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English Fantasy Roman

Terry Pratchett – Small Gods

CN: Inquisition, Folter, Gewalt, Krieg


Belief, he says. Belief shifts. People start out believing in the god and end up believing in the structure.

Vielleicht der beste Scheibenwelt-Roman, den ich je gelesen habe. Wie sich Sir Terry gleichzeitig über Philosophie, Religion, Wissenschaft und Politik lustig macht und in jedem dieser Bereiche genau die Schwächen herauspickt, ist einfach großartig. Ein einst großer Gott, den es aus einem unbekannten Grund in den Körper einer Schildkröte verschlagen hat. Ein streng gläubiger junger Mönch, der als Einziger noch tatsächlich an den Gott glaubt, der nun als Schildkröte zu ihm spricht. Wie sich dieser junge Mönch durch seine Erfahrungen von der Kirche (der im obigen Zitat benannten Struktur) emanzipiert und seine eigenen Moralvorstellungen verfolgt.

Angesichts der aktuellen politischen Ereignisse ist es vielleicht nicht ganz der Eskapismus gewesen, den ich mir üblicherweise von Fantasy (und spezifisch von der Scheibenwelt) verspreche. Nichtsdestotrotz eine große Empfehlung von mir, ich musste immer wieder laut lachen. Ein Meisterwerk.

‘He’s muffed it,’ said Simony. ‘He could have done anything with them. And he just told them a lot of facts. You can’t inspire people with facts. They need a cause. They need a symbol.’

#12in2025: 3/12

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English Novelle Roman

John Steinbeck – The Pearl

CN: Armut, Gewalt, Tod eines Kindes


For every man in the world functions to the best of his ability, and no one does less than his best, no matter what he may think about it.

Kino und Juana sind ein ärmliches Paar mit einem Baby. Sie leben in einem Dorf von Perlenfischern (vermutlich in Mexico, wie ich später aus Hinweisen zusammenkombiniert habe). Sie sind arm, aber sie lieben einander. Als das Baby von einem Skorpion gestochen wird, beten beide um ein Wunder. Kino findet eine gigantische Perle. Was zuerst beiden als Glück ihres Lebens erscheint, erweist sich als das genaue Gegenteil. Gier und Neid schlägt ihnen entgegen und auch Kino selbst verändert sich unter dem gefährlichen Gesang der Perle, der den Rhythmus seines Familienlebens überdeckt. Eine zeitlose Parabel.

#12in2025: 2/12

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English Fantasy Roman

N. K. Jemisin – The Obelisk Gate

CN: Rassismus, Gewalt, Tod, Mord, Folter


Die Fortsetzung von The Fifth Season, auf die ich mich so gefreut hatte. Leider wurde diese Freude nicht vollständig erfüllt, der zweite Band fällt nach meiner Meinung deutlich schwächer aus. Unsere Protagonistin Essun findet auf ihrer Reise neue Gesellschaft, verliert aber die Spur ihrer Tochter und landet in einer kommunistisch angehauchten Untergrund-Community namens Castrima, die sich dem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Menschen verschrieben hat. Hier sollen Stills (gewöhnliche Menschen ohne besondere Kräfte), Orogene und Stoneeaters zusammenleben können, ohne sich ständig gegenseitig zu bekämpfen.

Manches wird erklärt, das im ersten Teil offen geblieben ist, aber insgesamt werden noch mehr Fragen aufgeworfen. Das rassistische System, das die Guardians zur Ausbeutung der Orogenen etabliert haben, wird durch die mutmaßliche Beteiligung der Stoneeaters an dem Konflikt nur noch komplizierter. Die Geschichte ist gut, aber nicht so gut wie im ersten Teil. Einen Hugo Award hätte ich dem zweiten Band jedenfalls nicht verliehen. Der Radfahrer liest noch am dritten Band (und findet den deutlich besser als den zweiten, daher habe ich Hoffnung).

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Roman

Leon de Winter – Leo Kaplan

CN: sexuelle Handlungen (inkl. graphischer Beschreibungen und Andeutungen von Kink), Erwähnung von Fäkalien, Alkohol, Gewalt


Letztens hatte ich mir vorgenommen, jeden Monat zumindest ein Buch aus dem Regal der ungelesenen Bücher zu nehmen. Und dieser Vorsatz wurde gleich in die Tat umgesetzt. Dieses Buch stand weit rechts im Regal, was dafür spricht, dass es dort schon lange steht. Trotzdem weiß ich noch, von wem ich es bekommen habe. Als ich das letzte Mal etwas von Leon de Winter gelesen habe, schrieben wir das Jahr 2011.

Glücklich – damit meinte sie: ohne Sehnsüchte, die einen ruhelos vorwärtstreiben, ohne Gelüste nach dem nicht Vorhandenen, weil sich alles, was das Verlangen befriedigen kann, in Reichweite befindet.

An einer anderen Stelle kommt diese Definition des Glücks noch einmal vor. Dort wird argumentiert, dass es „vermutlich“ möglich sei, zwei Menschen gleichzeitig von ganzem Herzen zu lieben, dass diese Liebe aber minderwertig sein müsse, weil ein Mensch sich ja immer „nach dem anderen geliebten Menschen sehnt“. Rückschluss: Wenn du zwei Menschen liebst, bist du immer eine „unganze Hälfte“. Auf diesem Liebesverständnis baut sich im Prinzip die Geschichte auf.

Der Titel„held“ Leo Kaplan ist ein alternder Schriftsteller mit Schreibblockade, der sich von Affäre zu Affäre hangelt und in Wirklichkeit einer Frau nachtrauert, die er vor mehr als 20 Jahren verlassen hat. Eine traurige Gestalt. Warum sein Leben wie ein Klischee aus dem Bilderbuch wirkt, wird der gescheiterten Liebe zu Ellen zugeschrieben. Als wäre die Lüge, die Ellen ihm damals im Affekt unterbreitet hat, und die daraus resultierende Verletzung tatsächlich ein Grund oder eine Rechtfertigung für sein mieses Verhalten.

Das niederländische Original erschien 1986. Mich beschleicht dasselbe Gefühl, das ich erst kürzlich bei Dan Simmons hatte: Dieser Protagonist und seine Geschichte sind nicht gut gealtert. Dieses Buch hat also zu lange bei mir im Regal gestanden. Vor zehn Jahren hätte mich das vielleicht noch nicht so sehr gestört.

#12in2025: 1/12

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English Roman

Madeline Miller – The Song of Achilles

CN: sexuelle Gewalt, Krieg, Mord, Abwertung von Weiblichkeit, Menschenopfer

You were given a choice and you chose. You must live by it now.

2018 gab es einen großen Hype um Madeline Miller und ihren damals erschienenen Roman Circe (meine Besprechung aus dem September 2020), der griechische Mythologie aus der Sicht der Hexe Circe erzählt, die Männer in Schweine verwandelt haben soll. Dies war jedoch bereits der zweite Roman der Autorin, ihr erster Roman The Song of Achilles ist bereits 2011 erschienen.

Meine Kenntnis der griechischen Mythologie ist sehr überschaubar. Während des Lesens fühlte ich mich immer wieder an den Film Troy (dt.: Troja) aus dem Jahr 2004 erinnert, in dem die Rolle des Achilles von Brad Pitt verkörpert wird. In diesem Film ist Achilles ein erfolgreicher Krieger, gelangweilt vom Töten und kaum interessiert an der Eroberung Trojas. Bis sein Freund Patroclus in Achilles’ Rüstung in die Schlacht zieht und dabei zu Tode kommt …

As I ran, I promised myself that if I ever saw him again, I would keep my thoughts behind my eyes. I had learned, now, what it would cost me if I did not.

Ob wesentliche Elemente der Geschichte originalgetrau erzählt werden, kann ich mangels Kenntnis der alten Geschichten nicht beurteilen. Der Autorin ist es jedenfalls gelungen, eine bekannte Geschichte mit einem vollständig neuen Hintergrund zu erzählen. Achilles und Patroclus sind hier ein Liebespaar, bedroht von der ständigen Missgunst von Achilles’ Mutter Thetis, den Prophezeiungen, die ihm entweder Ruhm und einen frühen Tod oder ein langweiliges Leben in Vergessenheit versprechen, und den Erwartungen der Gesellschaft (die eine Liebesbeziehung zwischen zwei Burschen noch tolerieren würde, jedoch erwartet, dass die Jungen irgendwann erwachsen werden, eine Frau heiraten und Nachwuchs produzieren).

As for the goddess’ answer, I did not care. I would have no need of her. I did not plan to live after he was gone.

Berührende Momente – wie zum Beispiel der alte König Trojas, der sich ins Lager der Griechen schleicht, um Achilles um den Leichnam seines getöteten Sohnes Hector zu bitten – werden in diesem Buch ähnlich erzählt wie ich sie aus dem oben genannten Film schon kannte. Viele andere Aspekte waren mir natürlich völlig neu. Gerade die Entwicklung der Beziehung zwischen Achilles und Patroclus bietet Raum für eine Erzählung, die Bereiche erforscht, die von den Mythen nicht abgedeckt werden. So entwickelt sich eine differenzierte Beziehung zwischen dem Halbgott und seinem Gefährten. Das (eigentlich traurige) Ende bietet eine Versöhnung an: das lange ersehnte Verständnis der Mutter für die Liebe ihres Kindes zu einem von ihr verhassten Sterblichen.

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Roman

Heimito von Doderer – Die  Strudlhofstiege

CN: Krieg, Alkoholismus, Suizid, sexuelle Handlungen (aber nur sehr zahm angedeutet), Tod durch Unfall, Prostitution, rassistische Bezeichnungen der damaligen Zeit (Z-, N-)


An die Strudlhofstiege zum Beispiel. Das ist eine ganz geheimnisvolle Stelle. Wie sich diese Stiegen hinabsenken, wie aus einer neuen Stadt und ihren Reizen in eine alte und ihren Reiz! Eine Brücke zwischen zwei Reichen.

Noch nicht mal ein Jahr ist es sehr, seit ich mich durch Die Wasserfälle von Slunj gequält gekämpft habe und schon bin ich wieder bei Heimito von Doderer gelandet. Der Grund ist natürlich wieder ein Geocache (da das Buch genannt wird, ist das kein Spoiler) … Diesmal hätte ich das Buch wirklich weglegen können, die gesuchten Antworten finden sich alle ziemlich zu Beginn. Nur dann hat mich irgendwie doch die langsam fortschreitende Geschichte interessiert. Es dauert lange, aber letztendlich passiert dem Leutnant/Major Melzer dann doch etwas und irgendwann sogar etwas Gutes …

Nun hatte aber unser Major aus seiner Jugend keinerlei Übung mitbekommen im regelmäßig wiederkehrenden Bezwingen alkoholischer Quantitäten.

Mit dem ausladenden Schreibstil des Autors und den wiederkehrenden Zeitsprüngen muss sich die Leser:in halt anfreunden, das Gleiche gilt für die latente Frauenfeindlichkeit (vielen Damen wird Intelligenz gleich völlig abgesprochen, die wenigen Damen, die als intelligent bezeichnet werden, werden als Ausnahme hervorgehoben). Erfreut habe ich mich hingegen an den Beschreibungen der titelgebenden Strudlhofstiege, dem ausführlich beschriebenen Nachtzugsystem (zB der „Schlafwagenzug zwischen Belgrad und Budapest“) und den Wiener Beschimpfungen der beschriebenen Epoche (zwischen den Weltkriegen):

[…] dieser aufgeweichten Semmel, dieser Nocken, diesem gewässerten Schusterlaberl […]

Herzlich gelacht habe ich dann über den Teil, wo erläutert wurde, dass dem allseits geschätzten Rittmeister etwas passiert ist, „[…] was einem in Wien unter gar keinen wie immer gearteten Umständen passieren darf, […]: Eulenfeld hatte sich mit der Hausmeisterin zerstritten.“ Für eine Empfehlung reicht das Positive nicht, dafür ist das Buch einfach zu ewig lang im Verhältnis zu dem, was passiert. Aber immerhin ist jetzt ein weiterer Mystery-Cache gelöst.

Randnotiz: Für dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, die ungelesenen Bücher auf meinem Regal zu reduzieren (und die Liste der gelösten Mystery-Geocaches, aber das ist ein anderes Thema …). Viele stehen da schon seit EWIG und wenn ich sie nicht mehr lesen will, kann ich sie genauso gut los werden. Der Plan: Ich nehme mir pro Monat eines vor. Sollte ich es nicht schaffen (wollen), darf ich es abbrechen und im Bücherschrank entsorgen. Wir bleiben gespannt, wie sich das weiter entwickelt.

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English Fantasy Roman

N. K. Jemisin – The Fifth Season

CN: Rassismus, Gewalt, Tod, Mord, Folter


“You think you matter?” All at once he smiles. It’s an ugly thing, cold as the vapor that curls off ice. “You think any of us matter beyond what we can do for them? Whether we obey or not.”

Für den Jahresanfangsurlaub hatte ich mir vom Radfahrer ein Buch erbeten. Ich hatte an ein anderes gedacht, er hat mir dann dieses vorgeschlagen und ich kann es nicht erwarten, den zweiten und dritten Teil zu lesen. Jeder Teil dieser Trilogie wurde separat mit einem Hugo Award ausgezeichnet und das (vermutlich) völlig zu recht. Der erste Teil hat mich jedenfalls sehr in diese Welt hinein gerissen. Der Cliffhanger am Ende ist äußerst unerfreulich. Zum Glück habe ich den zweiten Teil bereits hier und der Radfahrer liest gerade den dritten Teil, sodass ich bald erfahren werde, wie die Geschichte weiter geht.

Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten, mich in die Gegebenheiten dieser Welt einzulesen, die gesellschaftlichen Strukturen zu verstehen. Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt und entfaltet sich auch auf unterschiedlichen Zeitebenen. Zentral ist die Existenz von Menschen, die besondere Kräfte haben, so genannte Orogene. Bereits als Kind haben sie diese Kräfte, können sie jedoch nicht kontrollieren und dadurch ungewollt großen Schaden anrichten, weshalb sie oft verbannt oder ermordet werden, wenn ihre Kräfte in Erscheinung treten. Einen Ort gibt es jedoch, wo diese Menschen ausgebildet werden, um ihre Kräfte zum Wohle der Gesellschaft einzusetzen. Dort werden sie gleichsam von Guardians bewacht. Dass sich dahinter ein System an struktureller Ausbeutung verbirgt, wird im ersten Buch immer wieder angedeutet bzw. hinterfragt (siehe obiges Zitat), es bleibt aber vieles im Unklaren.

Ein großartiger Start in eine Trilogie, die eine interessante Fantasiewelt mit starken und differenzierten Charakteren bevölkert. Ich bin begeistert und freue mich schon sehr auf den zweiten und dritten Teil.


In den Weihnachtsferien hatte ich das Glück, Kind5 und Kind6 in die aktuelle Mitmach-Ausstellung „Kunst und Spiel“ im Zoom Kindermuseum begleiten zu dürfen. Museumspädagogik ist ja ein Nischenbereich, der mich seit meines (inzwischen abgebrochenen) Bildungswissenschaftsstudiums immer wieder anzieht. Die Mitmach-Ausstellungen sind daher für mich auch eine Gelegenheit, zu beobachten, wie die Mitarbeiter:innen die Ausstellungsobjekte erklären und vermitteln und wie die Kinder verschiedenen Alters das Angebot annehmen.

Für mich war es die dritte Mitmach-Ausstellung, davor hatte ich bereits „Von Kopf bis Fuß“ zum Thema Körper (mit Kind3 und Kind4) und „Mit und ohne Worte“ zum Thema Kommunikation (mit Kind5) besucht. Im Vergleich muss ich leider sagen, dass mir bei der aktuellen Ausstellung des Öfteren der Bezug zur Kunst gefehlt hat, auch Kind5 hat gefragt, was dieses oder jenes denn nun mit Kunst zu tun hatte. Das Thema ist zweifellos sperriger als die Themen der beiden Ausstellungen, die ich vorher schon gesehen hatte. Gleichzeitig ist Spiel in einem Kindermuseum sowieso irgendwie immer mitgedacht. Vielleicht hätte es hier mehr Erklärung der Zusammenhänge gebraucht.

Gleich neben dem Eingang ist ein Schiff aufgebaut, in dem die Kinder herumklettern und von dessen Deck sie Papierflieger in den Raum starten lassen können. Weiter hinten im Raum befindet sich eine Kegelbahn. Erst kurz vor Ende unserer Zeit in der Ausstellung wurde mir klar, dass die Art, wie die Kugel auf die Kegel trifft, in den neben der Bahn an der Wand befindlichen Bilderrahmen als generative Kunstwerke dargestellt wird. Eine großartige Verbindung von Kunst und Spiel, die aber leider null erklärt wurde.

ein Regal mit Basteleien aus Knetmasse, von oben hängen an Schnüren Sonne und Planeten herab, an der hinteren Wand aus Knetmasse geformten Buchstaben das Wort „Weltraum“, unten eine bunte Landschaft mit mittig einem grünen Alien

In einem etwas abgetrennten Bereich können sich große und kleine Besucher:innnen mit Knetmasse austoben. Da hat sich mein inneres Kind ganz ordentlich gefreut. Auf den umstehenden Regalen waren unzählige Werke früherer Besucher:innen ausgestellt, teilweise thematisch gruppiert zum Beispiel „Essen“ oder „Weltraum“.

Im hintersten Raum waren Boden, Decke und Wände mit einem schwarz-weißen Raster tapeziert. An einem langen Tisch konnten die Kinder aus Bierdeckel-großen Kartonscheiben ihre eigenen Kreisel gestalten. Der Twist: auf dem Tisch waren Drehscheiben befestigt, darin eine Vertiefung für die Kartonscheiben. Wenn nun die Kartonscheibe auf der Drehscheibe gedreht wird, kann mit einem Stift von oben ein Spiralmuster auf der Kartonscheibe erzeugt werden. Anschließend werden die Kartonscheiben gelocht und mit einem Holzstab zu einem Kreisel verwandelt. Beim Drehen verwischen die Farben miteinander, das Auge kann aufgrund der Bewegung die einzelnen Farben nicht mehr unterscheiden. Hier wurden die Kinder vom Personal auch auf das Mischen von Farben miteinander aufmerksam gemacht.

auf einer goldenen Tischplatte liegen bemalte Kartonscheiben in verschiedenen Farben, teilweise mit Holzstäben zu Kreiseln gebastelt

Im schwarz-weiß-gerasterten Raum gab es in der Mitte auch noch einen versteckten Geheimraum (den wir ohne den Hinweis eines Mitarbeiters vermutlich nicht gefunden hätten). Darin erzeugten Spiegel eine Unendlichkeitsillusion. Hat mir mehr Spaß gemacht als den Kindern, die waren in aller Kürze schon wieder draußen.

Im abschließenden Gespräch mit den Mitarbeiter:innen fanden wir dann heraus, dass es wohl noch eine versteckte Spielebene gab, in der das anfangs erwähnte Schiff vor irgendeinem Unglück gerettet werden musste. Ein geheimes Rätsel, das mich vermutlich auch interessiert hätte, hätte ich auch nur irgendwas davon mitbekommen.

Insgesamt fand ich das Thema „Kunst und Spiel“ sehr spannend, wir haben wohl auch nicht alles gesehen bzw. ausprobiert (ich hätte auch gern ein Bild gekegelt, aber die Kegelbahn war konstant belagert). Die Ausstellung ist noch länger zu sehen, auf der Webseite steht aktuell kein Enddatum. Die nächste Mitmach-Ausstellung soll sich dann mit dem Thema „Donau“ befassen, so wurde uns zum Abschluss verraten.

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English Roman

Dan Simmons – Phases of Gravity

CN: sexuelle Handlungen, Waffen, Tod einer Partnerperson, Begräbnis


Baedecker felt a brief lifting of spirit. Here in the high, thin air the demanding gravity of the massive planet seemed slightly – ever so slightly – lessened.

In letzter Zeit hatte ich ja bereits öfter darüber gejammert, dass mich meine Notizen so im Stich lassen. Bei diesem Buch fällt das noch mehr ins Gewicht, weil es mir nämlich nicht besonders gefallen hat und ich nun wirklich gerne wüsste, wo diese Empfehlung hergekommen ist. (Ich habe Lithub im Verdacht, habe aber nichts Konkretes finden können.)

Baedecker could remember the first real crash of lightning, which, in an uncanny instant of suspended time before everyone ran for shelter, froze people, cars, benches, grass, buildings, and Baedecker himself in a stroboscopic flash of light that briefly made all the world a single frozen frame in an unwatched film.

Weil ich Ablenkung brauchte, bin ich in das Buch einfach reingesprungen und war relativ schnell ziemlich genervt. Es wird immer wieder zwischen verschiedenen Zeiten und Orten gesprungen und nicht mal eine Leerzeile trennt diese Teile voneinander. Da verabredet sich der Protagonist in einem Satz mit seinem Sohn zum Essen und im nächsten Satz ist es eine Woche später und er sitzt im Flugzeug. Nicht nur, dass diese Sprünge nicht mal eine Leerzeile wert sind, es wird auch einfach viel weggelassen bzw. einfach nicht erzählt. Da springt der Protagonist in einem Paraglider von einer Klippe (was immerhin das Ende eines Kapitels ist) und im nächsten Kapitel hat er davon zwar eine Beinverletzung davon getragen, aber der Rest wird einfach übersprungen. Ob die fehlenden Leerzeilen bei Orts- und Zeitsprüngen eine künstlerische Entscheidung sind oder der späteren Erstellung des eBooks geschuldet, bleibt unklar, ich fand es jedenfalls extrem anstrengend.

Scott did not seem to be listening. He pushed the hair out of his eyes and frowned in concentration. “Sometimes I prayed that you wouldn’t go, and sometimes I prayed that you wouldn’t die up there …” Scott paused and looked right at his father. “But most of the time, you know what I prayed? I prayed that when you did die there, they’d bring you back and bury you in Houston or Washington, D.C., or somewhere so I wouldn’t have to look up at night and see your grave hanging up there for the rest of my life.”

Der Inhalt? Ein ehemaliger Astronaut hat eine schlechte Beziehung zu seinem Sohn. Er besucht ihn in Indien, um ihn aus den Fängen eines Gurus zu retten (was ihm erst später im Buch mit einem Hubschraubereinsatz gelingt). Der Sohn lässt den Vater abblitzen, stellt ihm aber noch seine Freundin vor. Mit der der ehemalige Astronaut dann auch eine Affäre beginnt (das war der Moment, wo ich mir sicher war, dass das Buch schon älter sein muss, sowas würde heute wohl kaum mehr geschrieben). Dass später herauskommt, dass der Sohn das wohl absichtlich eingefädelt hat, weil er dachte, die beiden würden gut zusammenpassen, macht das Ganze auch nicht mehr viel besser. Wir lesen also über die Midlife-Crisis eines weißen Mannes, der alle wichtigen Beziehungen in seinem Leben seiner Karriere geopfert hat und nun versucht, Gräben zuzuschütten.

There’re places of power – yeah – no doubt about that. […] You have to help make them. You have to be in the right place at the right time and know it. […] Even places of power are useless unless you’re prepared to bring something to them.

Viele Worte, um auszudrücken, dass das Buch einfach nicht für mich war. Wenn ich doch nur noch wüsste, woher das auf meine Liste gekommen ist …


Ende November besuchte ich mit dem Fotografen die Werkschau zur Fotografin Mary Ellen Mark in der Galerie Westlicht. Mich hat wohl der Titel The Lives of Women angesprochen und den Fotografen muss ich zu Fotoausstellungen ja sowieso nicht überreden ;-)

[Anmerkung: Alle weiteren Zitate entstammen dem Ausstellungstext.]

Ausstellungsansicht, rechts im Vordergrund hängt an einer Wand ein Bild mit Batman und drei Kindern in Prinzessinnenkostümen, weiter hinten im Raum ein großes Bild, das eine Frau draußen zeigt

Mary Ellen Mark gilt „als eine der wichtigsten Vertreter:innen einer humanistisch geprägten Dokumentarfotografie“. In ihrer Arbeit hat sie sich auf marginalisierte Personengruppen konzentriert und ist dabei tief in deren prekäre Lebenswelten eingetaucht. Für ihr erstes umfangreiches Langzeitprojekt verbrachte sie gemeinsam mit der Autorin und Therapeutin Karen Folger Jacobs sechs Wochen in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung Ward 81 im Oregon State Hospital. Die beiden Frauen verbrachten den Alltag mit den Patientinnen und lernten diese in ihren vielen Facetten intensiv kennen.

Großes Interesse zeigt Mary Ellen Mark auch an der Welt des Zirkus und der Artist:innen. In Indien und Mexiko recherchierte sie tief ins Detail und „erhielt tiefe Einblicke in eine Welt, die von Mut, Gemeinschaft und Entbehrungen geprägt war“. Ein Bild aus dieser Serie hat mich besonders berührt. Es zeigt ein Mädchen im Volksschulalter, das auf dem Rüssel eines Elefanten sitzt. Sie trägt eine Art Bikini mit Metallverzierungen und Strümpfe, aber keine Schuhe. Mit dem linken Arm hält sie den Rüssel des Elefanten, sie lehnt auch ihren Kopf in diese Richtung. Die rechte Hand hält sie zur Faust geballt. Mit tief traurigem Gesichtsausdruck blickt sie in die Kamera, als würde sie innerlich anklagen, dass sie zwar fotografiert wird, aber dadurch ihr Leben nicht besser wird.

Ausstellungsansicht, an einer roten Wand hängen zwei Bilder, auf dem linken ist ein Kind zu sehen, das eine Blume an sein Gesicht hält, darunter ein Schaukasten mit dem Buch „Indian Circus“

Ein etwas weniger sozial brisantes Projekt sind Marks Fotografien von Zwillingspaaren. Dieses Projekt wurde von ihr vollständig selbst finanziert, um die größtmögliche Kontrolle zu bewahren.

Sie war fasziniert von dem Nebeneinander von Einzigartigkeit und Verbundenheit und dem Gedanken, dass sich trotz nahezu identischer Erbanlagen zwei eigenständige Leben und Persönlichkeiten entwickeln.

Einen großen Teil der Ausstellung bilden Portraits von Menschen aus vielen verschiedenen Regionen der USA. Sie fotografierte Menschen „bei Kinder-Schönheitswettbewerben und in Single-Bars“, schreckte aber auch vor Ku-Klux-Klan-Treffen nicht zurück. Mark selbst sagte, ihre Reisen durch Amerika hätten ihre Vision als Fotografin definiert. Gerade das konnte ich leider nicht nachvollziehen. Die Sammlung an Bildern aus mehr als drei Jahrzehnten, die keinem roten Faden oder auch nur einer Zeitlinie folgen, hat mich eher verwirrt zurück gelassen. Gleichzeitig hätte ich von den oben genannten thematischen Projekten wie Ward 81 und Indian Circus gerne mehr gesehen. Aber dazu müsste ich dann wohl die Bücher kaufen … Das habe ich soeben auf ihrer Webseite nachgeholt.

Die Ausstellung „The Lives of Women“ mit Werken der Fotografin Mary Ellen Mark in der Galerie Westlicht ist noch bis 16. Februar 2025 zu sehen.

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Lyrik

Nikolaus Lenau – Gedichte

CN: rassistische Bezeichnungen (N-, Ind.-, Z-), Suizidgedanken, Prostitution


Süß träumt es sich in einer Scheune,
Wenn drauf der Regen leise klopft;
So mag sichs ruhn im Totenschreine,
Auf den die Freudeszähre tropft.

Dieses Buch hat sich wie viele andere in letzter Zeit durch Geocaching in mein Leben geschlichen, allerdings auf eine andere Art: Ich habe es gelesen, weil ich selbst einen Mystery Cache ausarbeite, der sich eben mit den Werken und dem Leben des Dichters Nikolaus Lenau befassen soll. So kam ich dann tatsächlich dazu, ein ganzes Buch voller Gedichte zu lesen, die noch dazu fast 200 Jahre alt sind …

Aufgefallen ist mir schnell, wie viele Bezüge zur griechischen Mythologie in den Gedichten vorkommen (zB Hesperus/Hesperos = der Abendstern in der griech. Mythologie). Viele andere Zusammenhänge habe ich allerdings erst nach der (zweifachen) Lektüre des Nachworts von Hansgeorg Schmidt-Bergmann verstanden.

Da wird unter anderem angemerkt, dass Lenau für seine Zeit sowas wie ein Influencer gewesen wäre, der sein eigenes Leben als gelebte Poesie inszenierte und sich „durch die Attitüde des innerlich zerrissenen Künstlers“ zu einem „Märtyrer der Poesie“ verklärte, der „sich seiner Dichtung zum Opfer darbrachte“. Dazu Lenau selbst:

„Ich will mich selber ans Kreuz schlagen, wenn’s nur ein gutes Gedicht gibt.“

Hansgeorg Schmidt-Bergmann diagnostiziert Lenau weiters, dass seine Melancholie, sein ostentativer Schmerz am Leben keinesfalls Attitüde waren, sondern hingegen „so bitter wie ernst“. Von 1831 an soll Lenau ständig auf Reisen gewesen sein, ohne festen Wohnsitz. Von einer Reise nach Amerika kehrt er enttäuscht vom dort herrschenden Kapitalismus zurück. Sein „anarchischer Individualismus“ zeigt sich auch in sozialem Protest, der ihn schließlich zum Symbol für den österreichischen Vormärz werden lässt. Nikolaus Lenau stirbt am 22. August 1850 „nach sechsjährigem Leiden“ (lt. Wikipedia erlitt er im Jahr 1944 einen Schlaganfall).

Lenaus Streben für die Kunst hat somit von Beginn an den Verzicht auf ein gelungenes Leben zur Voraussetzung.

Jahresrückblick 2024.

Reisen:

  • Erstmals mit Lupo auf Reisen. Daher fahren wir jetzt untertags nach Berlin mit jeweils einem Zwischenstop mit Übernachtung. So haben wir dieses Jahr einige deutsche Städte besichtigt (Passau, Regensburg, Erfurt, Augsburg, Straubing, Bamberg).
Schriftzug „BAMBERG“, die Buchstaben sind etwa menschengroß und sehr bunt bemalt, dahinter schmale dreistöckige Häuser, vorne im Bild steht ein schwarzbrauner Hund, der nach links aus dem Bild schaut
  • Anfang Juli wollte ich aus Gründen nicht in Berlin sein und habe mich mit dem Fotografen in Hradec Králové getroffen, wo wir ein schönes Wochenende verbracht haben.

Bestes Konzert (auch einziges Konzert …): Sleep Token in Linz.

Die größte Herausforderung und gleichzeitig die größte Enttäuschung: Die dramatische Krise einer langen und intensiven Freundschaft, die sich bereits im Vorjahr abgezeichnet und dieses Jahr neue Tiefpunkte erreicht hat.

Erfolge:

Die tollste Anschaffung: Kürzlich habe ich mich dabei erwischt, wie ich das Sodastream-Gerät als beste Anschaffung des Jahres bezeichnet habe. Das ist natürlich Unsinn, denn seit diesem Sommer sind wir auch im Besitz eines Nihola-Lastenrads!

Nihola Lastenrad von vorne gesehen, im Korb sitzt ein schwarzbrauner Hund, der sich gerade mit der Zunge die Nase abschleckt

Geocaching: Hat dieses Jahr hauptsächlich auf Reisen stattgefunden. Aber ich habe dieses Jahr auch selbst zwei Geocaches gestaltet und veröffentlicht:

Es soll eine Serie werden, die nächsten zwei habe ich beinahe schon fertig, einer davon wird mein erster Adventure Lab Cache sein.

Ausblick: 2024 war in vieler Hinsicht von Frustration und einem Gefühl von Stillstand geprägt. Seit meinem letzten Rückblick hat sich wenig zum Positiven verändert. Für mich selbst hoffe ich, dass es mir dieses Jahr besser gelingt, das „Leiden an der Welt“ zu ertragen und einen besseren Weg zu finden, wie ich damit umgehen kann. Dazu gehört, dass ich wieder mehr verreisen möchte. Einen Interrail-Pass habe ich bereits gekauft. Eine Reise mit meiner Freundin und ihren Kindern nach Spanien im Sommer ist gebucht. Dazwischen wird es hier natürlich weiter um Bücher gehen. Kann Spuren von Eskapismus enthalten.

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Roman

Teresa Präauer – Kochen im falschen Jahrhundert

CN: Andeutung sexueller Handlungen (keine grafischen Beschreibungen), Essen (inkl. Tierprodukte), Alkoholkonsum


Zwei Anläufe habe ich gebraucht, obwohl das Buch weder lang, noch langweilig, noch schwierig zu lesen ist. Trotzdem ging mir im Dezember einfach die Luft aus, es waren einige Tage, wo ich abseits der Erwerbsarbeit für nichts Konzentration übrig hatte. Und dann ist mir beim zweiten Lesen auch wieder der Großteil meiner Notizen verloren gegangen. Etwa bei der Hälfte konnte ich das Buch in der Onleihe-App nicht mehr öffnen (es bleibt beim Öffnen einfach beim Spinner hängen). Daher musste ich zum externen Reader wechseln und habe nun wieder nur Notizen zur zweiten Hälfte des Buchs. Was schade ist, weil ich viele Zitate notiert hatte, mit denen ich mein Verständnis des Buchs untermauern wollte …

Nachdem gleich mehrere Bloggerinnen, deren RSS-Feeds ich regelmäßig lese (Links folgen weiter unten), dieses Buch erwähnt hatten, war mein Interesse geweckt. Und dann konnte ich zuerst absolut gar nichts damit anfangen. Eine namenlose Gastgeberin bereitet eine Dinnerparty vor; in ihrer (nicht mehr ganz) neuen Wohnung möchte sie erstmals Gäste empfangen und fühlt sich dabei sehr erwachsen. Diese Dinnerparty findet im Verlauf des Buches mehrmals statt mit jeweils unterschiedlichen Vorzeichen (die Gäste kommen alle bzw. teilweise zu spät, einmal kommen später ungebetene Gäste dazu). Daraus ergeben sich dann auch unterschiedliche Verläufe der Abendeinladung.

Die Gastgeberin lachte. Was sie bloß so verunsichere an diesen Einladungen. Man müsse eben in Übung kommen, sagte ihr Partner, der selbst nicht in Übung war. Auf den Bildern sehe es so einfach aus. Als würden sich alle so leicht tun mit dem Leben, mit dem Genuss, mit den Freundschaften.

Gemeinsam haben diese unterschiedlich verlaufenden Dinnerparties, das sich die Gastgeberin immer wieder im falschen Jahrhundert fühlt, dies wird durch unterschiedliche Handhabung der altmodischen (aber gleichzeitig hochqualitativen) Kochschürze zusätzlich verdeutlicht. Das Gespräch dreht sich viel zu oft darum, was man heutzutage wie sagt oder überhaupt noch sagen darf, gerade der Schweizer hat dazu immer etwas beizutragen. Daraus erklärt sich auch, dass die Geschichte in Österreich stattfindet, denn:

Man sagte hier ja selten Stuhl, man sagte Sessel, zu Sesseln und zu Stühlen. Zu Sesseln wiederum sagte man ebenso gern Fauteuil.

Die Gastgeberin hat sich einen Plan zurecht gelegt, wie sie die Schale aus Büffelhorn, die sie von einer Konferenz in Nairobi mitgebracht hat, rechtfertigen kann. Die allgegenwärtige politische Korrektheit wird dermaßen auf die Spitze getrieben, dass ich manchmal nicht sicher war, ob vielleicht doch alles komplett satirisch gemeint ist. Auch die Social-Media-Kultur der heutigen Zeit wird zelebriert (oder karikiert?) in Gestalt der Ehefrau, die den gelungenen Abend mit Hashtags wie Best Friends Forever, Foodporn und Winelovers öffentlich im Internet anpreist.

Es kam ihr so vor, als hätte der Amerikaner sie wirklich gesehen, als hätte er in ihr Artischockenherz geblickt, als hätte er all die Zweifel, die sie hegte, und die Ansprüche, die sie an sich und die anderen stellte, darin ablesen können.

Zwischen der Erzählung der verschiedenen Versionen der Dinnerparty finden sich immer wieder kurze Kapitel mit Erinnerungen an frühere Erfahrungen mit Kochen, Essen und Genuss: erste eigene Küchenausstattungen, die unterschiedliche Küche der Großmütter- und Müttergeneration und österreichische Originale wie den Pfirsich-Spritzer, den ich in meiner Jugend auch konsumiert habe.

Eines dieser Zwischenkapitel widmet sich dem Trend Food-Fotografie und besteht aus einer Aneinanderreihung von in Worte gefassten Essensfotos, es könnten die (schlecht verfassten) Alternativtexte1 eines Foodporn-Hashtags sein. Ein anderes Kapitel erzählt Essenserinnerungen aus verschiedenen Reiseperspektiven, hier zum Beispiel junge Menschen unterwegs in China:

Erzähl von dieser Reise nach China, als ihr sehr jung gewesen seid! Ihr konntet weder die Sprache sprechen noch die Schriftzeichen lesen, und es gab damals auch kein mobiles Internet. Hungrig deutetet ihr auf die Wörter in der Speisekarte eines Restaurants. Und als ihr das Essen dann serviert bekommen hattet, wart ihr euch ganz sicher, so etwas wie Krokodil, Hund oder Schildkröte zu essen.

Eingestreut werden immer wieder die Songs, mit der eine algorithmisch generierte Playlist den Abend begleitet. Das kann ebenso als Demonstration von Kultur und Kultiviertheit verstanden werden wie die immer wieder genannten Designerstücke, zum Beispiel der dänische „Esstisch, in dessen Mitte eine Vase des finnischen Designers Alvar Aalto stand“.

Die Kaltmamsell sieht in diesem Buch ein „Sittengemälde mit bestimmten gesellschaftlichen Typen“ und findet kürzere Worte für Dinge, die ich oben bereits beschrieben habe („Instagramisierung des Lebens samt Hashtags, zeitgenössische Distinktion mit Statussymbolen und Markennamen“). Gleichzeitig nimmt sie das Buch zum Anlass, über ihre eigenen Erfahrungen als Gastgeberin zu reflektieren.

Jana nimmt in ihrer Buchbeschreibung einen feministischeren Standpunkt ein und sieht in beiläufigen Details (wie dem Nicht-Ausziehen der Schuhe, das der Gastgeberin Mehrarbeit verursacht) „die volle Wucht patriarchaler Ungerechtigkeiten“. Für sie ist die Schürze ebenfalls ein wichtiges Symbol und sie verweist auf „die komplizierten Weiblichkeitsvorstellungen/-rollen, die damit verbandelt sind“ und die von der Autorin außerdem mit „Social-Media-Performativität“ verbunden werden.

  1. Ein Alternativtext ist eine Bildbeschreibung, die von Screenreadern vorgelesen wird und visuelle Inhalte so auch für blinde Menschen zugänglich macht. Hier findet ihr einen umfangreichen Leitfaden zum Schreiben sinnvoller Alternativtexte und hier eine kurze Checkliste. ↩︎