CN: psychische Krankheit, Suizid, angedeuteter/möglicher Missbrauch von Schutzbefohlenen
Auf der Suche nach einer Geschichte, die mich nicht überfordern würde, scrollte ich wieder mal durch die Neuerwerbungen in der OverDrive eLibrary und wurde auf dieses Werk aufmerksam. Vor einiger Zeit waren dazu einige Artikel auf Lithub erschienen, unter anderem auch einer vom Designer des neuen Covers (das ich übrigens auch viel gelungener finde, als das, was mir mit dem eBook gezeigt wurde).
When you’re in boarding school you imagine how grand and fine the world is, and when you leave, you’d sometimes like to hear the sound of the school bell again.
Das Buch erzählt von einem Schweizer Mädcheninternat knapp nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Töchter aus wohlhabenden Familien werden hier geparkt, um eine angemessene Ausbildung zu erhalten. Die namenlose Ich-Erzählerin schwelgt in den Erinnerungen an ihre Jugend, mäandert zwischen der Langeweile, dem Wunsch nach Freiheit und der Sicherheit, die das Leben in einem Internat mit sich bringt.
I liked German expressionism and the thought of the life, the crimes I hadn’t yet experienced.
Erst jetzt habe ich zur Autorin Fleur Jaeggy recherchiert, sie ist Schweizerin, hat das Buch ursprünglich (vermutlich) auf italienisch geschrieben. Auf ihrer Wikipedia-Seite springt mir der deutsche Titel Die seligen Jahre der Züchtigung entgegen. Das gibt mir ein vollkommen anderes Gefühl als der englischsprachige Titel Sweet Days of Discipline. Teilweise liegt es sicher an der Vertrautheit mit der Sprache, aber schon allein das Wort selig fühlt sich für mich deutlich stärker an, es hat eine religiöse, entrückte Komponente. Gleichzeitig erscheint mir auch Züchtigung als deutlich intensiveres Wort, es hat gewaltvolle Anklänge, ich denke an einen strengen Lehrer, der seinen Schüler:innen mit dem Lineal auf die Finger klopft. Dann sind es Jahre im deutschen Titel, Tage hingegen im englischen Titel. Wie es zu dieser Übersetzungsentscheidung kam, würde mich wirklich interessieren.
Die allgemeine Begeisterung für das Buch kann ich nicht teilen, ich wurde mit der Erzählerin einfach nicht warm. Ich fühlte mich erinnert an Ottessa Moshfegh – My Year of Rest and Relaxation, wo es mir ebenfalls so ging, dass ich mit der Protagonistin nichts anfangen konnte und den Hype um das Buch nicht verstand.
Das Ende hat mich in zweierlei Hinsicht überrascht.
Erstens, weil es sehr unerwartet kam, wie so oft folgten nach dem Ende der eigentlichen Geschichte noch unzählige andere Informationen (zur Autorin, zum Copyright und ein Haufen Werbung), die ganze neun Prozent des gesamten Buchs ausmachten. Ich wünschte wirklich, ich könnte im eBook-Reader vorab sehen, wo die eigentliche Geschichte endet.
Zweitens, weil das Ende aus einer unerwarteten Einsicht besteht, die die glorifizierte Zeit der jugendlichen Disziplinierung in ein neues Licht rückt.
Das ist der tausendste veröffentlichte Post auf diesem Blog! Seit dem 26. November 2007 habe ich also mehr als 1.000 Bücher gelesen (nicht alle wurden hier veröffentlicht, es sind aber kaum mehr als 10 Bücher, die ich aus persönlichen Gründen nicht öffentlich dokumentiert habe). 1.000 Bücher in 17 Jahren, das fühlt sich für mich gleichzeitig viel und wenig an. Erinnert mich an den Moment, als mir als Kind klar wurde, dass ich niemals alle Bücher in unserer damaligen kleinen Stadtbücherei lesen werde können. Heute wird noch sehr viel mehr veröffentlicht, durch eBooks, Audio-Books (nicht mein Medium, aber für viele Menschen sehr wichtig) und Self-Publishing können Bücher veröffentlicht werden, für die es sonst keinen Markt gäbe. Diesen Nischen möchte ich in den nächsten 1.000 Posts auch mehr Aufmerksamkeit schenken. Es werden weiterhin viele Krimis vorkommen, weil ich die zur Entspannung und Unterhaltung einfach gern lese. Memoirs (Geschichten aus dem echten Leben, von realen Personen, Blicke in andere Lebenswelten) haben mich in den letzten Jahren auch sehr interessiert (wie sich an der heutigen Buchbesprechung auch zeigt). Ich möchte aber auch in mir bislang verborgene Ecken vordringen.
Meine Mutter erzählt gerne, dass sie sich sehr gefreut hat, als ich endlich in die Schule gehen durfte, weil sie mir immer so viel vorlesen musste. Da war sie froh, als ich dann selbst lesen lernte. (Vor-)Lesen hat mich mein ganzes Leben lang begleitet, es ist mein längstes und wichtigstes Hobby. Das Lesen erlaubt mir, über den Tellerrand meiner eigenen kleinen Welt zu schauen, es gibt mir Anregungen über andere Lebensentwürfe und -modelle, es lässt mich aber auch aus meiner eigenen Welt aussteigen, wenn die gerade nicht so freundlich zu mir ist. Hoffentlich werde ich darauf niemals verzichten müssen.
I feel better for knowing I am not suffering alone. The thing is, though, on this kind of adventure, you have to keep going. You have to keep walking no matter how you feel or what the circumstances are. […] It is an endless, excruciating lesson in patience.
Beim letzten Besuch im Lieblingsbuchgeschäft in Berlin habe ich in einer Ecke ein Regal entdeckt, das vielleicht neu ist oder mir vorher noch nie aufgefallen war. Daraus fischte ich dieses ganz besondere Buch: ein Travel Memoir, das in drei Expeditionen durch Marokko führt. Die Autorin Alice Morrison begibt sich mit drei Guides und sechs Kamelen auf monatelange Wanderungen durch die unterschiedlichen Landschaften von Marokko.
Das obige Zitat drückt ziemlich gut aus, wie sich die Vorstellung einer solchen Expedition für mich anfühlt. Tägliches Gehen von 20 und mehr Kilometern, in extremer Hitze, tägliches Ein- und Auspacken der gesamten Ausrüstung, eingeschränkter Zugang zu frischem Wasser und großteils keinerlei Zugang zu Hygieneeinrichtungen: bleiben wir ehrlich, so eine Reise würde ich niemals machen wollen.
Umso bereichernder finde ich es, darüber zu lesen, das andere Menschen solche Erfahrungen machen. Wie bei so ziemlich jeder Reise sind die oben erwähnten Strapazen natürlich nur die Negativ-Seite. Auf der Positiv-Seite berichtet Alice Morrison von der Kameradschaft, die sie innerhalb ihrer Karawane erlebt, vom herzlichen Willkommen, das sie nahezu überall erwartet, von den atemberaubenden Landschaften, die sie durchwandert und den aufregenden Entdeckungen, die sie in der wenig besiedelten Gegend macht. Als sie kurz vor dem Ende ihrer dritten Expedition selbst Dinosaurier-Spuren entdeckt, ist sie eins mit sich und der Natur:
The drop below me is sheer and there are buzzards overhead. The world is a perfect place. I am here on this mountain, searching for these messages from the past, etched into nature, and I take time to just enjoy the excitement and wonder that I feel. The tiredness and discomforts fade away […]. None of it matters; what matters is to do what you can where you are and to fully live the great moments, like these ones, that come along in every life.
Selbst die ganze Welt zu bereisen, ist den wenigsten Menschen möglich und aufgrund der aktuellen Klimakrise auch nichts mehr, was angestrebt werden kann. Durch Bücher um die ganze Welt zu reisen ist da nicht nur bequemer und günstiger, sondern auch besser für die Umwelt. So wird’s hier weitergehen, danke an alle, die bis hierher gelesen haben.
Im Volkskundemuseum Wien ist noch bis inkl. Sonntag, 29. September 2024, die Ausstellung „Deaf Journey“ zu sehen. Im Rahmen der dritten Hacktours hat eine Gruppe an interessierten Menschen die Ausstellung am 15. September besucht. Durch die Ausstellung wurden wir geführt von Kurationsperson Oliver Suchanek (es/es, they/them). Die Führung wurde in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) abgehalten und durch Dolmetschung (finanziert durch Spenden und unterstützt durch den C3W) in österreichische Lautsprache übersetzt. Die Ausstellung ist ein Projekt des Vereins Gebärdenverse, der sich seit 2o23 „für die Verbindung der hörenden und der gehörlosen Community“ einsetzt.
Der Untertitel „Der Weg zur Identität“ spannt einen Bogen über die Werke der sieben beteiligten Künstler:innen. Damit soll jedoch nicht eine gehörlose Identität suggeriert werden. Jede der beteiligten Personen hat ihre eigene Reise absolviert, um dort anzukommen, wo sie sich jetzt befindet. Die Reise ist damit auch nicht zu Ende, sie ist ein Prozess, in dem sich immer wieder neue Wege auftun.
Thematisiert werden unterschiedlichste Diskriminierungserfahrungen, mit denen gehörlose Menschen im Alltag immer wieder konfrontiert sind (Audismus). Künstlerin Cecilia Göbl (sie/ihr, she/her) thematisiert diese in ihren Acrylbildern zum Beispiel mit häufigen Vorurteilen, die gehörlose Menschen von Aktivitäten (wie zum Beispiel dem Autofahren) ausschließen. Auf einem anderen Bild zeigt sie, wie Gebärdensprache nicht nur Menschen verbindet. Selbst Kleinkinder, die (noch) nicht sprechen können, sind in der Lage, einfache Gebärden zu erlernen und sich so auszudrücken. Auch Hunde verstehen Handzeichen/Gebärden. Mit ihren Bildern möchte Cecilia Göbl auch zeigen, dass die Gebärdensprache nicht nur ein Hilfsmittel ist, sie erlaubt eine unmögliche Ausdrucksvielfalt. Ein Zitat von ihr aus dem Ausstellungskatalog:
Mit Gebärdensprache kann ich offen ausdrucken und aus Seele gebärden. Einfach mal ich zu sein.
Mir gefällt besonders ihr Bild „Be Unique“. Es zeigt zwei glückliche gebärdende Menschen, gemalt in Rot-Gelb-Orange-Tönen in einer Menge an grau-schwarzen Menschen, die allesamt keine Gesichtszüge haben.
Ein zentrales Werk in der Ausstellung von Künstler Marko Lalic (er/ihm, he/him) ist ein zweiteiliges Bild, das die unterschiedlichen Facetten der hörenden und der gehörlosen Welt thematisiert. Seine hörende Welt ist von Stress, Unverständnis und misslungener Konversation geprägt, während in seiner gehörlosen Welt Menschen Ruhe haben und sich besser konzentrieren können, weil sie nicht von den vielen Alltagsgeräuschen abgelenkt und überfordert werden. Ein Detail des Bilds zeigt die Silhouette einer Person, die einem Hund gegenübersteht und diesem die Gebärde für das Wort „Sitz(en)“ zeigt.Terezia Pristacova (sie/ihr, she/her) erweitert die Ausstellung um Videoinhalte. Als schwerhörige Person kann sie „Musik genießen und starke emotionale Bindung zu Musik aufbauen“. In ihren Kunstwerken verbindet sie Tanz mit Gebärdensprache.
Für Franz Steinbrecher (er/ihm, he/him) war die Ankunft „in einer neuen Welt ohne Sprachbarrieren (ÖGS) […] ein neuer Zugang zu Wissen“ nach einem „langen steinigen Weg mit vielen Missverständnisse und Verwirrungen, Einbahnen sowie Abhängigkeiten vom Umfeld.“ Kurationsperson Oliver Suchanek erklärte uns, dass das von Franz Steinbrecher gestaltete Wandbild in der aktuellen Ausstellung eine Fortsetzung eines Bildes darstellt, das er für eine frühere Ausstellung (Deaf Gain) gestaltet hat. Auf dem aktuellen Wandbild ist ein Astronaut im Sprung zu sehen, der zwischen zwei Hälften einer zerbrechenden Welt seine Arme nach dem großen, lebendigeren Teil ausstreckt. Dort fliegen Schmetterlinge, bunte Hände zeigen Gebärden, es weht die Flagge der Gehörlosen (Deaf flag). Sein Bild drückt seinen Wunsch aus, sich von der hörenden Welt mehr und mehr zu lösen, um sich in der gehörlosen Welt richtig entfalten zu können.
Lily Emmalie Marek (sie/ihr, she/her) nimmt in ihren Werken Bezug auf die oben angesprochene „gehörlose Identität“. Sie ermöglicht den gehörlosen und schwerhörigen Menschen ein Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl. Gleichzeitig ist aber jede Identität anders zusammen gesetzt und die Individualität der einzelnen Personen geht nicht verloren. Auf einem Tisch sind Bilder ausgelegt, die unterschiedliche Entwicklungsphasen einer Person zeigen. Die Besucher:innen können nun versuchen, die Bilder in eine Reihenfolge zu bringen und danach überprüfen, ob sie mit der von der Künstlerin vorgesehenen Reihenfolge überein stimmen.
Gabriel Manasch (er/ihm, he/him) arbeitet für seine Kunstwerke mit unterschiedlichen Materialien. Auffällig ist etwa eine Skulptur, die mittels 3D-Drucker entstanden ist. Sie verbindet die Gebärden für die Worte Schmetterling und Schildkröte. Die Skulptur verweist darauf, dass dies oft die ersten Gebärden sind, die Personen sich merken, wie uns Oliver Suchanek erzählt. Beide Tiere werden teilweise auch von der Gehörlosen-Community als Symbole verwendet. Für Gabriel Manasch ist Gebärdensprache auch ein Ausdruck der Kultur und Gemeinschaft der Gehörlosen-Community. Zwei wiederkehrende Motive in den Werken in der Ausstellung sind (gebärdende) Hände und der Baum als Symbol für Wachstum. Ein Bild von Marko Lalic zeigt eine Hand, aus deren Fingern ein Baum wächst.
Oliver Suchanek (es/es, they/them) hat sich in seinen Werken für diese Ausstellung damit befasst, wie die Gebärdensprache für es eine andere Ausdrucksmöglichkeit ermöglicht. Es thematisiert aber auch, wie das audistische Verhalten der Mehrheitsgesellschaft bei gehörlosen Menschen zu einem Deaf Burnout führen kann. Oliver erzählte uns, wie viel Energie die Anpassung an die hörende Welt im Alltag kostet. Einen wichtigen Brückenschlag versucht die Ausstellung auch in Richtung anderer marginalisierter Gruppen. Die in der Ausstellung gezeigten Bilder stehen teilweise auch als taktile Version aus dem 3D-Drucker zum Anfassen bereit. Dies soll auch blinden Besucher:innen ermöglichen, die Bilder zu erfahren.
23.9. 18 Uhr: Führungsangebot mit Dolmetsch in Deutsch
29.9. 14 Uhr Führungsangebot mit Dolmetsch in Deutsch
Die Ausstellung bietet verschiedene Perspektiven auf die Entwicklung einer gehörlosen Identität und zeigt viele Schwierigkeiten auf, mit denen gehörlose und schwerhörige Menschen im Alltag konfrontiert sind. Ein Besuch mit Führung ist sehr zu empfehlen.
The world kept telling her to look away, to pay no attention to an age-old system, in which men thrived and inconvenient women disappeared.
Ein Roman, der wie für eine Serienumsetzung geschrieben scheint (kein Wunder, dass AppleTV+ das schon gemacht hat). Das Setting in den 1960er-Jahren im US-amerikanischen Baltimore erlaubt ein Eintauchen in eine andere Zeit, sowohl modisch als auch mit dem Set-Design. Nachdem ich mir den Trailer angesehen habe, bin ich mir aber nicht mehr sicher, wieviel die Serie mit der Romanvorlage tatsächlich gemeinsam hat …
Das Buch beginnt mit der jüdischen Hausfrau Madeline Schwartz, die nach einem von vielen weiteren Abendessen, das sie für ihren Ehemann und spontan geladene Gäste ausrichtet, beschließt, ihren Ehemann zu verlassen. Im Buch wirkt das völlig gefühllos, wobei das auch zur Identität von Madeline (Maddie) zu passen scheint, die generell eher kalt und berechnend wirkt.
Als sie zufällig zur Zeugin in einem Mordfall wird, nutzt sie die Gelegenheit, um sich mit mehr oder weniger sauberen Winkelzügen in die Zeitungsredaktion des Star einzuschleusen. Dafür nutzt sie den guten Willen des Mordverdächtigen, der ihre Briefe beantwortet, die sie dann später nutzt, um daraus in der Zeitung Kapital zu schlagen.
In vieler Hinsicht wirkt Maddie wie eine hilflose Möchtegern-Ermittlerin, die Spuren nachläuft, um sich interessant, beliebt und wertgeschätzt zu machen. Dabei dreht sie sich die Situationen auch so hin, dass es für sie moralisch passt, auch dann, wenn sie dabei offensichtlich anderen schadet. Das macht sie zu einer wenig sympathischen Person, die die erhoffte Karriere über alles stellt.
Die Erzählstruktur des Buchs ist zu Anfang so, dass sich Kapitel aus der Perspektive von Maddie abwechseln mit Kapiteln, die aus der Perspektive von anderen Menschen geschrieben sind, die jeweils gerade mit Maddie Kontakt hatten. Dazwischen gestreut sind die Statements der titelgebenden Lady in the Lake: Eine schwarze junge Frau namens Cleo Sherwood, die zu Beginn als vermisst gilt und später zum Ziel Maddies weiterer Ermittlungen wird. Dabei scheucht Maddie nicht nur Cleos Familie und frühere Bekannte auf, sie bringt sich auch selbst in gefährliche Situationen.
Mich verwundert gerade sehr, wie massiv die nicht mal drei Minuten Trailer meinen Blick auf die Geschichte, die ich gerade gelesen habe, verändert haben. Natürlich ist so eine verdichtete Darstellung in einem Trailer nicht zu vergleichen mit der tatsächlichen Mini-Serie (oder der Buchvorlage), es scheint aber doch ein wesentlich größerer Fokus auf Cleo gelegt zu werden, die im Buch zwar zur Sprache kommt, im Trailer aber deutlich mehr Präsenz einnimmt. Dass das eBook jetzt mit dem Cover der Serie in der OverDrive eLibrary steht, gefällt mir auch nicht so wirklich. Ich hätte lieber das Original-Cover des Buchs dort gesehen.
Bei meinem letzten Berlin-Besuch kam es endlich dazu, dass wir den Modellpark Berlin-Brandenburg besichtigten. Entdeckt hatten wir den Park schon im August 2020, als wir die Feldbahn im FEZ besuchten. Dann hatte ich das Tab ewig lange offen, bis es irgendwann einem Crash zum Opfer fiel. Als ich nun erfreut feststellte, dass wir den Modellpark auch mit Hund besuchen können, gab es kein Halten mehr.
Laut Webseite sind im Modellpark über 80 Modelle zu sehen, der aktuelle Lageplan enthält 66 Objekte, von denen manche aus mehreren einzelnen Modellen bestehen. Vor Ort konnten wir leider nicht alle sehen. Wo laut Lageplan ein Modell sein sollte, war teilweise nur eine Form im Rasen erahnbar, wo das Modell wohl zuvor gestanden hat (zum Beispiel das Zeiss Grossplanetarium). Da die Modelle alle der Witterung ausgesetzt sind, ist es logisch, dass viel Wartung nötig ist, das zeigt sich auch deutlich an manchen der vorhandenen Modelle. Oft sind Regenrinnen abgebrochen oder Teile des Dachs fehlen (ersichtlich zum Beispiel auf dem untenstehenden Foto des Modells der Zitadelle Spandau). Die Versuchung, Kleinteile als Souvenir mitzunehmen, war bei mir groß, ich konnte gerade noch widerstehen.
Viele (eigentlich alle?) der Modelle aus dem Land Brandenburg waren mir allerdings komplett unbekannt. Dabei sind einige Schlösser wie zum Beispiel das Schloss Rheinsberg, neben dessen Modell ein Teich mit Seerosen angelegt ist oder das Schloss Oranienburg mit Orangerie. Hier sind Rosenbüsche neben den Gebäuden gepflanzt, zentral ist das Eingangsportal zum Schlossgarten, das ich gleich aus mehreren Perspektiven fotografiert habe, wie auf den nächsten beiden Fotos zu sehen ist.
Als Modellbahn-begeisterte Person hatte ich natürlich besondere Freude mit den bewegten Modellen im Park. Ein ICE durchfährt eine Landschaft mit mehreren Modellen, ein älteres Zugmodell ist zwischen Modellen aus der Gegend Zehdenick, Dannenwalde und Fürstenberg, Bredereiche unterwegs. Leider konnte ich von den einzelnen Modellen in diesen Bereichen keine Beschreibungen finden, im Lageplan sind sie nur als Gruppe verzeichnet. Vor Ort waren neben den Modellen Beschreibungstafeln angebracht (die meisten davon durch die Sonne sehr ausgebleicht und oft nicht eindeutig den Modellen zuzuordnen), leider hab ich mich darauf verlassen, das alles nachträglich recherchieren zu können, was leider nicht funktioniert.
Alt-Text für Video: Bild aus der Bodenperspektive, links und rechts ein Gebäude, dazwischen schlängelt sich eine rote Modellbahn durchs Bild, sie besteht aus einer Lokomotive, einem Frachtwaggon und einem Waggon, in dem blau gekleidete Personen sitzen
Exkurs: Ich versuche noch, die Videos ordentlich mit Alt-Text einzubinden, auf die Schnelle habe ich das gerade leider nicht geschafft.
Alt-Text für Video: Modell einer U-Bahn-Strecke mit zwei Gleisen, zuerst fährt auf dem rechten Gleis ein Wagen aus einem Tunnel auf die Kamera zu, kurz darauf auf dem linken Gleis wiederum ein einzelner Wagen, dieser auf dem linken Gleis scheint sich gefährlich zur Seite zu neigen, das Gleis fällt auf einer Seite etwas ab.
Als wir beim Frühstück den Tagesablauf planten, meinte der Fotograf noch, wir würden wohl eh nicht so lange im Modellpark sein. Da hat er sich natürlich getäuscht, wir haben sicher über drei Stunden dort verbracht, obwohl alle Modelle in der Sonne liegen und es trotz der moderaten Temperaturen in der Sonne ganz schön heiß war. Gegen Ende unseres Rundgangs waren wir alle drei schön durch erhitzt.
Der Modellpark ist liebevoll gestaltet und betreut, es gibt Spielmöglichkeiten für Kinder, viele – auch schattige – Sitzgelegenheiten, einen Miet-Trolley (um kleinere Kinder durch den Park zu transportieren), einen Souvenir-Shop und auch fürs leibliche Wohl wird gesorgt. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es für die Besucher:innen nur eine öffentliche Toilette außerhalb des Modellparks gibt. Für die sind 50 Cent Gebühr fällig. Besucher:innen des Modellparks können einen Chip bekommen, um die Toilette gratis zu nutzen, das ist jedoch nicht sehr transparent kommuniziert. Da wäre es schön, wenn es im Modellpark wenigstens ein Öklo oder sowas gäbe. Die Eintrittspreise sind sehr moderat (aktuell Erwachsene: 5,50€, Kinder bis 6 Jahre frei, Kinder von 7 bis 18 Jahre: 2,50€, es gibt noch weitere Ermäßigungen für bestimmte Personengruppen). Die Anreise kann sich je nachdem, von wo in Berlin ihr herkommen wollt, etwas mühsam gestalten, ist es aber in meinen Augen auf jeden Fall wert. Wenn ihr euch irgendwie für Modellbau interessiert (oder einfach nur ein paar lustige Fotos machen wollt), kann ich den Modellpark wärmstens empfehlen.
The belief that in death, beauty could be found. The belief that through the act of preservation, a new kind of life was promised. Immortal, perfect, brillant, in the face of the shifting and decaying world.
Nach meiner Meinung ist das nicht ihr bestes Werk, also genau genommen ziemlich schwach im Vergleich zu den anderen, die ich bisher gelesen habe. Mit Connie Gifford gibt es wieder eine starke weibliche Hauptfigur, die sich nicht von den im damaligen Großbritannien für Frauen geltenden ungeschriebenen Regeln aufhalten lässt. Trotz ihres Gedächtnisverlusts aufgrund eines Unfalls, den sie als Kind erlitten hat, kümmert sie sich um ihren Vater, hält dessen Werkstatt und Geschäft aufrecht und führt natürlich auch den Haushalt, wie es sich für eine Dame in ihrer Stellung gehört. Über der Bergung einer Leiche verliebt sie sich Hals über Kopf in Harry, der ihr bei dieser schweren Aufgabe zufällig zur Seite steht.
Der Plot um das lange zurückliegende Verbrechen, das zu Connies Unfall geführt hat, ist in weiten Teilen gut ausgeführt, weist aber in anderen Teilen deutliche Schwächen auf. Die dramatischen Wetterverhältnisse im letzten Teil der Geschichte dienen als eine Art Deus ex machina, um Täter:innen, Opfer und Bewesie verschwinden zu lassen, was wiederum den verbleibenden Mitwisser:innen ermöglicht, ihr Leben in einem Epilog glücklich weiterzuführen.
CN: sexuelle Handlungen, Erwähnung einer überlebten Krebserkrankung
Die Fortsetzung von Delilah Green Doesn’t Care. Aufgehoben für den Moment, wo ich sie brauche und auch dieses Mal hat mich Ashley Herring Blake nicht enttäuscht. In meinen jüngeren Jahren (es war offensichtlich vor dem Start dieses Blogs) habe ich tatsächlich auch romantische Romane gelesen z.B. von Danielle Steel oder Susan Elizabeth Phillips. Damals™ war das natürlich alles streng heterosexuell: Frau trifft Mann in einer unwahrscheinlichen Situation, am Anfang können sie sich nicht leiden, am Ende sind sie verheiratet. Dieser Enemies-to-Lovers-Trope funktioniert jedoch auch in einem queeren Setting, wie Ashley Herring Blake hier eindrucksvoll verdeutlicht.
(Ich habe gerade unverhältnismäßig viel Zeit damit verbracht, nach einer Serie zu suchen, die ein ähnliches Modell aufweist, wie es die Autorin dieser Buchreihe anwendet: es war eine Serie aus drei Bänden, in der jeweils eine von drei Schwestern in so einem Enemies-to-Lovers-Setting die große Liebe findet. Da ich jedoch nicht mehr weiß, wer diese Serie geschrieben hat und ich sie vermutlich auf deutsch gelesen habe, konnte ich sie bis dato nicht auftreiben.)
Eine nach diesem Muster erzählte Geschichte könnte oberflächlich und langweilig sein, ist es aber hier nicht im Geringsten. Die beiden Hauptprotagonist:innen verlieben sich nicht nur, sie stehen beide an einem Moment ihres Lebens, an dem sie sich fragen müssen, was sie eigentlich vom Leben wollen, was ihnen wichtig ist. Wie sie das herausfinden, ist Teil der Liebesgeschichte, die nicht zuletzt von der Mutter der Titelfigur, die bereits im ersten Roman eine Nebenrolle gespielt hat, sabotiert wird. Richtig super würde ich es ja finden, wenn diese steife und karriereorientierte Isabel Parker-Green auch noch die Hauptrolle in einem zukünftigen queeren Liebesroman spielen würde. Denn auch ältere Menschen können ihre Queerness noch entdecken. Immerhin verändert sich auch das Mutter-Tochter-Verhältnis im Verlauf der Geschichte, ohne die Leser:in mit einer einfachen Lösung zu beleidigen.
Den Hintergrund der Geschichte bildet die Renovierung eines alten Hotels, das im Rahmen einer Fernseh-Show ein Make-Over erhalten soll. Für alle Beteiligten steht viel auf dem Spiel, Astrid erhofft sich durch die Publicity neue Aufträge für ihre Design-Firma, Jordan will das Familienhotel vor dem Verkauf retten. Es gibt also jede Menge Konfliktpotential, das den Fortgang der Liebesgeschichte verzögert und somit glaubwürdig(er) macht. Für mich ausgezeichnete Unterhaltung im queeren Romance-Genre, wie schon letztes Jahr finde ich schön, dass es solche Geschichten nun auch mit queeren Charakteren gibt. Diese Charaktere sind hier übrigens nicht das Beiwerk wie es der „schwule Freund“ in Filmen und Romanen lange war. Sie sind einfach natürlich queer ohne dass dieser Fakt sie zu etwas Besonderem macht. Queerness gehört zum Leben dazu und ist in diesen Romanen etwas ganz Normales, was ich durchaus erfrischend finde.
Randnotiz: Das Einzige, was ich nicht herausfinden konnte, ist der Grund, warum Jordans Ex-Frau Meredith überhaupt wieder auf der Bildfläche auftaucht. Vielleicht habe ich das aber auch einfach überlesen.
CN: Krankheit und Tod eines Elternteils, Trauer (möglicherweise noch mehr, das ich leider nicht rekonstruieren kann)
It was the worst fact of parenthood, that what you did mattered so much more than anything you said.
Auch dieser Post wurde leider verschleppt und wird deshalb oberflächlicher ausfallen müssen, als ich es mir wünschen würde. Wie schon im vorherigen Buch/Post geht es auch hier um das Thema Zeitreisen, allerdings in einem deutlich anderen Setting.
Die Protagonistin wacht am Morgen nach ihrem 40. Geburtstag nach einem Abend mit zu vielen alkoholischen Getränken in ihrem Jugendzimmer auf und stellt fest, dass sie wieder 16 Jahre alt ist. Ihr Vater, den sie noch am Vortag im Krankenhaus besucht hat, sitzt am Frühstückstisch und gratuliert ihr zum Geburtstag.
Was zuerst nach einer Geschichte klingt, wie sie Material für sehr schlechte Filmkomödien sein könnte, wird von der Autorin verwandelt in eine Meditation über den Lauf der Zeit und die Entscheidungen, die unseren Lebensverlauf prägen. Was sind die Dinge, die uns wirklich wichtig sind in unserem Leben? Was wäre passiert, wenn wir in dieser einen Situation anders entschieden hätten? Wären wir wirklich glücklicher als wir es gerade sind?
Obwohl die Protagonistin alles Mögliche ausprobieren darf, um diese Fragen zu beantworten, liegt die Antwort dann doch woanders. Wir müssen nicht durch die Zeit reisen, um herauszufinden, was in unserem Leben wirklich wichtig ist.
But I am a girl with a keen interest in having it all, and what follows are hopeful dispatches from the frontlines of that struggle.
Eines der Bücher, die sich am Längsten auf meiner Merkliste in der Libby-App befinden, habe ich nun mal gelesen. Da weiß ich dann schon nicht mehr, warum es überhaupt auf dieser Liste steht (in der Libby-App kann ich mir dazu leider keine Anmerkungen machen; in der anderen Liste, die ich nur unregelmäßig pflege, weil sie eh viel zu lang ist, habe ich dazu auch nichts gefunden). Ich vermute den Lila Podcast als Anknüpfungspunkt, da wurde die Autorin in mehreren Episoden erwähnt.
Der Untertitel „a young woman tells you what she’s ‘learned’“ deutet auf einen Lernprozess hin. Es handelt sich jedoch um einen impliziten Lernprozess, beinahe mehr einen Sozialisationsprozess, in dem die Autorin gelernt hat, wie die Gesellschaft mit jungen Frauen wie ihr umgeht.
„You can’t please everyone,“ my grandmother always said.
Yes, you can, I thought. If you just work hard enough.
Sie erzählt in thematisch gruppierten Essays von ihren Erfahrungen hinsichtlich Liebe, Freundschaft, Sex und Arbeit, von ihrem Umgang mit dem eigenen Körper und wie dieser Umgang massiv von den von außen auf junge Frauen einprasselnden Erwartungen beeinflusst wurde. Sie spart nicht mit peinlichen Situationen, von denen wir vermutlich als junge Menschen mit wenig Erfahrung alle einige erlebt haben dürften. Sie beschreibt die Situationen, die sie erlebt hat, wie zum Beispiel den Polizisten, der ihr nahelegt, dass sie doch nicht so nett zu dem Mann sein hätte sollen, der ihr nun nachstellt und sie bedroht. Kaum ein (anti-)feministisches Klischee wird ausgelassen, die Kritik bleibt jedoch zumeist zwischen den Zeilen stehen. Sie nimmt ihre eigenen (früheren) Annahmen über die Gesellschaft aufs Korn, ohne sie konkret zu widerlegen. Dadurch bleibt das Buch unterhaltsam, ohne zu sehr auf die Zehen zu treten. (Obwohl es laut Wikipedia doch einigen Menschen auf die Zehen getreten ist.)
I was a working woman. I deserved kisses. I deserved to be treated like a piece of meat but also respected for my intellect.
Vielleicht hätte ich mir etwas anderes erwartet? Erwartungshaltungen sind ja immer problematisch. Mehr Kritik, mehr Hilfestellungen für junge Frauen, mehr Anregungen für gesellschaftlichen Fortschritt, der die geschlechtlichen Ungleichheiten verringert?
Dazu ist das Buch aber nicht angetreten. Der Untertitel sagt es deutlich: eine junge Frau erzählt uns, was sie gelernt hat. Es kann nicht auch noch ihre Aufgabe sein, uns zu erklären, wie wir die Gesellschaft zu verbessern haben.
Unter der Buchbeschreibung: ein Exkurs zu Archiven mit historischen Speisekarten.
I feel invisible – as I have said – and yet in that situation I had the strangest sensation of both being invisible and yet having a spotlight on my head that said: This young woman knows nothing.
Aus Alltagsgründen ist dieser Post leider der Verschleppung zum Opfer gefallen. Die Autorin lässt hier eine ihrer bekannten Figuren auftreten: Lucy Barton (bisher hier gelesen und beschrieben: My Name is Lucy Barton). In diesem Buch dreht es sich hauptsächlich um Lucys ersten Ehemann William. Die Zeitebenen sind teilweise etwas verwirrend, denn Lucys zweiter Ehemann ist kürzlich verstorben. Beschrieben wird ihre jetzige Beziehung zu ihrem früheren Ehemann William und den zwei gemeinsamen Töchtern.
What a strange thing life is.
Wer diesen Erzählstil mag, wird sich darin unfassbar wohl fühlen. Es wird nicht gespart an lebenswichtigen Themen, doch zumeist aus der Zukunft in Rückblenden erzählt. Dadurch gewinnen selbst die dramatischen Ereignisse eine gewisse Ruhe im Sinne von „wir können alles überleben“. Lucy Barton beschreibt ihr Leben, ihre Begegnungen mit bekannten aber auch unbekannten Menschen und kommt letztlich zum Schluss, dass wir niemals einen Menschen wirklich kennen können. Nicht mal uns selbst. Diese Erkenntnis, die sich hoffnungslos anfühlen könnte, ist in Wirklichkeit das Versprechen, dass wir uns immer neu entdecken können. Uns selbst, aber auch die Menschen um uns, von denen wir glauben, sie zu kennen.
Speisekarten können durch die Wahl der Sprache (mit)bestimmen, wer dort essen darf. Eine Speisekarte ausschließlich in französischer Sprache in einem nicht-französisch-sprachigen Land verlangt dementsprechend ein gewisses kulturelles Kapital von seinen Besucher:innen.
Früher stand eine ausführliche Speisekarte mit vielen Auswahlmöglichkeiten für die Qualität des Restaurants. Heute wird zumeist eine kürzere Speisekarte als hochwertig angesehen. Die Lieferrestauraunts, die Pizza, Schnitzel, Nudeln, Burger und was auch immer anbieten, machen oft genug nichts davon gut. Das weltberühmte Restaurant noma in Kopenhagen bietet überhaupt nur ein Menü für alle Gäste an.
In Japan ist es nicht nur üblich, Abbildungen der Gerichte in Speisekarten oder auf Plakaten abzudrucken. Es gibt auch viele Restaurants, wo Plastikmodelle der Speisen den Besucher:innen vorab zeigen, worauf sie sich einlassen. Die gleiche Praxis wird in den USA tendenziell als billig empfunden.
Reingekippt bin ich auf das Thema auch, weil mich in dem Stockerau-Buch die Speisekarte aus den 1970er-Jahren so amüsiert hatte. Am Ende des Artikels sind mehrere Büchereien genannt, die eine Sammlung von historischen Speisekarten haben und diese auch (zumindest teilweise) online zur Verfügung stellen.
Mit dem Angebot der New York Public Library konnte ich leider nichts anfangen. Die Suchfunktion gibt mir eine Fehlermeldung und wenn ich einzelne Speisekarten anklicke, werden die Bilder nicht angezeigt. Ist aber vielleicht nur bei mir so …
Mehr Erfolg hatte ich in der Conrad N. Hilton Library. Mit dem Suchbegriff „Austria“ hatte ich schnell eine Speisekarte des „Liesinger Stadtkellers“ aus dem Jahr 1950 gefunden. Wie auch die Speisekarte in dem oben genannten Buch, ist diese Speisekarte mit Schreibmaschine geschrieben, Basis ist eine Art Briefpapier, das in rot und schwarz gedruckt den Namen und die wichtigsten Informationen zum Lokal enthält. Zusätzlich in rot gedruckt sind einige dekorative Objekte an den Rändern links und rechts sowie eine Werbung für Swiss Air am unteren Rand der Seite.
Die angebotenen Speisen sind zahlreich und sehr variabel. Allein schon die Liste der Vorspeisen ist international. Sie enthält unter anderem Hors d’ oevre varie de LUXE (sic!), eine Schwedenplatte, Russische s Ei (sic!), Ung. Eiersalat, Ital. Fleischsalat, Bayr. Ochsenmaulsalat und Strassburger Gansleber in Terrine m.Toast.
Bemerkenswert ist auch, das die Preise sehr variieren: Mit 6.50 Schilling ist das Russische Ei die billigste kalte Vorspeise, demgegenüber stehen die Hors d’ oevre varie de LUXE mit 48.– Schilling. Dabei handelt es sich auch insgesamt um das teuerste Gericht der Karte, keine der Hauptspeisen schlägt mit mehr als 28.– Schilling zu Buche.
In der digital menu collection der University of Washington konnte ich nichts finden mit den Suchbegriffen nach europäischen Ländern. Also habe ich etwas herumgestöbert und fand hier Beispiele für die oben genannten Themen: das mexikanische Restaurant Casa Lupita in Seattle hatte im Jahr 1975 eine umfangreiche Speisekarte, das teuerste Gericht ist das Deluxe Mexican Dinner um 6.45 $. Bei Tacos, Burritos, Chalupas und Enchiladas kann aus mehreren Füllvarianten ausgewählt werden. Enchiladas ohne Fleisch sind günstiger als jene mit Huhn oder Rind.
In einer deutlich anderen Liga spielt da der Seattle Yacht Club mit seinem luncheon menu, approximately 1975. Schon die Titelseite sticht heraus mit dem vielen Weißraum und der großzügigen Serifenschrift. Trotz Recherche mittels identifont und whatthefont konnte ich die Schriftart nicht einwandfrei identifizieren. Im Speisenangebot ist eine umfangreiche Auswahl an Sandwiches, „all the above served with fruit cup, cottage cheese or potato salad“. Auf der dritten Seite der Speisekarte werden dann verschiedene Speisen unter der Überschrift „This and That“ angeboten. Diese Speisekarte ist auf beigefarbenem Papier gedruckt mit mindestens drei Farben (rot, schwarz und grau). Die gesamte Aufmachung der Speisekarte wirkt deutlich wertiger als diejenige des oben genannten mexikanischen Restaurants Casa Lupita, obwohl bei den Preisen gar nicht so viel Unterschied besteht.
Die Recherche zu diesen historischen Speisekarten ist einer der Gründe, warum ich diesen Post verschleppt habe. Ich hätte mich noch ewig durch die Archive klicken können. Wenn ihr also eine ähnliche Begeisterung verspürt, rate ich euch, nehmt euch Zeit, ihr werdet sie brauchen.
If they were [monitoring my emails already], there was nothing I could do about that now. I just had to keep going, putting one foot in front of the other.
Ruth Ware tauchte kürzlich in einem Lithub-Post auf. Ihr neuestes Buch One Perfect Couple ist in der Overdrive-eLibrary (noch?) nicht zu finden, daher griff ich stattdessen zu ihrem letzten Roman davor (2023). Obwohl mir die Bedeutung eines Zero-Days durchaus bekannt war, habe ich aus dem Titel keine Schlüsse gezogen. Umso besser, so konnte ich dieses Buch einfach genießen.
Protagonistin Jacintha „Jack“ Cross bricht beruflich in Gebäude ein, um die dortigen Schwachstellen im Sicherheitssystem aufzudecken. Als sie nach einer besonders langen Nacht nach Hause kommt, findet sie ihren Ehemann Gabe ermordet vor. Es dauert nicht lange, bis auch noch der Verdacht auf sie fällt. Von einem Moment auf den anderen ist Jack auf der Flucht. Die Polizei ist hinter ihr her, sie steht tagelang unter Strom und hat doch nur ein einziges Ziel: den wahren Mörder ihres Mannes zu finden.
Dieses Buch hat alles, was ich mir von einem Thriller wünschen könnte: eine starke und glaubwürdige Protagonistin, ein interessantes Umfeld (ihre Erfahrungen als Pen-Testerin helfen Jack immer wieder, ihre Verfolger:innen auszutricksen), überraschende Wendungen und ein Ende, das uns auch noch erzählt, wie es Jack ein Jahr nach den Ereignissen geht. Gute Unterhaltung für Freund:innen dieses Genres.
CN: Gewalt, Mord, Drogenmissbrauch, Xenophobie, Mysogynie, Homophobie, Beziehungsgewalt, Pandemie (Spanische Grippe), Weltkrieg, Erwähnung von Konzentrationslagern und Holocaust
This building is a psychic vampire – it drinks human essence.
Mit diesem Buch verbinde ich sehr gemischte Gefühle. Drei Anläufe habe ich gebraucht, bis ich überhaupt rein gekommen bin. Der Anfang ist dermaßen sperrig, dass ich Gefühle hatte, die ich sonst von Science-Fiction-Romanen kenne. Da habe ich manchmal Schwierigkeiten, die Welt zu verstehen, die verwendeten Begrifflichkeiten, die Lebensrealität der Protagonist:innen. Hier ist der Ort bald klar: Edinburgh, Schottland. Das jeweilige Jahr wird bei den einzelnen Kapiteln angegeben, also auch an der zeitlichen Einordnung gibt es nichts zu zweifeln. Und doch konnte ich mit der Tochter des Teufels, die das erste (und später noch zwei weitere) Kapitel als Protagonistin bestreitet, nicht einordnen, was ich vor mir habe.
Auf der positiven Seite möchte einige Punkte hervorheben:
Alle Protagonist:innen sind in irgendeiner Weise marginalisiert: obdachlos, drogensüchtig, queer, jenseits des Gesetz arbeitend, psychisch krank, oft mehreres davon und weitere Merkmale, die die Protagonist:innen von der Mehrheitsgesellschaft abheben oder sogar von dieser isolieren.
Revellers interrupting the murdered, the lost and the damned, the homeless or the cold and hungry, the addicted – those wary of living this life. These are Dot’s people – if there have ever been any to call her own. It’s where she comes from.
Die zeitliche Einordnung enthält auch immer wieder Fakten aus der jeweiligen Zeit, die ich tatsächlich im Internet nachprüfen konnte. Darunter die Eisbärin Baśka Murmańska, die als Maskottchen eines polnischen Battaillon 1919 in Edinburgh zu sehen war oder die Night Witches, ein rein weibliches Fliegerkommando der sovietischen Air Force. Die eiserne Lady Margaret Thatcher erhält im Zusammenhang mit der Geschichte eines Minenarbeiters einen Auftritt, die brutal nieder geschlagenen Proteste auf dem Tiananmen Square 1989 werden ebenfalls erwähnt.
It is all wrong, what is going on in this world, what people do to other people.
Das Ende ist einfach herrlich. Mehr kann ich kaum sagen, ohne zu spoilern, aber selten habe ich ein so gelungenes Ende für ein Buch gelesen.