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Bildband Sachbuch

Maria-Andrea Riedler – Das alte Stockerau

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Kürzlich habe ich selbst einen Geocache versteckt und veröffentlicht, es soll der Start einer neuen Reihe werden. Im Zuge dessen kommt es hier erstmals zu einer umgekehrten Verknüpfung meiner beiden Hobbies Lesen und Geocaching: Ich habe mir Bücher ausgeliehen, um für zukünftige Geocaches meiner Reihe zu recherchieren. Dabei verschlug es mich in eine Abteilung der Hauptbücherei, deren Existenz mir nicht mal bewusst war: es gibt Abteilungen mit Büchern zu allen Bundesländern Österreichs und in der Abteilung zu Niederösterreich fand ich neben vielen Büchern über die Wachau und andere bekannte Gegenden tatsächlich auch zwei Bücher über meine Heimatstadt Stockerau. Mit dem ersten befassen wir uns in diesem Post.

das Konvikt in Stockerau, ein gelbes Haus mit weißen Verzierungen, rechts halten zwei Hände ein Buch ins Bild, auf dem dasselbe Gebäude zu sehen ist
Das Konvikt in Stockerau, zwischen 1894 und 1896 als Schülerheim errichtet, heute als Internatsgebäude für die Berufsschule für KFZ-Technik genutzt.

Das Buch besteht hauptsächlich aus alten Stadtansichten, die damals als Ansichtskarten produziert wurden. Jedes Bild ist mit einem kurzen Text versehen, am Anfang des Buchs befindet sich ein Geleitwort des zum Zeitpunkt der Erscheinung (2016) amtierenden Bürgermeisters Helmut Laab und eine Chronik mit wichtigen Daten der Stadt. Das Geleitwort möchte ich deshalb erwähnen, weil ich durch weiterführende Recherche eine bei mir seit ewig falsch abgespeicherte Information korrigieren konnte: Der Stockerauer Kirchturm ist tatsächlich der höchste von Niederösterreich (Platz 9 in der Liste der höchsten Sakralgebäude Österreichs, ich hatte immer gedacht, es wäre der Zweithöchste) und Mariazell liegt in der Steiermark.

Stadtansicht von Stockerau mit zwei Kirchtürmen und einem markanten Gebäude mit Kuppel am rechten Bildrand, im Vordergrund ein Buch, das eine alte Ansicht desselben Orts zeigt, auf dem diese drei Gebäude erkennbar sind
Stockerau, Kreuzung von Hauptstraße, Stögergasse und Grafendorferstraße, heute geregelt als Kreisverkehr mit einem Brunnen in der Mitte

Der Kirchturm ist tatsächlich ein weithin sichtbares Gebäude, das viele Stadtpanoramen entscheidend prägt (damals wie heute). Die Ansicht von der Eduard-Rösch-Straße aus mit den beiden Kirchtürmen und dem markanten Gebäude, das in meiner Jugend noch das Café Wimmer war und heute einen Optikfachbetrieb beherbergt, ist heute wieder etwas näher an die Ansicht von damals gerückt. Seit 2020 regelt hier ein Kreisverkehr statt einer Ampel den Verkehr, was unter anderem deshalb interessant ist, weil es sich um die „älteste Ampelregelung Niederösterreichs“ gehandelt haben soll (eindeutige Belege dafür konnte ich nicht auftreiben).

Es gibt aber auch viele andere Gebäude, die schon mehr als 100 Jahre bestehen. Zusammen mit dem Fotografen habe ich bereits einige dieser Gebäude besucht und deren heutige Ansicht mit der im Buch dargestellten verglichen. Der Fotograf machte mich außerdem darauf aufmerksam, dass die im Buch abgebildeten Ansichtskarten großteils wohl hand-coloriert sind, also eine Schwarz-Weiß-Fotografie, auf die nachher Farbe aufgemalt wurde. Im Zuge weiterführender Recherche hat der Fotograf dann die Ansichtskarten-Datenbank der Österreichischen Nationalbibliothek gefunden, die auch Material zu Stockerau enthält.

Jahn-Turnhalle, erbaut 1884, davor halten zwei Hände ein Buch ins Bild, auf dem dasselbe Gebäude zu sehen ist
Automobilmuseum Stockerau, erbaut 1884 als Jahn-Turnhalle

Andere interessante Erkenntnisse:

alte Ansichtskarte mit einem Stadtpanorama von Stockerau mit dem Turm der Stadtpfarrkirche, im Vordergrund die Häuserzeile der Pampichlerstraße
Panorama mit Pfarrkirche, Stockerau, 275m Seehöhe, N.-O e., Pampichlerstraße Quelle: Österreichische Nationalbibliothek http://data.onb.ac.at/AKON/AK046_248
  • Stockerau hat eine Vergangenheit als Industriestadt, die Maschinenfabrik Heid war mir schon in meiner Kindheit ein Begriff. Einen Überblick über diese Industrievergangenheit bietet unter anderem der Adventure Lab Cache Industriestadt Stockerau.
  • Die heutige evangelische Pfarrkirche war zu Beginn eine Synagoge. „1938 wurde die Synagoge der evangelischen Gemeinde zur Religionsausübung zugewiesen, entsprechend umgestaltet und in Lutherkirche umbenannt.“
eckiges Kirchengebäude mit Turm in der Mitte, über dem Haupteingang ein großes Holzkreuz, links vor der Kirche steht ein Straßenschild mit dem Namen „Friedensplatz“ in mehreren Sprachen
Lutherkirche in Stockerau, erbaut ursprünglich als Synagoge
  • Auf allen Bildern von Straßen und Plätzen in der Stadt fällt eines deutlich ins Auge: keine Autos! Auf einem Bild des Sparkassaplatzes gehen kreuz und quer Menschen spazieren, eine Aufteilung in Straße/Parkplätze/Fußgänger:innenwege gibt es nicht. Dasselbe gilt für die Aufnahmen vom Rathausplatz (der heute hauptsächlich als Parkplatz genutzt wird). Nur einzelne Pferdefuhrwerke sind auf den Bildern zu sehen.
alte Postkartenansicht, Rathautplatz in Stockerau mit Dreifaltigkeitssäule, heute ist dieser Platz ein Parkplatz, damals kein einziges Auto zu sehen
Rathaus mit Dreifaltigkeitssäule, Stockerau, N.-Oe. Quelle: Österreichische Nationalbibliothek http://data.onb.ac.at/AKON/AK021_121
  • Auf einem Bild ist deutlich ersichtlich, dass Stockerau 1913 einen schiffbaren Donauarm hatte. Es gab in Stockerau einen Donauhafen direkt neben dem heutigen Bahnhof! Ein Bild aus dem Jahr 1930 zeigt die heute an den Eisenbahngleisen endende Brücke (die Gleise dürften damals nicht über Stockerau hinaus geführt haben) mit einem Mauthäuschen.

Brücke mit Bögen links und rechts, die Brücke endet an Eisenbahngleisen, im Hintergrund ist der Kirchturm von Stockerau zu sehen, vorne hält eine Hand ein Buch in das Bild, in dem zwei alte Ansichten der Brücke zu sehen sind

Das zweite Buch zu Stockerau beschäftigt sich mit dem Zeitraum 1930–1960. Bin schon gespannt, ob es mich auch so lange beschäftigt wie dieses.