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Roman

Jessica Lind – Mama

CN: Geburt, Einsamkeit, Gewalt gegen Tiere


Es war ihr, als wäre die Hütte losgelöst von der Zeit. Es ist auch eine Erklärung dafür, warum sie hier den anderen begegnet ist.

  • Vibes von Marlen Haushofers „Die Wand“ schweifen durch diese Geschichte (jedoch ohne die fürs Überleben notwendigen Alltagsdinge).
  • Verwoben ist die Einsamkeit im Wald mit einem Verlust von Zeit und Verstand (?) ausgelöst durch Kinderwunsch und Geburt. Es könnte als Allegorie auf postpartale Depression verstanden werden.
  • Auch die Hündin und der Jäger stellen Symbole dar, die ich jedoch nicht (für mich) zufriedenstellend entschlüsseln konnte. Die Hündin als Symbol für die Angst, dass dem eigenen Kind etwas Schlimmes zustoßen könnte? Dass vielleicht sie selbst das Schlimme sein könnte, das ihrem Kind zustößt? Der Jäger als Symbol für den Vater, der trotz Anwesenheit nie dieselbe Verbindung zu dem Kind haben kann wie die Mutter, die es monatelang in ihrem Körper mit sich getragen hat?

Viel Interpretationsspielraum in dieser Geschichte um Elternschaft und die damit verbundenen Ängste und Sorgen.

Randnotiz: Der Multichecker hat mir im Browser auf dem Smartphone stets eine falsche Antwort angezeigt. Beim Versuch am Computer hingegen hat alles gestimmt. Erkenntnis: dem Multichecker ist auch nicht immer zu trauen.

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English Roman

Sang Young Park – Love in the Big City

CN: Alkoholmissbrauch, Schwangerschaftsabbruch, Homophobie, Krankheit (Krebs, HIV), Tod eines Elternteils, Gewalt Suizidversuch, sexuelle Handlungen


Each of us is a universe and, as part of the large universe, we live and move and have relations with each other isn’t that fascinating?

Der Autor erzählt aus dem Leben homosexueller Männer in Seoul. Auch wenn Homosexualität in Südkorea mit Einschränkungen legal ist, spielen Diskriminierung und Ausgrenzung eine große Rolle. Eine Szene existiert, in der sich Männer vernetzen und doch haben manche homosexuelle Männer auf der Straße Angst, als solche erkannt zu werden.

These words came up to my mouth, but I couldn’t let them out. I had a feeling that they would kill what we had in an instant, that such words would only drive us further apart.

Im Verlauf des zweiten Teils (von vier) kämpfte ich kontinuierlich mit der Frage, ob das jetzt dieselbe Erzählperson ist wie im ersten Teil. Am Ende des zweiten Teils hatte ich diese Frage immer noch nicht gelöst und verlor die Geduld. Der Verlagstext bestätigt, dass es sich um dieselbe Person handeln soll. In den Acknowledgements am Ende schreibt der Autor jedoch „Young, who narrates the four stories in this book, is simultaneously the same person and different people“. So betrachtet hatte ich mich dann doch wiederum nicht getäuscht und meine Verwirrung war angebracht. Insofern lassen sich die vier Teile als episodische Beschreibungen von queerem Leben in Südkorea begreifen.

Richtig erraten hatte ich dann endlich auch, dass der Begriff hyung etwas wie Bruder meint, wobei dabei im Slang dann eher Bro gemeint sein dürfte.

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Roman

Verena Rossbacher – Mon Chéri und unsere demolierten Seelen

CN: Erwähnung sexueller Handlungen (keine grafischen Beschreibungen), Erwähnung von rassistischen Produktnamen in der Vergangenheit, Depression, Tod eines Elternteils, Krankheit (Krebs), Sterben, Tod, Erwähnung von Krieg und Konzentrationslagern


  • Dieses Buch hab ich mir aufgrund der Empfehlung der lieben Sonja auf die Leseliste gesetzt. Und ich kann mich ihrer kurzen Bewertung („Lesen! Super! Aber bitte nicht vorher die Buchbeschreibung lesen.“) nur vollinhaltlich anschließen.
  • Wir sind vermutlich die Zielgruppe, bei denen dieses Buch besonders gut ankommt: Menschen, die in den 80ern bzw. 90ern aufgewachsen sind und bei der Erwähnung von Inspektor Gadget oder Mixtapes nostalgisch warme Gefühle entwickeln. Das letzte Mal hatte ich sowas bei Minigolf Paradiso von Alexandra Tobor erlebt.

Das waren die Achtzigerjahre. […] Klingt, als wäre das hundert Jahre her, was? Aber ich bin dabei gewesen! Es war kurz nach dem Mittelalter und ich war mittendrin!

  • Neben diesen Nostalgieeffekten zeichnet sich das Buch aber auch noch durch eine unfassbar sympathische Protagonistin aus: Selbstironisch, ständig am Stolpern, mäßig erfolgreich in allen ihren Lebensbemühungen. Gleichzeitig geht sie aber mit einer scheinbaren Leichtigkeit durchs Leben, die sich im Verlauf der Geschichte nur noch steigert. Beispielhaft seien hier ihre Versuche, ein passables Selfie zu erstellen, genannt, die beinahe ins Comichafte abgleiten, aber trotzdem nie herablassend oder verzweifelt wirken.
  • Ein zentrales Motiv ist ihre Freundschaft mit Herrn Schabowski, dessen Postengel-Service sie aufgrund ihrer Angst, die Post zu öffnen, in Anspruch nimmt. Aus dieser Geschäftsbeziehung entwickelt sich im Laufe der Geschichte eine tiefe Freundschaft, die für beide Beteiligten das Leben entscheidend verändert.
  • Natürlich kommen auch zwischenmenschliche Beziehungen abseits von Freundschaft (oder darüber hinaus) nicht zu kurz. Eine der besten Szenen des Buchs (Achtung, Spoiler): Die Protagonistin lädt die drei Männer, mit denen sie vor Kurzem körperlich intim war, zu einem gemeinsamen Abend bei sich ein, um allen dreien gleichzeitig reinen Wein einzuschenken. Dazu kommt es an diesem Abend jedoch nicht, weil die gemeinsame Begeisterung für das Instrument zur Gründung eines Ukulelenorchesters führt.
  • Implizit werden auch traditionelle Lebensmodelle hinterfragt, indem sich die Protagonistin einfach nicht zwingen lässt, irgendetwas auf eine bestimmte Art und Weise zu machen. Sie findet ihren eigenen Weg, auch wenn der manchmal Hindernisse und Rückschläge beinhalten mag.

Ich spürte, dass Stück für Stück diese Vorstellungen, wie etwas zu sein hatte, abfielen, und ich fühlte mich gut damit, ich fühlte mich befreit.

Das Buch wurde 2022 mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet.

Eine wunderbare Geschichte, humorvoll, feinfühlig und alles andere als oberflächlich. Große Empfehlung.

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English Roman

Khaled Hosseini – The Kite Runner

CN: Gewalt gegen Tiere, Erwähnung von Hitler und Holocaust, sexuelle Gewalt, Genozid, Massaker, Taliban, Mord, Steinigung, Krieg, Suizid, Terrorismus, Erwähnung von 9/11


Weil die Motivation zum Schreiben leider immer noch großteils fehlt, geht es weiter im Telegrammstil:

Afghans are an independent people. Afghans cherish custom but abhor rules. And so it was with kite fighting. The rules were simple: No rules. Fly your kite. Cut the opponents. Good luck.

  • Eine wechselhafte Beziehung zwischen Vater und Sohn. Später in der Geschichte stellt sich heraus, dass Erzähler Amir als Kind bereits die Schwingungen gespürt hat, die auf den komplizierten und geheimen Familienverhältnissen beruhen.
  • Ein Einblick in eine Kultur, die mir bisher völlig unbekannt war. Afghanistan war für mich bis zur ersten Machtübernahme der Taliban bestenfalls ein Name auf einer Landkarte. Das Buch erzählt vom Leben einfacher Leute in einem Land, das immer wieder von Kriegen und politischen Umbrüchen erschüttert wird.
  • Als wohlhabende Familie haben Amir und sein Vater die Möglichkeit, das Land zu verlassen und in die USA auszuwandern. Als Amir Jahre später (unfreiwillig) zurückkehrt, wird ihm vorgeworfen, er wäre schon immer ein Tourist gewesen, er hätte immer nur eine polierte Fassade seines eigenen Landes wahrgenommen. (That’s the Afghanistan I know. You? You’ve always been a tourist here, you just didn’t know it.)

A sadness came over me. Returning to Kabul was like running into an old, forgotten friend and seeing that life hadn’t been good to him, that he’d become homeless and destitute.

  • Amir hat als erwachsener Mensch mit den Fehlern seiner Jugend zu kämpfen. Viele Jahre später versucht er, die Ungerechtigkeiten wieder gut zu machen. Der Autor macht seinem Protagonisten die Sache nicht leicht, Amir erleidet sogar die körperlichen Verletzungen und Schmerzen, denen er in jugendlicher Feigheit ausgewichen ist.

A man who has no conscience, no goodness, does not suffer.

Eine umfangreiche, tiefgründige Geschichte, die Familie, die eigene Kultur, Treue, Verrat und Vergebung zu einem großen Gesamtbild verwebt. 

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Roman

Josef Haslinger – Jachymov

CN: politische Gewalt, Folter, Tod durch Krankheit, Krieg


Weil ich es anders gerade nicht schaffe, kommt nach langer Zeit wieder mal ein Post im Telegrammstil:

  • Der Autor verarbeitet ein Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts in Romanform. Ich will ihm nicht unterstellen, dass er sich damit der exakten Recherche entziehen wollte, es sind jede Menge Details im Buch enthalten, die vermutlich (?) stimmen, die sich überprüfen lassen sollten.
  • Erzählt wird die Familiengeschichte einer Person, die nur die Tänzerin genannt wird bzw. eigentlich die Geschichte ihres Vaters, der als Eishockey-Spieler in der tschechoslowakischen Nationalmannschaft große Popularität erlangte und dann Opfer der politischen Wirren dieser Zeit wurde.
  • Während seiner Zwangsarbeit in den Uranminen im Lager Jáchymov erleidet er Verstrahlungen, die schließlich zu seinem frühen Tod führen. Die Tänzerin verarbeitet diese Geschichte ihres Vaters auf Betreiben des Verlegers Anselm Findeisen. Sein Charakter bleibt blass, für mich ergab die Rahmenhandlung keinen weiteren Sinn.
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English Roman

Torrey Peters – Detransition, Baby

CN: sexuelle Handlungen (inkl. Kink und Sexarbeit), Beziehungsgewalt, Drogenmissbrauch, Suizid, Transfeindlichkeit, Fehlgeburt, Mord, Heteronormativität, Dysphoria

(Einen Teil dieser Themen werde ich auch weiter unten in diesem Post ansprechen, weil es die Geschichte maßgeblich beeinflusst. Wenn dir das gerade schwer fällt, solltest du diesen Post vielleicht auslassen oder später lesen.)


Was für ein Buch. Zuerst möchte ich sagen, dass ich als weiße cis-Frau mir nicht anmaße, diese Geschichte in irgendeiner Form zu bewerten. Dieses Buch ist auf eine Art queer, dass ich einerseits das Gefühl habe, neue Aspekte kennen gelernt zu haben, und mich andererseits frage, in welchem Ausmaß diese Aspekte in der Realität überhaupt auf die queere Trans-Community zutreffen. Eine (Teil-)Antwort auf diese Frage folgt weiter unten.

Die Hauptprotagonist:innen dieser Geschichte:

  • Reese. Trans-Frau mit komplexen sexuellen Beziehungen, die immer auch von dem Wunsch geprägt sind, als Frau Bestätigung zu finden. Reese neigt zu Impulsivität und Drama, sie springt spontan aus einer Beziehung in die Nächste. Ob sie Mutter sein will, weil sie tatsächlich ein tiefes Verlangen nach Mutterschaft hat oder weil es für sie die ultimative Bestätigung ihrer Weiblichkeit bedeutet, bleibt bis zum Schluss unklar.
  • Ames/Amy. Trans-Frau, die nach einigen Jahren Leben als Trans-Frau Amy sich entschlossen hat, zu detransitionieren (mir fällt kein passendes deutsches Wort dafür ein?) und nun wieder als Mann lebt. In Ames brodelt die Frage nach seiner:ihrer eigentlichen Identität. Er weiß, dass er trans ist, hat sich aber gegen das Leben als Trans-Frau entschieden, weil es ihm zu schwer erschien. Gleichzeitig hat er massive Schwierigkeiten, eine männliche Identität für sich zu finden bzw. zu definieren. Dieser Zustand macht es ihm auch unmöglich, sich als Vater eines Kindes zu sehen.
  • Katrina. Cis-Frau, die vom detransitionierten Ames schwanger wird. Obwohl Katrina sich zuerst komplett betrogen fühlt, als sie erst von Ames’ Transsexualität erfährt, als sie schwanger wird, zeigt sich in Katrina deutlich eine Offenheit gegenüber queerem Leben. Sie hat tief sitzende Vorbehalte wie zum Beispiel traditionelle Familienbilder, will aber offen sein für alternative Modelle. Ihre eigene Mixed-Race-Herkunft spielt dabei eine große Rolle. Mit Diskriminierung und Marginalisierung hat sie Erfahrung. Mit der Trans-Community aber nicht.

Auf der Basis dieser drei Charaktere und ihrer Freund:innenkreise gibt das Buch tiefe Einblicke in das queere Leben, speziell das Leben von Trans-Frauen in New York. Einerseits vermisst Reese ältere Trans-Frauen als Vorbilder, andererseits durchzieht ihre Gespräche mit anderen Trans-Frauen ein beißender Spott über die so genannten baby transes (Menschen, die in ihrem Trans-Leben noch am Anfang stehen). Reese sehnt sich nach Bestätigung ihrer Weiblichkeit. Das geht soweit, dass Beziehungsgewalt für sie zur Bestätigung ihrer Weiblichkeit wird.

So yeah, Stanley, bring it on. Hit Reese. Show her what it means to be a lady.

Ames/Amy kämpft mit dem Widerspruch, zu wissen, dass er trans ist, aber trotzdem detransitioniert zu haben. Dieser Widerspruch drängt sich durch Katrinas Schwangerschaft in den Vordergrund. Plötzlich ist Ames gezwungen, seine Männlichkeit zu hinterfragen und sich selbst darüber klar zu werden, ob er für dieses Kind ein Vater sein kann.

And finally, there, an answer: He does not want his child to know him as he is. […] He cannot promise that he is sure of who he is, and so he cannot promise that Katrina or their baby will have an unchanging constant as either a partner or a father.

Das obige Zitat finde ich deshalb so wichtig, weil es eine Annahme hervorhebt, die an Menschen in traditionellen heteronormativen Beziehungen üblicherweise gestellt wird: Dass die beteiligten Menschen sich nicht verändern. Eine Annahme, die niemals zutreffen kann, weil sich jeder Mensch durch die Erfahrungen seines Lebens verändert. Bei manchen sind das tiefe Einschnitte ins Leben, bei anderen ist es einfach nur der Alltag. Eine Unveränderlichkeit von Menschen (oder Eltern) ist von vornherein eine Illusion. Genau diese Illusion machen sich aber sowohl Katrina als auch Ames.

Katrina setzt sich zuerst hauptsächlich mit der unerwarteten Schwangerschaft auseinander. Die Tatsache, dass sie gerade eine Scheidung hinter sich hat, der eine Fehlgeburt voraus ging, bringt sie in eine Lage, in der sie einerseits unsicher ist, ob sie das Risiko einer Schwangerschaft überhaupt eingehen will. Dazu kommt die Unsicherheit, nicht wissen zu können, ob Ames ihr ein zuverlässiger Partner in der Betreuung und Erziehung des Kindes sein kann. Dass Ames seine Ex-Partnerin Reese als zweite Mutter ins Spiel bringt und ein queeres Familienmodell vorschlägt, scheint zuerst absurd, dann eine Option, die Verantwortung der Elternschaft auf mehrere Menschen aufzuteilen. Und dann wiederum muss Katrina entscheiden, ob sie sich zutraut, ihrem Kind die Unsicherheiten, die mit einem solchen Familienmodell verbunden sind, zumuten will. (Ja, ich sage bewusst „zumuten“, weil Katrina es so sieht.)

Beschrieben wird unter anderem ein Familienmodell, indem ein schwules Paar und ein lesbisches Paar gemeinsam in einem großen Haus leben. Durch künstliche Befruchtung entstehen zwei Kinder, die jeweils eine der Frauen und einen der Männer als biologische Eltern haben. Im Alltag wachsen die Kinder jedoch als Kinder von vier Elternteilen auf, haben immer eine erwachsene Person als Ansprechpartner:in und damit mehr Elternteile als in traditionellen Familien. Mir hat dieses Beispiel gut gefallen, weil es illustriert, dass queere Familien in Wirklichkeit reicher sein können als die nukleare heteronormative Familie, die von konservativen Politiker:innen immer wieder gefordert und gefördert wird.

Eine (Teil-)Antwort auf meine oben gestellte Frage habe ich im Interview mit der Autorin gefunden, das am Ende des Buchs zu finden ist. Sie wird angesprochen auf die problematischen Gedanken und Gefühle ihrer Protagonist:innen, auf die Tatsache, dass ihre Charaktere als fehlerhaft dargestellt werden. Ob sie nicht Angst hatte, dass sich ihre Leser:innen dadurch beleidigt fühlen könnten. Ihre Antwort drückt aus, was ich in meiner Frage nach der Authentizität der Repräsentation nicht formulieren konnte: Diese Charaktere sind keine Klischees. Sie sind ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Schichten und Lebenserfahrungen. Viele Lesende werden sich in Teilen in den Charakteren wiederfinden. Eine vollständige Identifikation ist gar nicht vorgesehen.

[…] People haven’t gotten mad at me because they don’t feel my characters represent them – they may identify with parts of the character, but they don’t identify fully with them.


Letztes Wochenende war ich mit einer Hacktours-Gruppe zu Besuch im Retro Gaming Museum. Ich hab den Gruppenausflug organisiert, es sind mehr Menschen gekommen als erwartet. Zum Glück haben wir es vor Ort geschafft, die Gruppe auf zwei Touren aufzuteilen, dank der Flexibilität unserer Guide-Person.

Eingang zum Retro Gaming Museum, das Schild über der Tür ist in drei verschiedenen Retro Fonts gestaltet und von einem Scheinwerfer beleuchtet, unter dem Schild steht über der Tür der Schriftzug „Enter here“

Die Führung durch das Museum war für mich sehr interessant, ich habe einige Anekdoten erfahren, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich bin auch bei Weitem nicht mit allen Spielekulturen vertraut, beispielsweise habe ich mich mit Ego Shootern nie anfreunden können. Es wurden auch Aspekte angesprochen wie die Designkultur, die sich aus der Gaming-Szene entwickelt hat.

Nach der Führung habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Guitar Hero gespielt (und mich dabei erdenklich ungeschickt angestellt). Auch VR lässt sich ausprobieren, diese Ecke war jedoch durchgehend von Kindern belegt, da muss die Besucher:in etwas Geduld aufbringen. (Für mich ohnehin nicht das Richtige, ich habe schon früher festgestellt, dass mich VR seekrank macht.)

An vielen der Exponate kann tatsächlich gespielt werden, wer sich also richtig reinfallen lassen will, kann problemlos Stunden im Retro Gaming Museum zubringen. Dann rentiert sich vermutlich auch der in meinen Augen etwas hohe Eintrittspreis (9,50€ für Erwachsene, wir hatten einen Gruppentarif von 7,50€ pro Person, die Führung haben wir extra bezahlt).

ein Display, das verschiedene Game Boy Spielekassetten zeigt, daneben die Adapterkassette, die es erlaubt Game Boy Spiele auf dem Super NES zu spielen sowie ein Lösungsheft für diverse Game Boy Spiele aus der Pre-Internet-Ära

 

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Roman

Sigrid Nunez – The Friend

CN: Gewalt, Trauma, Krieg, Suizid, Trauer


Some would say that, after all, the one sure way for an artist to know his work had failed was if everyone “got” it.

Vor Weihnachten war ich schon fast mit diesem Buch zu Ende, dann ist es so lange liegen geblieben, dass ich es tatsächlich ein zweites Mal gelesen habe. Und auch seitdem ist wieder unendlich Zeit vergangen …

Die Ich-Erzählerin reflektiert über den Suizid eines Freundes, der ihr noch dazu seinen riesigen Hund „hinterlassen“ hat. Es handelt sich um eine Deutsche Dogge, die auch auf dem Cover abgebildet ist, allerdings deutlich kleiner, als diese Hunde in der Realität sind. Während sie sich immer tiefer in ihrer Trauer verstrickt, schreibt sie gleichzeitig über die Beziehungen, die Menschen mit ihren vierbeinigen Weggefährten führen. Dabei kommen auch die Beobachtungen der täglichen Verrichtungen nicht zu kurz. Die Aufmerksamkeit, die sie in der Öffentlichkeit auf sich zieht, wenn sie den großen Hund spazieren führt, ist ihr besonders zuwider.

Das Buch ist eine Version der „Trauerarbeit“, die Beschreibung eines Wegs, wie das Leben nach einem großen Verlust weitergehen kann. Ähnliches findet sich zB bei Joan Didion – The Year of Magical Thinking oder Nora McInerney – No Happy Endings (beides Memoir, also keine Romane!). Der Ansatz von Sigrid Nunez, die Trauer des Tiers mit der Trauer des Menschen zu verbinden und unterschiedliche kulturelle Repräsentationen von Trauer in ihren Roman einzuflechten, ist hier das Besondere.

You can’t hurry love, as the song goes. You can’t hurry grief, either.


Überblick über die Ausstellung, links und rechts sind drei Tische aneinander gereiht, darauf liegen verschiedene Bücher

In der Hauptbücherei in Wien sind noch bis 27. Februar Die schönsten Bücher des Jahres 2022 aus verschiedenen Ländern ausgestellt (Eintritt frei). Folgende Bücher sind mir besonders aufgefallen:

ein Buch liegt aufgeschlagen auf einem Tisch, auf der linken Seite des Buches sind drei Fotos verteilt, dabei sticht das Bild der Müllverbrennungsanlage in Spittelau hervor (Info zum Buch im Blog Text)

Barbara Gielesberger: Aussteigen bitte! Wien entdecken mit der U6. Anhand von Analogfotos entlang der U-Bahn-Linie U6 lädt die Autorin zum Aussteigen und Entdecken ein.

ein Buch liegt aufgeschlagen auf einem Tisch, links ein ganzseitiges Foto eines dreieckigen Muschelstücks, rechts ein ganzseitiges Foto eines Schneckenhauses, die Öffnung zeigt nach oben (Info zum Buch im Blog Text)

Nina Canell, Giulia Rispoli, Sally O’Reilly: Shell Reader. Dieses dicke Werk besteht zum Großteil aus ganzseitigen Fotos von Muscheln und Schnecken. Am Ende finden sich einige Texte, die vermutlich das Projekt erklären, vor Ort hatte ich leider keine Zeit für eine genauere Inspektion. Das Buch ist mir zuerst wegen des minimalistischen Covers und dem interpretierfähigen Titel ins Auge gefallen. Dann hätte ich am liebsten stundenlang in den Fotos geblättert. Das Buch wurde auch von der deutschen Stiftung Buchkunst zum schönsten Buch des Jahres gewählt.

ein Buch liegt aufgeschlagen auf einem Tisch, auf der rechten Seite ist eine ganzseitige Illustration zu sehen, sie zeigt einen Vogel, der dabei ist seine Küken zu füttern, aus dem Schnabel des Elternvogels ragt aber statt Futter eine menschliche Figur heraus, die eine Trompete spielt (Info zum Buch im Blog Text)

Lucia Bondar and Pictoric Club (Hg.): Illustration in Ukraine. Das farbenfrohe Cover dieses Buchs sticht ins Auge. Auf einem dunkelrosa Hintergrund wird ein sehr kleiner Mensch von einem sehr großen gelb-grünen Tiger bedroht. Das Buch bietet einen Überblick über Illustrationskünstler:innen aus bzw. in der Ukraine. Definitiv ein Buch, in dem ich mich verlieren könnte.

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Roman

Tuomas Kyrö – Der Grantige

CN: Alter, Krankheit


Ein weiterer Beitrag aus der Reihe Literatur-Geocache, den ich recht amüsant fand. Ich habe die Granteleien eines alten weißen Mannes in Finnland an einem Abend durchgelesen. Obwohl viel des Grants auf das reine Altern zurückzuführen ist, scheinen zwischen den Zeilen weiche Züge durch.

Der Grantige empört sich über das verschwenderische Leben der heutigen Jugend und deren Bequemlichkeit, die ihm zeit seines Lebens nicht vergönnt war und die er sich heute selbst nicht vergönnt. Und er grantelt über den Verlust seiner Selbstbestimmung, weil ihm aufgrund mangelnder Reaktionsfähigkeit der Führerschein abgenommen wird und der Sohn ihn mittels eines Mobiltelefons „überwachen“ will. Wir sehen aber auch einen alten einsamen Mann, der im Pflegeheim die Hände seiner (mutmaßlich dementen) Frau hält.

Vom Leben bleibt einem nichts und man kann nicht daraus mitnehmen. Wenn man das begreift, steigt der Wert auch dieser gewöhnlichen Minute gewaltig, sage ich euch. Aber ein Mann kann nicht mehr tun, als er tun kann.

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English Roman Science Fiction

Ernest Cline – Ready Player One

CN: Tod, Mord


Ewig lange hatte ich dieses Buch schon auf meiner Liste, dann verschwand es irgendwann aus dem Angebot meiner lokalen Bücherei in der Overdrive eLibrary. Im Rahmen der Listenpflege stellte ich dann fest, dass es auf englisch in der Hauptbücherei als Paperback verfügbar war und nahm es für meine Weihnachtsurlaubslektüre mit.

Der Anfang zieht sich etwas, ich hatte es dem Fotografen ungefähr so beschrieben: was im Film ungefähr drei Minuten dauern würde – nämlich die Erklärung der Welt, in der diese Geschichte spielt – dauert hier über 100 Seiten. Und auch im Verlauf der Geschichte gibt es immer wieder erläuternde Passagen, die erklären, warum etwas so geworden ist, wie es ist oder die sich rein auf die (erfundene) Technik beziehen.

Als die Suche nach dem Gral Osterei schließlich in die entscheidende Phase geht, wird es jedoch zunehmend spannend. Kapitalismuskritik ist ein großes Thema und gerade in der entscheidenden (virtuellen) Schlacht um (das virtuelle) Castle Anorak wird klar, dass hier die Crowd gegen die Corporation kämpft.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die vielen kulturellen Referenzen auf Computerspiele, Musik und Filme des vergangenen Jahrhunderts. Da dürfte für jede:n Retro Nerd etwas dabei sein. Für mich zum Beispiel:

Art3mis played a note-perfect Columbia, and I had the honor of playing her undead love interest, Eddie. I altered my avatar’s appearance so that I looked exactly like Meat Loaf did in the role, but my performance and lip-syncing still kinda sucked. Luckily, the audience cut me a lot of slack, because I was the famous gunter Parzival, and I was clearly having a blast.


Jahresrückblick 2023.

  • 29 Geocaching Blog Posts. 528 Geocaches gefunden. Besonders in Erinnerung geblieben (in umgekehrt chronologischer Reihenfolge):
  • 54 Bücher gelesen. Habe kurz versucht, Favoriten auszuwählen, aber es waren dieses Jahr einfach sehr viele ausgezeichnete Bücher dabei. Für mich überraschend: ich habe dieses Jahr deutlich mehr Bücher von Frauen gelesen als von Männern. (Als dritte Kategorie habe ich „divers / unbekannt / mehrere Autor:innen“ zusammengefasst, das waren vier Bücher.)
  • Größter Erfolg: Zusammenschluss mit Kolleg:innen zum Zwecke der Verbesserung der Honorarverhandlungsbasis.
  • Zweitgrößter Erfolg: ein neues Projekt gestartet. Hacktours by C3W und Metalab. Der erste Termin wird im Jänner stattfinden. Mit ÖGS-Dolmetschung. Danach schauen wir weiter. Das Interesse war überraschend groß.
  • Reisen: Spanien, Schweiz, Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Griechenland.
  • Bestes Konzert: The 1975 in der Wiener Stadthalle. Leider konnte ich aus Gründen nicht zu Fall Out Boy in Berlin.
  • Größte Veränderung: Neuestes Mitglied in unserem großen Familien- und Freundeskreis: Lupo.

Blick durch den offenen Kofferraum in das Auto, auf der Lehne des Rücksitzes schaut ein schwarz-brauner-Hund interessiert zur Seite

  • Fazit: Für mich persönlich ist das vergangene Jahr eigentlich ziemlich gut verlaufen, für die Welt mache ich mir jedoch große Sorgen. Wir haben nicht weniger Krieg sondern mehr, nicht weniger leidende Menschen, sondern mehr. Hinsichtlich der Klimakrise wurde nichts Wesentliches unternommen, die Entscheidungsträger:innen tun noch immer so, als wäre alles nicht so schlimm.
  • Ausblick: Was wünsche ich mir für 2024? Dass die Welt zur Ruhe kommt. Dass Entscheidungsträger:innen einsehen, dass wir JETZT etwas tun müssen, um die Erderwärmung zu verlangsamen. Dass meine geliebten Menschen mit den Herausforderungen, die ihnen das Leben 2024 hinwirft, gut klarkommen und daran wachsen können. Für mich selbst: weiter auf dem Pfad der Entschleunigung. Mit dem Klimaticket durch Österreich. Kleine Erfolge am Wegesrand des Lebenspfads.
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Krimi Roman

Beate Maly – Tod an der Wien

CN: Mord, Krieg, Suizid, Alkoholmissbrauch


Geocacher:in Rosenquarz hat aus der Krimireihe von Beate Maly um die pensionierte Lateinlehrerin Ernestine Kirsch und den Apotheker Anton Böck eine Reihe an Literatur-Geocaches (dieses Buch = dieser Cache) gemacht. (Da die Caches alle den Titel der Bücher tragen, ist das auch kein Spoiler.)

Dies ist der zweite Band der Reihe und ich fand ihn unterhaltsam aus verschiedenen Gründen. Ein großer Teil der Geschichte spielt in bzw. rund um das Theater an der Wien, ein traditionsreiches Theaterhaus, mit dem ich selbst viele Erinnerungen verbinde. 1992 hatte dort das Musical Elisabeth Premiere, der erste österreichische Musical-Welterfolg, der in viele andere Länder exportiert wurde. Während der 1990er-Jahre stand ich selbst mehrmals am Bühneneingang in der Lehárgasse, um die Darsteller:innen zu beglückwünschen und um Autogramme zu bitten.

Neben dem persönlichen Bezug gefiel mir auch die Herleitung des Mordes und der Beteiligung von Ernestine Kirsch daran sehr gut. Wie ich bestimmt schon des Öfteren erwähnt habe, finde ich es oft etwas unbeholfen, wie Autor:innen erklären, warum gewöhnliche Menschen immer wieder in Kriminalfälle verwickelt werden. Das ergibt sich bei diesem Fall nahezu natürlich. Und mit dem Auftritt von Kriminalkommissar Erich Felsberg, dessen Lehrerin Ernestine Kirsch früher war, legt Beate Maly auch einen Grundstein dafür, wie sich Ernestine in Zukunft in weitere Kriminalfälle involvieren wird.

Gut gemacht fand ich auch das Abenteuer im Nachtlokal Tabarin, dass es laut Wikipedia tatsächlich in der Annagasse gab, nähere Angaben fehlen leider. Etwas mehr Details hat das Austria Forum zum Gebäude St. Annahof, in dem das Tabarin beheimatet war.

Für Menschen, die mit historischen „cozy crime“-Romanen und Wiener Lokalkolorit etwas anfangen können, hat Beate Maly hier eine Reihe mit mehreren Bänden vorgelegt. Ich werde mir sicher bei passender Gelegenheit den nächsten Band vornehmen.