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Roman

Axel Marc – Beide Welten

Natürlich hoffte ich, in Wien meine Träume zu finden. Diese Hoffnung konnte mir niemand nehmen, und das war mein Trumpf. Also wartete ich. Und jeden Morgen suchte ich. Nach einem Traum, nach meinem Traum, von dem ich glaubte, er sei nur verloren gegangen wie eine Melodie im Menschengeschrei.

Ein dünner Band, den ich mir eigentlich für eine Reise zurechtgelegt hatte, tatsächlich hatte ich ihn auch auf meiner vorletzten Reise nach Stuttgart dabei, damals ergab sich jedoch nicht die Gelegenheit. (Keine Gelegenheit zum Lesen auf ungefähr 14 Stunden Zugfahrt, das muss man sich mal vorstellen. So viel Stress sollte niemand haben.)

Tatsächlich saß ich dann auf der Couch lauschend auf die schlafenden Kinder meiner Freundin, die ich zu beaufsichtigen hatte. Beinahe wurde mir die Geschichte zu kurz, doch dann gewann doch der Schlaf über meinen Willen, ein Buch in einem Rutsch durchzulesen. Es liest sich auch leicht. Ein Buch für eine einsame Nacht. Außer wenn man sich nach einem ausgelesenen Buch einsam fühlt.

Emil kommt als illegaler Einwanderer nach Österreich. Er spielt Geige und schlägt sich in Wien durch, in dem er bei Aurelia und Mihai im Restaurant aushilft und als Straßenmusikant Geld sammelt. An einem regnerischen Abend lernt er Anna und Elly kennen. Elly überredet beide. Emil soll Anna Geigenunterricht geben.

Die Gefühlswelten von Anna und Emil werden in abwechselnden Kapiteln beleuchtet. Natürlich haben sie kaum etwas gemeinsam und doch verbindet ein Gefühl der Trauer, der Einsamkeit die beiden. Sie scheinen ihren Platz im Leben noch nicht gefunden zu haben. Sie verstehen sich trotz der sprachlichen Differenzen. Ein Buch, das Hoffnung macht. You’re not alone.

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Roman

Diane Setterfield – The Thirteenth Tale

The kind of story that looks like real life. Or rather what people imagine real life to be, which is something rather different.

Noch eine Empfehlung aus der Ecke Problems of a book nerd. Wie schwer bin ich dieses Buch reingekommen … es erzählt die Geschichte der Leserin und Schreiberin Margaret Lea, die mit ihrem Vater in dessen Buchhandlung aufwächst und einzig und allein an Büchern Freude findet. Margarete Beziehung zu ihrer Mutter ist zerrüttet. Die Gründe dafür erschließen sich erst Stück für Stück. Am Anfang fühlt sich die Geschichte an wie die verstaubten Regale in der Buchhandlung, in der kaum Leben ist und in der sich Margaret vor der Welt sicher fühlt.

Aus ihrer sicheren Welt wird sie herausgerissen von der Autorin Vida Winter, die Margaret in einem geheimnisvollen Brief zu sich zitiert, damit sie ihre Biografie schreibt. Margaret zögert, findet jedoch in den Büchern von Vida Winter, die sie vorher nicht kannte, Geschichten, die ihr Rätsel aufgeben. Als sie die Autorin kennenlernt, gibt diese ihr nicht weniger zu denken. Margaret ist skeptisch, ob Vida Winter ihr nun die Wahrheit über ihr Leben erzählen wird, denn bisher hat sie für jeden Journalisten eine neue Geschichte ihres Lebens erfunden. Doch schon bald ist die Geschichte er Familie für Margaret interessanter als ihr eigenes Leben.

The mind plays all sorts of tricks, gets up to all kinds of things while we ourselves are slumbering in a white zone that looks for all the world like inattention to the onlooker.

Erst etwa bei der Hälfte hat mich die Geschichte wirklich angefangen zu interessieren. Oben habe ich im Prinzip nur die Einleitung beschrieben. Die Geschichte der Autorin Vida Winter, ihre Kindheit, die Geschichte ihrer Schwester und der anderen Menschen in ihrem Leben ist interessant. Es gelingt auch, die Fäden in die Gegenwart zu spinnen und die Nachkommen sinnvoll mit ihrer Geschichte zu verknüpfen. Aber im Prinzip ist die Vergangenheit das Spannende. Immer wieder wird Mysteriöses angedeutet, da fühlt sich Margaret von einem Schatten verfolgt, da bleibt bis zum Schluss unklar, wie der Brand des Hauses zustande kam und wer daran die Schuld trug. Die Genauigkeit, mit der die Fragen zum Ende hin aufgearbeitet und aufgelöst werden, vermisse ich oft in anderen Romanen, an dieser Stelle war es gegen Ende hin dann fast schon wieder langweilig. Die Protagonistin Margaret Lea hat mich seltsam kalt gelassen. Natürlich liebt sie Bücher, natürlich lieben wir alle Bücher, natürlich können Worte unser Schutzschild sein. Aber deshalb gleich das Leben ungenutzt vorbeiziehen lassen? Es könnte das Extreme sein, das mich abstößt. Das Unausgewogene an Margaret Leas Leben, die Besessenheit von der Geschichte ihrer Auftraggeberin, die sie daran hindert, ein eigenes Leben zu leben. Eine fesselnde Geschichte nonetheless. Kein Favorit für mich. Aber trotzdem. Ein Roman, den man guten Gewissens weiterreichen kann.

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Krimi Roman

Jo Nesbo – Die Fährte

Frauen haben nicht diese Eitelkeit, was Macht angeht. Sie brauchen nicht die sichtbare Macht, sie brauchen nur so viel Macht, um zu bekommen, was sie wollen.

Bei diesem Harry Hole-Roman habe ich mir intensiv gewünscht, ich hätte die Reihe in der richtigen Reihenfolge gelesen. Vorsicht, es folgt ein Spoiler. Da ich mit Leopard begonnen habe, weiß ich bereits, wie die Beziehung zwischen Ravel und Harry sich entwickeln wird, ich weiß, welches düstere Schicksal Harry bevorsteht. Das lässt die Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen. Und nimmt einen Teil der Spannung weg. Wobei man natürlich durch dieses Wissen den Verlauf der Geschichte und vor allem die clever gesetzte Schlussnote ganz anders interpretieren kann.

Die Wendungen folgen so rasch aufeinander, dass man sich kaum ein paar Seiten auf eine eigene Interpretation der Geschehnisse verlassen kann. Im einen Moment denkt man, der müsste der Mörder sein und drei Seiten später ist klar, diese Person kann es nicht gewesen sein. Und die tatsächliche Auflösung setzt dem Ganzen dann wahrlich eine Krone auf. Darauf kommt bestimmt kein Leser … da muss man schon das wirre Gehirn eines Krimiautors haben. Als Leser kann man diese Situation natürlich schön genießen. Wer Krimis liest, sollte an Harry Hole nicht vorbeigehen.

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Roman

John Green – The fault in our stars

Or is the only value in passing the time as comfortably as possible? What should a story seek to emulate, Augustus? A ringing alarm? A call to arms? A morphine drip?

Seit einiger Zeit folge ich dem Tumblr Problems of a book nerd. Wie ich drauf gekommen bin, weiß ich auch nicht mehr, aber das war der Post, der mich irgendwie total reingezogen hat. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieses Buch interessant sein könnte und man lässt sich ja auch gern von der eigenen Filter Bubble inspirieren. Und ich wurde nicht enttäuscht. Gerade noch rechtzeitig vor dem Film habe ich das Buch gelesen. Die ganze Film-Publicity hätte ich natürlich eh nicht mitbekommen, hätte ich nicht zufällig über die QI Elves bemerkt, dass John Green auch twittert. Dann konnte ich das Musikvideo von Troye Sivan nicht anschauen, weil es hätte ja das Ende Spoilern können … und auf der anderen Seite wollte ich das Buch nur in ganz kleinen Häppchen lesen, weil mir schnell klar war, dass es sowas Schönes nicht so oft gibt. Über den Inhalt werde ich nach Möglichkeit gar nichts schreiben, um niemandem seine Experience zu verderben.

And then there are books like An Imperial Affliction, which you can’t tell people about, books so special and rare and yours that advertising your affection feels like a betrayal.

Schon die ersten Seiten haben gereicht, um mir klar zu machen, dass hier eine ganz besondere Stimmung herrscht. Der luftig-lockere Schreibstil erinnerte mich an die vermeintliche Harmlosigkeit von The particular sadness of lemon cake. Obwohl das Thema so traurig ist, bleibt der Humor auch noch im Angesicht des Todes am Leben.

The other thing about Kaitlyn, I guess, was that tit could never again feel natural to talk to her. Any attempts to feign normal social interactions were just depressing because it was so glaringly obvious that everyone I spoke to for the rest of my life would feel awkward and self-conscious around me, except maybe kids like Jackie who just didn’t know any better.

Es gibt viele Momente, wo man sich einfach nicht vorstellen kann, wie jemand, der nicht selbst eine tödliche Erkrankung erlebt oder überlebt hat, so einfühlsam über das Thema schreiben kann. Die Tatsache, dass man immer anders ist. Dass man unheilbar krank ist, dass keine Chance auf Verbesserung besteht. Dass man nie wieder ganz zur Gesellschaft gehören wird. Dass man nie mehr normal sein wird.

I hated hurting him. Most of the time, I could forget about it, but the inexorable truth is this: They might be glad to have me around, but I was the alpha and omega of my parents’ suffering.

Oder das schlechte Gewissen, was man seinen Angehörigen durch die Krankheit zumutet. Das kann sicher niemand nachvollziehen, der nicht selbst in der Situation ist. Ganz bestimmt nicht die Eltern.

I wanted to know that he would be okay if I died. I wanted to not be a grenade, to not be a malevolent force in the lives of people I loved.

Es hat über zwei Wochen gedauert, nachdem ich das Buch fertig gelesen hatte, bis ich überhaupt daran denken konnte, diesen Post zu schreiben. Es ist eines dieser Bücher, die man lieber für sich behalten möchte, weil sie so besonders sind, dass man niemandem beschreiben kann, warum. Und man will auch das Risiko nicht eingehen, dass es dem anderen dann vielleicht nicht gefällt. Daher traue ich mich beinahe keine Leseempfehlung auszusprechen. Aber absolut. Ein heißer Kandidat für das Buch des Jahres 2014.

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Roman

Jonas Jonasson – Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Selbst wenn man sich den Witterungsverhältnissen entsprechend gekleidet hat, darf man es mit Fug und Recht als kühn bezeichnen, sich mit einer von Hand gezeichneten Weltkarte und einem Kompass zu einer Himalaya-Überquerung aufzumachen. Eigentlich hätte Allan auch am nördlichen Rand des Gebirges entlangwandern können, und danach nördlich am Aralsee und am Kaspischen Meer vorbei. Doch die Wirklichkeit und die handgefertigte Karte waren nicht ganz deckungsgleich.

Der Hype um diesen Roman bei seiner deutschsprachigen Erscheinung hat mich erst abgeschreckt. Jedoch muss man neidlos anerkennen: an dieser Stelle hat der Mainstream recht. Ein absurdes Roadmovie, das einen ständig laut auflachen lässt. Auf zwei Zeitebenen wird erzählt was Allan Karlsson passiert ist, bevor er aus dem Altersheim ausgerissen ist und was ihm danach zustößt. Beide Geschichten sind an Absurdität kaum zu überbieten.

Sein Ansehen in der Gruppe stieg noch weiter, als er beim Warten auf besseres Wetter in Ermangelung einer sinnvolleren Beschäftigung austüftelte, wie man Schnaps aus Ziegenmilch herstellen könnte.

Ein echter Hacker, dieser Allan. Früher sagte man wohl Lebenskünstler. In seinem langen Leben hat Allan mit dem amerikanischen Präsidenten Truman, dem spanischen General Franco sowie Stalin gezecht und am Bau von mehreren Atombomben mitgewirkt. Kein Wunder, dass er sich im Altersheim langweilt.

Von einem englischen Freund und Bischof hatte er den Tipp bekommen, in den Iran zu gehen – ein Land, in dem die herrschende Religionsfreiheit schrecklich missbraucht werde. So könne man zum Beispiel die Anglikaner im Iran an zwei Händen abzählen, während es von Schiiten, Sunniten, Juden und Anhängern reiner Hokuspokusreligionen nur so wimmelte. Wenn es überhaupt Christen gab, waren es Armenier oder Assyrer, und wie jeder wusste, hatten die Armenier und Assyrer die christliche Lehre hoffnungslos in den falschen Hals gekriegt.

Respektlos macht sich der Autor über alles und jeden lustig und schreckt dabei weder vor Politik noch Religion zurück. Nachdem Allan das Altersheim verlassen hat, stiehlt er einen Koffer voller Geld. Deswegen müssen mehrere Gangster dran glauben, wobei deren Todesfälle eher versehentlich passieren. Der Gangsterboss schließt sich schließlich Allahs Truppe an, die er im Laufe der Reise angesammelt hat. Dazu gehören ein Wilderer, ein Imbissbudenbesitzer, eine Rothaarige und deren Elefant. Muss ich noch mehr sagen?

Ob die geschichtlichen Zusammenhänge ansatzweise stimmen können, ist an dieser Stelle definitiv schon egal. Es wäre einfach halb so lustig, würde sich Allan nicht über die Eigenheiten von Stalin oder dem koreanischen Kim-Jong Il (damals noch ein Kind) wundern. Zähneknirschend schließe ich mich dem Mainstream an. Prädikat: sehr unterhaltsam.

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Roman

Carlos Ruiz Zafon – Der dunkle Wächter

Als Onkel und Neffe auf die Mole sprangen, um bei Einbruch der Dunkelheit zuhause zu sein, untersuchte ihr Nachbar Picaud noch immer die mysteriösen Teile und versuchte herauszufinden, ob es in diesem Sommer Schrauben regnete oder ob der Himmel ihm ein Zeichen schicken wollte.

Meine Erwartungen an dieses Buch waren geprägt von den positiven Erfahrungen durch Der Schatten des Windes (das ich vor dem Beginn meiner Aufzeichnungen gelesen habe, woran ich mich aber erinnere, dass es die überzogenen Erwartungen aufgrund des medialen Hypes sogar übertroffen hat) und Das Spiel des Engels. Natürlich hätte ich genauer schauen sollen. Es handelt sich um ein Frühwerk, wie ich soeben auf der Amazon-Webseite lese, sogar den dritten Teil einer Jugendbuch-Reihe. (OMG, ich habe den dritten Teil als Erstes gelesen!1!!111!!!)

Warum ich sonst nie Rezensionen lese: weil sie oft besser zusammenfassen, was ich in meinen eigenen Worten sagen möchte (auf der Amazon-Seite von Fenja Wambold):

Mit dem Rückgriff auf altbewährte Motive revolutioniert Zafón zwar keineswegs den Schauerroman; auch weisen spätere Werke zweifellos einen literarischen Reifungsprozess auf.

Für ein Jugendbuch ist es eigentlich stückchenweise ziemlich grausam. Der Schatten im düsteren Wald, die Todesgefahr, in der Ismael und Irene beinahe 48 Stunden lang durchgehend schweben, der Verlust von Hannah, die grausigen Details über Alma Maltisse … trotzdem fühlte es sich unfertig an, der Stil erinnerte mich zu sehr an den ersten Band Harry Potter. Wenn man allerdings die Zielgruppe einschränkt auf jugendliche Leser, die sich gruseln wollen, aber nicht immer nur der Zombiecalypse hinterherlaufen wollen, dann passt es vielleicht.

Dass die Romanze zwischen Ismael und Irene keinen guten Ausgang nimmt, zeigt vielleicht die Düsternis an, die die späteren Romane von Carlos Ruiz Zafon prägen wird.

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Roman

M.L. Stedman – Das Licht zwischen den Meeren

Man dachte nicht in Kategorien von Jahren und Monaten, sondern nur an diese Stunde und vielleicht die nächste. Alles andere war Spekulation.

Nach dem wiederkehrenden Motivs der Sonnenfinsternis scheint mich jetzt der Leuchtturm zu verfolgen. Jedoch dazu erst mehr im nächsten Post … in diesem Roman geht es um die Geschichte von Tom und Isabel. Tom kehrt aus dem Krieg in seine Heimat Australien zurück. Er ist traumatisiert und versucht seine Erlebnisse in Einsamkeit als Leuchtturmwärter allein auf einer Insel zu verarbeiten.

Geschichte ist nichts weiter als die Version der Ereignisse, auf die sich eine Gemeinschaft geeinigt hat.

Doch er lernt Isabel kennen. Sie erweicht sein Herz, sie will sein Leben auf der Leuchtturminsel mit ihm teilen. Isabel wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind. Doch mehrere Fehlgeburten nehmen ihr die Hoffnung und den Lebenswillen. Tom kann ihre Verzweiflung nicht lindern, er steht Isabels Kummer hilflos gegenüber. Als ein Boot mit einem toten Mann und einem lebendigen Baby angespült wird, verliebt sich Isabel sofort in das Kind und überredet Tom, den Vorfall nicht zu melden und das Baby zu behalten und als ihr eigenes auszugeben.

Tom stand da und hörte die Worte, die mehr wehtaten als Schläge. Er suchte ihr Gesicht nach Resten der Liebe ab, die sie ihm immer wieder geschworen hatte, doch sie war so von eisiger Wut erfüllt wie der Ozean, der sie beide umgab.

Doch die Mutter des Babys lebt. Beim Landurlaub hören Tom und Isabel die Geschichte von Hannah Roennfeldt, die Mann und Kind an die See verloren haben soll. Und Tom kennt Hannah von früher. Was werden sie tun? Können sie das Baby behalten, obwohl sie wissen, dass seine verzweifelte Mutter jeden Tag leidet, weil sie Mann und Kind verloren hat? Während Isabel in ihrer Mutterschaft aufgeht, zweifelt Tom täglich mehr an der Richtigkeit seines Handelns.

Immer wieder las sie und fühlte sich, als würde ihr Körper entzweigerissen. Und schließlich traf sie, von Schluchzern geschüttelt, eine Entscheidung.

Wie kann sich eine Frau zwischen Mann und Kind entscheiden? Wie sehr kann eine Frau darunter leiden, nicht Mutter werden zu können? Wozu ist eine Frau fähig, die sich so sehr ein Kind wünscht und doch keines bekommen kann? Wie lange kann ein Mann an sich selbst und seiner eigenen Entscheidung zweifeln, ohne daran zu zerbrechen? All diese Fragen stellen sich bei der Lektüre dieses Buchs. Manche werden beantwortet, andere kann nur jeder Mensch für sich selbst beantworten. Ein mitreißender Roman, meine Empfehlung.

Sie hat keine Kraft mehr. Keinen Kämpfergeist. Sie steht vor den Trümmern ihres Lebens und wird sie nie wieder zusammensetzen können. Ihr Verstand versagt unter der Belastung den Dienst, und ihre Gedanken stürzen in einen tiefen schwarzen Brunnen hinab, wo Scham, Verlust und Angst sie zu ertränken drohen.

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Roman

Peter Henisch – Mortimer und Miss Molly

Hinkünftig werde ich bei Empfehlungen aus Frauenzeitschriften wieder vorsichtiger sein. Hier hat mich entweder eine romantische Stimmung mitgerissen oder der/die Redakteur(in) und ich haben einfach nicht denselben Geschmack.

Die Geschichte fängt gut an, aus Mortimer und Molly kann etwas werden. Mortimer ist amerikanischer Soldat. Sein Flugzeug wird von den Deutschen abgeschossen, er muss mit dem Fallschirm abspringen und landet in Miss Mollys Garten. Das könnte jetzt ein schlechter Porno werden oder eine durchdacht entwickelte Liebesgeschichte. Doch diese wird nicht erzählt. Erzählt wird stattdessen die Geschichte von Julia und Marco, die sich 40 bis 50 Jahre später in Siena kennenlernen, den Sommer miteinander verbringen, dabei Mortimer kennenlernen und den Anfang seiner Geschichte hören, und dann versuchen, eine Fernbeziehung am Leben zu halten. Was mehr schlecht als recht gelingt. Und irgendwann nicht mehr.

Auch wenn die Geschichte lebhaft und bunt erzählt wird, hat sie mich leider nicht mal ein winziges Bißchen mitreißen können. Der Schluss hat mich dann erst recht genervt zurückgelassen. Leider ein Fehlgriff.

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Roman

Thomas Glavinic – Das größere Wunder

„Ich glaube, man ist schon jemand“, sagte Jonas. „Jeder ist jemand, und besser als das kann er nicht werden. Er kann nichts anderes werden, und wenn er es doch wird, ist er nicht glücklich.“

Thomas Glavinic lässt seinen Helden Jonas (den wir bereits aus früheren Romanen kennen) den Mount Everest besteigen. Die Romane haben nur bedingte Verbindungen miteinander. Das mag zuerst verwirren, macht aber möglich, dass man die Romane in keiner bestimmten Reihenfolge lesen muss. Ja, man muss sie gar nicht alle lesen. Wer nur eines lesen möchte, sollte dieses nehmen. Und braucht hier nicht weiterzulesen, sondern lieber gleich zum Buch greifen.

Das ist kein heroischer Berg, so wie es keine heroische Art zu sterben ist, da oben für alle Zeit festzufrieren. Hier werden keine Heldensagen geschrieben, jedenfalls nicht von euch.

Auf zwei Erzählebenen verfolgen wir Jonas Weg auf den Mount Everest. Wir erleben Jonas im Basislager des Berges, wo sich sein Körper nur schwer an die Wetterverhältnisse anpasst. Die Höhe macht ihm zu schaffen. Gleichzeitig erleben wir den jungen Jonas, der von seiner alkoholkranken Mutter verlassen wird. Der sich für seinen von Geburt an behinderten Bruder Mike verantwortlich fühlt. Der sich durchs Leben schlägt und Stück für Stück etwas übers Leben lernt.

Manche Dinge findet man nicht, wenn man sie sucht, so schlau und kühn man es auch anstellen mag, denn manche Dinge kommen zu einem, wenn man gar nicht danach verlangt.

Sehr subtil gibt der Autor Jonas Stück für Stück die Möglichkeiten, das Leben zu begreifen. Oder Teile davon. In Das größere Wunder sind die Erkenntnisse wesentlich präsenter und wesentlich existentialistischer. In Die Arbeit der Nacht dauerte es lange, bis der allein gelassene Jonas erkennt, dass ihn das Alleinsein Stück für Stück in den Wahnsinn treibt. Der Leser kann das nicht begreifen, denn niemand hat je so eine große Einsamkeit erlebt. Hier sehen wir Jonas auf einen gefährlichen Berg klettern und verstehen schnell, dass er auf der Suche ist. Sein ganzes Leben war er auf der Suche. Er schwankt zwischen der Sehnsucht nach dem Un-Sinn, dieser Wunsch nach Heimkehr in die Zwecklosigkeit und seinem Wunsch, das Chaos zu beherrschen. Glavinic lässt Jonas nach einem Sinn für sein Leben suchen. Gleich mehrmals betont er, dass ein Leben nur dann Wert hat, wenn man es einem höheren Sinn widmet.

Es waren diese Tage, in denen er vieles begriff. Er würde nie ein erfülltes Leben führen können, wenn er nicht versuchte, es einer Sache zu widmen, die größer war als er.

Ein Leben ist nur dann geschützt, wenn es einer Sache gewidmet ist, die größer ist als der Mensch, der es lebt und der Sache dient.

Der Autor scheut nicht davor zurück, auch ganz banale Motive zu verwenden. Und doch passen sie irgendwie in die Dunkelheit und die Kälte, in denen Jonas schließlich alleine auf dem Berg herumirrt. Man fragt sich, wie das passieren konnte. Wie konnten die Bergführer Jonas gehen lassen, obwohl sie mit seinem sicheren Tod rechnen mussten, wenn er sich zu spät zum Gipfel aufmacht, um noch bei Tageslicht zurückkehren zu können?

Es war bereits hell, was ihn überraschte. Als er auf die Uhr schaute, stellte er fest, dass sie stehengebeblieben war.

Das Ende überrascht. Doch je länger ich darüber nachdenke, umso mehr wird mir klar, dass Thomas Glavinic Recht hat. Nicht anders hätte er demonstrieren können, dass es um diesen Berg nicht geht. Der Berg ist ein Symbol für die größere Sache, für das Wichtigere im Leben, für das größere Wunder. Würde man das Buch nochmal lesen (könnte ich mir durchaus vorstellen), würde man bestimmt noch viele andere Lesemöglichkeiten finden, die die Metapher bereits vorbereiten. Dieses Buch ist voll mit Erkenntnissen und kleinen Andeutungen über Lebensweisheiten, ohne sie plakativ auszuwalzen. Eine absolute Empfehlung.

Jeder Mensch beurteilt sich selbst nach seiner größten Leistung, und zwar so, als hätte es die Tiefen davor und danach nie gegeben, weißt du das? Ich spreche da auch und gerade von moralischen Leistungen. Wir guten Menschen, wir.

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Roman

Michel Rostain – Als ich meine Eltern verließ

Und die Schonfrist für einen neuen Verstorbenen, die Zeit, in der alles an ihn erinnert, in der man in Tränen ausbricht, sobald der Name fällt, wie lang ist die? Hundert Tage, ein Jahr, drei Jahre? Wir werden das objektiv beurteilen können.

Allein schon die Sichtweise macht auf den Leser einen seltsamen Eindruck. Der tote Sohn beschreibt die Reaktion seiner Eltern auf seinen Tod. Wie es dazu kam, wie ihn eine plötzliche Krankheit aus dem Leben riss. Für die Eltern ist der Tod des Kindes das Schlimmste, was ihnen passieren kann. Ihr Leben wird niemals wieder dasselbe sein.

Vielleicht habe ich auf nichts verzichtet. Vielleicht doch. Ja und?

Die Zweifel der Eltern: Hätte unser Sohn gerettet werden können, hätten wir den Arzt früher gerufen, wäre die Krankheit früher erkannt worden? Haben wir alles für unseren Sohn getan? Wie kann es sein, dass unser Kind tot in diesem Sarg liegt und wir noch leben?

Nichts und niemand bereitete sich auf den Kampf vor, weder ihn noch mich. Absoluter Frieden während einer innigen Unterhaltung am Montagabend, es lebe die Telefongesellschaft. Und der unsichtbare, reißende Fluss des Todes. Es lebe nichts.

Trotz des traurigen Themas blitzen in der Beschreibung der unorthodoxen Begräbnisfeierlichkeiten Witz, Ironie und sogar funkenweise Sarkasmus auf. Ja, die Trauer kann für Außenstehende auch lächerlich wirken. Niemand kann den Schmerz nachempfinden, den Eltern am Grab ihres Kindes erleben. Niemand kann die Reaktionen eines anderen Menschen auf den Tod eines Kindes beurteilen. Es ist auch ein Kampf um das eigene Leben. Weiterleben, obwohl das eigene Kind nicht mehr lebt. Ein wichtiges Buch.

An etwas zu glauben ist für den Kampf von grundlegender Bedeutung.