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Fantasy Jugend Roman

J. K. Rowling – Harry Potter and the Order of the Phoenix

Politik, Intrigen und Unstimmigkeiten drängen sich in diesem Buch in den Vordergrund. Zu Anfang erfährt die Leserin vom Orden des Phönix, der bereits zu früheren Zeiten gegen den Dark Lord gekämpft hat und nun auch noch zusätzlich den Schutz Harry Potters zum Ziel hat. Auch die Freundschaft zwischen Harry, Ron und Hermione ist belastet durch Missverständnisse, misslingende Kommunikation und Misstrauen. Der Mittelteil zieht sich träge dahin, erst zum Ende hin hatte ich wieder Spaß am Lesen und dann auch eine lange Nacht, weil ich wissen wollte, wie der finale Showdown ausgeht.

Gestern haben wir den Film zum ersten Band Harry Potter and the Philosopher’s Stone gesehen. Viele Dinge hatte ich mir naturgemäß ganz anders vorgestellt und irgendwie fühlten sich manche Teile dann auch noch seltsamer an, mit dem Blick auf das Alter der Protagonisten. Beim Lesen hatte ich irgendwie keine 11-Jährigen im Kopf; das ist so ein diffuses Alter, dieses Stadium der Vorpubertät. Schon beim Lesen hatte ich mich gefragt, warum den Lehrkräften von Hogwarts keine besseren Schutzmaßnahmen für den Stein einfallen, als welche die selbst drei aufgeweckte Erstklässler überwinden können.

Die musikalische Untermalung ist mir bereits in den ersten Szenen aufgefallen. Diese wird sehr zur Steuerung der Aufmerksamkeit und der Grundstimmung eingesetzt, auch zum Aufbauen von Spannung. Im Großen und Ganzen fand ich den Film gut gemacht, habe aber wieder bemerkt, dass mir das zweistündige Sitzen bzw. Liegen vor dem Fernseher zum Konsumieren einer Geschichte einfach nicht so liegt.

Isolation Tag 25. 7. April 2020

Was mich wirklich nervt, ist dieses ganze „Glaskugel-schauen“. Ich kann total verstehen, dass Menschen jetzt wissen wollen, ob sie im Sommer oder im Herbst auf Veranstaltungen gehen, Veranstaltungen selbst organisieren oder in Urlaub fahren können. Aber der Punkt ist, wir wissen es eben nicht und wir werden es in absehbarer Zukunft auch nicht wissen. Wenn drei Menschen eine Einschätzung treffen sollen, wann eine bestimmte Aktivität wieder möglich sein wird, dann werden drei verschiedene Zeitpunkte dabei herauskommen und die Einschätzung ist mehr oder weniger wertlos, weil wir alle nicht wissen können, wann es soweit sein wird. 

Mir ist es auch sehr wichtig, planen zu können. Immer wieder (und schon vor dieser Pandemie) bin ich mit Situationen konfrontiert gewesen, wo viele Unsicherheitsfaktoren eine Planung schwierig gemacht haben. Meine Lösung dafür ist, auf Basis der wenigen und ungenauen vorhandenen Informationen das Beste daraus zu machen. Anstatt nach exakten Informationen zu suchen, sollten wir lieber auf Basis der vorhandenen Informationen die zu diesem Zeitpunkt beste Entscheidung treffen. Das ist das Einzige, was in so einer Zeit der Unsicherheit funktioniert.

Isolation Tag 29. 11. April 2020

Gerne wäre ich so eine Person, die diese Zeit sinnvoll nutzt. Um ein Buch zu schreiben, ein Projekt zu erfinden, das jetzt sofort Menschen hilft und unterstützt oder ein Projekt zu entwickeln, das etwas Sinnvolles für die Gesellschaft beitragen kann, wenn sich die Lage wieder verbessert hat.

Tatsächlich bin ich eine Person, die sich an manchen Tagen zu den einfachsten Handgriffen zwingen muss, die ihre Partner und Freund*innen mit unvorhersehbaren Stimmungsumschwüngen belästigt und generell genervt ist von der Welt und diesen Umständen.  

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Fantasy Roman

J. K. Rowling – Harry Potter and the Goblet of Fire

Bei diesem Roman zeigten sich für mich erstmals Ermüdungserscheinungen in oder mit der Reihe. Das ständige Mobbing zwischen Gryffindor und Slytherin und dann auch noch das lachhafte „hihi, haha, wer geht mit wem zum Ball …“ haben mir den Spaß am Lesen deutlich gedämpft. Auch die Quidditch-Matches werden zunehmend langatmiger. Ich kann mir vorstellen, dass das im Film sehr spektakulär und spannend wirkt und natürlich die Sport-begeisterten Leser fesselt. Für mich ist es aber zum Lesen doch immer dasselbe. Auch das Triwizard-Tournament wird erst zum Schluss spannend, als sich schließlich der Absturz ins Düstere, der sich im nächsten Teil fortsetzt, ankündigt. In meinen Augen war das eher ein schwächerer Teil der Serie.

Isolation Tag 22. 4. April 2020

Es stellt sich so eine Art Routine ein. Ein Gewohnheitseffekt, der für mich unerwartet kam. Den Nachrichtenkonsum habe ich noch weiter eingeschränkt. Es fällt mir leichter, mich mit Projekten und Büchern zu beschäftigen und immer wieder stundenweise zu vergessen, was in der Welt draußen vorgeht. 

Das Sommersemester der Fernuniversität hat entgegen widersprüchlicher Ankündigungen wie erwartet am 1. April begonnen. Während viele andere sich jetzt erst mit dem Thema e-Learning und den damit verbundenen Herausforderungen beschäftigen müssen, bin ich damit nach insgesamt sieben Semestern bestens vertraut. Ein weiterer Bestandteil, der wie gewohnt weiterläuft und die wachsende Unsicherheit ein Stückchen zurückdrängt.

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Roman

Julia Phillips – Disappearing Earth

Von diesem Buch habe ich zuerst auf Lithub gelesen und später hat mich im Buchgeschäft das Cover angesprungen. Die Berge, der blau-violette Verlauf, das Schneegestöber und dann die beiden kleinen schwarzen Figuren unten in der Ecke – einfach großartig.

Die Geschichte spielt auf der russischen Halbinsel Kamtschatka. Viel ferner und fremder könnte ein Ort für mich nicht sein. Knapp über 300.000 Menschen leben auf der Halbinsel, mehr als die Hälfte davon in der Hauptstadt der Region Petropawlowsk-Kamtschatski. Dieses beeindruckende Foto zeigt die Stadt vor dem Vulkan Korjakskaja Sopka. Die Szenerie findet immer wieder Ausdruck in den Beschreibungen des Wechsels der Jahreszeiten. Die Geschehnisse erstrecken sich über den Verlauf eines Jahres und über die gesamte Halbinsel. Einige Protagonist*innen sind Angehörige der nomadischen Stämme, die in der russischen Tundra leben.

Im ersten Kapitel wird die Leser*in Zeug*in der Entführung zweier Mädchen, Alyona und Sophia Golosovskaya. Die weiteren Kapitel beschreiben Geschehnisse im auf die Entführung folgenden Jahr und werden jeweils aus der Perspektive einer anderen Frau erzählt. Die Entführung kommt dabei immer in der einen oder anderen Form zur Sprache. Die Perspektiven auf die Leben, Schwierigkeiten und Emotionen der Frauen könnten auch für sich allein stehen. Durch das Verweben der Einzelschicksale mit der Entführung und den Verbindungen zwischen den Personen (in jeder Geschichte taucht eine Person auf, die die Leser*in bereits aus einem anderen Kontext kennt) entsteht daraus jedoch ein vernetztes Gesamtkunstwerk.

Valentina Nikolaevna, die wegen einer hartnäckigen Hautveränderung zum Arzt geht und direkt zur Operation in die Klinik geschickt wird. Ksyusha, die während ihrer Fernbeziehung zu Ruslan einen anderen Mann kennenlernt, der sie in einer völlig unbekannten Art und Weise berührt. Natasha, deren Schwester vier Jahre vor der Entführung der beiden Mädchen verschwunden ist; die Polizei stellt jedoch keine Verbindung her, da Lilia zum Zeitpunkt ihres Verschwindens bereits älter war. Revmira, deren Mann bei einem Unfall stirbt. Oksana, deren Hund wegen einer Unachtsamkeit ihres Arbeitskollegen verloren geht. All diese Geschichten zeigen Frauen mit unterschiedlichen Lebensumständen und verschiedenen Stadien ihres Lebens. Alle jedoch befinden sich offensichtlich oder unterschwellig in einer Phase der Unsicherheit. Das spurlose Verschwinden spiegelt sich immer wieder zwischen den Zeilen wider. Ein großartiges Buch.

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Fantasy Roman

J. K. Rowling – Harry Potter and the Prisoner of Azkaban

He let me into Hogwarts as a boy, and he gave me a job, when I have been shunned all my adult life, unable to find paid work because of what I am.

Wenn ich früher in Gesprächen erwähnt hatte, dass ich nie Harry Potter gelesen bzw. mich beim ersten Band gelangweilt hätte, war die Antwort oft, dass die Bücher besser, die Geschichten düsterer würden. Das kann ich nun definitiv bestätigen. Schon im zweiten Band zeichnete sich eine Tendenz ab und der Twist mit der Zeit am Ende des dritten Bands geht da nicht nur einen Schritt sondern einen ganzen Meilenstein weiter.

In der Gestalt des Werwolfs Lupin wird ein soziales Thema abgebildet: Menschen (Wesen?), die anders sind und aufgrund ihrer Andersartigkeit ausgegrenzt werden. Zwischen den Zeilen ist deutlich zu lesen, dass es nicht darauf ankommt, WAS wir sind, sondern WIE wir uns verhalten. Nicht unsere Herkunft oder unsere Vergangenheit sind was, was uns definiert, sondern unsere Handlungen und Reaktionen auf die Welt und ihre Widrigkeiten.

Isolation Tag 6. 19. März 2020

Die ersten beiden Tage der Heim-Isolation war ich wie gelähmt. Ich hätte eigentlich auf Urlaub sein sollen und hatte das Gefühl, ich müsste und sollte jetzt auch nichts tun. Und habe viel Zeit mit Lesen verbracht. Je mehr Zeit vergeht, umso mehr habe ich das Gefühl, ich MÜSSTE E-T-W-A-S tun. 

Isolation Tag 7. 20. März 2020

Etwas tun. Das Naheliegendste ist der Frühjahrsputz. Tatsächlich habe ich inzwischen die Fenster geputzt. Eine sehr unliebsame Arbeit. Es fällt mir auch kaum auf, wenn sie dann geputzt sind. Der Effekt ist also wenig befriedigend. Beim Zerkleinern einer Süßkartoffel mit dem scharfen Messer und beim Fensterputzen dachte ich daran, dass so viele Unfälle im Haushalt passieren und wie ungünstig es gerade jetzt wäre, sich zu verletzen. 

Heute war ich nach einer Woche zuhause wieder mal einkaufen. Im lokalen Supermarkt waren ausschließlich Mitarbeiter*innen im Einsatz, die ich bereits kenne (keine Aushilfen, kein Bundesheer, whatever). Die Kassier*innen sitzen hinter einer Schutzschicht Frischhaltefolie. Die Gewohntheit des Einkaufsvorgangs hat mir eine Ruhe vermittelt, die ich die ganzen letzten Tage nicht hatte. Es gab nur noch Eier aus Bodenhaltung (ich habe keine gekauft).

Dinge, die wir schon lange mal tun wollten und für die wie jetzt Zeit hätten, tun sich nicht von selbst, nur weil wir jetzt Zeit dafür hätten. Wir müssen uns auch tatsächlich aufraffen, sie zu tun. 

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Fantasy Roman

J. K. Rowling – Harry Potter and the Chamber of Secrets

It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities.

Für den zweiten Band habe ich mir schon bewusst etwas mehr Zeit gelassen. Interessant fand ich, wie der Aspekt des Rassismus thematisiert wurde: Hogwarts-Schüler*innen mit Eltern, die selbst Zauberkräfte haben, fühlen sich jenen, die Muggle-Eltern haben oder je ein Elternteil Zauber und eines Muggle, überlegen. Narrative, die wir aus der realen Welt kennen, finden sich nun in Gestalt der Zauberschüler*innen wieder, wo sie ebenfalls ihre Wirkung nicht verfehlen.

Randnotiz: Ab heute gibt es hier zusätzlich zu den Buchbesprechungen Gedanken aus der Covid19-Isolation.

Isolation Tag 4. 17. März 2020

Freitag Nachmittag war ich im Supermarkt. Freitag Abend noch bei Freundinnen. Was vermutlich nicht vernünftig war. Samstag früh hätte ich nach Japan fliegen sollen. Wir sind nicht geflogen. Was definitiv vernünftig war.

Seit Samstag bin ich allein zuhause. Mit dem Hund. Natürlich gehen wir für Spaziergänge raus. Draußen ist der Hund fröhlich unterwegs. Drinnen ist ihr teilweise schon anzumerken, dass diese Situation ungewöhnlich ist. Wir haben seit drei Tagen keinen Kontakt mit anderen Menschen. Der Hund liebt Menschen.

Mit vielen Menschen bin ich online oder telefonisch in Kontakt. Sie arrangieren sich mit der Situation, nahezu alle sind vernünftig. Manche wollen immer noch nicht wahrhaben, dass diese Situation ernst ist und uns noch lange beschäftigen wird. 

Die Unsicherheit darüber, wie es weitergehen wird, welche Probleme uns noch konfrontieren werden, ist spürbar. In UK sind die Schulen noch geöffnet, in DE saßen am Wochenende noch größere Menschengruppen in Parks und auf Spielplätzen. Ich kann das verstehen. Ich wollte auch nicht wahrhaben, was diese weltweite Katastrophe für die nahe Zukunft bedeutet. Aber vernünftig ist das nicht. 

Isolation Tag 5. 18. März 2020

Mein Podcast-Backlog ist so groß, dass ich heute das Ö3 Frühstück am Sonntag am 1. März 2020 mit Rudolf Anschober gehört habe. Bei seinen Aussagen habe ich mich des Öfteren gefragt, ob die Entscheidungsträger damals wirklich so optimistisch waren oder ob er insgeheim schon wusste, dass er die Dinge so darstellen muss, um keine Panik aufkommen zu lassen. Beide Varianten finde ich auf ihre eigene Art unangenehm.

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Fantasy Jugend Roman

J. K. Rowling – Harry Potter and the Philosopher’s Stone

Schon als ich noch dachte, ich würde auf Urlaub fahren, hatte ich mir überlegt, ob ich dabei wohl eine der Reihen anfangen würde, von denen ich bisher immer das Gefühl hatte, nicht ausreichend Zeit dafür zu haben. Neben Harry Potter waren auch noch A Song of Ice and Fire, The Cronicles of Narnia und Eragon im Rennen. Spontane Entscheidung für Harry Potter.

In meiner Erinnerung habe ich vor vielen Jahren (als der Hype noch frisch war) mal den ersten Band auf deutsch gelesen und konnte mich nicht recht damit anfreunden. Beim jetzigen Lesen des erstens Bandes auf englisch war mir kaum etwas bekannt. Den Sog, der zum Hype geführt hat, kann ich noch immer nicht nachvollziehen, aber zumindest war ich ein paar Stunden abgelenkt von der ganzen Situation.

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Roman

Jenny Colgan – The Bookshop on the Corner

Because life is like that, isn’t it? If you thought of all the tiny things that divert your path one way or another, some good, some bad, you’d never do anything ever again.

Als ich dieses Buch vor vier Tagen ausgeliehen habe, dachte ich noch, ich würde auf Urlaub fliegen. Das war angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen vermutlich etwas naiv, aber da ich mich auf diese Auszeit schon einige Monate lang freue, wollte ich bis zum letzten Moment nicht die Hoffnung aufgeben. Der letzte Moment war dann die allgemeine Reisewarnung, die am Freitag vom Außenministerium verkündet wurde. Nicht nur die Enttäuschung über die abgesagte Reise war groß, nach hektischen Maßnahmen, um den finanziellen Schaden zu minimieren (die Kurzfassung: zwei unserer gebuchten Hotels waren bereits außerhalb der Gratis-Storno-Phase, erließen uns aber binnen weniger Stunden die Stornogebühren, die Fluglinie war störrisch, ermöglichte aber zumindest ein kostenloses Verschieben des Flugs) und Einkäufen (wenn ich auf Urlaub fahren will, habe ich natürlich keinerlei frische Lebensmittel mehr im Haus), stellte sich die Sorge ein, wie das wohl alles weitergehen soll. Den Samstag verbrachte ich daher nahezu durchgehend lesend im Bett. Seit heute Vormittag gelten auch Ausgangsbeschränkungen.

Letztes Jahr hatte ich mich mit Little Beach Street Bakery von Jenny Colgan recht gut unterhalten gefühlt. The Bookshop on the Corner wäre auch eine echt gute Urlaubslektüre gewesen. Auch wenn die Protagonistin Nina so mancher Leserin etwas zu perfekt sein mag (sie wird als schüchtern und unauffällig hingestellt, erweist sich aber im Verlauf des Buches als warmherzige und hilfsbereite Kämpferin), glänzt die Geschichte mit absurden Einfällen wie dem Bücherbaum und der poetischen Romanze zwischen Nina und Marek. Die Flauschigkeit der Geschichte eignet sich nicht nur als Urlaubslektüre sondern auch als Ablenkung von einer „freiwilligen Beschränkung der Sozialkontakte“.

Just do something. You might make a mistake, then you can fix it. But if you do nothing, you can’t fix anything. And your life might turn out to be full of regrets.

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Octavia E. Butler – Parable of the Talents

When we have no difficult, long-term purpose to strive toward, we fight each other. We destroy ourselves.

Nachdem Parable of the Sower mit einem Ausblick in ein neues Leben für Lauren und ihre Mitstreiter*innen endet, wollte ich natürlich erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Der erste Teil wird allein aus Laurens Sicht erzählt, der zweite Teil ist eine Mischung aus Reflexionen von Laurens Tochter (die erst im Verlauf der Geschichte des zweiten Teils geboren wird), Laurens Tagebucheinträgen und kurzen Texten von Laurens Partner Bankole und Laurens Bruder Marcus. Diese Struktur gibt der Geschichte eine realistische Anmutung, als wäre die Geschichte nicht erfunden, sondern sorgfältig recherchiert und aus den verfügbaren Textbruchstücken zusammengesetzt.

How much of this nonsense does he believe, I wonder, and how much does he say just because he knows the value of dividing in order to conquer and to rule?

Lauren gründet mit ihrer Gruppe eine neue Siedlung namens Acorn. Mehrere Jahre arbeiten alle gemeinsam, bauen Häuser, lernen voneinander, versorgen sich selbst und treiben Handel mit umliegenden Dörfern. Laurens Religionskonzept Earthseed wächst und gedeiht ebenfalls. Die fanatischen Anhänger eines skrupellosen Politikers, der die USA zu einem christlichen Gottesstaat machen will, zerstören die Idylle und versklaven die Einwohner von Acorn mit ferngesteuerten Halsbändern. Eine Zeit der Qualen beginnt.

Dieses Buch behandelt so viele schwierige Themen. Da die Gesellschaft dermaßen aus den Fugen geraten ist, kann ein Politiker, der den Menschen Sicherheit verspricht, sich nahezu alles erlauben. Die Autorin legt ihm übrigens auch den Slogan Make America Great Again in den Mund. Wikipedia weiß dazu, dass der Slogan vor Donald Trump auch schon von Ronal Reagan und Bill Clinton verwendet wurde. „Ungläubige“ werden ausgestoßen und als Hexen verbrannt. Menschen sehen zu, wie ihre Nachbarn eingesperrt oder erschossen werden, weil sie Angst haben, selbst zur Zielscheibe zu werden. In der kirchlichen Organisation wollen die führenden Persönlichkeiten nichts von den radikalen Gewalttaten ihrer Anhänger wissen. Die Autorin beschreibt ausführlich das Gefühl der Gefangenschaft, das die Versklavten durch die Halsbänder, die ihre Freiheit einschränken, erfahren. Die Sklaven werden behandelt wie Tiere, die Grausamkeit der Mächtigen scheint kein Ende zu nehmen. Schon im ersten Teil wurde mit detaillierten Beschreibungen von Gewalttaten nicht gespart und auch hier sind einige Passagen enthalten, die meine Vorstellungskraft auf die Probe gestellt haben. Definitiv keine leichte Lektüre.

If she had created Acorn, but not Earthseed, then I think she would have been a wholly admirable person.

Als alles umspannender roter Faden dient das Verhältnis von Lauren zu ihrer Tochter. Das Baby wird von den christlichen Radikalen entführt und wächst bei Adoptiveltern auf. Nach Laurens Flucht aus der Gefangenschaft macht sie sich auf die Suche nach ihrer Tochter, erkennt jedoch schnell die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens. Ihr Bruder findet das Kind, hält dies jedoch vor Lauren geheim. Die erwachsene Asha steht der abwesenden Mutter, die ihre Religion scheinbar über das eigene Kind gestellt hat, kritisch gegenüber.

Religion kann Gutes bewirken, aber auch Menschen dazu verleiten, den Glauben über die Menschlichkeit an sich zu stellen. Diesem Vorwurf muss sich auch Lauren aussetzen, die mit ihrer Religion eigentlich nur Gutes bewirken will. Gleichzeitig zeigt die Geschichte auch, dass ein großes Ziel nur erreicht werden kann, indem auf anderen Ebenen verzichtet wird.

Trotz dieser vielen Bedeutungsebenen, der beschriebenen Gewalt und Unmenschlichkeit und den vielen Parallelen, die sich zu früheren Ereignissen, aber auch aktuellen Entwicklungen ziehen lassen, kann dieses Buch nicht nur ein Lehrstück sein sondern auch Hoffnung machen.

Partnership is giving, taking, learning, teaching, offering the greatest possible benefit while doing the least possible harm. Partnership is mutualistic symbiosis. Partnership is life.

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Roman

Ian McEwan – Am Strand

Sie war wie von Sinnen, irrsinnig sogar, denn eigentlich wollte sie nichts lieber, als aus dem Zimmer laufen, durch den Garten, den Weg hinunter zum Strand, um dort allein zu sein.

Ein Buch, das schon so lange auf meiner Liste steht, dass ich nicht mehr weiß, wie es dorthin gekommen ist. Das englische Original ist 2007 erschienen und auch wenn ich mir nicht ganz vorstellen kann, dass es schon so lang her ist, so sind es doch zumindest einige Jahre gewesen.

Die Hochzeitsnacht von Florence und Edward ist ein einziges großes Missverständnis. Oder ein Symbol dafür, dass ihre gesamte Beziehung ein einziges großes Missverständnis war. Beide ersticken nahezu an ihrer Angst, etwas falsch zu machen; Florence hat eigentlich kein Bedürfnis nach dem körperlichen Teil der Ehe, will ihren Edward aber nicht enttäuschen; Edward fürchtet sich davor, die Kontrolle zu verlieren. In Rückblenden werden weitere Begebenheiten erzählt, die beiden Personen erklärende Charaktereigenschaften verleihen.

Und was stand ihnen im Weg? Ihr Charakter und ihre Vergangenheit, Unwissen und Furcht, Schüchternheit und Prüderie, innere Verbote, mangelnde Erfahrung oder fehlende Lockerheit, und dann noch der Rattenschwanz religiöser Verbote, ihre englische Herkunft, ihre Klassenzugehörigkeit und die Geschichte selbst.

Eine andere Interpretation könnte auch sein, dass ihnen Kommunikationsfähigkeiten fehlten. Für mich fühlte sich die Beschreibung der Hochzeitsnacht von Anfang bis Ende wie eine Aneinanderreihung von Missverständnissen an. In meinem Kopf hörte ich Jason Robert Brown: „Can we please for a minute Stop blaming and say what you feel?“ Und als Florence sich schließlich ein Herz fasst, hat sie Edward bereits um Welten überholt, sodass dieser ihr nicht mehr folgen kann. Ihr mutiger Vorschlag eines alternativen Beziehungsmodells bringt das bereits wacklige Beziehungsgerüst endgültig zum Einsturz.

Wären die beiden in der Lage gewesen, ihre Gefühle auszudrücken, ohne Angst vor Ablehnung haben zu müssen, hätte diese Geschichte anders ausgehen können. Aber vielleicht bin ich noch immer zu optimistisch, was das Gelingen von Kommunikation angeht.

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Roman

Marjana Gaponenko – Wer ist Martha?

Mit einem verzückten Lächeln schaut Lewadski durch das Opernglas auf die Bühne und sieht – nichts. Er schaut viel weiter, er schaut in seine eigene Freude hinein.

Zu Anfang des Buches erhält der Protagonist Lewadski ein Todesurteil: Krebs. Der Professor der Ornithologie verweigert sich dem Rat des Arztes und bricht stattdessen nach Wien auf, um seine letzte Zeit auf Erden zu genießen. Seine Erlebnisse gleiten zusehends ins Illusionäre ab, immer absurder werden die Gespräche, die der menschenscheue Lewadski mit anderen Menschen im Hotel in Wien führt. Für mich gab es einen Knackpunkt, an dem ich plötzlich sicher war, dass es sich hier um Träume oder Visionen handelt und ab diesem Punkt fragte ich mich dann, ob Lewadski überhaupt nach Wien gefahren ist oder ob schon von Anfang an die Diagnose seinen Geist verwirrt hat. Antworten darauf gibt der Roman keine. Vieles bleibt der Vorstellungskraft der Leser*in überlassen. 

Es war der Zauber des Abschieds, ein Versprechen, das sich fern von dieser Welt erfüllen wollte.