Categories
Esoterik Sachbuch

Rüdiger Schache – Die sieben Schleier vor der Wahrheit

Mohnblume(c)ivanmarn/SXC

Sie liegen in einer Frühlingswiese, der Geruch von Gras, Blumen und Erde umgibt Sie und die Geräusche des Windes und der Insekten. Sie sind einfach nur glücklich. Eine Blume fällt Ihnen besonders auf. Der Kommentarmodus setzt ein: „Ach, ist diese Blume schön. Dieses Rot und die Blütenblätter. Fast so schön, wie die Blume, die ich letztes Jahr fotografiert habe … Obwohl … Man soll ja nicht vergleichen. Vergleiche sind nie gut … Jede Blume hat etwas …“

Wie so viele bin auch ich eher skeptisch eingestellt gegenüber Esoterik sowie Selbsthilfebüchern jeder Art und dieses Werk stellt eine Kombination aus beidem dar. Zum esoterischen Touch trägt auch das für mich äußerst Augenkrebs-haltige Layout bei, das mit kitschigen Symbolen glänzt. Der Body-Font erscheint mir jedoch äußerst attraktiv und passt auch sehr gut zur restlichen Aufmachung. Aus eigenem Antrieb hätte ich wohl kaum zu diesem Buch gegriffen, jedoch war ich bei der Lektüre dann positiv überrascht.

Das im ersten Zitat beschriebene Problem des Kommentarmodus kam mir sehr bekannt vor. Was Rüdiger Schache als „Schleier“ beschreibt, sind im Großen und Ganzen Verhaltensweisen, die wir unbewusst immer wieder absolvieren, obwohl sie uns in unseren Entscheidungen und unserem Leben eigentlich behindern und blockieren. Ebenfalls bekannt ist mir das folgende Problem des „Veränderungsmodus“:

Selbst, wenn sie sich vollkommen glücklich fühlen, wird der Verstand früher oder später ein (nur theoretisch denkbares) Problem in Erwägung ziehen, um einen Grund für Veränderung zu finden. Sie könnten an einem Palmenstrand im Paradies sitzen. Alles könnte exakt so sein, wie Sie sich den perfekten Ort und das perfekte Leben immer vorstellten. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Verstand über Veränderungen Ihrer Situation nachdenkt und ein Problem erschafft.

Die Gegenstrategien, die Rüdiger Schache empfiehlt, sind sicher nicht für jeden und bei jedem Problem anwendbar. Was dieses Buch jedoch leisten kann, ist, das Bewusstsein zu schärfen, für solche blockierenden Verhaltensweisen. Wenn einem während des Vorgangs bewusst wird, was gerade in einem wirkt, ist der Wunsch, etwas zu fotografieren, das man eigentlich einfach nur genießen könnte, vielleicht auf einmal nicht mehr so stark.

Wegweiser für Wünsche: Wenn Sie durch etwas, dem Sie folgen, auf Dauer an Energie, Motivation, Zufriedenheit und Stabilität gewinnen, wenn Ihr Leben durch einen Wunsch wirklich in Fahrt kommt und die Zweifel weniger werden, dann stimmt die Richtung.

Wer seine Bedürfnisse und Motivationen hinterfragt, wird in Zukunft offener durchs Leben gehen und es hoffentlich leichter haben, Entscheidungen über den Fortgang des Lebens zu treffen. Manchmal kann es helfen, die Zeit auf ganz traditionelle Weise totzuschlagen: indem man einfach in die Luft schaut und alles andere sein lässt.

Categories
Off Topic

Off Topic: Books in the fridge

Bei einer routinemäßigen arbeitstechnischen Bildrecherche stieß ich heute auf dieses Werk. Offenbar hatte schon 2005 jemand die Idee, die Leidenschaft für Bücher mittels Kühlschrank zu visualisieren. Herzliche Grüße an dieser Stelle an jumelle in Istanbul!


Booksinthefridge(c)jumelleSXC.jpg

Categories
Krimi Thriller

Dean Koontz – Intensity

Aufwaerts(c)airfinSXC

For German summary scroll down / Deutsche Zusammenfassung unten

What he’s trying to do is enjoy the pain as fully as possible. With his fingertips he finds an especially sore spot just to the left of the third cervical vertebra, and he presses on it until the pain causes faint sprays of twinkly white and gray lights in the blackness behind his eyelids, like distant fireworks in a world without color.

In this crazy thriller Koontz is showing us two characters that get in contact by accident. Edgler Vess, a crazy but organized killer, comes to the Templeton house to kill Laura Templeton and her parents. He doesn’t know that Laura’s friend Chyna Sheperd is also in the house. Her instincts tell her to hide even before she finds out that a killer is raging in the house.

Her unblemished driving record resulted from her preference for moderation in all things, including the pace at which she ordinarily drove. Judging by the catastrophes that she had seen befall others, survival was closely related to moderation, and her whole life was about survival, as any nun’s life might be defined by the word faith or any politician’s by power.

Although Chynah Sheperd is bound to a moderate life to stay safe, she starts to chase the killer by getting into his motorhome and following him with a car after the stop at a gas station where he kills two more people. What’s driving Chynah is the thought of the girl that Edgler Vess keeps locked up in his cellar. Of course Edgler Vess eventually finds out about Chynah hiding in his car. A tremendous fight by Chynah to save the girl Ariel is following. Who will be the stronger character in the end?

There was more truth in fiction than in science. She could also see herself as a teacher. If she spent the rest of her life waiting tables, that was all right as well, because she was good at it and found dignity in the labor.

Deutsche Zusammenfassung: Zwei starke Charaktere geraten in diesem spannenden Thriller per Zufall aneinander. Edgler Vess, ein verrückter, aber organisierter Killer ermordet die Familie Templeton in ihrem eigenen Haus, weiß jedoch nicht, dass auch Lauras Freundin Chyna Shepherd im Haus ist, deren Instinkt sie vor dem Killer versteckt, bevor sie noch weiß, dass er im Haus wütet. Sie verfolgt ihn zuerst in seinen Wohnwagen, um ihn dann mit einem anderen Auto bis zu seinem Haus zu verfolgen. Ihre Motivation ist die Rettung des Mädchens Ariel, das Vess in seinem Keller eingesperrt hat. Natürlich entdeckt Vess Chynah letztendlich in seinem Wagen. Alles weitere wird ein furchtbarer Kampf von Chynah, um das Mädchen Ariel zu retten. Wer wird sich letztendlich als stärker erweisen – Chynah Shepherd oder Edgler Vess?

Categories
Krimi

Stieg Larsson – Vergebung

Pillen(c)dannystock/SXC.jpg

„Sie sagen also, dass die medizinische Einschätzung von Salander korrekt ist?“
„O ja. Das steht außer Frage. Salander ist komplett durchgedreht, um es mal salopp auszudrücken. Die Maßnahme, sie in eine geschlossene Anstalt einzuweisen, war völlig korrekt.“

Im fantastischen dritten Teil von Larssons Millenium-Trilogie wird nun endlich Lisbeth Salanders Geschichte aufgelöst. Ein grandioses Katz-und-Maus-Spiel entspinnt sich. Während Mikael Blomkvist von der so genannten Sektion – einer geheimen Abteilung der Sicherheitspolizei – beobachtet wird, beobachtet er wiederum seine Beobachter und führt diese lange Zeit hinters Licht. Letztendlich wird wiederum Blomkvist von einer offiziellen Mitarbeiterin der Sicherheitspolizei beschattet, die sogleich entdeckt, dass dieser von seinen Beschattern weiß. Während Lisbeth Salander sich im Krankenhaus in einem bewachten Zimmer erholt, geht es in der Sektion und der Millenium-Redaktion rund.

Man kann wenig sagen, ohne zu viel zu verraten. Für alle Krimi-Freunde stellt diese Trilogie eine absolute Leseempfehlung dar, dieses Vergnügen sollte man sich nicht entgehen lassen.

Categories
Sachbuch

Michael Haller – Das Interview

Mikrofon(c)xptakis/SXC

Als Erstes sollte sich der Interviewer fragen: Was ist mein Thema: Ist es der abzuklärende oder zu kommentierende Sachverhalt, ist es die Person mit ihren Denkweisen und Handlungen – oder ist es eine in Bezug auf das andere?

Mit vielen Beispielen aus der Praxis versucht Michael Haller seiner theoretischen Abhandlung zum Thema „Interview“ einen spannenden Touch zu geben. Für mich als Österreicherin waren die ausführlichen Beschreibungen zum großen Spiegel-Interview tatsächlich neu. Allerdings muss man schon sagen, dass das Werk in seiner vierten Auflage schon etwas Staub angesetzt hat.

Haller versucht die Unterschiede zwischen den Medien Print, Fernsehen und Radio herauszuarbeiten und beschreibt die unterschiedlichen Aspekte der Interviewformen. Da ich selbst noch bisweilen Interviews durchführe und mir Tipps für die eigene Interviewpraxis erhofft habe, war ich jedoch etwas enttäuscht. Haller beschreibt zumindest ein Problem, das mir aus meiner Arbeit bekannt ist:

Schriftliche Interviews vermeiden: Amts- und Würdenträger, vor allem Staatspersonen und Potentaten verlangen mitunter, dass ihnen die ausformulierten Fragen im Voraus schriftlich zugestellt werden. Da befindet sich der Interviewer in einem Dilemma: Verweigert er dieses Begehren, muss er mit einer Rückweisung seiner Interviewbitte rechnen; geht er darauf ein, kommt kein Gespräch, sondern nur eine schriftlich geführte Fragebeantwortung zustande.

Eine Lösung für dieses Problem hat er jedoch nicht anzubieten. Sein Vorschlag, dem Interviewpartner nur eine „Themenliste“ anstatt einer „Fragenliste“ zukommen zu lassen, dürfte bei so manchem Bürgermeister nicht weiterhelfen. Oft bestehen diese überhaupt auf schriftlicher Beantwortung der Fragen per E-Mail, ein Problem, das in Hallers Universum scheinbar noch nicht existierte.

Wer sich für die Geschichte des Interviews und Beispiele aus der – etwas älteren – Praxis erwärmen kann, wird an diesem Werk zumindest kurzfristiges Vergnügen finden, als Hilfe für die praktische Durchführung ist es bestenfalls für Anfänger geeignet.

Categories
Unterhaltung

Pascal Mercier – Nachtzug nach Lissabon

Lissabon(c)paulosimao/SXC

Und zu dieser sonderbaren, beunruhigenden Unzuverlässigkeit meines Urteils kommt noch eine Erfahrung hinzu, die, seitdem ich sie kennengelernt habe, mein Leben stets von neuem in eine verstörende Unsicherheit taucht: dass ich in dieser Sache, über die hinaus es für uns Menschen eigentlich nichts Wichtigeres geben kann, genauso schwanke, wenn es um mich selbst geht.

Wird ein Roman von der Kritik zu sehr hochgejubelt, kann dies auch dazu führen, dass man ihn gar nicht erst angreifen will, weil man sich vor einer zwangsläufigen Enttäuschung fürchtet. „Nachtzug nach Lissabon“ war für mich so ein Roman, der auf dem Regal der ungelesenen Bücher sitzend auf mich herunterstarrte. Die Bedenken hätten nicht unangebrachter sein können.

Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?

Der Lehrer Raimund Gregorius verlässt mitten im Unterricht seine Klasse, um sich auf den Weg nach Lissabon zu machen. Eine Portugiesin, die er nie wiedersehen wird, bringt ihn auf die Spur eines portugiesischen Autors und Schriftstellers. Dessen Gedanken zu unterschiedlichsten Bereichen des Lebens bringen Gregorius zum Nachdenken über sein Leben. Was hat er verpasst? Was hätte er anders machen können? Ein Roadmovie auf den Spuren von Amadeu de Prado beginnt. Gregorius lernt nicht nur den Autor sondern sich selbst neu kennen.

Es ist der Tod, der dem Augenblick seine Schönheit gibt und seinen Schrecken. Nur durch den Tod ist die Zeit eine lebendige Zeit. Warum weiß das der HERR nicht, der allwissende Gott? Warum droht er uns mit einer Endlosigkeit, die unerträgliche Ödnis bedeuten müsste?

Gregorius entdeckt Amadeu de Prado als äußerst vielfältigen und differenzierten Menschen. Sowohl seine Familie als auch seine damaligen Freunde spürt Gregorius auf. Er schafft es, von allen angenommen und ins Vertrauen gezogen zu werden. Er spielt Schach in einem verrauchten portugiesischen Schachclub, lässt sich eine neue Brille anpassen und kauft sich schließlich einen neuen Anzug. Durch das, was Gregorius über den Autor erfährt, erkennt er immer mehr über sich selbst und fühlt sich Prado zunehmend näher als seinem eigenen Leben zuhause in Bern.

Er vermisse auf der Liste die Liebe, sagte Gregorius. O’Kellys Körper spannte sich, und für eine Weile war er hinter dem Rausch wieder ganz wach. „Daran glaubte er nicht. Mied sogar das Wort. Hielt es für Kitsch. Es gebe diese drei Dinge, und nur sie, pflegte er zu sagen: Begierde, Wohlgefallen und Geborgenheit. Und alle seien sie vergänglich. …“

Obwohl Amadeu de Prado selbst nur durch die Worte in seinem Buch und durch die Erzählungen der Menschen, die ihn kannten, zu Wort kommt, prägt sein Leben Gregorius’ Bild von der Gesellschaft. Lange fragt man sich, zu welchem Ende Mercier diese Geschichte wohl führen wird: Wird Gregorius eine Wahrheit über sein Leben erkennen und dann geläutert zurückkehren? Wird er sein bisheriges Leben zurücklassen und in Lissabon die geheimnisvolle Frau von der Brücke wiederfinden? Wird Gregorius sterben und diese ganze verrückte Reise ist nur die Folge eines Gehirntumors, der ihm die Sinne verwirrt? Ahnt er bereits, das er sterben muss, als er aus seinem Leben ausbricht, um sich auf die Suche nach Prado zu machen?

Aber wenn wir uns aufmachen, jemanden im Inneren zu verstehen? Ist das eine Reise, die irgendwann an ihr Ende kommt? Ist die Seele ein Ort von Tatsachen? Oder sind die vermeintlichen Tatsachen nur die trügerischen Schatten unserer Geschichte?

Nicht alle Fragen werden beantwortet. Das ist auch nicht nötig, denn wer Gregorius’ und Prados Geschichte aufmerksam verfolgt, wird daraus problemlos Erkenntnisse für sich selbst ziehen können. Ein Meisterwerk, das Jubel und Recht zurecht erhalten hat.

Categories
Krimi Roman Unterhaltung

Henning Mankell – Die fünfte Frau

Pasta(c)somadjinn/SXC

Später sollte Wallander sich sehr deutlich daran erinnern, dass dies der Augenblick war, in dem die Ermittlung in ein neues Stadium eintrat. Als wäre allen plötzlich klargeworden, dass bei dem Mord an Holger Eriksson nichts einfach und leicht zugänglich war.

Langsam fällt es mir schwer, etwas Neues über Henning Mankell und Kurt Wallander zu schreiben. Obwohl ich diesen Roman für einen seiner besten Wallander-Krimis halte, lässt sich kaum etwas Neues sagen. Wallander hat erneut mit einem schweren Schicksalsschlag zu kämpfen, der ihn bei den Ermittlungen anfangs zusätzlich behindert. In weiterer Folge gewinnt jedoch die Charakterisierung des mehrfachen Mörders an Wichtigkeit. Viele falsche Wege schlagen die Ermittlungen diesmal ein, der Leser darf dies verfolgen, indem er stets auch aus der Sicht der Mörderin das Geschehen überblicken darf (da dies schon sehr früh passiert, verrate ich hier auch nicht zuviel über das Ergebnis der Ermittlungen).

Dann grub sie in den Nächten einen Graben. Genau diese Worte. Dann grub ich in den Nächten einen Graben. Vielleicht fassten diese Worte am besten zusammen, wie Wallander in diesem Herbst die vielen Gespräche mit Yvonne Ander in der Haftanstalt erlebte.

Was in diesem Roman vielleicht doch etwas hervorsticht (obwohl ich mich nicht hundertprozentig erinnern kann, ob es nicht in einem früheren Wallander-Roman schonmal aufgefallen war), ist der Blick in die Psyche der Mörderin. Obwohl das psychologische Profil des Mörders diesmal von Wallanders Team selbst erstellt wird, erscheint es detaillierter und lebensnaher als dies im Vorgängerroman durch den Psychologen Mats Ekholm passiert war. In genau dieser Form haben wir Wallander noch nicht erlebt und vielleicht ist es gerade das, was auch hier wieder für Spannung und Unterhaltung sorgt: die Mischung der Figur Wallander mit neuen Elementen, die sowohl den Kommissar als auch den Leser auf neue Wege führen.

Categories
Roman

Dai Sijie – Balzac und die kleine chinesische Schneiderin

ChineseNewYear(c)irum/SXC.jpg

Ba-er-za-ke! Der ins Chinesische transkribierte Name des Autors setze sich aus vier Ideogrammen zusammen. Was für eine Magie, die Übersetzung! Die harten, kriegerischen, aggressiven, kratzenden Laute der zwei ersten Silben klangen mit einem Mal sanfter. Die vier zierlichen. aus wenigen Strichen zusammengesetzten Schriftzeichen reihten sich harmonisch zu einem Wort von ungewöhnlicher Schönheit, das einen exotischen, einen sinnlichen, einen betäubenden Duft ausstrahlte: das warme, volle Aroma eines jahrhundertelang im Keller gelagerten Likörs.

Recht bald wird dem Leser beim Eintauchen in die Geschichte der kleinen chinesischen Schneiderin klar, dass Dai Sijie Wörter liebt. Er liebt auch Frauen, aber Worte liebt er mehr. Der obige Absatz, der den ersten Kontakt des Protagonisten mit einem Roman von Balzac beschreibt. Er und sein Freun Luo wurden von der chinesischen Regierung zur „kulturellen Umerziehung“ in ein Bergdorf geschickt. Aufgrund der Berufe ihrer Eltern gelten sie als Intellektuelle, die dem Regime durch ihre revolutionären Ideen gefährlich werden könnten. Im Bergdorf müssen sie körperlich harte Arbeit leisten und sind abgeschnitten von nahezu jeder Zivilisation.

Balzacs Roman ergaunern die beiden schließlich aus dem geheimen Bücherkoffer des Brillenschang, der ebenfalls zur kulturellen Umerziehung im Nachbardorf einquartiert wurde. Die Bücher sind selbstverständlich verboten, weshalb ihre Existenz auch geheim bleiben muss. Aber auch die kleine Schneiderin verliebt sich in Balzac und so nimmt nicht nur das Schicksal der Burschen seinen Lauf.

Nach dem Lesen des Buchs kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Liebe zu Wörtern in der Verfilmung aus dem Jahr 2002 auch transportiert werden konnte. Obwohl Autor Dai Sijie selbst Regie führte und der Film beste Kritiken erhielt, möchte ich trotzdem zum Buch raten. Nach meiner Ansicht kann sich die Wirkung der Worte nur dann richtig entfalten, wenn sie auf direktem Wege vom Papier ins Herz gelangen.

Ich erinnere mich, dass ich nie einen so herzergreifenden traurigen Walzer gehört hatte, er war noch trauriger als die Requiems, die man Europäer mit Kerzen in der Hand und Frauen mit Schleiern auf dem Kopf im Fernsehen singen hört …

Die zweite Geschichte in diesem Buch handelt von Muo, der eine unglaubliche Reise unternimmt, um seine Freundin „Vulkan des alten Mondes“ aus dem Gefängnis zu befreien. Zu diesem Zweck versucht er einen Richter zu bestechen, dieser besitzt so viel Vergnügen, dass er sich nur mit einer Jungfrau zufrieden geben will. Wie soll Muo nun eine Jungfrau auftreiben, die auch noch bereit ist, diese zu opfern? Eine haarsträubende Suche beginnt, auf der der „Traumdeuter“ Muo in die bizarrsten Situationen gerät. Unter anderem verliert er dabei selbst seine Jungfräulichkeit mit einer Frau, die er eigentlich für Richter Di bestimmt hatte.

Dabei sind vor allem die Beschreibungen von Gefühlen interessant, denn nicht nur Muos Gefühlen, sondern auch denen der vielen beteiligten Damen widmet der Autor viel Interesse und Details. Innere geheime Gefühle, Träume, die uns aus dem Unterbewusstsein jagen, das sind die Ingredienzien, die Muos surreale Suche nach einer Jungfrau würzen und somit zum Leckerbissen machen.

Categories
Kurzgeschichten

Guy de Montpassant – Liebe ist anders

Kirschblueten (c)AngelaL / PIXELIO

Liebe ist immer etwas Kostbares, wer immer sie auch schenkt. Ein Herz, das bei unserem Kommen schneller schlägt, ein Auge, das weint, wenn wir Abschied nehmen, sind seltene Dinge, die man nie verachten soll.

Kurzgeschichten sind immer ein passender Begleiter auf Reisen. Diese altmodischen Liebesgeschichten spannen einen breiten Bogen über die unendliche Liebe, die unerfüllte Liebe, manchmal ist es eine Kombination aus beidem. Schwärmerei, die zur Enttäuschung wird, wenn die Erfüllung erfolgt. Geheime Liebe, die zu Krankheit und Tod führt. Liebe, die nur durch den Tod Erfüllung finden kann. Kitschig, aber irgendwie tröstlich.

Man fühlt sich plötzlich durchdrungen von dem entsetzlichen Elend des Daseins, der Einsamkeit aller Wesen, dem Nichts, das uns von allen Seiten umgibt, der namenlosen Verlassenheit des Menschenherzens, das sich durch Traum und Trug über seine Vergänglichkeit hinwegtäuschen will.

Off Topic: Bei meinen Recherchen zum Thema epub und anderen eBook-Formaten bin ich heute unter anderem auf das Programm Calibre gestoßen. Dabei fand ich es einigermaßen amüsant, dass das Calibre-Logo meinen eigenen Erstentwürfen für das Books in the fridge-Logo gar nicht mal so unähnlich sieht:

Logo_BITF.png  CalibreIcon.jpg

Selbstverständlich hat hier niemand von niemand abgekupfert. Die Idee scheint einfach nur zu naheliegend, wenn man mit Büchern zu tun hat.

Categories
Krimi Roman Unterhaltung

Stieg Larsson – Verdammnis

Feuer (c) Raimund Berger/PIXELIO

Lisbeth Salander verbrachte die erste Woche, in der die Polizei hinter ihr her war, völlig undramatisch. Sie wohnte in aller Ruhe in ihrer Wohnung in der Fiskargatan in Mosebacke. Ihr Handy hatte sie ausgeschaltet und die SIM-Karte entfernt, denn sie hatte nicht vor, es noch einmal zu verwenden. Mit immer größeren Augen verfolgte sie die Schlagzeilen in den Internetausgaben der Zeitungen und die Nachrichtensendungen im Fernsehen.

Während im ersten Teil Verblendung der Wirtschaftskrimi um die Familie Vanger im Vordergrund stand, dreht sich hier nun alles nur um Lisbeth Salander und ihre Geschichte. Der Leser erfährt, wie Lisbeth Salander überhaupt dazu gekommen ist, einen rechtlichen Betreuer zu haben und sogar wie sie ihr Leben bestritt, bevor „all das Böse“ passierte. Mit dem durch einen Internetbetrug ergaunerten Geld will sie eigentlich nur weiter das Leben genießen, gerät jedoch schnell ins Zentrum einer Mordermittlung. Da sie sich bedeckt hält und eher allein eine Motorradgang bekämpft als mit der Polizei zu reden, wird sie bald als Teil einer lesbischen Satanistengang von der Polizei gesucht.

Während all ihre Freunde – alte wie Dragan Armanskij und neue wie der Boxer Paolo Roberto – ebenfalls nach ihr suchen, vornehmlich, um ihre Unschuld zu beweisen, ist es schließlich Mikael Blomkvist, der über die von Lisbeth gehackte Festplatte seines Laptops mit ihr Kontakt aufnimmt.

Erst wenige Seiten vor dem Ende wird klar, dass es kein Ende geben wird. Die Fortsetzung muss her und das so schnell wie möglich. Zum Glück ist sie bereits erschienen und hat bereits Platz auf dem Regal der ungelesenen Bücher bezogen.