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Roman

Franziska Stalmann – Champagner und Kamillentee

Champagner (c) mocbog/SXC

„Sie heißt ,Bleib gesund’“, sagte ich und rang mich dazu durch, schonungslos die Wahrheit zu sagen. „Es ist eines von diesen komischen Blättchen, die man in der Apotheke mitnehmen kann. Aber sie zahlen mir tausend Mark im Monat, und ich kann schreiben, was ich will, wenn es nur spannend ist, und sie haben immerhin eine Auflage von einer Million. Und ich lerne sehr viel dabei“, fügte ich hinzu, in der Hoffnung, Elisabeth würde die Vorteile gegen die Unseriosität abwiegen und mich nicht allzu sehr verachten.

Viel mehr Spezielles oder Erwähnungswertes gibt es leider zu diesem Roman nicht zu sagen. Diese Beschreibung des neuen Arbeitgebers der Protagonistin Ines erinnert mich persönlich an einen vergangenen Arbeitgeber, weshalb ich dieser Sichtweise etwas abgewinnen kann. Das mag jedoch auf die wenigsten zutreffen, daher ist dies wohl ein Frauenroman wie so viele andere.

Eine fest in ihrem gemütlichen Leben stehende Frau wird aus der Bahn geworfen, von ihrem Mann verlassen und muss ihr Leben neu ordnen. Sie landet letztendlich ganz unten und muss sich von dort wieder aufrappeln. Zuerst geht alles schief, dann wendet sich das Blatt und das Schicksal scheint sich („endlich!“ will man ausrufen) auf ihre Seite zu schlagen. Jeder Schritt, den sie vorher nach unten getan hat, klettert sie in weiterer Folge wieder hinauf. Bis zum großen Herzschlagfinale, das ihr Leben wiederum aus der Bahn wirft. Wieder mal ein Beispiel für die sommerliche Strandlektüre.

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Fantasy Roman

Terry Pratchett – Total verhext

Windrad HDR

Sie meinten, eigentlich gäbe es gar keine Realität, über die man mehr herausfinden könnte, und das mit der permanenten Unwirklichkeit sei sehr aufregend. Und wußten Sie, dass überall kleine Universen existieren, die wir nur nicht sehen können, weil sie in sich selbst gekrümmt sind? Übrigens, gefällt Ihnen dieses T-Shirt?

Hach, wieder mal ein Ausflug in die heile Welt der Scheibenwelt. Erstmals hatte ich hier einen Roman aus dem Hexenuniversum, der sich auf die humorvollste Weise mit dem Thema Märchen beschäftigt. Tiere nehmen menschliche Gestalt an, wenn man sie nur intensiv genug glauben lässt, sie wären etwas anderes als ihre Gestalt ihnen vermittelt. Kater werden so zu Zorro-Gestalten und Hexen zu Prinzessinnen.

Wie wir es von Pratchett kennen, nimmt die Geschichte allerlei spaßige Wendungen und Umwege, bevor überhaupt klar wird, worauf es hinausläuft. Oma Wetterwachs gelingt schließlich der Sieg gegen ihre Schwester Lily Wetterwachs, die sich einen Spaß daraus macht, im Märchenuniversum herumzupfuschen und die Geschichten zu neuen Kombinationen zu verweben. Ebenso bleiben immer Fragen offen, die Platz für eigene Interpretation lassen.

Unter dem Tisch hockte Greebo und leckte sich die Pfoten ab. Manchmal rülpste er leise.
Vampire stehen von den Toten auf. Sie kehren aus Gräbern und Grüften zurück, aber nicht aus dem Magen eines Katers.

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Krimi Roman

Donna Leon – Venezianische Scharade

Neustiftgasse 05:18 (Cam+, So Emo)

Padovani öffnete fast augenblicklich und streckte Brunetti die Hand entgegen. Sein Händedruck war fest und warm, er zog Brunetti ins Haus. „Komm aus der Hitze. Ich muss verrückt sein, jetzt nach Rom zurückzufahren, aber wenigstens hat meine Wohnung dort eine Klimaanlage.“

Commissario Brunetti ist diesmal auf der Suche nach dem Mörder eines Transvestiten und begibt sich zu diesem Zwecke selbst ins Rotlichtmilieu. Aber nicht nur die Untiefen des venezianischen Prosituiertenmilieu bergen Hinweise, schließlich landen die Ermittlungen eher in hohen Finanzkreisen. Brunettis Familie urlaubt einstweilen in den kühleren Bergen. Soviel zudem. Ein typischer Brunetti?

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Krimi Roman

Werner Kopacka, Thomas Schrems – Zuadraht

Uhr vor dramatischem Wolkengebilde im Kurpark Oberlaa

„Ich weiß. Man weiß nie. Noch ein kleiner Tipp, Herr Leimböck. Treiben Sie den Stocker nicht schon zu Beginn in die Enge. Sonst schlägt er blindlings um sich und spielt wider jede Vernunft. Er ist einer, der jederzeit zudreht, auch ohne Atout.“

Hier präsentiert sich also ein österreichischer Krimi, der nicht nur in Graz spielt, sondern auch mit tief verwurzelten österreichischen Eigenheiten. Wenn man will, kann man in diesem Werk ebenso eine Parabel auf die Neidgesellschaft, die in unserem Land ja so tief verwurzelt ist, sehen. Oder man sieht einfach nur einen spannenden Krimi mit Option auf Fortsetzungen.

Als Gegenpole stehen sich der Kriminalkommissar Leimböck und der Mörder Hofer gegenüber, dem Leser wird von Anfang an nicht vorenthalten, was den Verbrecher antreibt: Persönliche Rachegelüste haben ihn einen komplizierten Plan entwickeln lassen, der auch lange problemlos funktioniert. Beide zeichnet in ihren Gedanken ein ständiger Bezug zum Kartenspiel aus, eine Grundkenntnis der Regeln des Schnapsens ist für den Leser von Vorteil, um diese Feinheiten auch ausreichend würdigen zu können.

Eines Tages wird der mächtigste Mann der Welt Schwarzenegger heißen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Ich bin auch überzeugt davon, dass das Außergewöhnliche, das in ihm steckt, etwas mit dem Ort zu tun hat, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist. Der befindet sich nur wenige Kilometer außerhalb von Graz. Zu meinem Glück. Man könnte fast sagen, dass das Dorf Thal ein Vorort von Graz ist.

Es ließe sich auch argumentieren, dass sich hier deutlich die Spuren amerikanischer Krimiserien abzeichnen: eine „Profilerin“ aus Wien wird dem Kommissar Leimböck zur Seite gestellt, wäre dies ein Film, würde sie wohl einer der Damen aus Criminal Minds ähnlich sehen. Gleichzeitig verwässern diese Elemente nicht das österreichische Flair, es bleibt stets alles auf dem Boden der Tatsachen. Der tiefe psychologische Blick in die Motive und damit in die Seele des Mörders ergibt auf dem Papier eine ebenso spannende Wirkung wie in den erwähnten amerikanischen Serien.

Für Krimifreunde stellt dieses Werk in jedem Fall eine interessante Abwechslung dar, abseits von den bekannten Mustern eines Brunetti oder Wallander. Das Buchcover (der Paperback-Ausgabe) ist leider nicht so gelungen wie der Roman …

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Roman

Thomas Stangl – Ihre Musik

Klagenfurt

Ich erkenne nichts Eigenes in dem Zimmer, nur die ineinander übergehenden, ineinander auslaufenden Räume, der Wohnraum und das Schlafzimmer so langgezogen und leer wie der Vorraum, keine Bücher, keine Zigaretten und Aschenbecher, keine Kugelschreiber, keine Notizen; Worte und Beschreibungen, Verdopplungen und Verschiebungen halten diese Figur nicht mehr zusammen.

Dieser Schreibstil, der Gedanken abbildet: furchtbar anstrengend zu lesen, aber ganz besonders beliebt bei (selbst ernannten) Literaturkritikern. Es entfaltet sich so schnell, dass man sich irre konzentrieren muss und doch passiert fast nichts (zumindest nichts Konkretes). Vieles bleibt der Interpretation des Lesers überlassen. Die Entfaltung der Gedanken ruft zur Entfaltung der eigenen Gedanken auf.

Sie steht in der Mitte des Bahnsteigs, lang bevor der Zug einfährt. Ihre Haut ist durchscheinend, sie bewegt ganz leicht, wie zu einer nur für sie hörbaren Musik (da sind nur dann und wann die verschiedensprachigen Unterhaltungen um sie, unverständliche Lautsprecherdurchsagen, Möwenschreie vom Himmel her), die Hände, als würde sie die Falten eines unsichtbaren weißen Kleides vor ihren Schenkeln glätten, sie weiß jetzt, wie es ist, nicht mehr da zu sein.

Genau genommen könnte man diesen Roman auch kriminalistisch analysieren. Die Spaziergänge führen durch die Wiener Leopoldstadt und auch mal darüber hinaus. Wer die Gegend kennt, kann viele der erwähnten Plätze wieder erkennen und möglicherweise den Wegen der Protagonistin folgen.

Im Augarten sind jetzt schon die Krähen angekommen und legen jeden Abend und jeden Morgen einen dichten schwarzen Schleier und aus vielfältigen Klängen gewebte mächtige Schallteppiche über die kahl werdenden Bäume und die Kieswege, sie geht außen an der Mauer entlang und dann an immer schäbiger werdenden Läden vorbei die Taborstraße bis zum Ende hoch.

Auch ich habe einen neuen Blick gewonnen: auf den Teil des Donaukanals an der Hollandstraße, den ich so oft auf dem Weg zur Arbeit sehe. Man sollte sich wohl öfter mal hinsetzen und die Stadt und das Leben wirklich wahrnehmen anstatt nur daran vorbeizulaufen.

Die Stufen und die Zillen (wenn sie hinuntergeht, die Hollandstraße entlang und nach der Ampel die Treppe am Kanal abwärts, Schritt für Schritt, ans Geländer gestützt, schwer atmend) sehen aus wie sie vor über sechzig Jahren ausgesehen haben; als wäre nichts geschehen, sie weiß jetzt, dass nichts geschehen ist und die unberührte Welt keinen Halt bietet, die Haut der Dinge ist ohne Erinnerung wie ihre eigene Haut ohne Erinnerung ist, keine Empfindung zurückbehalten hat.

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Klassiker Roman

Benito Perez Galdos – Dona Perfecta

Himmel

Man sah nichts. Aber wer in Gedanken versunken ist, sieht alles, und Rey, dessen Augen sich in die Finsternis bohrten, sah zu, wie sich auf ihr die verworrene Landschaft seiner Missgeschicke abzuzeichnen begann. Die Dunkelheit gestattete es ihm nicht, die Blumen der Erde zu sehen und auch nicht die Sterne, die Blumen des Himmels.

Totale Vernichtung. Eine Familientragödie epischen Ausmaßes. Auf heutige Beziehungsprobleme umgelegt, macht dieses Drama schlicht einen seltsamen Eindruck. Wer kann sich heute vorstellen, sich in einen Menschen zu verlieben nur aufgrund der Optik und ein paar gesagten Nettigkeiten? Und dann diese Liebe so zu überhöhen, dass sich beide Partner ins Unglück stürzen. Es erinnert nahezu an Romeo und Julia. Nebenbei steht der Vater der unglücklichen Tochter, der hilf- und ahnungslos mitansieht, wie seine Frau die Liebe der Tochter sabotiert und diese Tochter schließlich wegen des Todes ihres Angebeteten im Irrenhaus landet. Auch für die Nebenfiguren geht die Geschichte nicht gut aus.

Gesellschaftliche Dramen sind in ihrer Intensität und Ausprägung von den zeitlichen Rahmenbedingungen abhängig und doch erkennt man die Motive wieder. Unerfüllte Liebe, die Familie ist nicht einverstanden mit dieser Liebe, Aufstand/Revolution verhindern außerdem das Liebesglück. Im Großen und Ganzen finden sich dann wahrscheinlich doch spannendere Romane zum selben Thema. Verzichtbare totale Vernichtung.

Damit sind wir am Ende. Das ist alles, was wir für den Augenblick von den Menschen sagen können, die gut erscheinen und es nicht sind.

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Roman

Philippe Dijan – Erogene Zone

Berlin

Dieses Mädchen, wenn es einen anlächelt, dann hat man das Gefühl, ihre Augen verfärben sich, und ich bin in diese Vorgänge regelrecht verliebt, auch wenn mich das zu einer leichten Beute macht, sagen wir so, ich trage mein Kreuz.

Es könnte sich autobiographisch anfühlen, oder wie eine Hommage an Bukowski. Ein arbeitsloser Schriftsteller schlägt sich durchs Leben, das sich als eine Abwechslung von Schreibphasen mit Nichts-Tun-Phasen entfaltet. Bier und Zigaretten sind in jeder Phase mit dabei. Frauen bestimmen immer wieder seine Gedanken, letztlich steht er vor der Entscheidung zwischen seinem Roman und einer Frau. Der Ich-Erzähler zeigt sich als zielloser Herumtreiber, der nicht weiß, was er vom Leben will. Auch die Partynächte scheinen ihm keinen großen Spaß zu bereiten, die schönen Erlebnisse existieren nur in seiner Vorstellung.

Ich schwitzte und schnatterte zugleich, jetzt einfach ins Wasser gehen und danach in aller Ruhe nach Hause schlendern, ein Handtuch über den Schultern, ich hätte wer weiß was dafür gegeben, nur einmal das Gleiche tun können wie alle anderen auch, unter die Dusche springen und widerlich nach Sonnenöl riechen.

Es hat ein bißchen den traurigen Beigeschmack der Weiterentwicklung des Lebens. Selbst wenn das Leben nur aus Parties besteht, macht einen das nicht langfristig glücklich. Ein bißchen wie der Geschmack im Mund nach einer durchfeierten Nacht. Man kann sich damit identifizieren, aber es ist nicht unbedingt ein angenehmes Gefühl.

Und zu guter Letzt wieder Mal Kerouac. Es ist wie bei einer dieser Apps, die Musikverwandschaften darstellen (mein aktueller Favorit Discovr am iPad). Man kann durch drei Klicks von den Rolling Stones zu den Foo Fighters kommen. Kerouac ist der Kevin Bacon unter den Autoren.

Das Mädchen warf ihm einen wütenden Blick zu, bevor sie sich über ihre Spaghetti hermachte, und bis zum Ende der Mahlzeit ignorierte sie ihn völlig. Sie redete in einem fort, und ich rauchte und hörte mit halbem Ohr zu, ich bekam mit, dass sie in Ferien waren und dass sie drei volle Tage für 250 Kilometer gebraucht hatten, das sind vielleicht alles Arschlöcher hier in der Gegend, sagte sie, sowas hab ich noch nie erlebt, die letzten 200 Kilometer haben wir hinten auf der Ladefläche von ‘nem LKW verbracht, auf Kartoffelsäcken, so eine Scheiße, ich frag mich, wie Kerouac das gemacht hat.

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Biografie Sachbuch

Martin Gregor-Dellin – Richard Wagner

Kugelflower

Wagner ging auf den Fluchtplan ein, und Abraham Müller, dieser wunderliche Königsberger Mephisto, den ein Faustus-Autor in Wagners Lebensgeschichte hineingeschmuggelt zu haben scheint und der daraus alsbald für immer verschwinden wird, reichte ihm noch einmal hilfreich die Hand.

Lebensgeschichten sollten eigentlich eine spannende Materie sein und ich finde es immer wieder interessant, in das Leben eines „echten Menschen“ einzutauchen anstatt in die Gefühlswelten von Romanfiguren. Leider gerät Martin Gregor-Dellins Beschreibung der Lebenswelt Richard Wagners über alle Maßen trocken. Poetische Anwandlungen wie das folgende Zitat mischen sich nur äußerst spärlich in die detaillierte Beschreibung der Lebenswelt des Komponisten.

Die Seligkeit solcher Produktivität spannte ihn wie einen Bogen. Das Bewusstsein zu leben griff so tief in ihn, dass er sich vorkommen musste wie mit leerem Magen vor einer brechend vollen Tafel.

Man fragt sich unvermittelt, wie intensiv der Autor in das Leben des Autors eintauchte. Immer wieder ergibt sich der Eindruck, die Freunde des Komponisten wären ihm schon persönliche Freunde geworden. Zeitgenossen wie Friedrich Nietzsche und Thomas Mann webt er in die Geschichte ein, als würden sie täglich bei ihm zum Kaffee vorbeikommen.

Doch nicht das war das eigentlich Neue am Lohengrin. Wenn Thomas Mann schwärmend von der blau-silbernen Schönheit der Lohengrin-Musik sprach, so bezeichnete er damit unbewusst den Schritt vom Tannhäuser zum Lohengrin: die Entdeckung der Farbe. Wagner erschloss sich die koloristische Dimension der Musik und der Instrumentierung.

Für Gregor-Dellin scheinen nicht nur Wangers musikalische Ergüsse den Maßstab darzustellen. Auch seine Aufzeichnungen zur Gestaltung des Theaters an sich kommen ausführlich zur Sprache. Wagner war offenbar nicht nur ein genialer Komponist sondern gleichfalls ein Bühnen-Perfektionist in einer Art und Weise, die Stanley Kubrick Jahrzehnte später auf seine Filme anwandte. (Kürzlich hörte ich die Anekdote, dass er einen geplanten Film vor seinem Tod nicht mehr drehen konnte, weil er unbedingt mit dem Setting angemessenem Kerzenlicht drehen wollte und es damals keine Kameratechnik gab, die seinen Ansprüchen genügte. Er gab dafür die Entwicklung einer Speziallinse in Auftrag und wollte mit dem Film warten, bis seine Vorstellungen technisch umgesetzt werden konnten.) Auch Wagners Bühnenkonstruktionen dürften die Maßstäbe der damaligen Zeit sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in ihrer Dimension gesprengt haben.

Erstaunlich ist nur, wie unbemerkt ihm blieb, dass er die Utopie verfehlte: er schuf gar nicht das Drama der Zukunft, das eine griechische Klassik evoziert, sondern episches Theater. Seine Helden sind nicht eigentlich Dramenfiguren, das unterscheidet ihn sehr von Shakespeare und Verdi.

Und dann finden sich bisweilen auch noch Perlen, die direkt einem Standard-Artikel, der sich mit der experimentellen Inszenierung einer Wagner-Oper beschäftigt, entstammen könnten.

Der große Vergessenmacher seiner selbst erneuerte sich aus dem, was andre längst vergessen hatten, und stellte sich aus den Antagonismen seines Lebens stets wieder her zu lebenden Bildern aus Ästhetik, Philosophie und Politik: zur gefälligen Bedienung. Die dogmatischen Wagnerianer waren desavouiert, bevor sie noch recht Tritt gefasst hatten.

Und ich möchte nicht verhehlen, dass ich angesichts dieses langatmigen Werkes wieder mal Verständnis empfinde für die Internetgeneration, die selten etwas Längeres als durchschnittliche Wikipedia-Artikel liest. Biografien eignen sich wohl kaum als Material für Leseeinsteiger.

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Roman

Kurt Vonnegut – Cat’s Cradle

Regen im Wiener Prater, Regenschirme, Riesenrad, Atmosphäre

„That’s why she married him. She said his mind was tuned to the biggest music there was, the music of the stars.“ He shook his head. „Crap.“

I guess „Cat’s Cradle“ can be called an American classic. It starts as an attempt to write a strange biography about the so called father of the atomic bomb (fictional Felix Hoenikker). The narrator is on a journey to find the family and visit people who worked with him. His journey leads him to the country San Lorenzo where he not only finds a strange kind of love but also the Hoenikker family in all their strangeness.

In San Lorenzo the narrator is getting to know a religion named „Bokononism“. It’s illegal but eventually he finds out that everyone on the island follows the mysterious man named Bokonon who is chased by San Lorenzos president Papa Monzano.

While writing this I have to say that it’s worthless to describe the storyline. If you can live with strange stories that don’t care about limits imposed by sheer physics. The story introduces a lot of interesting theories about religion and politics and Bokonon’s quotes have the qualities of the wisdom of a true spiritual leader.

Peculiar travel suggestions are dancing lessons from God.

It was the first book that I read on the iPad Kindle App and the experience was satisfying. I love the „popular highlights“ functions of the Kindle App and the possibility to add my own notes and copy these. Although I had to type the quotes because it’s not possible to copy text from the book. But at least I can add my own notes right on the iPad and copy them to MarsEdit for the blog post afterwards. And of course the built-in dictionary is wonderful for reading books in a foreign language. I think I’ll try a spanish book soon.

„Everything must have a purpose?“ asked God.
„Certainly“, said man.
„Then I leave it to you to think of one for all this,“ said God. And He went away.

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Kurzgeschichten

Etgar Keret – Pizzeria Kamikaze / Der Busfahrer, der Gott sein wollte

FlowerPower(c)jusone/SXC

„Sag mal“, forschte Uzi nach, „stimmt das, was gesagt wird, dass sie dir bei euch, bevor du so eine Aktion startest, siebzig geile nymphomanische Jungfrauen in der nächsten Welt versprechen? Nur für dich, Solotanz?“ – „Tun sie“, erwiderte Nasser, „und schau dir an, was daraus wird. Ich bin auf Alkohol herabgesackt.“ – Dann warst du am Ende also der Depp, Nasser“, sagte Uzi schadenfroh. „Bei Gott“, Nasser nickte, „und du, was haben sie dir versprochen?“

Es wird an der Zeit, wieder mal ein uneingeschränktes Loblied zu singen und niemand hätte es mehr verdient, als der geniale Etgar Keret. Allein schon die Idee, eine Geschichte in einer Welt spielen zu lassen, die nur von Selbstmördern bevölkert wird. Menschen, die aus einer ihnen unwirtlich gesinnten Welt fliehen, landen in einer Welt, die auch um nichts besser ist und noch dazu zusammen mit lauter Menschen, die ebenfalls keinen Sinn im Leben sehen. Wer würde sich da nochmal umbringen? Freundschaften entwickeln sich, die Bewohner dieses seltsamen Ortes werden schubladisiert nach der Art, in der sie sich töteten und demnach Körperschäden erlitten. Am besten haben es da die unversehrten Tablettenopfer. Als ob diese schräge Welt nicht schon genug wäre, bevölkert Keret diese auch noch mit Persönlichkeiten, die allesamt mehr oder weniger plausible Gründe zum Selbstmord hatten, und schickt diese in Situationen, die sie mit dem trockensten Humor bewältigen, den die Welt außerhalb Großbritanniens jemals erlebt hat.

Viele der weiteren Kurzgeschichten sind so kurz wie prägnant und amüsieren oder verstören, jedoch kaum etwas dazwischen. Je nachdem, welches Gefühl sich der Autor gerade ausgesucht hat, genau mit diesem lässt er den Leser zurück. Brutal oder poetisch beschreibt er menschliche Abgründe und scheiternde Existenzen. Ohne jedoch zu vergessen, dem Leser hin und wieder einen Lichtblick zu erlauben: Nicht alles auf der Welt ist schlecht. Betrachtet man das Leben und die Gesellschaft mit dem notwendigen Schuss schwarzen Humors, lässt sich aus jeder noch so sauren Zitrone ein sensationelles Gefühl ziehen. Pflichtlektüre. Punkt.

Weitere Informationen: Etgar Keret – personal websitePerlentaucherLyrikwelt