten.

She was repressed and respectable and anarchic and rude and unexpected, she was trivial and wild both at once, like a bad girl from school. And she was lovely. She was attentive, sweet to me. And there was something, some glimmer of something.

Von diesen Fakten abgesehen ist das Buch durchzogen von einer künstlerischen Aura, einem intensiven Blick auf Kunstwerke und deren Bedeutung. Der Titel kann unterschiedlich verstanden werden, es geht darum, wie man gleichzeitig Künstler und Mutter sein kann, aber auch die Lesart Ehepartner und Elternteil oder Tochter und Schwester ist möglich.

Im ersten Zitat geht es um den Künstler, dessen Name nicht bekannt ist. In einem späteren Gespräch stellt George auch die Frage, ob der Künstler auch eine Frau gewesen sein könnte. Für die Zeit, in der das Fresko entstanden ist, wäre das äußerst unüblich, jedoch kann sich der heutige Betrachter dessen keinesfalls sicher sein. An dieser Stelle muss ich einfach dem folgenden Blog Post vorgreifen, weil es so gut passt: Man kann nie wissen, was bleibt.

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Roman

Jay Asher – Thirteen Reasons Why

In the end, everything matters.

Obwohl das Thema so traurig ist, bleibt am Ende ein Funken Hoffnung. Hannah Baker hat Selbstmord begangen. Vor ihrem Tod hat sie 13 Audiokassetten bespielt mit ihren Erfahrungen mit Menschen, den Situationen und Entwicklungen, die zu ihrer Entscheidung geführt haben, sich selbst das Leben zu nehmen.

Viele der Personen, die in Hannahs Geschichten vorkommen, haben ihr tatsächlich Unrecht getan, manche andere haben aber einfach weggeschaut. Selbstmordgedanken kommen nicht aus dem Nichts, ein langer Prozess läuft vor dieser Entscheidung ab, Anzeichen sind da und sollten nicht ignoriert werden. Das Buch ist ein großes Plädoyer, mehr auf unsere Mitmenschen zu achten. Nachzufragen. Hinzuschauen.

I guess that’s the point of it all. No one knows for certain how much impact they have on the lives of other people. Ofentimes, we have no clue.

Reading Challenge: A book that made you cry