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Roman

Emily St. John Mandel – Sea of Tranquility

CN: Pandemie, Suizid eines Familienmitglieds (möglicherweise noch mehr, das ich leider nicht rekonstruieren kann)


What is time travel if not a security problem?

Leider kann ich diesem großartigen Buch aufgrund Verschleppung des Posts wegen massiver Überlastung in unterschiedlichen Bereichen nicht mit einer Beschreibung gerecht werden, die ihm eigentlich zustünde.

Stattdessen möchte ich sagen: es hat einen guten Grund, warum dieses Buch so lange nicht verfügbar war in der Overdrive eLibrary, warum immer wochenlange Vormerkungen vorlagen und ich jetzt einfach schnell zugegriffen habe, als es einmal zu haben war.

Einziger Ausschlussgrund, um dieses Buch nicht zu lesen: Wenn du mit dem Konzept der Zeitreise grundsätzlich nichts anfangen kannst. Wenn dir diese Vorstellung aber in irgendeiner Weise interessant erscheint und du dich irgendwann mal gefragt hast, was du selbst tun würdest, wenn du vor der Entscheidung stehst, die Vergangenheit zu verändern, dann lies dieses Buch, du wirst es nicht bereuen. Große Empfehlung von mir. 

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Roman

Christoph Ransmayr – Cox oder Der Lauf der Zeit

CN dieses Buch: Tod, Sterben, Folter
CN dieser Post: –


Mit Christoph Ransmayr habe ich damals 2007 (!) dieses Blog begonnen. Also damals noch nicht exakt dieses, sondern anfangs auf Last.fm, später wurden diese ersten Aufzeichnungen dann in ein WordPress Blog integriert, das seitdem regelmäßig aktualisiert wird.

Aber alles in ihm stand jedesmal und immer wieder still, wenn die unerfüllbare Sehnsucht nach seinen Liebsten ihn in einen Zustand leerer Traurigkeit verstieß, in dem er nicht mehr denken, sich auch nicht mehr erinnern, sondern nur noch erschöpft einschlafen konnte, um sich, von wirren Träumen gleichermaßen gelähmt und gejagt, auf die vergebliche Suche nach den Orten seines Heimwehs zu machen.

Dazu passt irgendwie auch das Thema von diesem Roman. Es geht im Großen und Ganzen um die Zeit an sich. Darum, wie sie uns manchmal scheinbar schneller oder langsamer vergeht. Wie wir sie messen können und ob wir mit unserer Lebenszeit auch gleichzeitig unsere Lebensqualität messen können. Hauptprotagonisten sind dabei der um seine verstorbene Tochter Abigail trauernde Uhrmacher Cox sowie der Kaiser von China. Als Gott gleicher Herrscher über „eigentlich eh alles“ sammelt der Kaiser Uhren, um damit letztlich auch noch die Zeit kontrollieren zu können. Cox erfindet dabei verschiedene ausgefallene Uhrwerke. Das Meisterwerk soll schließlich das sagenumwobene Perpetuum mobile sein (oder eine möglichst exakte Annäherung): eine Uhr, die ihre Energie allein aus der Veränderung des Luftdrucks bezieht. Wartungsfrei soll sie ihre Erbauer überleben, was als Sieg über die Zeit an sich gewertet wird. Aber letztendlich wird sich herausstellen, was wir ohnehin alle schon wissen: Nicht mal der Kaiser von China kann die Zeit anhalten.

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English Roman

V.E. Schwab – The Invisible Life of Addie LaRue

What she needs are stories. Stories are a way to preserve one’s self. To be remembered. And to forget. […] Books, she has found, are a way to live a thousand lives – or to find strength in a very long one.

Es gibt diese Bücher, die so gut sind, dass es nahezu unmöglich ist, darüber etwas zu schreiben. Das ist eines davon. Ich werde daher nur ein paar Zitate und Aspekte aneinanderreihen und lege jeder interessierten Leserin ans Herz, selbst zuzugreifen und sich an dieser großartigen Geschichte zu erfreuen.

You wanted to be free, says a voice in her head, but it is not hers; no, it is deeper, smoother, lined with satin and woodsmoke.

Eine Frau, die aus dem von der Gesellschaft für sie vorgesehenen Leben ausbrechen will. Sie will mehr als das karge, harte Leben, das Frauen im 18. Jahrhundert in einem ländlichen Dorf in Frankreich erwarten können. Sie will es so sehr, dass sie bereit ist, dafür alles zu geben.

Freiheit gibt es nicht geschenkt. Sie beinhaltet Fallstricke, die Addie an ihrer Entscheidung zweifeln lassen. Wie frei können wir überhaupt sein innerhalb der Grenzen, die uns Zeit und Raum auferlegen? Zumindest in Geschichten können diese Grenzen verschoben werden, jedoch auch hier nie ganz überwunden.

Nervous, like tomorrow, a word for things that have not happened yet. A word for futures, when for so long all she’s had are presents.

Erinnerungen, die wir mit anderen Personen teilen, haben die einzigartige Fähigkeit, Verbindungen zu schaffen, die nur zwischen Personen existieren, die gemeinsam Erlebtes teilen. Was bedeuten Erinnerungen, die in Kunst verewigt werden? Welche Möglichkeiten gibt es, in Erinnerung zu bleiben, wenn sich niemand an uns erinnert?


Take this, Instagram:

I remember seeing that picture and realizing that photographs weren’t real. There’s no context, just the illusion that you’re showing a snapshot of a life, but life isn’t snapshots, it’s fluid. So photos are like fictions. I loved that about them. Everyone thinks photography is truth, but it’s just a very convincing lie.


Eine Frau, die selbst angesichts unbezwingbar erscheinender Hindernisse niemals aufgibt. Die immer einen Weg findet, um von einem Tag zum Nächsten zu überleben. Die immer wieder etwas Schönes in der Welt entdeckt.

He is all restless energy, and urgent need, and there isn’t enough time, and he knows of course that there never will be. That time always ends a second before you’re ready. That life is the minutes you want minus one.

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Roman

Beatriz Williams – Das Meer der Zeit

Dem Aufkleber nach habe ich diese Schnulzengeschichte in meiner lokalen Buchhandlung gekauft. Ich muss entweder einen extrem schwachen Moment gehabt haben oder mir hatte einfach nur der Titel gefallen. Der Titel der amerikanischen Originalausgabe sagt deutlich weniger aus (normalerweise kennen wir das von eingedeutschten Filmtiteln): Overseas.

Die Kurzzusammenfassung: die toughe Investmentbankerin Kate läuft dem Hedgefonds-Magnaten Julian Laurence über den Weg, es ist für beide Liebe auf den ersten Blick. Bis die beiden überhaupt zusammen kommen, ergeben sich einige Hürden und als die Beziehung schließlich zustande kommt, stellt sich heraus: Julian ist aus einer anderen Zeit, er starb im Jahr 1916 in Amiens in Frankreich im Krieg und starb doch nicht, sondern wachte im heutigen New York auf. Obwohl Julian seine altmodischen Wertvorstellungen zurückstellt, kämpft Kate nach ihrem Jobverlust mit ihrem Wert und will nicht das Püppchen an der Seite ihres reichen Mannes sein. (Ich langweile mich, während ich das schreibe …)

Die wirkliche Kurzzusammenfassung: Traditionelle Liebesgeschichte, gewürzt mit ein bißchen unerklärlicher Zeitreise.

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Roman

Mitch Albom – Der Stundenzähler

Seit Anbeginn der Zeit sind Menschen auf eine Weise miteinander verknüpft, die sie nicht verstehen können – nicht einmal in Träumen.

Wenn man als Book Nerd in Salzburg herumkommt, muss man natürlich Österreichs älteste Bücherei besichtigen. Kaufen wollte ich eigentlich nichts, weil ich eh schon so unnötig viel Zeug mit mir herumschleppte. Wer braucht schon was zu lesen, wenn er sowieso die meiste Zeit grübelnd in die Luft starrt? Da muss man wirklich nicht auch noch ein extra Buch herumtragen. Außerdem ist es ja mit einem meist nicht getan … doch als ich schon gehen wollte, fiel mir ein neues Mitch Albom-Buch ins Auge. Und sogar schon als Taschenbuch … das müsste doch gegen das Grübeln ein bißchen helfen … dachte ich.

„Du hast die Minuten gemessen“, sagte der Alte. „Aber hast du sie weise genutzt? Um zu ruhen? Zu genießen? Dankbar zu sein? Andere heiter zu stimmen und selbst heiteren Gemüts zu sein?“

Man mag kritisieren, dass das Thema nicht besonders originell ist, der Aufbau der Geschichte macht es aber doch spannend. Wir begleiten das Schicksal von Dor, der über die Zeit gebieten will, weil seine Frau im Sterben liegt, und deshalb dazu verurteilt wird, in einer Höhle auszuharren, ohne zu altern. Nach mehreren 1.000 Jahren darf er schließlich zurück auf die Erde. Er muss zwei Menschen finden und deren Leben verändern.

„Verstehst du jetzt?“, fragte er. „Wenn man endlos viel Zeit hat, gibt es keine Intensität mehr. Ohne Verlust, ohne Opfer, wird alles, was wir haben, wertlos.“

Die Botschaft ist simpel und doch staunt man, wenn sie dann letztendlich schwarz auf weiß auf den Seiten steht: Jeder Tag, jeder Augenblick ist kostbar. Ich hadere noch mit dieser simplen Weisheit. Gerade, wenn man versucht, Geduld zu haben und man doch alle Zeit der Welt haben will, hilft es nicht besonders, wenn einem aus dem Buch entgegen schlägt, dass man jeden Augenblick leben muss, als wäre es der Letzte. Da habe ich mich monatelang damit beschäftigt, alles entspannter anzugehen und jetzt das. Obwohl es so wahrscheinlich nicht gemeint ist. Hetzen bringt ja für den Augenblick auch nichts. Aber wie kann man warten, wenn man weiß, was man will und wenn es morgen nicht mehr da sein könnte? Oder wenn es so schön ist, dass man es morgen wieder haben will?

„Es gibt einen Grund, warum Gott uns nur eine begrenzte Anzahl von Tagen zugesteht.“ – „Und warum ist das so?“ – „Damit jeder einzelne Tag kostbar ist.“

Es ist ein ewiges Dilemma. Man soll glücklich sein, mit dem, was man hat, man soll nach Höherem streben, man braucht progress, um glücklich zu sein, Entwicklung macht glücklich, etwas zu schaffen, macht glücklich. Die kleinen Dinge soll man genießen, sich an einem Sonnenuntergang erfreuen oder an einem erfrischenden Getränk oder einem guten Essen. An einer Umarmung, am Lächeln eines geliebten Menschen. Man soll aber dem Glück auch nicht hektisch nachrennen, hörte ich kürzlich den Autor/Regisseur David Schalko im Radio sagen (sinngemäß, die genauen Worte hab ich mir nicht gemerkt):

Es ist absurd, ständig nach Glück zu streben. Wenn man manisch dem Glück nachrennt, das ist ja genau das, was einen dann unglücklich macht.

Wer das alles auf die Reihe kriegt, muss ein wahrhaft glücklicher Mensch sein …

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Roman

Terezia Mora – Der einzige Mann auf dem Kontinent

Mellow Yellow Flower

Das permanente Angebundensein an den Datenstrom ist mir nicht lästig und überfordert mich keinesfalls. Wenn nichts davon da ist – das überfordert mich.

Terezia Mora zeigt uns einen Protagonisten als hin- und hergerissenen Mann. Stressiger Job, herausfordernde Freundschaften, sensible Frau, die seine Aufmerksamkeit fordernd. Sie erzählt Episoden aus der Vergangenheit, so erinnert sich der Protagonist Darius Kopp etwa in Rückblenden an einen psychischen Zusammenbruch seiner damaligen Lebensgefährten, der schließlich zu einem Heiratsantrag seinerseits führte. Sie hypersensibel, er always on und untrennbar mit der Welt verbunden – man fragt sich bald, ob das gutgehen kann?

Die Idee war brillant, verwegen, Kopps Herz schlug ein schnelleres Tempo an, er riss die Augen auf: staubige, dunkle Balken. Es kommt doch heraus. Es kommt immer alles heraus. Nein, das stimmt nicht. Manches nie … Wozu reicht mein Mut? Das ist nicht die Frage, sondern: Wie findet meine Moral das? Er schloss sanft die Augen.

Sein fragiles berufliches Gerüst wird erschüttert von einer unterwarteten Barzahlung eines Kunden. Niemand außer ihm weiß von dem Geld. Sein Arbeitgeber schuldet wiederum Darius Kopp jede Menge Geld für Spesen und Versicherungszahlungen. Was soll mit dem Bargeld im Karton geschehen? Niemand muss davon erfahren. Aber Darius Kopp hat Skrupel. Und versucht trotz allem, das Richtige zu tun. Was immer das auch sein mag.

Er rannte ins Café hinein, Selbstbedienung, er rannte an den Tischen vorbei, direkt an die Theke, wie ist er auf den Barhocker gekommen, keine Erinnerung, auf einmal saß er drauf. Er keuchte, nicht vor Anstrengung, sondern vor Erleichterung darüber, dass er diesen Hafen gefunden hatte. Essen, Trinken, Internet.

Hier fühlt sich der gemeine Nerd/Geek leicht solidarisch, wobei ich von mir selbst behaupten möchte, dass ich so hysterisch selten in ein WLAN-Café gestürmt bin. Doch in einer fremden Stadt kann das Internet schon Heimat sein, wo es keine andere Heimat gibt. Für Darius Kopp scheint es ein Zufluchtsort zu sein, auch wenn ihn dort weder Erleuchtung noch Erleichterung seiner schwierigen Entscheidungen erwarten.

Er hätte gern einen Lachanfall bekommen, einen hysterischen Lachanfall, dass er hätte taumeln und sich krümmen müssen und aufpassen, dass er nicht wieder in die Kartonwand geriet, aber es gelang ihm nicht.

Während Darius Kopp mit seiner Familie und seinen anderen arbeits- und partnerschaftlichen Sorgen beschäftigt ist, hat der Leser das Geld der Armenier im Karton längst vergessen. Ein kluger Schachzug, denn gleich der Kartonwand stürzt auch Darius Kopps Leben Stück für Stück ein. Verfolgen Sie den Zusammenbruch eines Lebens und was am Ende wirklich wichtig ist. Gespalten.

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Roman

Erlend Loe – Die Tage müssen anders werden, die Nächte auch

Helsinki Lutheran Cathedral

Ich setze mich auf eine Bank und schaue mir die Liste genau an. Lange. Eine ehrliche Liste ist das. Ich bin zufrieden mit ihr. Vielleicht gibt es so ein Ding, vielleicht auch nicht. Nicht so wichtig. Wichtig ist die Liste. Die ist eine Entdeckung für mich. Sie ist wertvoll.

Dieses Buch wurde mir von einer nahestehenden Person als „absolutes Lieblingsbuch“ präsentiert, da gerät man natürlich in den Verdacht, eine positivere Wertung abzugeben. Allerdings wurde mir schnell klar, wieso die nahestehende Person sich in diesem Buch offenbar wiederfindet. Der Ich-Erzähler befindet sich in einer unzufriedenstellenden Situation, in der er sich nicht in der Lage sieht, weiterzuleben. Obwohl er keine gröberen Katastrophen erlebt hat, er hat Familie, Freunde, Studium und leidet keine Not, ist er mit seinem Leben unzufrieden und wünscht sich Veränderung. Und wer kann wohl von sich behaupten, dass er noch nie in dieser Situation war?

Auf einmal könnte ich die großen Zusammenhänge überblicken. Alles mögliche durchschauen. Schlüsse ziehen über die Welt und die Menschen. Ich wäre zu Selbstbeherrschung fähig und dazu, aus anderen das Beste herauszuholen, lauter so Zeug. Dann würde der Meister zu mir sagen, jetzt hätte er mir nichts mehr beizubringen, und dann würde er mir etwas schenken.

Er sucht nach dem Überblick, nach dem Wissen, wie das Leben funktioniert, nach einer Freundin. Zur Entspannung wirft er einen Ball gegen eine Wand oder hämmert auf einem Hämmerbrett. Was sich als entspannender erweist, als man sich vorstellen kann. Mich macht allein die Vorstellung von dem Hämmergeräusch irre. Von der Nutzlosigkeit dieser Tätigkeit ganz zu schweigen. Aber in manchen Situationen ist es wohl notwendig, sich mit Nutzlosem abzulenken, um sich nicht von der Größe des Universums erdrücken zu lassen.

Ein Brief an einen Autor, der sich mit dem Thema Zeit beschäftigt, bleibt unbeantwortet. Gerade berühmte Wissenschaftler haben keine Zeit (!), sich mit solchen Fragen zu beschäftigen geschweige denn Briefe zu beantworten. Anhand des Empire State Buildings, auf dessen Spitze die Zeit aufgrund der Erdrotation schneller (oder war es langsamer?) vergeht als unten, stellt der Protagonist schließlich fest, dass es eigentlich keine Zeit gibt. Aus irgendeinem Grund macht ihn diese Erkenntnis unheimlich glücklich und befreit ihn von allen Zwängen, denen er sich bisher ausgesetzt sah. Aber macht das überhaupt einen Unterschied?

Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit habe ich das Gefühl, dass alles passieren darf. Heute bin ich aufgewacht und habe gedacht, alles darf passieren, die Dinge kommen einfach auf mich zu, und sie sind gut.

Auch ein weiteres Prinzip im Sinne der Selbstfindung kommt hier zur Anwendung: Die gewohnte Umgebung verlassen. Die Reise zu seinem Bruder nach New York eröffnet dem Protagonisten so manche neue Erkenntnisse. Reisen bildet nicht nur, es lässt einen die Welt schlicht aus anderen Perspektiven sehen. Und so kommt man manchmal auch darauf, was im Leben eigentlich wirklich wichtig ist.

Komisch, dass ich erst nach Amerika reisen musste, um darauf zu kommen.

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Roman Unterhaltung

Terry Pratchett – Heiße Hüpfer

Zeit(c)frko/SXC

Zum Beispiel behauptete der Dozent für kreative Ungewissheit auf eine recht selbstgefällige Weise, er sei gleichzeitig zugegen und abwesend, bis jemand an seine Tür klopfte und dadurch das Kraftfeld seiner besonderen Zustandsform zusammenbrechen ließ. Er wies auf die Unmöglichkeit hin, vor einem solchen Ereignis eindeutige Feststellungen treffen zu können. Logik ist eine wundervolle Sache, aber manchmal sind gewöhnliche Überlegungen noch viel bessser.

Terry Pratchett entfaltet in dieser Geschichte aus der Zauberer-Reihe eine Zeit/Raum-Vergangenheit/Zukunft-Schleife, die wie eine surreale Mischung aus dem Leben von Schrödingers Katze und Stephen Hawkings Theorie der schwarzen Löcher gewürzt mit einem Schuss Catch 22.

„Weißt du, der Sinn der ganzen Sache liegt in der ganzen Sache“, behauptete der Gott. „Obgleich …“ Er schniefte ein wenig. „Wenn wir den einen oder anderen Käfer hinzufügen können, beklage ich mich nicht.“

Sogar zur Religion bringt Pratchett eine spannende Geschichte auf, in der er nicht nur die Evolution sondern auch noch den Sinn des Lebens erklärt.

„Ist doch ganz klar“, fuhr der Erzkanzler fort. „Wenn ich auf die Ameise trete, so existiere ich nicht. Aber wenn ich nicht existiere, kann ich gar nicht auf die Ameise treten, und deshalb müsste sie am Leben bleiben, oder?“

Logik kanns bei Pratchett nicht geben und doch führen seine Fäden immer wieder zueinander. Held der Geschichte ist ein ums andere Mal der tollpatschige Rincewind, der schließlich nicht nur die Zeiten repariert, sondern auch das Wetter. Verfolgt von einem hartnäckigen Känguru schert er Schafe, trinkt zuviel Bier, kreiert die Pfirsich-Nellie und verliert dabei nie den Hut (der ihn als Zauberer auszeichnet). Der bisher beste, absurdeste, wunderbarste Pratchett, den ich bisher gelesen habe.

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Kurzgeschichten

Jostein Gaarder – Der seltene Vogel

Sprung übers Fahrrad am Flughafen Tempelhof

Eine Möglichkeit ist natürlich, einfach das Licht auszuknipsen. Der Zeitscanner wandert ja nicht mit der Lampe in der Hand durch die Dunkelheit. Sobald ich das Licht ausgeschaltet habe, kann mein Nachbar in meinem Schlafzimmer nicht mehr sehen als ich selber. Viele historische Morde sind noch immer unaufgeklärt aus dem einfachen Grund, weil sie im Dunkeln begangen wurden.

Jostein Gaarder überrascht mich immer wieder mit neuen Richtungen. Begonnen mit Sofies Welt über Das Orangenmädchen bis zu Vita brevis muss ich einfach bei jedem Buch dieses Autors zugreifen. Dieser Band von Erzählungen hat mich daher einen Tag lang durch Berlin begleitet. Dafür habe ich sogar meinen eigens vorausgewählten Berlinkrimi Volker Kutscher: Der nasse Fisch links liegen gelassen. Gerade als Reisebegleitung kann ich diese Erzählungen wärmstens empfehlen, da der dünne Band nicht beschwert, was man von den Themen der Erzählungen nicht gerade behaupten kann, diese werfen nämlich so einige Fragen auf.

Die Erzählungen bewegen sich in unterschiedlichen Richtungen, ein zentrales Thema kristallisiert sich aber mit der Zeit heraus. Fragen über die Entstehung des Lebens, die Entstehung des Universums, das menschliche Bewusstsein kehren ein ums andere Mal wieder. Das obige Zitat stammt aus einer der längeren Erzählungen, die ein düsteres Bild der Zukunft entwirft, in der die Menschen ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, weil sie sich durch den „Zeitscanner“ die Geschichte auf ihre Bildschirme zaubern können. Da aber jeder nur mehr in der Vergangenheit herumsurft, entsteht keine neue Geschichte mehr. Jeder kann jeden beobachten, auch wenn dies kaum interessant sein dürfte, da niemand mehr etwas tut.

Wie ist es möglich, dass die Welt mir nicht zustimmt, wenn ich behaupte, es sei verrückt, hier zu sein? Was hat die Welt, das ich nicht habe? Was habe ich, woran es der Welt fehlt? Niemand, niemand sieht die Welt wie ich.

Ein Kunstkritiker wird von seinem Redakteur dazu aufgefordert, die Sonne zu rezensieren und verliert sich schließlich immer mehr in Fragen zur Entstehung und zur Bedeutung der Welt. Fragen, die sich die meisten Menschen nicht stellen, und wer sich damit beschäftigt, wird dann oft zum Außenseiter und Missverstandenen.

Gleich zwei Erzählungen drehen sich darum, wie Menschen damit umgehen, wenn sie erfahren, dass sie todkrank sind und nicht mehr lange zu leben haben. Für Jenny führt dies zu einer Buddha-artigen Nirwana-Erfahrung, während Jonny einen Porzellanladen kurz und klein schlägt. Was geht vor in einem Menschen, der von der eigenen Sterblichkeit überrascht wird? Wird unsere Zeit wertvoller, wenn wir wissen, dass uns nicht mehr viel davon bleibt?

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Roman Unterhaltung

Marc Levy – Bis ich dich wiedersehe

Louvre Pyramide 

„Ich liebe dich und werde nie aufhören können, dich zu lieben, ich weiß nicht, wie und warum. Ich liebe dich so, weil ich keine andere Art kenne. Wo du nicht bist, kann ich auch nicht sein.“ Jonathan drückte seine Lippen auf Claras Mund, und zum letzten Mal in seinem Leben begann sich alles um ihn herum zu drehen.

Marc Levy ist Spezialist für Liebe zwischen Zeiten und Welten und da macht auch „Bis ich dich wiedersehe“ keine Ausnahme. Jonathan und Clara meinen beide von der ersten Begegnung an, sich bereits zu kennen. Die Liebe zum russischen Maler Wladimir Radskin verbindet sie. Sein mutmaßliches letztes Bild blieb jedoch unsigniert und um seinem Freund Peter, der das Bild versteigern soll, zu helfen, versuchen die beiden, die Urheberschaft des Bildes zu beweisen. Als sich ihre Hände zum ersten Mal berühren, haben beide Visionen aus der Vergangenheit.

Langsam entrollt sich die Geschichte des Malers und damit auch die Geschichte von Clara und Jonathan sowie Jonathans Verlobter Anna und deren Familie. Eine Geschichte über mehrere Generationen hinweg.

Seinem Stil bleibt Marc Levy auch in diesem Roman treu, die Rückblenden bleiben etwas kurz und nur langsam zeigen sich die Anzeichen der hintergründigen Familiengeschichte. Dann kommt die Auflösung beinahe zu schnell. 

Ein Liebesroman, an dem man sich in dunklen einsamen Nächten das Herz wärmen kann.