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Sachbuch

Claude Cadoz – Die virtuelle Realität

Eine absolute Repräsentation, die garantiert, daß die Darstellung und das Dargestellte vollkommen identisch sind, ist im Übrigen unmöglich. Erstens gibt es keine Garantie dafür, daß wir nicht einen versteckten Unterschied übersehen haben, wenn wir ein Objekt für ein anderes halten. Die einzige absolute Repräsentation eines Objekts ist das Objekt selbst. Zweitens gibt es keine Sicherheit – wenn wir uns für ein Objekt interessieren, noch bevor wir seine Darstellung in Betracht ziehen und wir seine Grenzen festlegen, also entscheiden, was zu gehört und was nicht –, daß wir nicht eine wichtige Komponente ausgeschlossen haben, die für unsere aktuellen Erfahrungen unzugänglich, aber dennoch von entscheidender Bedeutung ist. Jedes Teilchen des Universums dehnt sich zusammen mit dem Universum aus, und daraus folgt, daß das einzige absolute Objekt im Universum, das man in Betracht ziehen kann, das Universum selbst – uns inbegriffen – ist. Wenn wir tatsächlich eine Repräsentation des gesamten Universums erstellen wollten mit einem ebenso mächtigen Computer, müßte man das Material für den Rechner irgendwo dem Universum entnehmen. Wenn wir eine Hälfte des Universums nehmen würden, um die andere Hälfte darzustellen, würden wir nur eine Hälfte des Universums repräsentieren. Und würden wir nicht außerdem nur die Tatsache darstellen, daß wir dabei sind, es zu tun? Daraus folgt, daß die einzig mögliche vollständige Repräsentation die des gesamten Universums durch sich selbst ist.

Hoch philosophische Abhandlung zum Thema virtuelle Realität. Es werden die zugrundeliegenden Mechanismen technisch aufs Wesentliche runtergebrochen (wenn man sich ein bißchen damit auskennt, erkennt man Dinge wieder), aber im Großen und Ganzen eignet sich das Ganze eher als Basis einer philosophischen Betrachtung (darf man das überhaupt (die Welt vervirtualisieren)? – siehe oben).

 

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Sachbuch

Tom Reynolds – I Hate Myself And Want To Die

Ist «Hold My Hand» für die meisten Musikfans eine Art sündige Schlemmerei, als würde man im vegetarischen Restaurant einen Big Mac bestellen, stürzten bei den meisten Leuten die Serotoninwerte in den Keller wie abgeschossene Tontauben, als «Let Her Cry» ins Radio kam und das protzige Musikvideo dazu bei MTV lief (damals, als bei MTV noch Musikvideos liefen).
Let Her Cry – Hootie & the Blowfisch

Meine Theorie: Frauen fühlen sich betrogen oder klagen, während Männer einfach nur so schnell wie möglich Schluss machen wollen. Frauen weben zarte Netze poetischer Leidenschaft, mit der sie das Publikum in den Bann zu schlagen hoffen, während Männer sich auf einfache Urteile verlassen, die sogar ihr Hund verstehen würde.
Brick – Ben Folds Five

Eigentlich ist dem kaum etwas hinzuzufügen. Eine Sammlung tatsächlich deprimierender Songs, wobei ich auch zugeben muss, dass ich nur die wenigsten kannte, weil die meisten davon lange vor meiner Geburt veröffentlicht wurden und möglicherweise in Mitteleuropa überhaupt nie den Bekanntheitsgrad erreicht haben, den sie in Amerika hatten.

Trotzdem handelt es sich bei diesem Werk um ein amüsant geschriebenes Buch, das einen trotz des deprimierenden Themas (:-) durchaus streckenweise durch seine trockene Betrachtungsweise erheitern kann. Man sollte halt nicht in die Luft gehn, wenn einer der eigenen Lieblingssongs in Grund und Boden gestampt wird. Und ich mag halt Evanescence, Nine Inch Nails und Bonnie Tyler!

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Roman

Lily Brett – New York

“Wenn man zu schnell geht, bekommt man Falten”, sagte eine Nachbarin zu mir. Um mir das mitzuteilen, hatte sie mich mitten auf dem West Broadway angehalten.

Fröhliche Menschen stimmen mich bedrückt. Manche Leute sind von unermüdlicher Fröhlichkeit. Es ist unnormal, so fröhlich zu sein. Ich habe nichts gegen zeitweilige Fröhlichkeit. Sie gefällt mir sogar. Aber ununterbrochene Fröhlichkeit bereitet mir Probleme. Und ermüdet mich.

Ich habe zu viele Frauen ihr Gehirn abgeben gesehen. Ich habe zu viele Frauen sich in Mann und Kindern verlieren gesehen. Sie büßen alle Fähigkeiten ein bis auf die, hinter anderen herzuputzen.

Ganz schön neurotisch, die Gute, aber das sind wir ja von Lily Brett schon gewohnt. Da heißts echt, ihre Sorgen möcht ich lieber nicht haben. Wobei ich das mit den ständig fröhlichen Menschen (siehe Zitat oben) absolut nachvollziehen kann. Wenn man zu Unzeiten aufstehen muss, um arbeiten zu gehen, und sich nur wünscht, dass einen keiner anredet und dann kommen diese fürchterlichen “Guten-Morgen”-Grinser und man möchte dem anderen einfach nur eins überziehen …

Es scheint sich hier um eine Kolumnensammlung zu handeln (das könnte ich jetzt recherchieren, aber eigentlich ist es egal), da die Texte alle gleich lang sind. Gut geeignet für unterwegs, weil dünnes Buch (passt in jede Tasche) und einen Text schafft man locker zwischen zwei U-Bahn-Stationen. Dadurch, dass das Buch so dünn ist, läuft man auch nicht Gefahr, sich von den Neurosen anstecken zu lassen. Zumindest, wenn man nicht alles in einem Rutsch liest ;-)

Currently Reading: Claude Cadoz: Die virtuelle Realität
Das hab ich beim Aufräumen meiner Handtaschen halbgelesen in einer Tasche gefunden, die ich schon lang nicht mehr verwendet hab. Werd ich wahrscheinlich von vorne anfangen müssen, um mich da wieder auszukennen …

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Fantasy Roman

Monika Felten – Elfenfeuer

Erster Teil einer Elfen-Druiden-Trilogie, anfangs etwas unübersichtlich bei der Einführung der Personen, aber wenn man mal drin ist, kann mans fast nicht aus der Hand legen, wie das bei diesen Fantasy-Teilen oft so ist. 

Was bei diesen Fantasy-Teilen auch oft so ist, ist hier nicht so auffällig störend: Man weiß genau, dass die Hauptpersonen am Ende ihr Ziel erreichen, auch wenn die Widrigkeiten und Boshaftigkeiten sie oft kurz vorm Ziel ereilen. Die Rettung ist meistens gut vorbereitet und ich konnte mich selbst am Himmelsturm nicht mehr an diesen Trank erinnern, der die Hauptperson letztlich gerettet hat. Es erscheint nicht wirklich der plastische “Deus Ex Machina”, sondern quasi die Rettung aus der Vergangenheit.

Werd mir wohl bald den zweiten Teil hernehmen.

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Roman

Mian Mian – Deine Nacht mein Tag

“Wenn du schlechte Nachrichten hast, erzähl sie mir nicht. Wenn du in Schwierigkeiten bist, bitte mich nicht um Hilfe. Ich liege jede Nacht wach, neuerdings huste ich, und gestern wollte ich aus dem Fenster springen. Ich habe nicht mehr die Kraft, deinen Schmerz mit dir zu teilen.”

Sex & Crime, Drugs & Alkohol. Genauso verwirrt klingen auch die Geschichten. In sieben unzusammenhängenden Geschichten kommen teilweise dieselben Personen vor, zumindest haben sie dieselben Namen, ob es sich um dieselben Personen handelt, kann man auch, wenn man sich sehr bemüht, nicht nachvollziehen, dürfte wohl so gewollt sein.

Allerlei kaputte Beziehungszustände, noch mehr kaputte Persönlichkeiten, alles in allem eher deprimierend. Wenn man allerdings auf diese kaputte Pete-Doherty-Coolness steht …

 

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Krimi Roman

Henning Mankell – Mörder ohne Gesicht

Also, wenn ich den als Erstes gelesen hätte, hätt ich mich wahrscheinlich am Schluss maßlos geärgert. Zuerst geht ewige Zeiten nix weiter und dann passiert auf einmal alles auf einmal. Und warum Wallander von dieser schwarzen Frau geträumt hat, wird auch nicht aufgelöst …

Werde wohl eine Pause einlegen, bis ich mit “Hunde von Riga” weitermache, am Schluss wars echt schon anstrengend, dieser Bande von Polizisten beim Herumgrundeln zuzuschaun. Spannung gut und schön, aber jeder wusste doch im Vorhinein, dass sie den Fall am Ende lösen werden. Und dann wird der Rest vom Buch immer dünner und immer dünner und es passiert noch immer nix.

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Roman

Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis

An dieser Stelle beginne ich also, meine Leseerfahrungen aufzuzeichnen. Keine Ahnung, ob es sich bei diesem Werk um ein geeignetes Werk für den Beginn handelt, aber das Buch hat mich jedenfalls gefesselt.

Darin verfolgt der Erzähler die Nordpolexpedition unter Carl Weyprecht und Julius Payer, die nachweislich in den Jahren 1872 – 1974 statt gefunden hat. Heute kann sich niemand mehr vorstellen, welche furchtbaren Qualen die Forscher und ihre Besatzung damals erdulden mussten. Auch diesen Aspekt beschreibt Christoph Ransmayr aus der Sicht des Josef Mazzini, der sich über 100 Jahre später auf die Spuren dieser Expedition begibt.

Wer leicht friert, sollte sich dieses Buch eher nur unter der Sommersonne vornehmen, es lässt einen tatsächlich frösteln, wenn man über die im Polarkreis herrschenden Temperaturen liest und es draußen tatsächlich kalt ist (da ich oft in öffentlichen Verkehrsmitteln und unterwegs lese, habe ich tatsächlich während des Lesens auch teilweise gefroren). In jedem Fall beschreibt das Buch nicht trocken die Vorgänge, wie sie sich aus den Aufzeichnungen der beteiligten Personen rekonstruieren lassen, sondern versetzt sich auch in die Gefühlswelt, der durch unvorstellbare Entbehrungen geplagten Protagonisten.

Ein Roman, der fesselt. Sonnenscheinempfehlung! (oder Kaminfeuer)