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Roman

Volker Kutscher – Transatlantik

CN: Gewalt, Mord, Gift, Nationalsozialismus, Drogenmissbrauch, Drogenverkauf, Feuer, Erwähnung Konzentrationslager, Erwähnung sexueller Missbrauch von Kindern


Was für ein beschissenes Geheimnis. Sie merkte, wie einsam sie dieses Geheimnis gemacht hatte. Mit niemandem über Gereon reden zu können.

Da ich letztens irgendwo gelesen habe, dass im Herbst der nächste (und letzte!) Rath-Roman erscheint, hat mich das daran erinnert, dass ich ja dann wohl jetzt Transatlantik in der Onleihe bekommen müsste. Eine Reservierung war notwendig, aber ich musste nicht lange warten. Und alle anderen Leseprojekte wurden vorläufig auf Eis gelegt …

Um nicht zu viel zu verraten, nur ein paar Beobachtungen im Telegrammstil:

  • Es wiederholt sich ein Muster: Menschen, die sich eigentlich nichts zuschulden kommen haben lassen (oder zumindest in bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben), werden erpresst. Oft werden ihre Angehörigen bedroht, wenn sie nicht spuren.
  • Selbst der härteste Gangster kann zu Fall gebracht werden. Wenn auch zumeist nicht von der Polizei sondern von der Konkurrenz.
  • Das Geheimnis-Zitat von oben deutet es an: wenn Menschen ihrem engsten Familien- oder Freund:innenkreis nicht mehr trauen können, können sie sich auch nicht gegen Schikanen wehren. Sie sind dem System ausgeliefert.
  • Neben Machtgewinn oder Machterhalt ist Rache ein wesentliches Antriebsmotiv, selbst für die Charaktere, die in diesen Krimis die Sympathieträger:innen sind.

Er hatte inzwischen etwas verstanden: dass die nationale Revolution, die nationale Einigung und soziale Befriedung Deutschlands, die Heilung eines kranken Landes, dass das alles eine riesengroße Lüge war, dass das nur in den Köpfen irgendwelcher naiver Schwärmer existierte, wie er einer war. Oder hoffentlich nicht mehr war.

Da ich über jedes Buch der Reihe hier schon geschrieben habe, dürfte klar sein, dass ich ein Fan bin. In gewisser Weise reicht dieser Band vielleicht nicht an die bisherigen heran. Und ist trotzdem noch herausragende Krimiliteratur in einem bedrohlichen historischen Kontext.

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Krimi Roman

Volker Kutscher – Olympia

CN: Dieser Roman spielt in Berlin in den Jahren 1936/37, zu einer Zeit, als die Macht der Nationalsozialisten ständig wuchs und die Verletzung von Menschenrechten immer mehr zum Alltag wurde. Dieses Buch enthält Erwähnungen und Beschreibungen von damals gängigen Praktiken wie zB rassistischen und ableistischen Beleidigungen, Gewalt gegen Andersdenkende, Folter, Holocaust und Konzentrationslagern. Wenn dieses Thema für euch schwierig ist, rate ich euch von dieser Romanreihe ab und spezifisch auch nochmal von diesem Buch, das für mein Gefühl das Level noch etwas höher schraubt als es in den früheren Büchern der Reihe bereits war.


Eine Kriegsfahne in einem Dorf des Friedens – auf solch eine Idee konnte auch nur die Wehrmacht kommen, dachte Rath.

Den historischen Hintergrund dieses Romans bilden die olympischen Spiele in Berlin im Jahr 1936. Während die Nationalsozialisten ihre (öffentlich sichtbaren) Aktivitäten zurückschrauben, um die ausländischen Besucher:innen nicht zu verschrecken, bietet das olympische Dorf für andere die Gelegenheit, sich unliebsamer Mitwisser (ausschließlich Männer) früherer Gewalttaten zu entledigen. Dabei tauchen Figuren aus früheren Büchern wieder auf, Fehler und Geheimnisse werden weiterhin nach Möglichkeit vertuscht und/oder zu erpresserischen Zwecken genutzt. Über all dem schwebt die wachsende Bedrohung durch die nationalsozialistische Ideologie. Wie so viele andere erliegt auch Kommissar Rath momentan dem Trugschluss, dass er als einfacher Befehlsempfänger nichts zu befürchten hätte. Gleichzeitig bieten die Olympischen Spiele für den jugendlichen Fritze die Gelegenheit, die nationalsozialistische Ideologie zu hinterfragen: für den Jungen, der den schwarzen US-Sportlern zujubelt, erschließt sich nicht, warum diese anders behandelt werden als beispielsweise die finnischen Sieger.

Manchmal frage ich mich, warum irgendein Mensch solche Bücher schreiben will, was dann weiter führt zu der Frage, warum so viele Menschen sie lesen. Und dann denke ich, dass es gerade jetzt wieder wichtig ist, aufzuzeigen, wie sich Faschismus langsam in eine Gesellschaft einschleicht. Und viele erst dann merken, dass die Demokratie in Gefahr ist, wenn es bereits zu spät ist.

Niemals vergessen.