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Sachbuch

John Robb – Punk Rock

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Unsere Generation war glücklich: Wir sahen die Welt so, wie sie war. Das öffnete uns die Augen. Wir sangen über das Bedürfnis, da rauszukommen, frei von Unterdrückung zu sein. Wir waren in der Lage, uns selbst auszudrücken und nahmen uns von überall Isnpiration – alles, was sich zu der Zeit abspielte, war miteinander verbunden.

Obwohl ich die Generation Punk Rock selbst bei weitem verpasst habe, fand ich diese Chronik des Punk Rock, die John Robb mit viel Gefühl fürs Wesentliche zusammengestellt hat, sowohl interessant als auch inspirierend. Er hat sich die Mühe gemacht, mit allen Protagonisten des Genres zu sprechen, die noch am Leben sind und die er ausfindig machen konnte. Und das sind ziemlich viele.

So wird das Buch zu einem ziemlichen Wälzer, wenige Schwarz-Weiß-Abbildungen lockern die Collage aus Interviewschnipseln auf. Oft genug verliert der Leser, der nicht alle Beteiligten aus eigener Erfahrung zumindest aus den Medien kennt, etwas den Überblick, zu welcher Band die Befragten gehören, wird nur beim ersten Auftauchen des Namens erwähnt, die Menge an Namen muss man sich mal merken können. Noch dazu wo die Bandmitglieder durchaus auch mal die Band wechseln, neu gründen, neu benennen und / oder sich mit anderen Musikern zusammentun.

Was bleibt, ist eine spannende Collage einer Umbruchsphase, die sowohl im musikalischen Bereich als auch im Style und in der Jugendkultur im Allgemeinen viele neue Impulse hervorbrachte. Gleichzeitig können die damaligen Bands und Stilikonen als Wegbereiter für die heutigen Punk-, Post-Punk- und Alternative-Rock-Bands gelten. Auch die Freiheiten der heutigen Jugend basieren zum Teil auf dem Kampf um Individualität, den die Jugendlichen damals führten.

Speziell für mich interessant war auch die Geschichte vom letzten Konzert der Sex Pistols mit Glen Matlock, das im Paradiso in Amsterdam stattfand. Dort habe ich im September ein großartiges Lifehouse-Konzert besucht und auch die Location ist heute noch ein sehr besonderer Veranstaltungsort für Konzerte, der Punk-Spirit scheint dort noch zu leben, auch wenn die Konzerte heute zweifellos zivilisierter ablaufen als damals. In Amsterdam werden nicht mal die Taschen der Konzertbesucher auf Waffen überprüft, keinerlei Kontrollen (mit Ausnahme des Tickets) sind notwendig.

Und fürs Protokoll – nochmal Jack Kerouac (sichtlich sehr populär in Amerika, auch in der Punk Rock Generation):
Meine Eltern wünschten, ich würde der Leiter von IBM werden; stattdessen bekam ich einen Job, in dem ich Autos hin- und herkutschierte. Keine Ahnung, ob das von Bernies Einfluss herrührte oder ob ich gerade „On the road“ gelesen hatte – aber ich hatte einen Job, wo ich Autos beförderte und parkte. Dabei konnte ich in Lederjacke und mit schwarzer Sonnenbrille rumlaufen und Autos parken wie Neal Cassady. (Tony James)

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Musical Sachbuch

Olaf Jubin – Entertainment in der Kritik

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„Die Erfahrung, dass ein persönlich empfundenes Schicksal mit dem Schicksal anderer Menschen übereinstimmt, hat etwas Tröstliches. Es lindert den Druck, den wir immer dann spüren, wenn wir meinen, mit unseren Erfahrungen ganz allein zu sein. Die kommunizierende Kraft des Theaters hebt das Gefühl, ein isoliertes Schicksal zu erleiden, weitgehend auf.“ (Hans Joachim Schäfer)

1.152 Seiten. Dreieinhalb Jahre. Den Großteil dieser Zeit ist dieses Werk natürlich halb gelesen irgendwo in der Wohnung herumgegammelt, weil mich die Trockenheit dieser Untersuchung teilweise wirklich körperlich niedergeschlagen hat. Als Abendlektüre vor dem Schlafengehen eignet sich eine Studie zum Thema Musicalkritiken natürlich ebensowenig als wie zur Unterhaltung an einem lauen Sommerabend. Daher habe ich wie gesagt seit März 2007 kontinuierlich an diesem Werk gelesen und für den zweiten Teil habe ich nicht mal mehr so lange gebraucht (was möglicherweise an den Tabellen der Auswertung lag, die ich mir nicht alle im Detail angesehen habe).

Olaf Jubin ist mit dem Genre Musical sichtlich innig verbunden. Jedem Kapital stellt er den Titel eines Musicalsongs zur Überschrift. Das klingt jetzt nicht so gigantisch, wenn man sich jedoch vor Augen führt, dass seine Überschriften oft bis zur siebten oder achten Ebene gehen und er in den Quellenangaben akribisch Songtitel, Stück, Komponist und Lyricist aufführt, so kann man da schon mal Anerkennung zollen.

Als ganz großen Kritikpunkt muss ich die übertriebene Wertlegung auf gender-neutrale Berufsbezeichnungen anführen. Nach meiner Meinung kann man sich auch als Frau als Journalist oder Mitarbeiter angesprochen fühlen und die Beeinträchtigung des Leseflusses stört mich hier vielmehr als eine möglicherweise fehlende weibliche Berufsbezeichnung. Die letzten 50 Seiten des Werkes wären möglicherweise weggefallen (was wiederum Papier sparte), hätte man sich solche Orgien erspart:

Wenn er/sie allerdings nicht gerade die Finanzierung eines Stückes in Angriff nimmt, reduziert selbst ein(e) etablierte(r) ProduzentIn weitestgehend seinen/ihren Mitarbeiterstab und zwar auf eine(n) GeschäftsführerIn, eine(n) Assistenten/Assistentin und eine(n) LektorIn, der/die nach potentiellen Stücken Ausschau hält.

Im ersten Band erläutert Olaf Jubin erst das Genre und dann die beiden zu untersuchenden Komponisten. Dabei stellt er allerhand interessante Überlegungen zum Thema an und wirft geradezu mit Fachwissen und Recherchen um sich.

Das Genre erzielt also Komplexität durch das Zusammenspiel seiner verschiedenen Bestandteile, von denen jeder für sich genommen – und das gilt besonders für das Buch – diese Eigenschaft nur bedingt aufweisen kann: „Simple characters in a musical book can be full and memorable because they have the richness of music, song, and dance to make them alive in performance.“

Aus meiner Erfahrung war ich eigentlich seit langem der Ansicht, dass ein Musical nicht wirklich gut werden kann, wenn die zugrunde liegende Geschichte nicht passt. Hier wird jedoch die These geäußert, dass die Charaktere erst durch das Zusammenspiel aus Tanz und Gesang Komplexität gewinnen. In weiterer Folge wird auch erläutert, dass Uneinigkeit darüber herrscht, ob Musiknummern die Handlung weitertreiben sollen. Brechen die Charaktere überleitungsfrei in Gesang aus, scheinbar ohne einen Anlass, ist das immer wieder Anlass zur Kritik und ergibt im Allgemeinen einen Bruch der Handlung. Andere Journalisten wiederum erwarten Gesang und Geschichte getrennt. Als Überbegriff wird der Begriff „book trouble“ eingeführt:

Aaron Frankel erläutert, dass darunter in erster Linie ein wie auch immer gearteter Bruch zwischen Dialogstellen und Musiknummern gemeint ist: „,Book trouble’ only means that the elements not put to music fail in craft or in imagination to match those which are. The drop from one energy level to the other shows through.“

In weiterer Folge stellt Olaf Jubin im ersten Band die zu besprechenden Komponisten Stephen Sondheim und Andrew Lloyd Webber vor und wirft einen detaillierten Blick auf deren Karriere bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Werkes (2003, heute also schon etwas angestaubt).

Der zweite Band beschäftigt sich dann mit der intensiven Untersuchung der Kritiken zu Werken von Sondheim und Lloyd Webber. Dabei widmet sich der Autor sehr detailliert den Fragen der Inhalte der Kritiken beispielsweise welche Mitwirkende genannt werden, werden diese bewertet, wie wird das Werk selbst bewertet, welchen Mitwirkenden wird die größte Wichtigkeit beigemessen und vieles mehr. Ins Auge fällt immer wieder, dass Olaf Jubin mit dem Fachwissen der deutschsprachigen Journalisten zum Thema Musical ganz und gar nicht zufrieden ist. Bemerkungen wie diese fallen öfter:

Die wenigen konkreten Gegenüberstellungen beschränken sich zudem auf lediglich vier der insgesamt 19 Sondheim-Musicals im Sample, und diese vier waren alle in Deutschland oder Österreich zu sehen, während Verweise auf Werke des amerikanischen Komponisten, die bislang nur am Broadway und/oder im West End gespielt wurden, völlig unterbleiben. Derartige Verweise würden größeres Fachwissen erfordern, als die meisten deutschsprachigen RezensentInnen mitbringen.

Hier kann ich natürlich nicht umhin, anzumerken, dass Olaf Jubin die Arbeitsbedingungen der deutschsprachigen MusicaljournalistInnen sichtlich nicht bekannt sind. Um Werke von Stephen Sondheim, die in Europa bisher nicht zur Aufführung kamen, zu sehen, bleibt dann wohl nur eine regelmäßige Reise nach New York, was die meisten Arbeitgeber wohl kaum finanzieren werden und vor allem für den freien Journalisten, der seine Reisen selbst finanzieren muss, nicht machbar ist. In den Tageszeitungen gibt es überdies selten Journalisten, die sich nur mit dem Thema Musical beschäftigen. Da diese auch Fachwissen zu anderen Theatergattungen besitzen müssen, kann man ihnen wohl kaum mangelndes Fachwissen in diesem speziellen Bereich zum Vorwurf machen.

Gerade für Journalisten aus diesem Bereich stellt dieses Werk trotzdem eine interessante Betrachtung der eigenen Arbeit dar. Man hinterfragt möglicherweise seine eigenen Strukturen, die sich im Laufe der Jahre der Arbeit von selbst ergeben. Ist dem Komponisten mehr Bedeutung einzuräumen als dem Textdichter? Gerade im deutschsprachigen Raum hat man es außerdem oft mit Übersetzungen zu tun, wo man sich vielleicht öfter die Mühe machen sollte, das Originallibretto intensiver mit dem deutschen Text zu vergleichen. Aus Zeitgründen ist dies leider allzu oft nicht möglich. In jedem Fall muss der Leser auf 1.152 Seiten irgend etwas finden, was ihm zur Fortbildung gereicht, man sollte sich jedoch darauf gefasst machen, bisweilen etwas Flüssigkeit zum Begießen vorrätig zu halten, damit die Trockenheit nicht allzu sehr staubt.

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Sachbuch Unterhaltung

Karl Shaw – Das Lexikon der Geschmacklosigkeiten

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Terry Kath, der Gitarrist der US-Band Chicago, hielt sich 1978 auf einer Party in seinem Haus eine Pistole an den Kopf, die er irrtümlicherweise für nicht geladen hielt.

Eine Sammlung von ähnlich spannenden Weisheiten findet man in Karl Shaws Lexikon der Geschmacklosigkeiten. Wer sich an solchen Informationen ergötzen kann, findet hier jede Menge Material. Über diesen Geschmack möchte ich jetzt gar nicht diskutieren.

Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898). Am 10. September 1898 hielt sich die Gemahlin des österreichischen Kaisers Franz Joseph in Genf auf und wollte gerade an Bord eines Schiffes gehen. Auf dem Weg vom Hotel zur Anlegestelle stach ihr der 26-jährige italienische Arbeiter Luigi Lenchini mit einer Feile in die Brust. Der Mörder gab später zu, dass er persönlich gar nichts gegen die Kaiserin hatte und eigentlich König Umberto II. von Italien töten wollte, sich aber die fünfzig Lire nicht leisten konnte, die die Fahrt bis nach Rom gekostet hätte.

Wäre diese Anekdote nicht auf den letzten Seiten des Buchs verewigt, hätte ich das Buch tatsächlich vorzeitig weggelegt. In jedem Fall hieß der Attentäter Luigi Lucheni. Geläufig ist mir aus der Elisabeth-Biografie von Brigitte Hamann, dass Lucheni eigentlich den Herzog von Orleans ermorden wollte, diese jedoch nicht am geplanten Tag eintraf. Ob die Geschichte mit Umberto von Italien stimmt, kann ich also nicht nachweisen (persönlich sowieso nicht und auch nicht mit Quellen), aber hier zeigt sich auf jeden Fall, dass nicht genau recherchiert wurde. Wie glaubwürdig sind also die anderen Anekdoten zu beurteilen?

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Biografie Sachbuch

Meryl Secrest – Stephen Sondheim: A Life

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One of Sondheim’s first acts on joining the Hammerstein househould was to teach Ockie how to play chess. He said, “The first time we played, I taught him the rules and of course I beat him. The second time I beat hime, but not as easily as the first time. The third time I set up something like a two- or three-move-trap, which was as far as I could go, and he started to move a piece, and in chess the rule is you haven’t completed the move until you have actually taken your finger off the piece. He moved a piece forward, and thought about it, and looked at me, and took it back. And then he moved another piece. I said, ‘Gosh, you’re getting good. You saw what I was setting up,’ and he said, ‘No, I heard your heart beating.'”

This book seems more like a piece of fiction than the story of a real American. It seems Meryle Secrest must have spent years doing interviews with people who knew and know him. She did lots of interviews with Sondheim himself. The personal view of the author gives distinction to the story of the famous composer.

A footnote to that is that about ten years ago, when I was in London for some purpose, I had a call from P. L. Travers, who said, ‘Mr. Sondheim, I would like you to adapt Mary Poppins for the stage,’ and I said, ‘Funny you should call, because when I was nineteen years old this is exactly what I did’. She was astonished; I was flattered and astonished.

The small anecdotes – like the one above about Mary Poppins – show a very differentiated character. Meryle Secrest has done a terrific job in combining the episodes to a picture of a very creative but also very insecure man who is questioning himself and his work again and again.

What I’m doing when I’m writing is acting. That’s whay the best playwrights, with the exception of Chekhov and a couple of others, have been actors. And so I’m able to infuse myself. So when I’m writing the sond ‘Finishing the hat’ [from Sunday in the park with George], half of it is writing about what I, Steve, feel, and the other is what Seurat feels. And I’m aware of both going on at the same time. … I think all writers get attracted to stories that resonate in them.

Deutsche Zusammenfassung: Diese Biographie liest sich mehr wie ein Roman als wie die Geschichte eines lebendigen Amerikaners. Meryle Secrest scheint Jahre damit verbracht zu haben, Menschen zu interviewen, die Stephen Sondheim kannten und kennen. Viele Interviews mit Stephen Sondheim selbst geben der Geschichte des Komponisten eine klare Richtung. Die Autorin kombiniert die Episoden zu einem komplizierten Bilder eines kreativen, aber auch unsicheren Mannes, der sich selbst immer wieder hinterfragt.

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Sachbuch

BJ Gallagher – It’s Never Too Late to Be What You Might Have Been

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“I didn’t know,“ Frank replied. “On Ash Wednesday of this year I was interviewing the local Catholic bishop for an Easter story. ‘Are you OK?’ he asked me. ‘You don’t seem like yourself.’ I told him what was going on. I explained how I was sending out dozens of résumés and trying my best to figure out what to do next. I’ll never forget his words–he said simply, ‘Sometimes you need to stop looking and just listen.’“

Most of us wonder sometimes, if the life we are leading is what we really want. This book encourages you to change your life, if you are not satisfied with what you have. You can have a second career, you can have a new job, you can have a new love. That’s the message that BJ Gallagher is telling the reader.

The best jobs are those that are a little to big for you. They force you to stretch and grow. Welcome the challenge of new jobs or careers that will test you and push you in positive ways.

You should always try to go a little further than you think you can. Where’s the challenge if you never try? Of course you don’t throw away what you have without a plan B. There a no formulars for how you should lead your life, for how you can find out what you really want and then how to get it. But there are some tips that one can learn from the experience of others. And the most important thing is encouragement. Others have already done it, so why shouldn’t I?

Here’s what I tell my workshop participants: When you’re Dorothy and your goal is the Emerald City, you are willing to take any path to get there. Determination is like an iron fist in your gut. You will not be dissuaded from your dream because there’s a witch on the road, or flying monkeys overhead, or a forbidding guard between you and the Emerald City. You will never be one of those small-minded people who are content to stay forever in Munchkinland. You must be determined to get to the Emerald City or die trying. That’s what it takes to be successful.

Deutsche Zusammenfassung: Viele von uns fragen sich, ob das Leben, das wir leben, wirklich das ist, was wir wirklich wollen. Dieses Buch macht uns Mut, unser Leben zu verändern. Wir können eine zweite Karriere haben, einen neuen Job oder eine neue Liebe. Das zeigt uns BJ Gallagher mit den gesammelten Geschichten in diesem Buch.
Wir sollten immer etwas weiter gehen, als wir uns selbst zutrauen. Wir müssen die Herausforderung annehmen, sonst kommen wir nicht weiter. Es gibt kein Rezept dafür, wie wir erreichen können, was wir wollen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Andere haben es bereits geschafft, warum nicht auch wir?

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Esoterik Sachbuch

Rüdiger Schache – Die sieben Schleier vor der Wahrheit

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Sie liegen in einer Frühlingswiese, der Geruch von Gras, Blumen und Erde umgibt Sie und die Geräusche des Windes und der Insekten. Sie sind einfach nur glücklich. Eine Blume fällt Ihnen besonders auf. Der Kommentarmodus setzt ein: „Ach, ist diese Blume schön. Dieses Rot und die Blütenblätter. Fast so schön, wie die Blume, die ich letztes Jahr fotografiert habe … Obwohl … Man soll ja nicht vergleichen. Vergleiche sind nie gut … Jede Blume hat etwas …“

Wie so viele bin auch ich eher skeptisch eingestellt gegenüber Esoterik sowie Selbsthilfebüchern jeder Art und dieses Werk stellt eine Kombination aus beidem dar. Zum esoterischen Touch trägt auch das für mich äußerst Augenkrebs-haltige Layout bei, das mit kitschigen Symbolen glänzt. Der Body-Font erscheint mir jedoch äußerst attraktiv und passt auch sehr gut zur restlichen Aufmachung. Aus eigenem Antrieb hätte ich wohl kaum zu diesem Buch gegriffen, jedoch war ich bei der Lektüre dann positiv überrascht.

Das im ersten Zitat beschriebene Problem des Kommentarmodus kam mir sehr bekannt vor. Was Rüdiger Schache als „Schleier“ beschreibt, sind im Großen und Ganzen Verhaltensweisen, die wir unbewusst immer wieder absolvieren, obwohl sie uns in unseren Entscheidungen und unserem Leben eigentlich behindern und blockieren. Ebenfalls bekannt ist mir das folgende Problem des „Veränderungsmodus“:

Selbst, wenn sie sich vollkommen glücklich fühlen, wird der Verstand früher oder später ein (nur theoretisch denkbares) Problem in Erwägung ziehen, um einen Grund für Veränderung zu finden. Sie könnten an einem Palmenstrand im Paradies sitzen. Alles könnte exakt so sein, wie Sie sich den perfekten Ort und das perfekte Leben immer vorstellten. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Verstand über Veränderungen Ihrer Situation nachdenkt und ein Problem erschafft.

Die Gegenstrategien, die Rüdiger Schache empfiehlt, sind sicher nicht für jeden und bei jedem Problem anwendbar. Was dieses Buch jedoch leisten kann, ist, das Bewusstsein zu schärfen, für solche blockierenden Verhaltensweisen. Wenn einem während des Vorgangs bewusst wird, was gerade in einem wirkt, ist der Wunsch, etwas zu fotografieren, das man eigentlich einfach nur genießen könnte, vielleicht auf einmal nicht mehr so stark.

Wegweiser für Wünsche: Wenn Sie durch etwas, dem Sie folgen, auf Dauer an Energie, Motivation, Zufriedenheit und Stabilität gewinnen, wenn Ihr Leben durch einen Wunsch wirklich in Fahrt kommt und die Zweifel weniger werden, dann stimmt die Richtung.

Wer seine Bedürfnisse und Motivationen hinterfragt, wird in Zukunft offener durchs Leben gehen und es hoffentlich leichter haben, Entscheidungen über den Fortgang des Lebens zu treffen. Manchmal kann es helfen, die Zeit auf ganz traditionelle Weise totzuschlagen: indem man einfach in die Luft schaut und alles andere sein lässt.

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Sachbuch

Michael Haller – Das Interview

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Als Erstes sollte sich der Interviewer fragen: Was ist mein Thema: Ist es der abzuklärende oder zu kommentierende Sachverhalt, ist es die Person mit ihren Denkweisen und Handlungen – oder ist es eine in Bezug auf das andere?

Mit vielen Beispielen aus der Praxis versucht Michael Haller seiner theoretischen Abhandlung zum Thema „Interview“ einen spannenden Touch zu geben. Für mich als Österreicherin waren die ausführlichen Beschreibungen zum großen Spiegel-Interview tatsächlich neu. Allerdings muss man schon sagen, dass das Werk in seiner vierten Auflage schon etwas Staub angesetzt hat.

Haller versucht die Unterschiede zwischen den Medien Print, Fernsehen und Radio herauszuarbeiten und beschreibt die unterschiedlichen Aspekte der Interviewformen. Da ich selbst noch bisweilen Interviews durchführe und mir Tipps für die eigene Interviewpraxis erhofft habe, war ich jedoch etwas enttäuscht. Haller beschreibt zumindest ein Problem, das mir aus meiner Arbeit bekannt ist:

Schriftliche Interviews vermeiden: Amts- und Würdenträger, vor allem Staatspersonen und Potentaten verlangen mitunter, dass ihnen die ausformulierten Fragen im Voraus schriftlich zugestellt werden. Da befindet sich der Interviewer in einem Dilemma: Verweigert er dieses Begehren, muss er mit einer Rückweisung seiner Interviewbitte rechnen; geht er darauf ein, kommt kein Gespräch, sondern nur eine schriftlich geführte Fragebeantwortung zustande.

Eine Lösung für dieses Problem hat er jedoch nicht anzubieten. Sein Vorschlag, dem Interviewpartner nur eine „Themenliste“ anstatt einer „Fragenliste“ zukommen zu lassen, dürfte bei so manchem Bürgermeister nicht weiterhelfen. Oft bestehen diese überhaupt auf schriftlicher Beantwortung der Fragen per E-Mail, ein Problem, das in Hallers Universum scheinbar noch nicht existierte.

Wer sich für die Geschichte des Interviews und Beispiele aus der – etwas älteren – Praxis erwärmen kann, wird an diesem Werk zumindest kurzfristiges Vergnügen finden, als Hilfe für die praktische Durchführung ist es bestenfalls für Anfänger geeignet.

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Sachbuch

Martin Geck – Wenn der Buckelwal in die Oper geht

Man kann solche und ähnliche Gags nicht ständig wiederholen; doch Haydn liebt es, sie als sein Markenzeichen immer wieder einmal anzubringen: Sie sind Ausdruck eines Humors, von dem noch der Romantiker Jean Paul schwärmte. Dieser lebte in einer Zeit, als unkonventionelle Anfänge bereits das A und O aller Literatur waren. Ein Dichter tut sich damit freilich auch leichter als ein Komponist.

Wenn ein Professor der Musikwissenschaft sich hinsetzt, um ein Buch zu schreiben, erwartet man zweifellos eine trockene Abhandlung über Musiktheorie oder die langgezogene Biographie eines Komponisten. Martin Geck hat zwar auch eine Mozart-Biographie verfasst, wenn er diese aber in dem gleichen liebevoll ironischen Ton verfasst hat, wie seine „Variationen über die Wunder klassischer Musik“, kann es sich dabei nur um ein ausgesprochen amüsantes Werk handeln.

Viele professionelle Musikkritiker machen es freilich nicht besser: Während man anlässlich einer Kunstausstellung über die Bilder berichtet, interessieren an einer Opernpremiere vor allem Sänger und Regiekonzept.

Dabei balanciert Geck stets zwischen der Bewunderung der unterschiedlichen Techniken der Komponisten sowie der ironischen Betrachtung deren Eigenheiten. Dabei vergisst er jedoch nicht auf pointierte Analysen der behandelten Genres (exemplarisch sei hier die Variation „Nachtwandlerinnen der Liebe – Boudoir und Bordell in der Oper“ genannt). Dass es ihm gleichzeitig auch noch gelingt, die Musikkritiker und deren lückenhafte Analyse der Werke auf die Schippe zu nehmen, ohne dabei vom Weg abzukommen, gleicht einem Drahtseilakt.

Wenngleich das alles mit einem Kulturbetrieb zusammenhängt, der sich auf Weiteres nicht verändern lässt, schreibe ich unbeirrt dagegen an – und dies in der Überzeugung, dass mehr von Musik hat, wer sie nicht nur selbst macht oder hört, sondern sich mit ihr auch gedanklich auseinandersetzt.

Aber über all der Kritik, die Geck sowohl Komponisten als auch allen anderen an musikalischen Werken Beteiligten angedeihen lässt, bleibt das alles beherrschende Gefühl stets die Liebe zur Musik, wie aus dem letzten Zitat deutlich hervorgeht. In der letzten Variation bezeichnet er die Musik unter anderem als Sprache der Engel und führt aus, was sie aus Menschen machen kann, wenn man ihr nicht nur mit offenem Ohr, sondern auch mit offenem Herzen lauscht. Und so ist dieses Werk auch nicht nur für Musiktheoretiker zu empfehlen, sondern jedem, der sich an der intelligenten Auseinandersetzung mit Musik ebenso erfreuen kann wie an der Musik selbst.

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Sachbuch

Daniel Graefen – Farbmanagement

Mit Farbmanagement beschäftige ich mich in meiner täglichen Arbeit als Grafikerin natürlich immer wieder. Die Arbeit an verschiedenen Objekten, die auf unterschiedlichem Papier mit unterschiedlichen Druckmethoden aufs Papier gebracht werden, macht das ständige Wechseln der Farbprofile notwendig. Ein durchgängiges Farbmanagement ist da beinahe unmöglich, das Vermeiden von Fehlern erfordert höchste Aufmerksamkeit.

Da erhoffte ich mir von diesem Buch etwas Einblick in die theoretische Welt der Farbprofile mit der Möglichkeit, den eigenen Workflow anhand dieser gewonnenen Informationen verbessern zu können. Dass diese Hoffnung nicht erfüllt werden konnte, ist jedoch nicht in erster Linie Daniel Graefen anzulasten. Er bemüht sich redlich, anhand der in der Grafikbranche üblichen Programme die Techniken zu verdeutlichen, mit denen der Workflow möglichst farbecht gestaltet werden kann. Schwierig macht es natürlich die ständig fortschreitende Entwicklung der Programme. Das Buch basiert auf Adobe CS2 und den anderen damals gängigen Programmen (auch XPress und Freehand werden besprochen). Da hat sich bis zur heutigen CS4 schon so einiges geändert.

Weiters konnte ich einfach nicht viel Neues finden, neue Erkenntnisse zu erwarten, wenn man seit fast zehn Jahren in dieser Branche arbeitet, war wohl einfach zu viel verlangt. So manches Kapitel würde ich hingegen gerne den Leuten zum Lesen geben, mit denen ich in der Branche oft zusammenarbeiten muss. Viele verstehen selbst nach mehrmaligem Erklären den Unterschied zwischen RGB und CMYK nicht und das kann für den Grafiker/die Grafikerin zum wiederkehrenden Ärgernis werden. Für diese Laien greift das Buch jedoch viel zu weit. Es stellt sich also die Frage, für wen das Buch eigentlich gedacht war. Des Weiteren lässt sich wohl das meiste zum Thema mit ein wenig Recherchearbeit aus dem Internet lernen. Daher bleibt nichts anderes übrig, als dieses Werk in die Kategorie „Verzichtbar“ einzuordnen.

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Sachbuch

Roger Penrose – Computerdenken

Der Mathematiker erfindet nicht, er findet. Sicher muss er, wenn er kreativ ist, auch sehr viel erfinden. Er muss sinnvolle Fragen ersinnen, er muss ein geeignetes begriffliches und methodisches Instrumentarium entwickeln, und er muss geschickte Premissen formulieren. (Dieter Wandschneider im Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe)

Wer sich nach dieser Einleitung fragt, was dass den eigentlich nun mit Computern zu tun hat, liegt vollkommen richtig. Vielmehr begibt sich Roger Penrose in seinem Werk auf den Spuren von Douglas Hofstaedter auf eine Reise durch Mathematik, Physik und andere Gebiete der Wissenschaft um im letzten Kapitel scheinbar losgelöst auf die Frage des menschlichen Bewusstseins zurückzukommen.

Wie ich schon bei der Lektüre von Gödel, Escher, Bach feststellen musste, fällt es mir als Nicht-Mathematiker schwer, die komplizierten Formeln zu verstehen, mit denen sich die Experten so gern auseinandersetzen. Penrose betont in seinen Ausführungen immer wieder, dass der Leser, der sich mit den vielen Gleichungen nicht so wohl fühlt, diese einfach überspringen möge. Ich meine mich zu erinnern, dass er irgendwo auch meinte (leider kann ich die Stelle nicht mehr finden), dass die Gleichungen zum Verständnis der Theorien nicht unbedingt notwendig seien. Dann stellt sich jedoch die Frage, warum er sie überhaupt einschließt. Mir kam eher der Gedanke, dass es möglicherweise zum Verständnis beitrüge, wenn Penrose sich hin und wieder mal die Mühe gemacht hätte, die Variablen in seinen Gleichungen durch tatsächliche Werte zu ersetzen, um zu erklären, was die Ergebnisse eigentlich aussagen. Nur durch Variablen lässt sich einem Nicht-Mathematiker kaum Verständnis für die komplizierten Theorien einhämmern.

Demnach würde jede Möglichkeit in irgendeiner riesigen Superposition koexistieren. Das ist gewiss kein besonders sparsames Modell; aber meine eigenen Einwände dagegen entspringen nicht seinem Mangel an Ökonomie. Insbesondere sehe ich nicht ein, warum ein bewusstes Wesen nur „eine“ der Alternativen in einer linearen Superposition wahrnehmen soll. Welcher Wesenszug des Bewusstseins verbietet, dass man sich jener qualvollen Linearkombination einer toten und einer lebenden Katze „bewusst“ sein kann?

In einem ausgedehnten Kapitel, das Penrose bewusst „Quantenmagie und Quantengeheimnis“ betitelt, befasst er sich mit den unterschiedlichen Existenzformen des Universums und natürlich in diesem Zusammenhang mit Schrödingers Katze. Hier scheint es ihm ausnahmsweise zu gelingen, das grundsätzliche Konzept des Experiments zu verdeutlichen, wenn auch die Ergebnisse etwas vage bleiben, weil es schlicht zu viele unbeantwortete Fragen zu diesem Thema gibt.

In den letzten Kapiteln beschäftigt sich Penrose dann mit dem menschlichen Gehirn. Wie sind unsere Gehirne aufgebaut, wie funktionieren Nervensignale? Manche Experimente lassen es einem kalt den Rücken herunterlaufen: Bei so genannten „Split-Brain-Experimenten“ wurde Probanden der Balken durchtrennt, sodass die rechte und linke Gehirnhälfte nicht mehr miteinander kommunizieren konnten. Dies wurde damals als Versuch der Therapie einer sehr schweren Epilepsie betrachtet. Penrose wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob diese zwei getrennten Gehirnhälften nun unterschiedliches Bewusstsein haben. Die ausführliche Diskussion dieses Themas findet sich ab Seite 374.

In den frühen Siebzigerjahren tauchte in der wissenschaftlichen Literatur die Behauptung auf, man habe in der Sehrinde eines Affen eine Zelle entdeckt, die nur reagiere, wenn auf der Netzhaut das Bild eines Gesichts registriert werde. Aufgrund solcher Informationen wurde die „Großmutter-Zellen-Hypothese“ formuliert: Demnach sollte es bestimmte Zellen im Gehirn geben, die nur ansprechen, wenn die Großmutter der Versuchsperson ins Zimmer tritt!

Aus heutiger Sicht gesehen kann – bewusst provokativ formuliert – auch diese „Großmutter-Zellen-Hypothese“ nichts mehr über Bewusstsein aussagen. Die Gesichtserkennung in iPhoto mag Menschen mit schlechtem Personengedächtnis schon heute überlegen sein. Spannend ist in dieser Hinsicht auch die damalige Annahme, noch zu entwickelnde „Parallelcomputer“ würden in der Lage sein, das menschliche Gehirn in seiner Gesamtheit abzubilden. 20 Jahre später haben Computer mit dieser Fähigkeit noch nicht das Licht erblickt und das obwohl wir inzwischen über QuadCore-Prozessoren verfügen und die Entwicklung in diesem Bereich stetig voranschreitet.

Ich möchte auf ein Problem zurückkommen, das in diesem Buch über weite Strecken ein Grundthema bildet. Reicht unser Bild einer Welt, die den Regeln der klassischen Physik und der Quantentheorie gehorcht – und zwar so, wie diese Regeln gegenwärtig verstanden werden –, wirklich aus, das Gehirn und den Geist zu beschreiben?

Erst auf den letzten Seiten lässt sich erkennen, welchen Zusammenhang Penrose tatsächlich zwischen all diesen Gebieten der Wissenschaft, denen er sich im Laufe seines Werkes zuwendet, sieht. Um den geneigten Leser auf Kurs zu halten, wären ausführlichere Überleitungen zwischen den Kapiteln sinnvoll gewesen. Wie bereits oben erwähnt, wandelt Penrose sichtlich in Hofstaedters Fußstapfen, es fehlt ihm aber die Leichtigkeit und der Humor, mit der Hofstaedter seine Themen zu würzen weiß. Eine Beschäftigung mit Penroses Werk möchte ich also nur all jenen ans Herz legen, die tatsächlich ein wissenschaftliches Interesse an den besprochenen Themen haben und auch mit trockenem Lesestoff ihre lange Freude haben.