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Klassiker Roman

Denis Diderot – Jacques, der Fatalist

Pferd_(c)_Bernd-Boscolo/PIXELIO

JACQUES: „Wenn; wenn das Meer kochen würde, gäb’s viel Kochfisch, sagt man. Verdammt, Herr, eben haben sie geglaubt, ich liefe in große Gefahr, und nichts war daran; jetzt glauben Sie, Sie wären in großer Gefahr, und da ist womöglich noch weniger dran. Wir alle in diesem Haus haben einer vor dem anderen Angst; was nur beweist, dass wir allesamt Dummköpfe sind …“

So spricht der fatalistische Diener Jacques zu seinem Herrn. Jacques glaubt einzig und allein an das Schicksal, indem geschrieben steht, was geschehen wird, weshalb es auch nutzlos ist, sich großartig darum zu bemühen oder zu bekümmern. Jacques und sein Herr sind unterwegs zu einem bis zum Schluss unbekannten Ziel und erzählen sich dabei allerhand Geschichten unterbrochen wiederum durch Begegnungen mit Personen wie etwa der wackeren Wirtin, die selbst eine Geschichte beizusteuern hat.

DER HERR: „Herr Jacques, lassen Sie sich hängen, da das Schicksal es so will und Ihr Pferd es sagt; aber werden Sie nicht unverschämt: hören Sie mit Ihren dreisten Vermutungen auf und liefern Sie mir rasch die Geschichte Ihres Hauptmanns.

Nicht nur Jacques, dessen Liebesgeschichte dem geneigten Leser bis zum Schluss vorenthalten wird, hat einiges aus seinem Leben zu berichten. Als Jacques schließlich durch einen hartnäckigen Husten am Erzählen gehindert wird, kommt auch der Herr dazu, seine Geschichte zu erzählen, was letztendlich zum Ziel der Reise führt. Der Autor wendet sich immer wieder direkt an den Leser.

„Jacques“ hingegen ist ein albernes Gespinst von Begebenheiten, manche wahr, manche erfunden, anmutlos aufgeschrieben und unordentlich verstreut. – Um so besser, meinen „Jacques“ wird man desto weniger lesen. Wie Sie’s auch drehen und wenden, Sie sind im Unrecht.

Mit allerhand Referenzen auf seine Zeitgenossen amüsiert sich der Autor Diderot und führt den Leser absichtlich auf abwegige Pfade, man muss schon mitdenken, um zwischen all den verstreuten Geschichten den Anschluss zu bewahren und stets zu wissen, wer gerade die Hauptperson der aktuellen Geschichte darstellt. So bleibt die Geschichte immerhin spannend, denn der rote Faden wechselt ständig und das Schicksal zeigt den Reisenden ständig neue Wege. Ein kurzweiliger Klassiker mit hohem Dialoganteil.

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Roman

Reif Larsen – Die Karte meiner Träume

Buntstifte_(c)_Dr. Klaus-Uwe Gerhardt/PIXELIO

Aber diese Flucht hatte immer einen Beigeschmack von Leere: ich wusste, ich ließ mich von etwas Erfundenem täuschen. Vielleicht kam es genau darauf bei der Lektüre von Romanen an – dass man die richtige Balance zwischen den Freuden der Flucht und dem Bewusstsein der Täuschung fand –, aber zur gleichen Zeit Distanz vom Wirklichen und vom Fiktiven zu wahren ist mir nie gelungen. Vielleicht musste man erwachsen sein, um diesen Drahtseilakt fertigzubringen, zu glauben und gleichzeitig nicht zu glauben.

Der junge T. S. Spivet ist kein „normales“ Kind. Er verbringt seine Kindheit mit seiner Familie auf deren Ranch in Montana. Auf der Familie liegt der Schatten des Todes von Layton, dem älteren Bruder, der durch einen Unfall mit einem Gewehr ums Leben kam. Nicht nur T. S. gibt sich die Schuld an dessen Tod, es steht im Raum, dass auch beider Vater T. S. die Schuld gibt und ihn daher weniger liebt als den verstorbenen großen Bruder. T. S. verbringt seine Zeit mit dem Kartografieren von allen Begebenheiten, die ihm in seinem jungen Leben begegnen. Sein Zimmer ist vollgestopft mit Notizbüchern, in denen er sein Leben im wahrsten Wortsinne aufzeichnet. Dazu gehören die Art und Weise, wie seine Schwester Gracie Maiskolben putzt genauso wie die Käfer, die seine Mutter sammelt. Diese arbeitet als Wissenschaftlerin, hängt aber an der Suche nach einem Käfer, dessen Existenz zu beweisen sie sich zur Lebensaufgabe gemacht hat.

Durch seinen Mentor Dr. Yorn wird T. S. für den hochdotierten Baird-Preis des Smithsonian Museum ausgewählt. Die dortigen Verantwortlichen wissen natürlich nicht, dass es sich bei dem talentierten um einen 12-jährigen Jungen handelt. T. S. macht sich ohne das Wissen seiner Eltern auf den Weg nach Washington, um seine Rede zur Verleihung des Preises zu halten. Ein großes Abenteuer, bei dem er gar nicht weiß, was er zuerst kartografieren soll. Auf der Reise begleitet ihn ein Notizbuch, das er aus dem Büro seiner Mutter entwendet hat, indem die Geschichte von Emma Osterville, einer weiblichen Pionierin der Wissenschaft verzeichnet ist.

Je mehr die Reise fortschreitet, umso mehr erfährt man über die Geschichte der Familie und die Eigenheiten der einzelnen Personen. Einzig Schwester Gracie wird keine ausreichende Charakterisierung zuteil, wäre dies ein Musical, müsste man ihre Rolle kritisch hinterfragen, man würde wohl Schwierigkeiten haben, ein Solo für sie zu schreiben, eine eher undankbare Rolle.

Auf seinem Weg nach Washington begegnen T. S. (auch die Geschichte seines ausgefallenen Namens Tecumseh Sparrow wird ausführlich dokumentiert) viele spezielle Charaktere, die ihn auf seinem Weg unterstützen oder behindern. In Washington selbst stößt er auf den Geheimbund der Megatherier, in dem überraschenderweise auch seine Mutter Mitglied ist. Doch das Buch endet mit einer überraschenden Wendung, viele Fragen bleiben offen, eine Fortsetzung läge nahezu auf der Hand. Der abenteuerlustige T. S. erkennt schließlich den Wert von Familie und Heimat. Doch diese Geschichte ist noch nicht zuende. Vielleicht ist dies auch ein Faktor, der diese Geschichte so spannend und mitreißend macht. T. S. hat sein Leben noch vor sich und die Frage, ob er dieses als angehender Wissenschaftler oder als einsames Kind auf der Ranch in Montana verbringen wird, bleibt als Spannungsfaktor stets präsent. Ein unvorhersehbarer Roman mit Überraschungen auf nahezu jeder Seite. Absolute Leseempfehlung.

Weitere Informationen: Jugendbuchtipps.deBüchervielfaltSchau ins Blau

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Roman

François Lelord – Hector und die Entdeckung der Zeit

Lelords Hector ist ein “nicht mehr ganz junger Psychiater”, der in die Fußstapfen der großen Philpsophen der Welt tritt und sich allerlei kluge Gedanken macht. Mit seinen Freunden bereist er die Welt und macht dabei viele Entdeckungen, auch über seine eigene Kultur hinaus.

In diesem Buch reist er unter anderem zu den Inuit, wo sein Freund Edouard gerade lebt, den man als Banker aus dem ersten Hector-Buch kennt. Auch China wird wieder bereist, wo Hector versucht, den alten Mönch wiederzufinden, der ihm so viel über das Leben und die Welt an sich beigebracht hat. Letztendlich gelingt es ihm und man kann sagen, es kommt zu einer Art Happy-End.

Hector ist ein Held, mit dem man sich identifizieren kann, er muss erst scheitern, bevor er die richtige Entscheidung trifft und trinkt auch mal einen über den Durst. Wer sich auf die einfache, aber geistvolle Schreibweise Lelords einlässt, kann in den „Hector“-Romanen so manche Lebensweisheit entdecken. Und das mit viel Vergnügen am Lesen.

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Roman

Jürgen & Marita Alberts – Cappuccino zu dritt

Ein “Roman aus der Toskana” und genau darum geht es auch. Die Geschichte ist weder spannend noch interessant, ein Paar lernt sich kennen aufgrund eines Autodiebstahls (das Auto wird wiedergefunden ohne dass jemand zu Schaden kommt), ein ehemaliger Liebhaber taucht auf, was zu einem Streit führt, der allerdings auch gleich wieder aufgelöst wird.

Das Schöne ist die Beschreibung der besuchten Sehenswürdigkeiten und der kulinarischen Besonderheiten der Toskana, die Lust auf einen Besuch machen. Schöner kann man kaum reisen.

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Roman

Jonathan Safran Foer – Alles ist erleuchtet

Jonathan Safran Foer ist ein grandioser Erzähler. Als Beispiel sei hier nur seine Geschichte vom “Sex-Leuchten” erwähnt:

Der bläuliche Marmor verschwindet, und an seiner Stelle erscheint ein Nachrichtensprecher, der die Brille abgesetzt hat und sich die Augen reibt. “Meine Damen und Herren, Amerika hat einen Menschen auf den Mond geschickt.” Meine Großmutter kommt mühsam auf die Beine – sie ist alt, selbst damals schon – und sagt mit vielen verschiedenen Tränen in den Augen: “Nischt zu gleuben!” Sie küsst meine Mutter, verbirgt die Hände im Haar ihrer Tochter und wiederholt: “Nischt zu gleuben!” Auch meine Mutter weint, und jede ihrer Tränen ist einzigartig. Sie weinen gemeinsam, Wange an Wange. Und keine von beiden hört das Flüstern des Astronauten: “Ich sehe da etwas”, während er über den Mondhorizont hinweg auf das winzige Dorf Trachimbrod blickt. “Ganz eindeutig – da unten ist irgendwas.”

Was er sieht, ist das Leuchten der Menschen, die im Stetl Trachimbrod in dieser Nacht Sex haben. Um diese Geschichte im Ganzen zu erfassen, muss man das Buch zumindest bis zur Seite 144 lesen.

Auf drei Erzählebenen läuft die Geschichte ab und die Verknüpfung der drei miteinander löst sich erst auf den letzten Seiten auf. Mehrere Familiengenerationen werden miteinander verknüpft und dies auf sympathische und spannend erzählte Weise.

 

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Klassiker

Eduard Mörike – Mozart auf der Reise nach Prag

Zwischendurch mal ein bißchen kurzweilige ältere Literatur. 1855 von Eduard Mörike anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten geschrieben. Eine Künstlernovelle, die von einer frei erfundenen Begebenheit im Rahmen einer tatsächlich stattgefundenen Reise Mozarts erzählt. Kurzweilig geschrieben, tatsächlich als Novelle eher kurz, Unterhaltsames für zwischendurch.