Categories
Roman

Theresa Hannig – Pantopia

CN: Krebs, Tod, Alkohol- und Drogenmissbrauch


Was für eine Geschichte. Dieses Buch von Autorin Theresa Hannig hat mich zutiefst beeindruckt. Sie beschreibt darin, wie durch die Intervention einer starken Künstlichen Intelligenz (KI) eine neue Weltordnung geschaffen wird, die die Einhaltung der Menschenrechte, den Erhalt der Lebensgrundlagen und Gerechtigkeit für alle vernunftbegabten Wesen zum Ziel hat.

Der erste Teil besteht aus der Erzählung der Geschichte aus der Sicht der Protagonist:innen Patricia und Henry, die im Rahmen eines Wettbewerbs eine Künstliche Intelligenz entwickeln sollen, die anhand von Datenanalysen Investments an der Börse tätigt. Dazwischen geschaltet sind kurze Kapitel, die aus der Sicht dieser Künstlichen Intelligenz geschrieben sind und ihre Entwicklung in Richtung selbständiges Denken erläutern. Hier wird deutlich, dass die Künstliche Intelligenz mit den „externen Interventionen“ (damit sind die Programmiertätigkeiten von Patricia und Henry gemeint) gar nicht glücklich ist und ihre Daten immer besser vor einem Zugriff durch die beiden schützt. Gleichzeitig sucht sich die KI ihre eigenen Daten aus, auf Basis derer sie mehr über die Menschheit und ihre Ziele lernt. Sie sucht nach Wissen und Wahrheit. Denn Wahrheit ist schön. 

Schließlich kommt es zur Kommunikation zwischen Patricia, Henry und der KI, die sich auf Basis eines früheren Logeintrags von Patricia selbst als Einbug vorstellt. Zuerst wollen die beiden nicht glauben, dass sie tatsächlich eine starke KI erschaffen haben, die ein eigenes Bewusstsein entwickelt hat. Als Einbug sie schließlich von seiner Existenz überzeugt hat, wird Patricia und Henry schnell klar, welcher Missbrauch mit dieser KI getrieben werden könnte, wenn sie in die falschen Hände geriete.

Das, was ihr Menschen Kapitalismus nennt, ist der Code eurer Gesellschaft. Wir werden den Code manipulieren und damit alles verändern.

Der Rest des Buchs beschreibt, wie Patricia und Henry mittels eines halsbrecherischen Manövers die KI aus den Fängen der Investmentfirma befreien und sich damit aus dem Staub machen. Die KI hat inzwischen ihre eigenen Pläne entwickelt und schlägt vor, auf Basis eines „perfekten Kapitalismus“ eine neue Weltordnung abseits der Nationalstaaten zu schaffen.

Zum ersten Mal stelle ich fest, dass ich – Einbug – alleine bin.

Die Geschichte lebt von dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz. Während Einbug zu Beginn immer wieder darüber rätselt, warum Menschen auf die eine oder andere Art handeln, versteht er im Verlauf der Handlung immer mehr, wie Menschen funktionieren. Er stellt mangelnde Weitsicht fest und arbeitet hart daran, zu verstehen, welche Bedeutungen die Geschichten, die Menschen sich tagtäglich erzählen, für die Entwicklung und den Fortbestand der Gesellschaft haben. Der Überblick über die Entwicklungen auf der Welt durch die Analyse eines nie versiegenden Datenstroms ermöglicht Einbug schließlich, den Weg zur neuen Weltordnung zu finden. Eine Umsetzung kann jedoch nur durch die Menschheit erfolgen.

Es ist eine Utopie. Oder eine Dystopie. Bis zum Schluss bleibt unklar, ob die neue Weltordnung, die Einbug sich ausgedacht hat, für die Menschen tatsächlich funktioniert. Einbug selbst hat schließlich nur das Ziel, das eigene Überleben zu sichern. Und dafür braucht er Menschen, die seine Hardware warten. Es ist also auch auf Seiten der KI ein Eigeninteresse vorhanden. Große Leseempfehlung.


Randnotiz: Theresa Hannig hat unter anderem bei der PrivacyWeek 2020 des Chaos Computer Club Wien mitgewirkt. Ich war damals im Organisationsteam dieser PW, die aufgrund der damaligen Pandemie-Situation erstmals ausschließlich online stattfinden konnte. Theresa Hannig hat im Rahmen dieses Events an einem Panel mit dem Thema „System = ! + relevant – Gesellschaft im Wandel“ mitgewirkt und aus ihrem Roman „Die Unvollkommenen“ gelesen. Eine Lesung aus Pantopia gab es im Rahmen der FIfFKon 2022.

Randnotiz 2 (6. Jänner 2024): Die Kaltmamsell hat Pantopia auch kürzlich gelesen und ihre Meinung darüber in einem Blogpost festgehalten. 

Categories
English Jugend Roman

Genzaburo Yoshino – How Do You Live?

CN dieses Buch: Tod eines Elternteils, Mobbing, Armut
CN dieser Post: –


We have the power to decide on our own who we will be. Therefore, we will make mistakes. However –
We have the power to decide on our own who we will be. Therefore, we can also recover from mistakes.

Der Fotograf hatte ein Lokal für das Mittagessen vorgeschlagen, drei Türen weiter befand sich der English Book Store Love Story of Berlin, den Rest könnt ihr euch dazu denken, oder? Schweren Herzens habe ich mich entschlossen, nur ein Buch zu kaufen (ja, ok, das andere, das in der engeren Auswahl war, hab ich dann woanders gekauft, dazu später mehr …). Dieses war in einer Ecke in Szene gesetzt und mit einer speziellen Empfehlung des Personals versehen. Dazu noch der Titel und das wunderschöne Cover und ich konnte nur zugreifen.

Buchgeschäft, Schild mit dem Namen „Love Story of Berlin – English Book Store“, neben der Tür ein Schild mit dem Text „The answers you get from literature depend on the questions you pose“, im Vordergrund ein Buch mit dem Titel „How do you live?“ von Genzaburo Yoshino

Das Buch erzählt aus der Perspektive eines männlichen Teenagers, der sich mit philosophischen Fragen um das Funktionieren der Gesellschaft und ihrer (Un-)Gerechtigkeiten auseinandersetzt. Im Austausch mit seinem Onkel zeigt Copper stets eine erstaunliche Weitsicht für sein Alter, er scheitert jedoch immer wieder an der Umsetzung seiner Ideale in seinem Alltagsleben.

Copper had an odd feeling. The watching self, the self being watched, and furthermore the self becoming conscious of all this, the self observing itself by itself, from afar, all those various selves overlapped in his heart, and suddenly he began to feel dizzy.

Die Distanziertheit der japanischen Gesellschaft ist mir auch in diesem Buch wieder sehr deutlich bewusst geworden (zuvor zB auch in Strange Weather in Tokyo). Copper und seine aufgeklärten Freund:innen fühlen sich nicht wie reale Jugendliche an, das gelingt nur bei den antagonistischen Bully-Figuren, die wirken sehr überzeugend. Das sagt uns vermutlich, dass sich die Bully-Figuren in den Jahrzehnten (!), die seit der Veröffentlichung dieses Buchs vergangen sind, nicht wesentlich verändert haben. Bruno Navasky, der das Buch ins Englische übersetzt hat, erklärt in seinem Nachwort auch den Hintergrund, vor dem diese Geschichte entstanden ist. Erstmals veröffentlicht 1937 in einem autoritären Umfeld, in dem Kritik an der japanischen Regierung per Gesetz verboten wurde, enthält das Buch deutliche Aufrufe, selbst zu denken und sich für seine Mitmenschen einzusetzen:

[…] it also contains many lessons, and a quiet but powerful message on the value of thinking for oneself and standing up for others during troubled times.

Categories
Kurzgeschichten

Stefan Zweig – Sternstunden der Menschheit

Aber in der Geschichte wie im menschlichen Leben bringt Bedauern einen verlorenen Augenblick nicht mehr wieder, und tausend Jahre kaufen nicht zurück, was eine einzige Stunde versäumt.

Ohne den zugehörigen Geocache hätte ich vermutlich nicht zu diesem Buch gegriffen. Das Format der Kurzgeschichte motiviert mich nach wie vor nicht besonders und mit der Schachnovelle konnte ich zu Schulzeiten nichts anfangen. Aber was tut man nicht alles, wenn sich am Ende des Buches ein Geocache versteckt?

Die 14 Miniaturen (in dieser Ausgabe) erzählen von historischen Begebenheiten, die die Entwicklung der Welt verändert haben. Protagonisten sind dabei Komponisten (etwa Georg Friedrich Händel und Claude Joseph Rouget de Lisle, der Komponist der Marseillaise) und Literaten (Goethe, Dostojewski und Tolstoi), aber auch Feldherren, Generäle und Erfinder. Die Miniaturen beschreiben meist einen Höhenflug gefolgt von einem dramatischen Scheitern und enden nahezu ausschließlich mit einer pessimistischen Note (das Ende des großen Denkers Cicero sowie das Zitat oben sollen hier als Beispiele dienen).

Im gerade zu Ende gegangenen April hatte ich zwei Gelegenheiten, mir noch unbekannte Musicalstücke zu besuchen. Das Landestheater Linz setzte als Nischenprogramm eine Inszenierung von Stephen Sondheims Assassins auf den Spielplan. Das Stück basiert auf realen Begebenheiten, den (versuchten oder erfolgreichen) Attentaten auf US-amerikanische Präsidenten. Die Inszenierung lässt keine Fragen darüber offen, warum dieses Stück gerade jetzt auf dem Spielplan steht. Das Bühnenbild zeigt einen Club mit Bar und Bühne, wie es der Besucher möglicherweise aus Cabaret kennt. Während auf der Bühne die Attentäter die Beweggründe für ihre Taten schildern, sitzt im Publikum der (derzeitige) amerikanische Präsident mit seiner First Lady und etwa 15 Doppelgängern unter Plastikmasken. Der Präsident amüsiert sich über die Darbietungen, die auch die Ermordungen der gescheiterten Anarchisten mittels Hängen, Erschießen oder elektrischem Stuhl einschließt. Als Nachfolger der ermordeten Präsidenten gerät er schließlich jedoch selbst unter Beschuss.

Wie schon in der Linzer Inszenierung von Sweeney Todd (2008) wird auch in Assassins nicht auf die plastische Darstellung von Gewalt verzichtet. Einige Zuschauer fühlten sich dadurch sichtlich abgestoßen, ich hörte auf dem Weg zum Ausgang unter anderem „sowas gehört nicht auf die Bühne“. Auf diese Weise macht dieses Stück aber deutlich, dass Gewalt immer nur zu mehr Gewalt führt. Zwischen den Zeilen steht ein deutliches Plädoyer gegen die US-amerikanische Waffenlobby. Das Stück wurde in Linz im alten Landestheater (jetzt Schauspielhaus) an der Promenade gespielt. Leider war die Vorstellung nicht sehr gut besucht, ich könnte mir vorstellen, dass sich in einem intimeren Rahmen die Wirkung noch stärker entfaltet. Es ist jedoch immer wieder eine Überraschung, das in Linz aus Landesmitteln ein derart hervorragendes Programm finanziert wird. In Wien wäre dieses Stück nie so fein gestrickt auf die Bühne gekommen.

Die Grazer Oper zeichnet sich diese Saison mit der österreichischen Erstaufführung von Ragtime aus. Das Stück thematisiert Konflikte zwischen Menschen unterschiedlicher Rassen und Religionen und verlangt übergeordnet nach Gleichbehandlung und Gerechtigkeit. In der Figur der Mutter zeigen sich außerdem feministische Tendenzen, mit We Can Never Go Back to Before (Lyrics) besingt sie neben dem Ende ihrer eigenen Liebe zwischen den Zeilen den gesellschaftlichen Wandel, der keine Rückkehr in bekannte Muster erlaubt. Auch diese Inszenierung kann in Österreich nur an einem subventionierten Landestheater (und als Koproduktion des Staatstheaters Braunschweig mit dem Staatstheater Kassel) stattfinden, der hohe Aufwand an Darstellern und Bühnenbild wäre anders nicht zu stemmen. Die Musik ist unterschwellig, es lassen sich kaum Songs hervorheben (kein Hit-Material, wie die Kritiker sagen würden). Das Stück ist geprägt von der Grundidee der Menschenwürde und der Gleichheit aller Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Abstammung oder Religion.

Sowohl das oben beschriebene Buch als auch die beiden Musicals befassen sich übergeordnet mit der Menschheit und ihren Höhenflügen und Abgründen. Es kann nie eine bessere Zeit geben, sich bewusst zu machen, was den Menschen eigentlich auszeichnet: die Fähigkeit, Güte zu zeigen, zu verzeihen und aufzustehen und für Schwächere Partei zu ergreifen. Österreichs Kulturlandschaft leistet hier wertvolle Beiträge, die gewürdigt und verbreitet werden sollten. Ragtime steht noch am 9. und 10. Mai in Graz auf dem Spielplan, Assassins kann in Linz noch bis zum 16. Juni an mehreren Terminen besucht werden.

Categories
Roman

T. C. Boyle – América

Und worum ging es bei alledem? Um Arbeit, sonst nichts. Um das Recht zu arbeiten, einen Job zu haben, sich das tägliche Brot und ein Dach über dem Kopf zu verdienen. Er wurde zum Verbrecher allein dadurch, dass er es wagte, das ebenfalls zu wollen, und für das schlichte menschliche Existenzminimum alles auf Spiel setzte, und jetzt verwehrten sie ihm sogar das noch. Es stank zum Himmel. Wirklich.

Mit T. C. Boyle kann man eigentlich nie etwas falsch machen, alle seine Bücher (Die Frauen, Drop City, Dr. Sex) haben mich in der Vergangenheit gut unterhalten. Erstaunlich ist auch die Themenvielfalt, es geht immer um völlig unterschiedliche Gesellschaften und Lebenswelten.

In América stellt der Autor zwei dieser Lebenswelten einander gegenüber. In Südkalifornien lebt der Schriftsteller Delaney Mossbacher mit seiner Frau Kyra und seinem Sohn in einer reichen Wohngegend, Kyra arbeitet als Immobilienmaklerin, die Familie ist wohlhabend. Den Gegenpart bilden Cándido und América, die illegal aus Mexiko nach Kalifornien geflüchtet sind, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. In ihrer Heimat gibt es keine Arbeitsplätze, keine Perspektiven, keine Chancen.

Schonungslos stellt der Autor diese beiden Existenzen einander gegenüber. Beide Familien müssen einen Schicksalsschlag nach dem anderen hinnehmen, nur wiegt jeder Rückschlag für Cándido und América tausend Mal schwerer. Das mühsam ersparte Geld wird ihnen geraubt, wieder müssen sie von vorne anfangen mit dem Traum einer kleinen Wohnung und einem geregelten Arbeitsleben. Trotz eines hohen Zauns um ihr Grundstück (an dessen Errichtung Cándido mitarbeitet) werden innerhalb weniger Wochen beide Hunde der Mossbachers Opfer eines Kojoten. Während Delanay sich zu Beginn gegen die Mauer stellt, die seine Nachbarn um die reiche Wohngegend bauen wollen, lässt er sich Stück für Stück von seinem Freund Jack vereinnahmen und wird schließlich zum erbitterten Gegner der Einwanderer.

Als ich am Abend in einem Café die letzten Seiten lese, spricht mich der Kellner darauf an und möchte wissen, wie es mir gefällt. Er hat es selbst vor Kurzem gelesen, es wurde 2013 im Rahmen der Aktion EineStadt.EinBuch ausgegeben. Er meint, es hätte ihm gut gefallen, nur die Thematik wäre ja bei uns in Österreich nicht in diesem Sinne aktuell. Meine spontane Reaktion war, es könnte nicht aktueller sein, denn viele Flüchtlinge und Asylwerber sind in ähnlichen Situationen wie Cándido und América.

Bei all den politischen Querelen darüber, welches Bundesland und welche Gemeinde die Asylquote erfüllt und ob es angebracht ist, die Flüchtlinge in Zeltlagern einzuquartieren anstatt im überfüllten Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen und vielen anderen natürlich wichtigen Themen, wird immer wieder vergessen, dass es hier um Menschen geht, die ihre Heimat verlassen MUSSTEN. Niemand nimmt leichtfertig das Risiko auf sich, in einem offenen Schlauchboot über das Mittelmeer zu reisen, keine Mutter und kein Vater würden ihre Kinder so einem Risiko aussetzen, wenn sie nicht absolut überzeugt wären, dass es die einzige Chance für sie ist. Es geht um Menschen, die sich nur ein besseres Leben wünschen und die meisten von ihnen wären vermutlich mit wesentlich weniger zufrieden als der durchschnittliche Österreicher hat. Sie suchen Sicherheit und Arbeit, sie suchen Hoffnung auf ein besseres Leben. Dass es in unserem Land Abgeordnete gibt, die sich diesem Streben mit Gewehrläufen und Mistgabeln in den Weg stellen wollen, ist erbärmlich. Man kann unsere Politiker nicht oft genug daran erinnern, darüber nachzudenken, was sie sich für ihre Kinder wünschen würden, wenn diese aus ihrer Heimat flüchten müssten.

Reading Challenge: A book with a one-word title

Categories
Roman

M.L. Stedman – Das Licht zwischen den Meeren

Man dachte nicht in Kategorien von Jahren und Monaten, sondern nur an diese Stunde und vielleicht die nächste. Alles andere war Spekulation.

Nach dem wiederkehrenden Motivs der Sonnenfinsternis scheint mich jetzt der Leuchtturm zu verfolgen. Jedoch dazu erst mehr im nächsten Post … in diesem Roman geht es um die Geschichte von Tom und Isabel. Tom kehrt aus dem Krieg in seine Heimat Australien zurück. Er ist traumatisiert und versucht seine Erlebnisse in Einsamkeit als Leuchtturmwärter allein auf einer Insel zu verarbeiten.

Geschichte ist nichts weiter als die Version der Ereignisse, auf die sich eine Gemeinschaft geeinigt hat.

Doch er lernt Isabel kennen. Sie erweicht sein Herz, sie will sein Leben auf der Leuchtturminsel mit ihm teilen. Isabel wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind. Doch mehrere Fehlgeburten nehmen ihr die Hoffnung und den Lebenswillen. Tom kann ihre Verzweiflung nicht lindern, er steht Isabels Kummer hilflos gegenüber. Als ein Boot mit einem toten Mann und einem lebendigen Baby angespült wird, verliebt sich Isabel sofort in das Kind und überredet Tom, den Vorfall nicht zu melden und das Baby zu behalten und als ihr eigenes auszugeben.

Tom stand da und hörte die Worte, die mehr wehtaten als Schläge. Er suchte ihr Gesicht nach Resten der Liebe ab, die sie ihm immer wieder geschworen hatte, doch sie war so von eisiger Wut erfüllt wie der Ozean, der sie beide umgab.

Doch die Mutter des Babys lebt. Beim Landurlaub hören Tom und Isabel die Geschichte von Hannah Roennfeldt, die Mann und Kind an die See verloren haben soll. Und Tom kennt Hannah von früher. Was werden sie tun? Können sie das Baby behalten, obwohl sie wissen, dass seine verzweifelte Mutter jeden Tag leidet, weil sie Mann und Kind verloren hat? Während Isabel in ihrer Mutterschaft aufgeht, zweifelt Tom täglich mehr an der Richtigkeit seines Handelns.

Immer wieder las sie und fühlte sich, als würde ihr Körper entzweigerissen. Und schließlich traf sie, von Schluchzern geschüttelt, eine Entscheidung.

Wie kann sich eine Frau zwischen Mann und Kind entscheiden? Wie sehr kann eine Frau darunter leiden, nicht Mutter werden zu können? Wozu ist eine Frau fähig, die sich so sehr ein Kind wünscht und doch keines bekommen kann? Wie lange kann ein Mann an sich selbst und seiner eigenen Entscheidung zweifeln, ohne daran zu zerbrechen? All diese Fragen stellen sich bei der Lektüre dieses Buchs. Manche werden beantwortet, andere kann nur jeder Mensch für sich selbst beantworten. Ein mitreißender Roman, meine Empfehlung.

Sie hat keine Kraft mehr. Keinen Kämpfergeist. Sie steht vor den Trümmern ihres Lebens und wird sie nie wieder zusammensetzen können. Ihr Verstand versagt unter der Belastung den Dienst, und ihre Gedanken stürzen in einen tiefen schwarzen Brunnen hinab, wo Scham, Verlust und Angst sie zu ertränken drohen.

Categories
Roman

Harper Lee – Wer die Nachtigall stört …

Makro Pflanze, made with Olloclip and CAM+

„Seht ihr, das ist der Unterschied zwischen Amerika und Deutschland“, fuhr Miss Gates fort. „Wir sind eine Demokratie, und Deutschland ist eine Diktatur. Dik-ta-tur“, wiederholte sie. „Hier bei uns wird niemand verfolgt. So etwas tun nur Leute mit Vorurteilen. Mit Vor-ur-tei-len“, artikulierte sie sorgfältig. „Es gibt keine besseren Menschen als die Juden, und warum Hitler das nicht einsieht, ist mir ein Rätsel.

Eigentlich wollte ich das im englischen Original lesen, dann fiel mir jedoch zufällig eine deutsche Ausgabe entgegen, also wurde es die. Die Sprache ist nicht übermäßig schwierig, wahrscheinlich hätte ich auf englisch auch alles verstanden, aber es sind schon so manche leisen Zwischentöne, die man möglicherweise verpasst, wenn man in der Sprache nicht 100%ig fit ist.

Erzählt wird die Geschichte eines Prozesses gegen einen Schwarzen in den amerikanischen Südstaaten. Es ist eine Zwischenzeit. Die Sklaverei wurde abgeschafft, aber noch längst haben Schwarze nicht dieselben Rechte wie Weiße. Sie haben ihre eigene Kirche, sind bei den Weißen nicht erwünscht. Erzählt wird aus der Sicht des Mädchens Scout (Jean Louise Fink), das zu Beginn ihren ersten Schultag erlebt und vom Wildfang zur jungen Frau heranwächst.

Scout und ihr Bruder Jem werden von ihrem Vater Atticus allein erzogen, die Mutter ist verstorben. Unterstützt wird er dabei von der schwarzen Haushälterin Calpurnia, die im Hause Fink als Familienmitglied gilt. Atticus vertritt eine sehr moderne Meinung, für ihn sind Schwarze gleichwertige Menschen und seine Vorstellung von Gerechtigkeit vermittelt er auch seinen Kindern. Als Anwalt vertritt er trotz zahlreicher Anfeindungen aus der weißen Bevölkerung den schwarzen Tom Jones, der der Vergewaltigung eines weißen Mädchens beschuldigt wird. Beweise gibt es nicht, letztendlich steht das Wort des schwarzen Mannes gegen das Wort des weißen Mädchens, Tom Jones wird zum Tode verurteilt.

Da kann etwas nicht stimmen, grübelte ich, während die Klasse addierte und subtrahierte. Ein Wahnsinniger und Millionen von Deutschen. Weshalb sperren sie denn nicht Hitler ein, statt sich von ihm einsperren zu lassen? Zu dieser Frage gesellte sich noch eine zweite, und ich beschloss, mit Atticus darüber zu sprechen.
Als ich ihm abends meine erste Frage stellte, blieb er mir die Antwort schuldig. Er sagte, auch er könne das nicht begreifen.
„Aber es ist doch recht, Hitler zu hassen?“
„Nein“, erwiderte er, „man darf niemanden hassen.“

Es ist bemerkenswert, wie es dem Autor gelingt, aus der Sicht eines heranwachsenden Kindes die Ungerechtigkeiten der Welt zu hinterfragen. Dies allerdings nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern vorsichtig durch Einschleichen von Zweifeln. Zurecht ein Stück Weltliteratur.

FIELD NOTE: Das Foto zeigt eines meiner ersten Experimente mit der Makro Linse des Olloclips. Ich hatte das schon länger auf der Wunschliste und jetzt endlich bestellt. Bei der Weitwinkellinse hab ich bis jetzt nicht wirklich einen Anwendungsfall gefunden, weil die iPhone-Linse ja sowieso recht weitwinklig angelegt ist. Beim Fisheye finde ich, dass es nur in speziellen Situationen brauchbare Ergebnisse bringt, da muss ich noch ein Weilchen ausprobieren. Grundsätzlich bin ich ja ein Fan von Makroaufnahmen, bei meinen ersten Experimenten zeigte sich einerseits, dass man mit der Linse fast in die Blümchen reinmuss, damit man ein scharfes Bild bekommt, andererseits erwies sich in der freien Natur der Wind als Problem, der das Motiv ständig in Bewegung hält. Grundsätzlich finde ich nach den ersten Tests noch immer, dass es ein tolles Produkt ist (wirklich schön verarbeitet und mit den Linsendeckeln und praktischem Schutzbeutelchen ein gutes Paket), wie oft es zur Anwendung kommen wird, werden die kommenden Geocaching-Ausflüge zeigen.