Er wanderte umher. Sein Blick fiel auf die Garderobe. Wieder hatte er das Gefühl, etwas stimme nicht. Diesmal erkannte er, woran es lag. An einem Haken hing eine Jacke, die ihm nicht gehörte. Die er vor einigen Wochen bei Gil in der Auslage gesehen hatte. Sie war ihm zu teuer gewesen.
Wiederum erforscht Thomas Glavinic die menschlichen Emotionen. Als Jonas am Anfang des Romans aufwacht, scheint noch alles in Ordnung zu sein, doch als er seine Wohnung verlässt, bemerkt er, dass keine Menschen auf der Straße sind. Kein Morgenverkehr, auch kein Vogelgezwitscher, denn auch alle Tiere sind verschwunden. Zuerst ungläubig sucht Jonas die Wohnung seines Vaters, sein Büro und die Wohnung eines Kollegen auf. Vergeblich. Nachdem er ihn Wien alle möglichen Orte besucht hat, verlässt er die Stadt, um auch über den Grenzen nach menschlichem Leben zu suchen. Und findet weiterhin nur Einsamkeit.
Er hatte das Gefühl, jede Sekunde könnte ihn von hinten eine Hand fassen. Es wich, als der Nebel auflockerte. Bald waren die Bäume am Straßenrand zu sehen, schließlich auch die blumengeschmückten Pensionen, an denen er vorbeikam.
Die Einsamkeit scheint Jonas nicht direkt zu beunruhigen, doch zusehends fühlt er sich verfolgt. Es scheint widersinnig, dass er sich gerade verfolgt fühlt, wo er doch seit Tagen und später Wochen niemandem begegnet ist. Als er sich bei einem Ausflug auf den Kanzelstein, ein ehemaliges Urlaubsziel seiner Familie, im Wald verirrt, ist Jonas schließlich dem Wahnsinn nahe. Obwohl niemand da ist, der ihn gefährden kann, weder Mensch noch Tier, läuft Jonas mit einem Gewehr herum und fürchtet sich vor dem Wolfsvieh, das ihn in seinen Träumen verfolgt.
Es ist erschreckend, wie sich die Persönlichkeit des Protagonisten zu spalten scheint. Er beginnt, sich im Schlaf zu filmen, nennt die gefilmte Person jedoch „den Schläfer“. Das scheint sich selbst ad absurdum zu führen, als er bei laufender Kamera wach und bewusst in die Kamera winkt und sagt „Ich bin es, nicht der Schläfer“. Beim späteren Ansehen scheint es dann doch der Schläfer gewesen zu sein.
Den Blick unverwandt auf den Glockenturm des Doms errichtet, fühlte er plötzlich den Wunsch, ein Kind zu sein. Eines, das Marmeladenrote bekam und Saft. Das auf der Straße spielte und schmutzig heimkam und für eine zerrissene Hose gerügt wurde. Und das dann von den Eltern in die Badewanne gesteckt und zu Bett gebracht wurde.
Beim Lesen dachte ich am Anfang oft darüber nach, auf welche Produkte Jonas bald verzichten wird müssen. Es erschien mir befremdlich, dass er nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass er bald nichts Frisches mehr zu essen haben wird. Er ernährt sich auch zusehends aus Konserven, die finden sich überall. Ohne Tiere lassen sich auch keine Milchprodukte herstellen, selbst wenn Jonas die Geduld fände, herauszufinden, wie man es macht. Doch tatsächlich vergehen bis zum Ende des Romans nur wenige Wochen, solange dürfte die Haltbarmilch ausreichen.
Stück für Stück scheint der Wahnsinn Jonas einsame Seele zu überwältigen. Er versucht schließlich, nach England zu reisen. Dabei muss er sich wachhalten, denn der Schläfer bringt ihn nachts stets wieder zurück und will ihn nicht zu seinem Zielort gelangen lassen. Der mangelnde Schlaf treibt Jonas endgültig zur Verzweiflung. Und letztendlich wird klar, dass ihm von Anfang an nur er selbst gefährlich werden konnte. Wenn man so allein ist, kann man sich nur vor sich selbst fürchten.