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Fantasy Roman Science Fiction

skye gänseblum – Die Träume sind kaputt

CN: Depression, Krankheit, Erwähnung von ableistischen Diskriminierungen, sexuellem Missbrauch und Gewalt, Mord


Ich habe keine Ahnung, seit wann meine Träume nicht mehr meine waren. Vielleicht war es schon immer so und ich hab es erst später gemerkt, aber ehrlich gesagt kommt es mir nicht so vor.

Also zuerst möchte ich sagen, dass das ein ganz besonderes Buch ist. Eine kurze Beschreibung ist aus meiner Sicht nicht möglich oder zumindest nicht aussagekräftig. Ich werde versuchen, auf die Inhalte einzugehen, die mir besonders herausragend erscheinen, möchte aber trotzdem die Kurzbeschreibung zitieren, die der nichtbinäre Autor skye gänseblum selbst seinem Buch gegeben hat:

Es ist Cripplepunk Science Fantasy mit Umgangssprache und Neopronomen. Chronisch kranke Hauptcharaktere, Queerness, Behinderung, Freundschaft und Abenteuer.

Im Zentrum stehen die Protagonist:innen Tuniriam [sier] und Otogo [sie], die sich erst im Verlauf der Geschichte kennenlernen. Aus ihren beiden Perspektiven wird erzählt, wie sie und ihre Freund:innen dem Spuk um die kaputten Träume auf die Spur kommen. Denn Tuniriam und Otogo leiden unter derselben chronischen Krankheit: Schlafen bringt ihnen keine Erholung, da sie im Schlaf in der Traumwelt herumwandeln und dabei auch in die Träume anderer Menschen eindringen können. Im Wachzustand müssen sie sich vom Schlaf erholen und im Schlaf vom Wachzustand. Das führt dazu, dass sie ständig müde sind und im Alltag Unterstützung benötigen.

Tuniriam erhält diese Unterstützung von der Familie, oder zumindest von Teilen dieser Familie. Tuniriams Mutter hingegen verkörpert einen sehr ableistischen Charakter, sie hält Tuniriam ständig vor, dass sier ja nichts zum Haushalt beiträgt und sich doch einfach mal zusammenreißen soll.

Otogo ist bei Pflegeeltern aufgewachsen und schließlich in einem Heim gelandet, wo ihre Traumerkrankung durch die vielen Alpträume der anderen Bewohner:innen noch verschlimmert wird. Erst als sie vom Investigativjournalisten Rob aus dem Heim entführt (bzw. gerettet) wird, bekommt sie die Chance, ihren Schlaf-Wach-Rhythmus selbst zu regulieren und so eine Art Pacing (Energiemanagement wie zB als Therapie für ME/CFS) hinzubekommen, das ihr das Leben erleichtert bzw. in gewisser Weise erst ermöglicht.

Die Erkenntnis, dass beide dieselbe Krankheit haben, die ihnen einerseits ermöglicht, in den Träumen anderer Menschen auch Dinge zu verändern, aber eben dazu führt, dass sie ständig müde sind, verändert einiges für die beiden. Stück für Stück finden sie durch Unterhaltungen miteinander und mit anderen Traumwesen mehr über sich und ihre Situation heraus. Diese Traumwesen sind zumeist nicht das, was sie zu sein scheinen, das müssen Otogo und Tuniriam aber erst auf die harte Tour herausfinden.

All dies geschieht in einer Welt, die von unserer fast soweit entfernt ist, wie die Traumwelt, in der Tuniriam und Otogo ihre Abenteuer erleben. Es werden aber auch immer wieder die gesellschaftlichen Parallelen aufgezeigt. Es handelt sich um eine Gesellschaft, in der das Leistungsprinzip eine Rolle spielt, in der Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Gegebenheiten nicht so viel leisten können, als weniger wertvoll betrachtet werden.

Einfach nur krank sein und weiterleben war für ihn nicht okay, weil dann belastet man ja die Gesellschaft oder so.

Auch das Streben nach größtmöglicher Normalität, das in unserer heutigen Gesellschaft vielen Menschen das Leben so schwer macht, spielt eine Rolle. Menschen, die in das Schema nicht reinpassen, werden versteckt bzw. es wird ihnen unmöglich gemacht, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Die ganze Idee dahinter ist, dass die Unterschiede zwischen den Leuten weggelöscht werden sollen, damit alle perfekt sind. Es gibt so einen Bereich, der als normal angesehen wird, und wer da nicht reinpasst, wird halt trotzdem reingequetscht.

Es werden viele Aspekte angesprochen, die im Leben von behinderten Menschen allgegenwärtig sind. Das geschieht allerdings nicht mit dem Holzhammer oder dem erhobenen Zeigefinger. Es wird einfach erzählt, wie es den behinderten Charakteren im Alltag ergeht, was ihnen das Leben schwer macht und wie sie versuchen, damit umzugehen. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass Reisen an entfernte Orte für manche Menschen allein aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation undenkbar sind:

Diese Bekanntschaften pflegte ich allerdings nur halbherzig, da es mich zu sehr deprimierte, dass ich niemals die Gesundheit oder das Geld für eine Reise an einen anderen Ort haben würde.

Einen einzigen Kritikpunkt kann ich nicht verschweigen: Das Ende des bösen Traumgeists geht mit einer sehr gewaltvollen Szene einher, wobei eine Person, die bislang nur am Rande aufgetreten ist, aus reinem Pech in die (buchstäbliche) Schusslinie gerät. Als Auflösung der Geschichte finde ich es gerechtfertigt, ich kann nur nicht ganz nachvollziehen, warum es dermaßen gewaltvoll geschehen musste. Gerade in einem Buch, das vor der Thematisierung von Gewalt und Missbrauch nicht zurückschreckt, aber diesen zuvor niemals im Detail graphisch beschrieben hat, hat mich diese Szene einfach sehr überrascht und ich finde sie passt nicht ganz zum Rest.

Im Ganzen möchte ich dieses Buch sehr herzlich empfehlen. Es bietet die Möglichkeit, Einblicke in eine Lebenswelt zu bekommen, die den meisten Menschen verschlossen ist und auch viel zu oft gar nicht gesehen werden will. Die Charaktere repräsentieren Persönlichkeiten und Eigenschaften, die in der Literatur noch immer wenig vertreten sind. Ich würde mir wünschen, dass dieses Buch viel Aufmerksamkeit bekommt und hoffentlich bei dem einen oder der anderen Leser:in einen Denkprozess auslöst. Das Buch ist bei BOD und auch auf anderen Plattformen erhältlich.

Disclaimer: Ich habe dieses Buch vor der Veröffentlichung als Rezensionsexemplar erhalten. Es ist kein Geld geflossen und wie immer lest ihr hier ausschließlich meine persönliche Meinung zum Buch. 

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English Erfahrungsbericht Ratgeber Sachbuch

Dr Devon Price – Unmasking Autism

CN: Es handelt sich hier um ein Sachbuch, in dem unter anderem unterschiedlichste Formen von Diskriminierung erwähnt und teilweise auch beschrieben werden.


Dieses Buch wurde mir geliehen von einer nahestehenden Person. Obwohl ich vor der Lektüre schon Kenntnisse über Autismus hatte (unter anderem aus Kontakten und Gesprächen mit neurodivergenten Personen), habe ich hier so dermaßen viel gelernt, dass ich das Buch wirklich jede:r Leser:in empfehlen will. Es zeigt eine Perspektive auf eine Form der Behinderung, die oft nicht als solche (an-)erkannt wird, die den Betroffenen aber das Leben in vielfacher Hinsicht erschwert.

Because so many of us mask through inhibition and withdrawal, we might not stand out as socially awkward, at least not in a way anyone can pinpoint. Though many of us experience sensory issues, anxiety, meltdowns, and debilitating mental health symptoms, we push as much of that misery into the private realm as possible. Our elaborate veils of coping mechanisms and camouflaging can create the illusion we don’t need help.

Dr Devon Price erzählt aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen, die er mit vielen autistischen Personen geführt hat. Oft geht es darum, dass Autismus erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird (wenn überhaupt), weil viele Menschen unter Autismus nur das klassische „Vollbild“ (so nennt es meine Therapeutin) kennen, wie es in den Medien manchmal als Klischee vorkommt. Autistische Menschen sind aber nicht nur Mathegenies, die soziale Normen nicht verstehen oder mit anderen Menschen erst gar nicht klarkommen. Der Begriff Autismus-Spektrum sollte eigentlich verdeutlichen, dass es unendlich viele verschiedene Ausprägungen von Autismus gibt und daher auch autistische Menschen unterschiedliche Arten von Unterstützung benötigen. Hierfür gibt es nach meiner Meinung in der Gesellschaft nicht ausreichend Bewusstsein.

Hervorheben möchte ich auch, wie in diesem Buch der Unterschied zwischen „identity-first“ (autistic person) und „person-first“ (person with Autism) in der Sprache erklärt wird. Wenn die Formulierung „Person mit Autismus“ verwendet wird, dann erklären Menschen das oft so, dass sie die bezeichnete Person nicht durch ihre Behinderung definieren wollen. Die Formulierung distanziert aber gleichzeitig die Person von ihrem Autismus, der ein Teil ihrer Persönlichkeit ist.

When people use person-first language, they often say it’s because they don’t want disabled people to be defined by their disability. However, phrases like “person with Autism” distance a person’s disabled status from their humanity in a way that can be quite harmful. Autism is not a thing that is added on to a person – it’s integral to their life and cannot be removed from who they are.

Einen großen Platz nimmt auch die Kritik des (US-amerikanischen) Gesundheitssystems ein, das Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe systematisch diskriminiert. Studien, die belegen wollen, dass Autismus am häufigsten bei weißen Jungen in einem gewissen Alter vorkommt, sind daher rundheraus abzulehnen, weil sie einfach die hohe Dunkelziffer an nicht-diagnostizierten Personen ignorieren. Auch thematisiert wird das generelle kapitalistische Leistungsprinzip, das den Wert eines Menschen nach seiner Leistungsfähigkeit oder Produktivität bemisst. Sagen wir es gemeinsam: Alle Menschen sind gleich wert. Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht durch seine Leistung. Menschen sind keine Ressourcen.

Under a capitalist, Industrial Time framework, any project that is abandoned or left unfinished is seen as a “failure” – time wasted because it didn’t result in a clear end product. But when we look at time as a series of cycles and spirals with goals that are ever-shifting, we can recognize that the learning and reflection we put into an aborted project (or even into masking) often pays off, just not in the way we expected. Every disappointment or failure teaches us something about what we want, and what is best for us.

Neben diesen Erklärungen und Einordnungen bietet das Buch auch konkrete Hilfestellungen für Betroffene und Angehörige. Letztlich hat mich eine Geschichte aus dem letzten Kapitel besonders berührt. Es erzählt von einer Familie, in der eines der Kinder eine Autismus-Diagnose erhält. Um diesem Kind das Leben zu erleichtern, stellt die Familie ihr Leben um, zieht aus der Stadt aufs Land, verbringt mehr Zeit in der Natur und entschleunigt im Ganzen ihr Leben. Die nicht-autistische Mutter dieses Kindes reflektiert im Gespräch mit Dr Devon Price darüber, wie dieser Prozess das Leben der gesamten Familie verändert hat. Es stellte sich also heraus, dass, was gut für das autistische Kind ist, für die ganze Familie gut ist.

In diesem Sinne möchte ich mit einem weiteren Zitat schließen, das konkrete Hilfestellung für autistische Menschen gibt. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir davon alle profitieren könnten:

On a practical level, how can an Autistic person learn to embrace spiral time? Marta Rose says it comes down to two points:

1. Expand the time frame you use to gauge productivity and success. Take the “long view” of your life. Don’t be afraid to cycle back to old projects, or let a passion go when it’s not serving you.

2. Slow down. Stillness helps neurodivergent minds process the huge quantities of data we take in.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Abi Morgan – This Is Not A Pity Memoir

CN dieses Buch: Krankheit, Koma, Suizid, Krebs, Alkoholmissbrauch
(Anmerkung: Ereignisse der letzten Jahre wie die Covid19-Pandemie oder die Ermordung von George Floyd werden im letzten Teil des Buchs erwähnt)
CN dieser Post: –


But we are not all right, we are so far from all right. We are this broken family.

Es ist bedrückend, was Menschen alles zustoßen kann. Und beeindruckend, wie sie trotzdem weiter machen. Die Autorin führt die Leser:innen durch Jahre voller Ungewissheit. Sie lässt uns teilhaben an den Momenten der Hoffnung, an denen sie sich festklammert, spart aber auch die Momente der Verzweiflung nicht aus, in denen sie nicht mehr weiter weiß und aufgeben als eine reale Alternative erscheint.

And I am reminded that alongside the ghost of you, the ghost of us, there is the ghost of our past life.

Das Buch beschreibt Jahre, in denen sich für diese Familie Krise an Krise reiht. Und dabei sind die letzten Jahre nur eine Randnotiz. Erfüllt ist es jedoch auch von der Dankbarkeit für all die Unterstützung, die sie durch Familie und Freunde erfahren hat. Für all die Menschen, die uns ein wenig Last abnehmen, wenn wir sie nicht mehr allein tragen können. Unfassbar traurig und unfassbar hoffnungsvoll. 

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Krimi Roman Thriller

Ursula Poznanski – Vanitas. Schwarz wie Erde

CN dieses Buch: Tod, Totschlag, Gewalt, Sehbehinderung (Hinweis: ich habe das Buch vor über einer Woche zu Ende gelesen und erinnere mich nicht mehr an alle Details, es ist jedenfalls ein Krimi/Thriller mit entsprechendem Gewaltaufkommen)
CN dieser Post: –


Auf dieses Buch bin ich durch einen Literatur-Geocache gestoßen und es hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte weist einige überraschende Wendungen auf, zwei parallel laufende Kriminalfälle werden miteinander verknüpft bis zum finalen Cliffhanger, der auf die beiden Fortsetzungen verweist, die zum Glück auch in der Onleihe erhältlich sind und die ich mir demnächst vornehmen werde.

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English Erfahrungsbericht Memoir

Jan Grue – I Live a Life Like Yours

CN dieses Buch: Krankheit
CN dieser Post: –


At some point or another I stopped thinking about myself as someone who needed repairing.

In diesem extrem persönlichen Memoir erzählt der Autor aus seinem Leben mit einer körperlichen Behinderung. In seiner Kindheit wurde er mit einer Art Myopathie diagnostiziert, eine progressive Erkrankung, die ihm kein normales Leben ermöglichen soll. Entgegen der Erwartungen der Ärzt:innen entwickelt er sich gut und wird von seinen Eltern in jeder Hinsicht gefördert. Die Teile, in denen er vom Kampf seiner Eltern mit dem Sozialamt um Unterstützungsleistungen berichtet, zeigen deutlich, dass selbst in einem reichen und fortschrittlichen Land wie Norwegen die Bürokratie oft über die Menschlichkeit siegt.

It required more hours of hard work, more effort, than I could have anticipated, but I continued banging my head against the wall until the wall finally gave way. On the inside was another wall. This is how labyrinths are built, after all.

Weiters erinnerte mich seine Beschreibung von den ausführlichen Planungen für eine Reise mit einem Rollstuhl daran, wie ich einmal am Berliner Hauptbahnhof etwa 20 Minuten eine Tür blockierte, damit der Zug nicht abfahren konnte, bis für die Dame im Elektrorollstuhl der (vorab bestellte) Rollstuhllift herangeschafft wurde. Sie hatte das sehr gelassen hingenommen. Obwohl sie ihre Reisepläne im Voraus bekannt geben müsse, passiere sowas häufig. Da ich ja selbst gerne möglichst detailliert plane, macht mich allein die Vorstellung, ich hätte alles im Voraus geplant und dann würden sich die Verkehrsbetriebe einfach nicht kümmern, ziemlich wütend.

We don’t notice it until we are made aware of it, but then shame enters the picture. Shame over not being like the others. The shame of standing out, the shame of being a nuisance.

Richtig schmerzhaft wird seine Geschichte, wenn er von den überraschten Gesichtern erzählt, die er erntet, wenn er von seinem Job, seiner Frau, seinem Kind spricht. Dass Menschen nicht mal in Betracht ziehen, dass er ein derart normales Leben führen könnte. Als Mensch, der aufgrund einer Muskelschwäche nur wenige Schritte gehen kann und daher einen Rollstuhl benötigt. Dass die Menschen automatisch davon ausgehen, sein Leben müsste durch seine Behinderung so eingeschränkt sein, dass ein Job und eine Familie außerhalb des Möglichen liegen.

But it’s good to say it, to say to yourself, I don’t have to do this, I don’t have to try to push in where there’s no way in, to try carving out a space where there is none.

Seine Reflexionen reichen vom Schamgefühl, anders zu sein, selbst eine Behinderung für andere Menschen darzustellen, Unterstützung zu brauchen, bis zur Erkenntnis, dass es sich nicht immer lohnt, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Wenn du bereits als Kind lernst, dass deine Eltern ständig kämpfen müssen, um dir ein normales Leben zu ermöglichen, dann willst du dich auch selbst nicht einschränken lassen. Alles muss möglich gemacht werden. Bei manchen Hürden lohnt sich der Kampf aber einfach nicht. Letztendlich muss sich jede:r von uns selbst entscheiden, wofür wir kämpfen wollen. Manche müssen mehr kämpfen als andere.

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English Roman

Graeme Simsion – The Rosie Result

CN dieses Buch: –
CN dieser Post: –


I had observed that neurotypicals criticized autistic people for lacking empathy – towards them – but seldom made any effort to improve their own empathy towards autistic people.

Im dritten Buch um Rosie und Don geht es primär um ihren 10-jährigen Sohn Hudson, der selbst einige unkonventionelle Verhaltensweisen entwickelt und daher Schwierigkeiten in der Schule bekommt. Anhand dieser Ausgangslage wird viel über den Umgang mit Minderheiten generell und über die Einstufung von Asperger (und anderen Autismus-Formen) als Behinderung erklärt.

In the past, I had wished the world was different, but assumed that it was my responsibility to fit in.

Don setzt sich mit seinen eigenen Erfahrungen als Kind und Jugendlicher auseinander und möchte seinem Sohn die harten Lernwege zur Integration in die Gesellschaft erleichtern. Letztendlich darf er erkennen, dass es weder seine noch Hudsons Aufgabe ist, sich anzupassen, um besser in die Gesellschaft zu passen.

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Roman

Marjana Gaponenko – Das letzte Rennen

CN dieses Buch: Verstümmelung (durch Unfall), Behinderung, Suizid, Demenz
CN dieser Post: –


„[…] hier auf Erden haben wir unsere menschlichen Möglichkeiten erschöpft. Mit bloßer Vermehrung wird das Leben auch keinen tieferen Sinn bekommen, meine Liebe, täusche dich nicht. Es wird nicht besser.“

Irgendwie weiß ich nach wie vor nicht so ganz, was ich mit dieser Geschichte anfangen soll. Der Ich-Erzähler Kaspar, ein junger Mann aus gutem Hause mit finanziellem Background, lässt sich durchs Leben treiben und findet weder Sinn noch Motivation, irgendwas Ernsthaftes mit sich und seinem Leben anzufangen. Seine Bekanntschaften mit Frauen spielen sich auf der Ebene absurder romantischer Verknalltheit ab. Der Plan, am Pferdehof des Vaters ein Reittherapiezentrum für Menschen mit chronischen Krankheiten oder Behinderungen aufzubauen, bekommt akut eine andere Bedeutung, als Kaspar bei einem Unfall mit der Pferdekutsche beide Arme verliert.

Aber was wollte sie damit wirklich sagen? Die Menschheit habe ihre Möglichkeiten erschöpft? Was ist mit meinen Möglichkeiten? Was ist mit mir?

Die Angst, dass der demenzkranke Vater sein Vermögen einer jungen, rumänischen Krankenschwester vererben könnte, die den Vater seit dem Kutschenunfall begleitet, wirkt sich ebenfalls ungünstig auf die Motivation aus. Der Unfall und die Veränderung seines Lebens danach macht ihm jedoch bewusst, welche Möglichkeiten er in seinem Leben vor dem Unfall nicht genützt zu haben scheint. Und welche ihm gleichzeitig immer noch offen stehen.

 

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English Jugend Roman

Lois Lowry – Messenger

CN dieses Buch: Sterben, Tod
CN dieser Post: Covid19, Verweise auf aktuelle Ereignisse (nur im letzten Absatz)


The Museum held the remains of a broken sled in a glass case, and the inscription explained that it had been Leader’s arrival vehicle.

Es wird ohne Spoiler nicht gehen, aber ich verspreche, nur in einer Weise zu spoilern, die mich nicht davon abgehalten hätte, die Serie weiterzulesen. Die Frage, die ich mir nach Gathering Blue gestellt hatte, hat sich aufgelöst: Ja, die Welten hängen zeitlich und räumlich zusammen. Das dritte Buch der Serie verknüpft die beiden vorhergehenden miteinander und führt Personen zusammen.

Ein zentraler Aspekt, der in Gathering Blue bereits thematisiert wurde, wird hier noch verdeutlicht: Menschen mit Behinderungen sind vollständig und perfekt, wie sie sind, sie müssen nicht geheilt werden. Konfrontiert mit der Möglichkeit, ihr verdrehtes Bein geheilt zu bekommen, lehnt Kira ab. Das Bein ist wie ihr ganzer Körper ein Teil ihrer Persönlichkeit.

In der Petition, Village gegenüber Neuankömmlingen zu verschließen, lässt sich auch die Flüchtlingskrise wiederfinden. Die Menschen, die in Sicherheit und Gemeinschaft leben, haben vergessen, dass sie selbst früher als Ausgestoßene hier aufgenommen wurden. Sie wollen ihren Reichtum nicht mehr teilen, „es ist nicht genug für alle da“, ist ihre Argumentation. „Wir haben keinen Platz für diese fremden Kinder, die nicht mal unsere Sprache sprechen, in unseren Schulen.“

Mir blutet das Herz, wenn ich an die Flüchtlingslager in Griechenland denke. Es ist ja nicht nur diese Krankheit, die unsere Gesellschaft bedroht, es war ja vorher schon so, dass immer argumentiert wurde, „wir können nicht alle retten, das Boot ist voll“, Abschreckungsmaßnahmen und so weiter. Und jetzt sehen wir auch noch, wie sich Menschen in Machtpositionen bei der Impfung vordrängen. An manchen Tagen frage ich mich schon, wo das noch alles hinführen soll. Gibt es überhaupt noch Hoffnung für unsere Gesellschaft?

He gave himself to it willingly, traded himself for all that he loved and valued, and felt free.

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Erfahrungsbericht

Clay Byars – Will and I

The zygote is what we call the cell created by the sperm and egg, when they join. So, it’s postfertilization. It divides, in the case of twins, but before it divides, it exists there in the womb as an entity, the original zygote, the product of the man and the woman. There was a moment before Will and I split apart that we were literally one being.

Immer wieder spült mir Lithub interessante Bücher entgegen, der Artikel ist schon beinahe ein Jahr alt. Ich hatte das Buch zuerst auf der Liste, dann in einem Einkaufsschub für den Kindle gekauft und bei meiner letzten Reise begonnen.

Clay Byars beschreibt in seiner autobiographischen Erzählung, wie er sich nach einem schweren Unfall Stück für Stück ins Leben zurückkämpfen musste. Alle Beziehungen, die er vor dem Unfall hatte – seine Eltern, sein Zwillingsbruder Will, seine Schwester, seine Freunde – sind von seinem neuen Leben mit Behinderung beeinflusst.

I don’t know what I wrote that night, but I know that it was the beginning of a new life, one in which I would no longer try to talk myself out of reality.

Er beschreibt aber nicht nur seine Transformation sondern auch, was ihm dabei geholfen hat: das Schreiben. Die schreibende Auseinandersetzung – eine Tätigkeit, die er trotz seiner körperlichen Einschränkungen ohne Hilfe ausüben konnte – hilft ihm, das Trauma zu verarbeiten.

Our twinship wasn’t broken, but it was redefined, physically and in ways that were harder to pin down.

Einen wichtigen Punkt bildet auch die Auseinandersetzung mit seinem Bruder. Vor seinem Unfall waren sich die beiden in vielen Punkten ähnlich, lebten ein überschaubar ähnliches Leben mit Schule und Freunden. Nach dem Unfall lebte Will dieses Leben weiter, während Clay damit beschäftigt war, sein Leben neu zu erlernen. Zwischen den Zeilen schwingt immer wieder die Frage mit, was gewesen wäre, wenn nicht er selbst sondern sein Bruder in diesem Unfall beinahe getötet worden wäre. Eine Frage, die letztendlich nicht beantwortet werden kann.

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Roman

Jojo Moyes – Ein ganzes halbes Jahr

Es ist einfach diese Sache, die man am Muttersein erst versteht, wenn man eine ist: Man sieht nicht den erwachsenen Mann vor sich – den unrasierten, stinkenden, rechthaberischen Sprössling –, mit seinen Strafzetteln, ungenutzten Schuhen und einem komplizierten Liebesleben. Sondern man sieht all die Menschen, die er je war, in einem.

Ein spontaner Kindle-Buch-Kauf ließ mich zu diesem Roman aus der aktuellen Bestenliste greifen. Ich gestehe: ich hoffte wiederum auf einen belanglosen Liebesroman (das Cover schaut aber auch dermaßen schmetterlingsmäßig verliebt aus …) Natürlich kam es wiederum anders. Schnell wurde mir klar, dass hier ernste Themen behandelt werden. Auf eine gute und verständliche Art.

Louisa hat schon genug eigene Probleme. Sie unterstützt ihre Eltern und ihre alleinerziehende Schwester durch ihr Einkommen im Café. Als sie diesen Job überraschend verliert, steht sie hilflos da. Keine Ausbildung, kein Job in ihrer Kleinstadt, den sie machen könnte. Doch dann wird sie von der reichen Mrs. Traynor als eine Art Gesellschafterin für ihren Sohn eingestellt. Will sitzt seit einem schweren Unfall im Rollstuhl und kann sich kaum noch bewegen, muss rund um die Uhr betreut werden. Und hat jeden Lebenswillen verloren. Nach einem schwierigen Start finden die beiden einen Zugang zueinander. Bis Louisa zufällig mitbekommt, dass Will bereits einen Termin in einem Zentrum für Sterbehilfe hat. 6 Monate hat er seiner Familie versprochen, zu warten.

Es war, als hätte sich alles verschoben, sei zersplittert und hätte sich zu einem anderen Muster zusammengefügt, das ich kaum wiedererkannte.

Es ist der lockere Ton, die Klassenunterschiede, der Zynismus, mit dem Will und Louisa die Welt betrachten, der das Buch nicht in die Traurigkeit und die Aussichtslosigkeit ihrer beider Situation abgleiten lässt.

Bei den Hochzeiten, zu denen ich normalerweise ging, mussten die Familien der Braut und des Bräutigams getrennt sitzen, weil die Gefahr zu groß war, dass sonst jemand gegen Bewährungsauflagen verstieß.

Louisa stellt sich schließlich der Aufgabe, Will von seinem Plan abzubringen. Will selbst findet eine Beschäftigung darin, Louise herauszufordern. Dass sie ihre Stadt nie verlassen hat und ziellos durchs Leben geht, kann er nicht akzeptieren. Sie schließen Freundschaft. Louisa hat Hoffnung, Will findet stückweise wieder Gefallen am Leben und scheint sich besser und aktiver zu fühlen.

Zum ersten Mal in meinem Leben versuchte ich, nicht über die Zukunft nachzudenken. Ich versuchte einfach nur zu sein, die Empfindungen dieses Abends durch meinen Körper wandern zu lassen.

Mich hat sehr berührt, wie einfühlsam die Autorin Louisas Unsicherheit beschreibt. Sie fragt sich ständig, ob sie wohl das Richtige tut. Obwohl sie eine selbstbewusste Person mit ausgefallenem Kleidungsstil ist (die Bienenstrumpfhosen sind ein wundervolles Symbol), zweifelt sie ständig an sich selbst. An ihrer Persönlichkeit, an ihren Fähigkeiten, ob sie das Richtige tut. Eine Antwort erhält sie natürlich nicht. Denn man kann bekanntlich nie wissen, ob man das Richtige tut. Man kann nur tun, was man im Moment für das Richtige hält und hoffen, dass es das Richtige war oder dass es sich später irgendwie korrigieren lässt.

Richtig gepackt hat mich die Geschichte aber erst gegen Ende. Doch dann bin ich einen ganzen Tag lang im Büro gesessen mit dem Gedanken, „ich will in mein Buch zurück“. Es gab noch einen anderen Gedanken, der mich an diesem Tag gepackt hielt, aber er war bei weitem nicht so hartnäckig, wie die Frage, wie es mit Louisa und Will weitergehen wird. Es ist schwierig, einen Abschlusssatz zu finden, der nichts über das Ende verrät. Daher muss ich mit einer Plattitüde schließen: Es gibt Hoffnung. Auch in den dunkelsten Momenten unseres Lebens.

Du sollst ein unerschrockenes Leben führen. Fordere dich heraus.