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Krimi Roman

Carlos Ruiz Zafón – Das Spiel des Engels

„Es sind bloß Kopfschmerzen, Señor Sempere. Es geht gleich vorüber.“
Sempere brachte mir ein Glas Selters.
„Da. Das kuriert alles, außer der Dummheit, die ist eine wahre Pandemie.“

 Mit einer traurigen Kindheit und kaum Möglichkeiten beginnt die Geschichte des David Martín. Bereits als Junge muss sich David  nach der Ermordung seines drogensüchtigen Vaters durch Unbekannte allein durchschlagen und wird so zum Einzelgänger. Besagter Sempere führt den erwachsenen David schließlich zum Friedhof der Bücher, wo er nach einem verwirrenden Werk greift, einer Sammlung von religiösen Texten.

Der San-Sebastián-Turm ragte rund achtzig Meter in die Höhe, ein Gewirr von Kabeln und Stahl, das einen vom bloßen Hinsehen schon schwindeln machte. Die Seilbahn war im selben Jahr anlässlich der Weltausstellung eröffnet worden, die in der Stadt alles auf den Kopf gestellt und aus ihr eine Stadt der Wunder gemacht hatte.

Vom mysteriösen Patron wird Martin, der inzwischen erfolgreicher Schriftsteller von Groschenromanen geworden ist, zuerst von seinem Gehirntumor geheilt und anschließend in eine mysteriöse Krimigeschichte hineingezogen, die im weiteren Verlauf beinahe David und an seiner statt viele andere Menschen das Leben kostet.

„Sporadische Besucher meinen naiverweise, in dieser Stadt sei es immer sonnig und heiß“, sagt der Patron. „Aber ich sage immer, über kurz oder lang wird sich Barcelonas alte, trübe, dunkle Seele am Himmel widerspiegeln.“

Wenig Schlaf und viele Tote folgen, bis David schließlich die Chance zu einem Neubeginn bekommt. Ein weiterer grandioser Roman aus der Feder des spanischen Meisterschreibers.

Ich erwachte im Morgengrauen mit schmerzendem Körper, in den Sessel des Arbeitszimmers eingezwängt. Beim Aufstehen knirschte das eine oder andere Gelenk meines Körpers. Ich schleppte mich zum Fenster und öffnete es sperrangelweit. Die Altstadtdächer leuchteten im Raureif, und purpurn zog sich der Himmel über Barcelona zusammen. Als die Glocken von Santa Mariá del Mar schlugen, flog von einem Taubenschlag eine Wolke schwarzer Flügel auf. Ein schneidend kalter Wind trug den Geruch der Molen und den Ruß von den Schornsteinen im Viertel herbei.

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Roman

Guillaume Musso – Wirst du da sein?

Mit einer bitteren Wut im Bauch verließ Elliott die Toiletten. Was hatte er getan, um so leiden zu müssen? Ilenas Blick, als er ihr gesagt, hatte, dass er sie nicht mehr liebte, ließ seinem Herzen keine Ruhe. Sie war am Boden zerstört gewesen, und trotzdem hatte er weitermachen müssen, damit sie ihn endgültig aufgab. Er versuchte sich damit zu beruhigen, dass er ihr damit das Leben gerettet hatte. Aber sie, sie würde die Zusammenhänge nie erfahren und ihn für den Rest ihrer Tage hassen.

Eine fantastische Zeitreise erlebt man in dieser Liebesgeschichte, die sich über mehr als 30 Jahre erstreckt, zusätzliche Rückblenden mit eingeschlossen sind es sogar 40. Dabei gelingt es Musso, die unglaubliche Idee einer derartigen Zeitreise plausibel zu schildern und dabei auch noch witzige Geschichten einzuflechten, wenn der Elliott von 1976 auf einmal mit dem iPod des Elliott von 2006 konfrontiert wird:

Elliott fragte sich, wozu so ein Computer überhaupt gut war. Das einzige, was er bemerkenswert fand, war der komische Name, den die Erfinder ihrer Firma gegeben hatten: Apple Computer. Mit einem solchen Namen wird das nichts, Jungs!, dachte er. Besser, er schaltete das Ding gar nicht erst ein …

Er stöpselte sich die Knöpfe rechts und links ins Ohr und drehte an dem Rädchen, das sich auf der Oberfläche des Instruments befand. Auf dem eingebauten kleinen Monitor darüber flimmerte ein Schriftzug: „iPod – Designed by Apple in California – Made in China“. Hatte er diese kalifornische Erfinderbude doch unterschätzt?

Weit erstaunlicher ist jedoch, dass die Verbindung zwischen den beiden Zeitebenen stets logisch bleibt. Wenn man sich gerade fragt, wie das denn nun zugehen soll, klärt Musso sofort die Zeitverbindung in seinem Universum wieder auf. Wenn sich etwa der junge Elliott ein Tattoo stechen lässt, um mit seinem älteren Ich in Kontakt zu treten, ist das schlicht genial.

Und doch bleibt es im Kern eine Geschichte über verlorene und wiedergefundene Liebe und Freundschaft. Das Leben und den ganzen Rest.

Es gibt die trügerischen Momente im Leben, in denen man glaubt, sie für immer besiegt zu haben. Sie eliminiert zu haben. Ausgelöscht. Für immer und ewig. Wie töricht, das zu glauben! Denn meistens sind sie noch da, die Dämonen, liegen irgendwo im Dunkeln auf der Lauer, um in einem Augenblick der Unachtsamkeit zuzuschlagen. Etwa, wenn eine Liebe verlorengeht.

 

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Roman Unterhaltung

Susan Elizabeth Phillips – Mitternachtsspitzen

In stressigen Zeiten ist für die harte Kost einfach nicht die Ausdauer sein, muss ich zu meiner Schande leider sagen. Da geht eben nur sowas wie Susan Elizabeth Phillips.

Der erste Roman von Bestsellerautorin Susan Elizabeth Phillips: Eine historische Liebesgeschichte, unvergleichlich frech, sexy und romantisch – in deutscher Erstveröffentlichung!

So jubelt der Klappentext. Tatsächlich ist es aber so, dass es eher nicht notwendig gewesen wäre, dieses Erstlingswerk dem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen, weil das Ergebnis einfach nicht so großartig ist. Aber wenn eine Autorin einmal erfolgreich ist, kaufen die Leute natürlich auch das bisher in der Schublade versteckte Erstlingswerk und die verantwortlichen Verlage wissen das.

Weite Teile der Story sind so absurd, dass man dabei nur den Kopf schüttelt. Wer nach einem Frauenroman greifen will, sollte besser nach einem neueren Werk der Autorin greifen.

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Roman

Kate Mosse – Das verlorene Labyrinth

Ein wunderbar spannender Roman, der mich so einigen Schlaf gekostet hat, weil ich das Buch einfach nicht weglegen konnte.

In zwei Zeitebenen wird die Geschichte des Labyrinths und der Hüter der drei Bücher, in denen das Geheimnis des ewigen Lebens versteckt ist, erzählt. Alice stößt bei einer Ausgrabung, bei der sie aushilft, auf ein Grab mit zwei Skeletten sowie dem mysteriösen Labyrinthring und ist auf einmal mittendrin in einer Geschichte, die sie erst nach und nach aufdeckt.

Ihre Vorfahrin Alais wird auch zuerst von den Geheimnissen überfordert, die auf einmal auf sie einstürzen, vor allem kann sie auch von einem Moment auf den Nächsten niemandem mehr trauen. Beide Frauen müssen sich durch Widerstände quälen, um ihr Schicksal zu erfüllen.

Ein spannender historischer Roman, bestens geeignet für alle Liebhaber dieses Genres.

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Fantasy Roman

Bernard Cornwell – Die Herren des Nordens

Im dritten Teil der großen Uthred-Saga muss unser Held einiges erleiden. Vom Dänen Guthred, den er gerettet und ihm auf den Thron geholfen hat, wird er verraten und auf einem Sklavenschiff angekettet. Die Erzfeinde Kjartan und Sven, der Einäugige treten erneut auf den Plan und genau als Uthred ihm wehrlos in die Hände zu fallen droht, steigt der Deus ex machina vom Himmel:

Da wusste Sverri, dass er verloren hatte. Er verbeugte sich, ließ die Kette an meinem Hals los und trat einen Schritt zurück, und ich wog die Kette in meiner Hand und schleuderte ihr loses Ende nach Sven, und es fuhr zischend an seinem Gesicht vorbei und drängte ihn zurück. Und dann rannte ich. … Es war besser zu ertrinken, dachte ich, als Svens Folter zu erleiden. Da zügelten die Reiter ihre Pferde. Sven rannte zwischen ihnen hindurch, und dann blieb auch er stehen, und ich stand bis zur Brust im Fluss, und die Kette in meiner Hand störte mich, und ich bereitete mich darauf vor, mich rücklings ins Todesdunkel des Wassers zu stürzen, als Sven selbst einen Schritt von mir weg tat … Und da kam vom Meer, vorangetrieben von seinen Zwillingsrudern und der schnell steigenden Flut, das rote Schiff.

Noch eine weitere Schlacht bestreitet Uthred in diesem Band. Wie auch Derfel Cadarn in Cornwells Arthus-Geschichte ist er mit Leib und Seele Krieger. Der vierte Band Schwertgesang ist bereits erschienen. Im dritten Teil war Uthred erst um die 20 Jahre alt, es könnten also noch einige Bände folgen, was ich mir an dieser Stelle recht herzlich wünschen möchte.

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Roman

Guillaume Musso – Ein Engel im Winter

Nach langen Wochen habe ich es endlich geschafft, alle alten Blogeinträge von last.fm ins neue WordPress zu übertragen und auch wenn die Zeit zum Lesen in letzter Zeit knapp war, hat sich einiges an Material angesammelt. 

Ein Engel im Winter habe ich von meiner Schwester zu Weihnachten bekommen, sie hat es von meiner Amazon Wunschliste herausgepickt, wo ich schon gar nicht mehr wusste, dass ich mir das gewünscht hatte. Es war auf jeden Fall ein Glücksgriff, ein ausnehmend mitreißender Roman über das Leben, den Tod und die Liebe.

“Und was war am Ende des Tunnels?”
“Ich kann es nicht in Worte fassen.”
“Bitte, versuch es.”
Das Kind fuhr also fort. Seine Stimme wurde immer leiser. “Eine Art weißes Licht – stark und mild zugleich.”
“Erzähl weiter.”
“Ich wusste, dass ich sterben würde. Ich wollte auf das Licht zugehen, aber da war so etwas Ähnliches wie eine Tür, die mich daran hinderte.”

 Der Protagonist Nathan Del Amico wäre als Kind beinahe in einem Teich ertrunken und hat dabei eine Nahtoderfahrung erlebt, der er sich im Erwachsenenalter erneut stellen muss. Er ist geschieden und liebt sein Kind über alles, da seine Frau ans andere Ende von Amerika gezogen ist, kann er seine Tochter jedoch nicht so oft sehen. Warum seine Ehe auseinander gegangen ist, weiß er selbst nicht mehr. 

Dass er um seine Frau kämpfen muss, wird ihm erst durch einen Boten klar. Erst nach einiger Zeit erkennt er in dem Arzt, der ihn auf seltsame Weise belästigt, den Arzt, der ihm damals das Leben gerettet hat. 

Sie hielt den Ring mit aller Kraft fest und rezitierte in Gedanken wie eine Beschwörung:
Stark wie der Tod ist die Liebe.
Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen,
auch Ströme schwemmen sie nicht weg. 

Eine sich langsam aber stetig entwickelnde Geschichte steuert auf ein dramatisches Ende zu. Wunderbar aufgebaut und mit der Botschaft, die man sich immer wieder vergegenwärtigen sollte: Man weiß nie, wann der Tod zu einem kommt, daher sollte man jeden Tag leben, und seinen Lieben diese Liebe immer wieder zeigen.

 

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Klassiker Roman

George Orwell – 1984

Viele, die 1984 im Rahmen des Deutschunterrichts lesen müssen, können den Inhalt wohl nicht in seiner ganzen Form erfassen. Und doch lässt sich aus dem Buch etwas Elementares lernen, wenn man sich die Mühe nimmt, die dargestellte Welt und deren Praktiken mit dem aktuellen Leben zu vergleichen.

Winston lebt in dieser Welt, die vom Großen Bruder überwacht, von der Partei kontrolliert wird. In ihm lebt der Glaube an eine Vergangenheit, in der alle Menschen (nicht nur die niederen Proles) frei waren. Er arbeitet im Wahrheitsmuseum und fälscht beruflich die Vergangenheit. Der Leser schöpft Hoffnung, als Winston mit Julia zusammentrifft, die ebenfalls rebellische Ansätze zeigt (wenn auch deutlich weniger politisch als Winston).
Die beiden glauben schließlich in O’Brien ein Mitglied der Untergrundaktion gegen die Partei gefunden zu haben. Tatsächlich werden sie bald verhaftet und müssen sich nun den Folterungen ergeben. Bis zum letzten Moment erhofft man Rettung für Winston, doch diese kommt nicht. Letztendlich wird seine Persönlichkeit gebrochen.

Erschreckend ist es, wie deutlich Orwell beschreibt, dass der menschliche Geist einem solchen Druck nicht stand halten kann.
Beunruhigend ist auch die Fälschung der Vergangenheit. In einer Zeit, in der der Holocaust von manchen Menschen noch immer geleugnet wird, erhält dieses Buch eine erschreckende Aktualität (immerhin wurde es vor über 61 Jahren geschrieben).

Es hat einen Grund, warum dieses Buch noch immer auf den Leselisten der Schulen steht. Allen Schülern sei gesagt: Eines der besten Bücher, die ihr zum Referat erwischen könnt. Klare Message, ab dem zweiten Drittel reichlich spannend zu lesen.

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Roman

Ake Edwardson – Der Jukebox-Mann

Einige der schönsten Bücher habe ich aus der Mängelexemplare-Wühlkiste gekramt. „Der Jukebox-Mann“ ist auch so ein Mängelexemplar. Dass es tatsächlich auch ein schöner Roman mit einem überraschend guten Ende ist, erschließt sich aber erst, wenn man sich in die Geschichte eingelesen hat. (Wiederhole ich mich?)

Die Frau im Kiosk hatte ein Gesicht, an das er sich erinnern würde, wenn er sie einmal wiedersähe. Es war gleichzeitig blass und dunkel. Sie war eine Fremde für ihn, und er dachte, sie müsste aus einem anderen Land im Süden kommen. Jetzt verkaufte sie hier Würstchen. Auf dem Marktplatz waren keine Autos und vor dem Kiosk keine Kunden. Deswegen wirkte es sonderbar, dass sie noch geöffnet hatte. Wenn sie überhaupt geöffnet hatte. Vielleicht hatte sie geschlossen und war nur noch nicht gegangen. Aber die Glasluke war offen.

Johnny lebt in seiner eigenen Welt, sein Beruf ist das Aufstellen und Warten von Jukeboxen. Er kommt viel herum und kennt viele Leute, kann jedoch keine näheren Beziehungen zulassen. Erst nach und nach besiegt er die Dämonen seiner Vergangenheit. Als er endlich den richtigen Schritt auf der Suche nach seinem Bruder und damit in seine eigene Zukunft macht, kann er sich auch eingestehen, welche Menschen ihm wirklich wichtig sind.

Weniger halte ich das Buch für ein „Road-Movie“, wie auf dem Klappendeckel angekündigt (möglicherweise hat das meine Entscheidung für den Kauf des Buches beeinflusst, da ich Road-Movies mag) sondern mehr für einen Entwicklungsroman im modernen Umfeld.

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Roman Unterhaltung

Carly Phillips – Hochzeit auf griechisch

Ja, obwohl ich mich im Post zu Balzac über aktuelle Romane nicht grade positiv geäußert habe, musste als Ausgleich zu diesem Riesenwälzer ein locker luftiges Taschenbuch von Carly Philipps her. Und sie enttäuscht nicht.

Auf Seite 20 verliebt sich der männliche Protagonist Ryan quasi auf den ersten Blick in die weibliche Protagonistin Zoe. Auf Seite 24 verspürt er bereits ein nie gekanntes Verlangen nach ihr. Auf Seite 58 sieht sie ihn das erste Mal mit nacktem Oberkörper. Natürlich war sie vorher schon interessiert, jetzt jedoch ist sie geradezu entflammt.

Bis zur Hochzeit müssen die beiden natürlich noch eine Familiengeschichte aufdecken und beide zu sich selbst finden, waren sie doch vorher eingefleischte Singles und mit ihrem Job verheiratet.

Griechisch ist allerdings nichts an der Geschichte. Nicht mal griechisches Essen kommt vor. Da hat sich der deutsche Verlag mal wieder einen originellen Titel ausdenken müssen. Der Originaltitel lautete “Summer Lovin'”. Das ist den Deutschen wohl zu nichtssagend.

 

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Klassiker Roman

Honoré de Balzac – Verlorene Illusionen

Ein ganz schöner Schmöker, den der gute Balzac da fabriziert habe. Je mehr von diesen “alten” Romanen ich zur Hand nehme, um so mehr fällt mir auf, dass vieles, was heutzutage geschrieben wird, einfach Schrott ist.

Verlorene Illusionen erzählt die Geschichte von Lucien, einem glücklosen jungen Mann, der durch seinen Ehrgeiz und seine Genusssucht seine geliebte Familie in Verzweiflung und tiefe Geldnot stürzt. Aus der Provinz der Liebe wegen nach Paris gereist, erfährt er dort Enttäuschungen, Erfolge und Intrigen.

Als er gebrochen und ohne ein Stück Geld in der Tasche nach Hause kehrt, erfährt er erst, was er angerichtet hat und in welchen Problemen seine Schwester und ihr Mann, ehemals Luciens bester Freund, stecken.

Etwa auf Seite 720 meint man den klassischen Deus ex machina auftauchen zu sehen, doch einige Seiten später stellt sich heraus, dass diese Rettung zu spät kommt, gerettet werden die guten Menschen Eve und David jedoch trotzdem. Der geizige Vater stirbt und die beiden können ein glückliches zurückgezogenes Leben mit dem Erbe führen, während Luciens Schicksal in der Fremde ungewiss ist.

Fazit: Ein großer Roman, auf den man sich einlassen muss, denn die durchaus enthaltenen Längen muss man durchstehen, um schließlich zum befriedigenden Ende zu gelangen.